Anwendbarkeit der Degressionsregelung der vertragszahnärztlichen Versorgung auf Oralchirurgen
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Honorarabzuges wegen degressionsbedingter Punktwertabsenkung.
Der Kläger ist Zahnarzt mit Weiterbildung zum Mund-, Kiefer- und Gesichts(MKG)-Chirurgen. Er ist als Allgemeinzahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen
Vereinigung (KZÄV) und außerdem zur vertragsärztlichen Versorgung als MKG-Chirurg zugelassen. Zum 1. April 2005 erlangte er die Umschreibung seiner vertragszahnärztlichen Zulassung in eine solche
für Oralchirurgie (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 21. März 2005). In diesem Bescheid ist - wie der Kläger es ausdrücklich
beantragt hatte - bestimmt, dass er prothetische Leistungen ausschließlich als Interimsversorgung im Zusammenhang mit chirurgischen
Eingriffen, als Defektprothetik bei Tumorerkrankungen und Unfallfolgen sowie als Leistungen im Rahmen von Ausnahmeindikationen
nach §
28 Abs
2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) erbringen dürfe.
Im Honorarabrechnungsbescheid für das Quartal III/2005, für das der Kläger ein Abrechnungsvolumen von 317.045 Punkten in Ansatz
gebracht hatte, legte die Beklagte als degressionsfreie Punktmenge gemäß §
85 Abs
4b SGB V 262.500 Punkte - zuzüglich 9.844 Punkte für einen 54 Tage tätigen Assistenten - zugrunde. Dadurch ergab sich für den Kläger
ein Honorarabzug von 7.633,30 EUR (Honorarbescheid vom 18. Januar 2006).
Der Kläger ist mit Widerspruch und Klage ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2006 und Urteil des Sozialgerichts
[SG] vom 17. Mai 2006). In dem Urteil ist zur Begründung ausgeführt: Die Degressionsregelungen des §
85 Abs
4b Satz 1
SGB V seien grundsätzlich verfassungsgemäß, wie das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden
hätten. Die seit dem 1. Januar 2005 bestehende Besserstellung der Kieferorthopäden sei nicht zu beanstanden. Die zum 1. Januar
2005 für die anderen Vertragszahnärzte erfolgte Absenkung der degressionsfreien Punktmenge und der Degressionsstufen sei dadurch
gerechtfertigt, dass die Honorierung von Zahnersatz-Leistungen auf befundbezogene Festzuschüsse umgestellt worden sei, wodurch
die Zahnersatz-Leistungen nunmehr außerhalb der Gesamtvergütung honoriert und nicht mehr in die Punktmengenberechnungen für
die Degression einbezogen würden. Kieferorthopäden indessen erbrächten keine Zahnersatz-Leistungen, daher habe der Gesetzgeber
es für sie bei den bisherigen Degressionsstufen belassen können. Alle Zahnarztgruppen, die nicht Kieferorthopäden seien, seien
in §
85 Abs
4b Satz 1
SGB V unter dem Begriff der Allgemeinzahnärzte zusammengefasst worden. Dies gelte auch für Oralchirurgen und entspreche im Übrigen
der Terminologie in den Bedarfsplanungs-Richtlinien(RL)-Zahnärzte, in denen ebenfalls nur zwischen Allgemeinzahnärzten und
Kieferorthopäden differenziert werde und weder die MKG- noch die Oralchirurgen gesondert erwähnt seien. Zudem treffe der für Kieferorthopäden geltende Gesichtspunkt, dass sie keine
Zahnersatz-Leistungen erbrächten, auf Oralchirurgen nicht zu. Ohne Bedeutung sei, dass der Kläger von sich aus eine Beschränkung
dahingehend erwirkt habe, dass er nur in engen Grenzen prothetische Leistungen erbringen dürfe. Der Gesetzgeber habe keine
Regelung treffen müssen, die die Berücksichtigung eines individuellen Leistungsspektrums und individueller Tätigkeitsschwerpunkte
einzelner Zahnärzte ermögliche.
Mit seiner Sprungrevision macht der Kläger geltend, die Absenkung der Degressionsstufen bei den Allgemeinzahnärzten zum 1.
Januar 2005 habe Oralchirurgen, die - wie er - praktisch keine Zahnersatz-Leistungen erbrächten, nicht erfassen dürfen. Die
Absenkung beruhe darauf, dass ab diesem Zeitpunkt beim Zahnersatz die Umstellung auf befundbezogene Festzuschüsse vorgenommen
worden sei, dadurch die Zahnersatz-Leistungen nunmehr außerhalb der Gesamtvergütungen honoriert würden und somit nicht mehr
in die über die KZÄV abzurechnende Punktmenge einflössen, sodass sie nicht mehr in die Punktmengenberechnungen für die Degression
einbezogen würden. Den Kieferorthopäden seien die - für sie zum 1. Januar 2004 auf 280.000 / 360.000 / 440.000 Punkte festgelegten
- Degressionsstufen weiterhin belassen worden, weil sie keine Zahnersatz-Leistungen erbrächten. Dieser Gesichtspunkt treffe
auch auf Oralchirurgen zu, soweit diese wie er - der Kläger - keine oder jedenfalls kaum prothetische Leistungen erbrächten.
Zumindest wenn Oralchirurgen schon im Zulassungsstatus dementsprechend beschränkt seien, sodass prothetische Leistungen höchstens
1 % der abgerechneten Leistungen ausmachen könnten, dürften die Degressionsstufen von 262.500 / 337.500 / 412.500 Punkten
nicht gelten. Nicht zu folgen sei der Argumentation des SG, eine Beschränkung des Tätigkeitsbereichs, die ein Zahnarzt von sich aus erwirkt habe, ohne dass dafür im Heilberufsgesetz
eine Grundlage bestehe, sei bedeutungslos. Dasselbe müsste für Kieferorthopäden gelten, deren Tätigkeitsbeschränkung ebenso
wenig zwingend, sondern erst Folge des Antrags auf entsprechend eingeschränkte Zulassung sei. Stelle der Gesetzgeber die Kieferorthopäden
von der Absenkung der Degressionsstufen frei, so müsse das entsprechend für Oralchirurgen wie ihn - den Kläger - gelten. Auch
das BSG gehe erkennbar von der Möglichkeit der Tätigkeitseinschränkung aus, indem es im Urteil vom 14. Dezember 2005 (SozR
4-2500 § 106 Nr 12) eine engere Vergleichsgruppe nach Maßgabe des tatsächlichen Behandlungsspektrums gefordert habe. Auch
nach den Bedarfsplanungs-RL-Zahnärzte seien das konkrete Tätigkeitsgebiet sowie Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen (aaO
Abschnitt D.4.1 und Anlage 1 Planungsblatt A Spalte 8). Allein damit, dass die Oralchirurgie in den Bedarfsplanungs-RL-Zahnärzte
nicht ausdrücklich benannt sei, lasse sich eine Benachteiligung der Oralchirurgen nicht rechtfertigen. Mithin sei die ab 1.
Januar 2005 erfolgte Herabsetzung der degressionsfreien Punktmenge und der Degressionsstufen nicht auf Oralchirurgen anwendbar,
sie sei vielmehr wegen Verletzung von Art
3 Abs
1 und Art
12 Abs
1 Grundgesetz (
GG) verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17. Mai 2006 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Honorarbescheids für
das Quartal III/2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2006 zu verurteilen, dem Kläger einen neuen
Honorarbescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Aus dem Heilberufsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (HeilberufsG) ergebe sich keine Unterscheidung zwischen
verschiedenen zahnärztlichen Tätigkeiten, denn nach § 51 Abs 1 Satz 3 iVm § 41 Abs 1 HeilberufsG bewirke das Führen einer
Gebietsbezeichnung bei Zahnärzten keine Beschränkung ihrer zahnärztlichen Tätigkeit. Nach den Bedarfsplanungs-RL-Zahnärzte
(Abschnitte D.1. Satz 2 und G.1.4 aaO) bestehe eine Trennung lediglich zwischen der zahnärztlichen und der kieferorthopädischen
Versorgung. Nur für diese beiden Versorgungsbereiche seien getrennte Bedarfsermittlungen und Verhältniszahlen vorgegeben.
Eine gesonderte Berechnung für die Oralchirurgen erfolge nicht, diese seien vielmehr den Allgemeinzahnärzten zugeordnet. Eine
weitergehende Differenzierung sei bei Bedarfsermittlungen nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage,
ob bzw inwieweit die vom Kläger erwirkte "Umschreibung" seiner Zulassung bzw der "Wechsel" des Fachgebiets vom Allgemeinzahnarzt
zum Oralchirurgen überhaupt Folgen habe. Auswirkungen ergäben sich jedenfalls nicht bezogen auf §
85 Abs
4b SGB V. Diese Bestimmung enthalte seit 2004 eine Differenzierung, aber nur zwischen Vertragszahnärzten und Kieferorthopäden. In
diesem System seien die Oralchirurgen den Vertragszahnärzten zuzuordnen. Darin liege keine gegen Art
3 Abs
1 GG verstoßende Gleichbehandlung von Ungleichem. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen Art
12 Abs
1 GG vor, weil die vorgenommenen Einschränkungen durch wichtige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt seien.
II. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das SG hat sein Begehren, höheres Honorar unter Zugrundelegung einer höheren degressionsfreien Punktmenge zu erhalten, zu Recht
zurückgewiesen.
Die in §
85 Abs
4b Satz 1
SGB V je Vertragszahnarzt festgelegte degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen von 262.500 / 337.500 / 412.500
Punkten (mit Kürzungen der jeweiligen die Stufe überschreitenden Punktmengen um 20 % / 30 % / 40 %) sind auch auf Oralchirurgen
anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn deren Zulassung wie im Fall des Klägers eine Beschränkung des Umfangs prothetischer
Leistungen enthält. Die Regelungen des §
85 Abs
4b SGB V sind (1.) sowohl im Grundsatz rechtmäßig, wie bereits früher entschieden wurde, (2.) als auch in ihrer Neufassung durch das
GKV-Modernisierungsgesetz (GMG - vom 14. November 2003, BGBl I 2190) nicht zu beanstanden.
1. Das BSG und das BVerfG haben bereits wiederholt entschieden, dass die Degressionsregelungen des §
85 Abs
4b ff
SGB V mit Art
12 Abs
1 und Art
3 Abs
1 GG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar sind (grundlegend BSGE 80, 223 = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 sowie dazu BVerfG [Kammer] NJW 2000, 3413 und NVwZ-RR 2002, 802; siehe weiterhin zB BSG MedR 2000, 49, 50 mit Angabe zahlreicher weiterer BSG-Urteile; ferner BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 383; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr
2 RdNr 11). Wie in diesen Entscheidungen ausgeführt ist, ist die in den Degressionsregelungen liegende Begrenzung der vertragszahnärztlichen
Vergütung rechtmäßig, weil sie wichtigen Gemeinwohlbelangen dient. Ihr Ziel ist es vor allem, Einsparungen bei den Krankenkassen
zu erreichen und die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Die Bestimmungen sollen zusätzlich
Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegensteuern, indem Zahnärzten mit umsatzstarken Praxen
ein Anreiz gegeben wird, Patienten an andere, die Punktmengengrenzen nicht erreichende Zahnärzte abzugeben und so der Gefahr
von Qualitätsdefiziten infolge übermäßiger Leistungserbringung entgegenzuwirken. Der Senat hat ferner darauf hingewiesen,
dass große Umsätze im Allgemeinen Rationalisierungsmöglichkeiten und Kostenvorteile ergeben, weil die Betriebskosten bei größeren
Leistungsmengen einen degressiven Verlauf haben, da die Mitarbeiter und die Geräte produktiver eingesetzt werden können. Er
hat im Rahmen der Gesamtabwägung dargelegt, dass bei Prüfung der Verfassungsmäßigkeit solcher Regelungen eine generalisierende
Betrachtung von deren Auswirkungen auf den betroffenen Berufszweig insgesamt zugrunde zu legen ist (BSGE aaO S 226-229 bzw
SozR aaO S 136-140 und BSG MedR aaO S 50; vgl auch BVerfG [Kammer] NJW 2000, 3413). Das BVerfG hat ausdrücklich ausgesprochen, dass die eine Punktwertdegression rechtfertigenden Zwecke, die Qualität vertragszahnärztlicher
Leistungen zu verbessern und die Beitragssatzstabilität und damit die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung
zu erhalten, ausreichend gewichtige Gründe des Gemeinwohls sind (BVerfG [Kammer] NVwZ-RR 2002, 802).
Die Bewertung als verfassungsgemäß gilt auch für die Neuregelungen ab dem 1. Januar 1999, wie im Urteil des BSG vom 21. Mai
2003 (SozR 4-2500 § 85 Nr 2) zum Ausdruck kommt. Darin hat der Senat im Zusammenhang mit der Darstellung des Regelungsinhalts
(aaO RdNr 11) und dessen Verfassungsmäßigkeit (RdNr 11 am Ende) ausdrücklich auch auf die Wiedereinführung der - dabei nur
marginal veränderten - Degressionsbestimmungen ab dem 1. Januar 1999 Bezug genommen (RdNr 10).
2. Auch die heute geltende Fassung des §
85 Abs
4b Satz 1
SGB V, die dieser durch das GMG erhalten hat, ist verfassungsgemäß.
Mit der Neuregelung durch das GMG hat der Gesetzgeber bei der - bis dahin für alle Vertragszahnärzte einheitlichen - degressionsfreien
Gesamtpunktmenge und den Degressionsstufen erstmals Differenzierungen eingeführt, nämlich zwischen Vertragszahnärzten und
Kieferorthopäden unterschieden. Für Vertragszahnärzte blieben die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen
noch bis Ende 2004 bei 350.000 / 450.000 / 550.000 Punkten je Kalenderjahr; für Kieferorthopäden wurden sie indessen ab Beginn
des Jahres 2004 auf 280.000 / 360.000 / 440.000 Punkte abgesenkt (so der angefügte zweite Halbsatz des §
85 Abs
4b Satz 1
SGB V). Der Gesetzgeber hat im GMG weiterhin zum 1. Januar 2005 eine Senkung auch für die "sonstigen" Vertragszahnärzte (die nicht
als Kieferorthopäden zugelassen sind) festgelegt, und zwar von 350.000 / 450.000 / 550.000 auf 262.500 / 337.500 / 412.500
Punkte je Kalenderjahr. Dadurch lagen zunächst im Jahr 2004 die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen
für Vertragszahnärzte höher als für Kieferorthopäden, ab dem Jahr 2005 dagegen für Vertragszahnärzte niedriger als für Kieferorthopäden.
Diese Neuregelungen sind weder generell noch speziell hinsichtlich der Oralchirurgen zu beanstanden.
Die Absenkung zum 1. Januar 2004 für die Kieferorthopäden war abgestimmt auf die gleichzeitige Umstrukturierung des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen, durch die die Punktzahlen für Zahnersatz- und kieferorthopädische Leistungen
herabgesetzt und diejenigen für konservierend-chirurgische Leistungen angehoben wurden (BT-Drucks 15/1525 S 102 "Zu Buchstabe
j", vgl dazu §
87 Abs
2d SGB V). Die Absenkung zum 1. Januar 2005 für alle sonstigen Vertragszahnärzte beruhte auf der Umstellung beim Zahnersatz auf befundbezogene
Festzuschüsse (aaO S 153 "Zu Nummer 7" "Zu Buchstabe c"). Diese bewirkte, dass die Zahnersatz-Leistungen nunmehr außerhalb
der Gesamtvergütungen honoriert werden und nicht mehr in die Punktmengenberechnungen für die Degression eingehen (sog Festzuschusssystem,
§
87 Abs
1a iVm §§
55 f
SGB V, vgl dazu BT-Drucks 15/2710 S 42), sodass sich, bezogen auf die Degressionsregelungen, Vorteile für alle diejenigen ergaben,
die Zahnersatz-Leistungen erbringen. Um dem Rechnung zu tragen, sind für alle Vertragszahnärzte außer für die Kieferorthopäden
die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen abgesenkt worden. Ebenso wie die zum 1. Januar 2004 erfolgte
Absenkung für Kieferorthopäden war auch diese zum 1. Januar 2005 vorgenommene Absenkung für die sonstigen Vertragszahnärzte
sachlich gerechtfertigt. Diese Absenkung von 350.000 / 450.000 / 550.000 auf 262.500 / 337.500 / 412.500 Punkte je Kalenderjahr
durfte auch die Oralchirurgen erfassen, ohne dass dies gegen die Vorgaben des Art
3 Abs
1 und/oder des Art
12 Abs
1 GG verstößt.
Das Gleichbehandlungsgebot des Art
3 Abs
1 GG fordert, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, während wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden kann (stRspr, vgl
zB BVerfGE 113, 167, 214 = SozR 4-2500 § 266 Nr
8 RdNr
83). Eine Ungleichbehandlung ist mit Art
3 Abs
1 GG vereinbar, wenn Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können
(s zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 38; BVerfGE 113, 167, 214 f = SozR aaO). Dabei ist der Normgeber befugt, zu pauschalieren, zu typisieren, zu generalisieren und zu schematisieren
(vgl zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR aaO RdNr 39; ebenso zB BSG, Urteil vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 8/05 R -, RdNr 21 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Er hat grundsätzlich eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, ob
bzw inwieweit er für verschiedene Fachgruppen unterschiedliche Regelungen trifft oder sie gleichbehandelt. Dies hat der Senat
bereits für den Satzungsgeber bei der Honorarverteilung ausgeführt (BSG aaO RdNr 21 ff, insbes auch RdNr 24 mwN), und das
gilt gleichermaßen auf der hier betroffenen Ebene förmlicher Gesetze (vgl BSG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - B 6 KA 1/05 R - RdNr 20 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Nach diesen Maßstäben durfte der Gesetzgeber die degressionsfreie Punktmenge und die Degressionsstufen für die (sonstigen)
Vertragszahnärzte, die nicht als Kieferorthopäden zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen sind, im Zuge der Umstellung
der Abrechnung von Zahnersatz-Leistungen absenken. Zahnärzte erbringen typischerweise in durchaus nennenswertem Umfang auch
Zahnersatz-Leistungen; der Anteil am Gesamtabrechnungsvolumen betrug in den Jahren 2004/2005 im Durchschnitt aller Vertragszahnärzte
ca 24 % (vgl für 2004: Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung [Hrsg], KZBV Jahrbuch 2005, S 78; für 2005: Bundesministerium
für Gesundheit [Hrsg], Endgültige Rechnungsergebnisse der gesetzlichen Krankenversicherung, Stand: 4. September 2006, Alte
Bundesländer, S 4, recherchierbar unter www.bmg.bund.de/statistiken/gesetzliche Krankenversicherung/Finanzergebnisse/Endgültige
Rechnungsergebnisse der GKV 2005). Die Honorierung der Zahnersatz-Leistungen wurde zum 1. Januar 2005 in der Weise geändert,
dass insoweit nunmehr befundbezogene Festzuschüsse (hierzu s §
87 Abs
1a iVm §§
55 f
SGB V) außerhalb der Gesamtvergütungen gewährt werden, dh das Honorar für diese Leistungen fließt nicht mehr in die über die KZÄV
abzurechnende Punktmenge und dementsprechend nicht mehr in die Punktmengenberechnungen für die Degression ein. Dies berechtigte
den Gesetzgeber, entsprechend dieser Honorarausgliederung die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen
abzusenken, wie er es mit deren Verminderung um 25 % - von 350.000 / 450.000 / 550.000 auf 262.500 / 337.500 / 412.500 Punkte
je Kalenderjahr - auch getan hat.
Die dem Grunde nach gerechtfertigte Absenkung der degressionsfreien Gesamtpunktmenge und der Degressionsstufen ist auch insoweit
mit Art
3 Abs
1 GG vereinbar, als sie die Oralchirurgen miterfasst.
Zweifel, ob nach der Konzeption des §
85 Abs
4b SGB V auch die Oralchirurgen von der Absenkung erfasst werden, sind nicht begründet. Denn im Rahmen der Terminologie des §
85 Abs
4b SGB V können sie nur den "Vertragszahnärzten" zugeordnet werden, womit für sie die für diese festgelegte degressionsfreie Punktmenge
wie auch die Degressionsstufen gelten. Dies war unzweifelhaft, als §
85 Abs
4b Satz 1
SGB V - bis zum 31. Dezember 2003 - überhaupt nur den Begriff Vertragszahnarzt enthielt. Daran hat sich aber auch durch dessen
Neufassung zum 1. Januar 2004 mit Anfügung des Halbsatzes 2, in dem für Kieferorthopäden gesonderte Degressionsstufen normiert
sind, nichts geändert. Mit dieser Anfügung, die ausdrücklich nur die Kieferorthopäden nennt, hat der Gesetzgeber deutlich
gemacht, dass er nur für diese Gruppe eine abweichende Regelung treffen wollte, es dagegen für alle übrigen Vertragszahnärzte
bei der allgemeinen Regelung für Vertragszahnärzte bleiben sollte, die mithin auch für die Oralchirurgen gilt. Für diese galten
also zunächst - bis Ende 2004 - ebenfalls die Degressionsstufen von 350.000 / 450.000 / 550.000 Punkten, sie traf aber auch
deren Absenkung zum 1. Januar 2005 auf 262.500 / 337.500 / 412.500 Punkte je Kalenderjahr. Die Gleichbehandlung der Oralchirurgen
mit den sonstigen Vertragszahnärzten (ohne Kieferorthopäden) ist mit Art
3 Abs
1 GG vereinbar. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Kläger greifen nicht durch.
Allerdings verbietet der Gleichheitssatz nicht nur, wesentlich Gleiches ungleich, sondern auch, wesentlich Ungleiches gleich
zu behandeln (stRspr, vgl zB BVerfGE 98, 365, 385; 112, 368, 404 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 62; BSG MedR 2000, 49, 50). Die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist aber nur dann rechtswidrig, wenn die tatsächliche Ungleichheit so
groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf;
der Spielraum des Gesetzgebers ist dabei weit bemessen (BVerfGE 98, 365, 385; 112, 368, 404 = SozR aaO).
Nach diesen Maßstäben stellt die Gleichbehandlung der Oralchirurgen mit den sonstigen Vertragszahnärzten keinen Verstoß gegen
Art
3 Abs
1 GG dar. Der Gesetzgeber war und ist nicht verpflichtet, außer den Kieferorthopäden auch die Oralchirurgen aus der Gesamtgruppe
der Vertragszahnärzte auszunehmen. Ein ausreichender Sachgrund, nur für Kieferorthopäden eine Sonderregelung zu treffen, ergibt
sich daraus, dass nur diese als gesamte Gruppe typischerweise keine Zahnersatz-Leistungen erbringen. Auch soweit sie berufsrechtlich
- wie in Nordrhein-Westfalen - daran nicht gehindert sind (s § 51 Abs 1 Satz 3 iVm § 41 Abs 1 HeilberufsG und dazu BSG SozR
4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 19), gliedern diejenigen Zahnärzte, die eine Zulassung als Kieferorthopäde beantragen und erhalten,
faktisch - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist - keinen Zahnersatz ein. Eine ebensolche besondere Lage ist
indessen bei der Gruppe der Oralchirurgen nicht gegeben. Zwar gibt es auch Oralchirurgen, die keine Zahnersatz-Leistungen
oder diese jedenfalls nur in sehr geringem Ausmaß erbringen. Dies ist aber eine kleine Minderheit, wie sich aus dem Urteil
vom 14. Dezember 2005 ergibt, das sich mit der Frage der Verpflichtung zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe bei der
Wirtschaftlichkeitsprüfung befasst hat (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 21 f mit Angaben von weniger als 10 % ausschließlich
oralchirurgisch tätiger Zahnärzte in der großen und insoweit auch repräsentativen KZÄV Nordrhein). Da mithin nur ein sehr
kleiner Teil der Oralchirurgen auf die Erbringung von Zahnersatz-Leistungen verzichtet, weist die Gruppe der Oralchirurgen
keine so gewichtigen Besonderheiten auf, dass der Gesetzgeber für sie eine Sonderregelung treffen müsste. Hierbei durfte der
Gesetzgeber zudem berücksichtigen, dass auch der Normgeber der Bedarfsplanungs-RL-Zahnärzte keinen Anlass gesehen hat, eine
Sondergruppe der Oralchirurgen zu bilden, für die dann eine gesonderte Bedarfsplanung gelten würde. An diesen Einschätzungen,
die gegen eine Atypik der Gruppe der Oralchirurgen als Ganzer sprechen, durfte sich der Gesetzgeber - pauschalierend und schematisierend
- orientieren. Dementsprechend war er nicht verpflichtet, außer den Kieferorthopäden auch die Oralchirurgen aus der Regelung
für die Gesamtgruppe der Vertragszahnärzte herauszunehmen.
In diesem Zusammenhang ist allgemein darauf hinzuweisen, dass die Maßstäbe, die nach der Rechtsprechung des Senats bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen
nach §
106 SGB V die Bildung verfeinerter Vergleichsgruppen fordern, nicht in gleicher Weise für Honorarregelungen wie diejenigen des §
85 Abs
4b ff
SGB V gelten. Während bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung uU schon dann, wenn das Behandlungsspektrum des betroffenen Arztes tatsächlich
von dem gruppentypischen Spektrum abweicht, Anlass bestehen kann, die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe zu prüfen
(s dazu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 16-18, 22 mwN) oder die individuellen Verhältnisse in anderer Weise zu berücksichtigen,
kann sich der Gesetzgeber mit gröberen Typisierungen begnügen (so auch zB BSG, Urteil vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 8/05 R, RdNr 20 - 24, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, betr Ausgestaltung der Honorarverteilung nach §
85 Abs
4 SGB V).
Insbesondere ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers eine Differenzierungspflicht des Gesetzgebers nicht daraus, dass
ein Teil der Oralchirurgen - wie auch er - eine Zulassungsbeschränkung erwirkt hat, nach der es ihnen rechtlich nicht gestattet
ist, Zahnersatz-Leistungen im Umfang von mehr als 1 % ihres Gesamthonorarvolumens zu erbringen. Denn eine solche rechtliche
Gestaltung ist - ebenso wie der Verzicht auf jegliche Zahnersatz-Leistungen, wie oben ausgeführt - für die Gesamtgruppe der
Oralchirurgen nicht typisch. Auch insoweit gilt, dass der Gesetzgeber sich - auf Grund seiner Befugnis zur Typisierung und
Schematisierung (s o mit Hinweis auf zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR aaO RdNr 39 und BSG, Urteil vom 19. Juli 2006 aaO) - grundsätzlich damit begnügen darf, einen Berufszweig insgesamt
in den Blick zu nehmen, um daran seine Regelung zu orientieren. Er durfte jene Gestaltungsformen zumal auch deshalb unberücksichtigt
lassen, weil die betroffenen Oralchirurgen die bundesrechtlich nicht näher geregelte Beschränkung ihrer Zulassung aus freiem
Entschluss - und wohl auch schon mit Blick auf mögliche Auswirkungen in Bezug zur Degressionsregelung - erwirkt haben.
Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, innerhalb der Gruppe der Oralchirurgen zu differenzieren und zB für diejenigen
von ihnen, die keine oder nur äußerst wenige Zahnersatz-Leistungen erbringen, eine Sonderbestimmung vorzusehen oder diesen
eine Möglichkeit der Auswahl einzuräumen, ob sie wie sonstige Vertragszahnärzte behandelt werden wollen. Der Gesetzgeber darf
sich vielmehr - entsprechend obigen Ausführungen - auf Grund seiner Befugnis zur Typisierung und Schematisierung (BVerfG aaO
und BSG aaO) darauf beschränken, einen Berufszweig insgesamt in den Blick zu nehmen. Dies gilt jedenfalls in einem Fall wie
dem vorliegenden, in dem die ganz überwiegende Mehrheit der Oralchirurgen tatsächlich in durchaus erheblichem Maße Zahnersatz-Leistungen
erbringt und die übrigen, die sie nicht oder nur in sehr geringem Umfang erbringen, sich freiwillig beschränkt haben.
Ebenso wenig wie Art
3 Abs
1 GG verletzt ist, liegt ein Verstoß gegen Art
12 Abs
1 GG vor. Bei den Regelungen des §
85 Abs 4b ff
SGB V handelt es sich um verfassungsgemäße Beschränkungen der Berufsausübung im Sinne von Art
12 Abs
1 Satz 2
GG. Dies ergibt sich für die bis zum 31. Dezember 2003 geltende Fassung des §
85 Abs
4b SGB V bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG, wie oben ausgeführt worden ist. Aber auch die Gesetzesänderung
zum 1. Januar 2004 mit der Sonderregelung für die Kieferorthopäden und ebenso die Änderung zum 1. Januar 2005 mit der Absenkung
der degressionsfreien Punktmenge und der Degressionsstufen für die sonstigen Vertragszahnärzte auf 262.500 / 337.500 / 412.500
Punkte halten sich im Rahmen verfassungsgemäßer Beschränkungen der Berufsausübung im Sinne von Art
12 Abs
1 Satz 2
GG. Denn ebenso wie bei Art
3 Abs
1 GG hat der Gesetzgeber auch nach dem Maßstab des Art
12 Abs
1 GG die Befugnis, eine generalisierende Betrachtung der Auswirkungen auf den Berufszweig insgesamt zugrunde zu legen (s zB BVerfGE
70, 1, 30 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 11 mwN; BVerfGE 77, 84, 105 = SozR 4100 § 12a Nr 1 S 5; BSGE 80, 223, 229 = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 S 140; BSG MedR 2000, 49, 50; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 RdNr 127 f). Er war also nicht verpflichtet, darauf Rücksicht zu nehmen, dass ein Teil der Oralchirurgen
keine oder kaum Zahnersatz-Leistungen erbringt.
Einwendungen dahingehend, dass die Umsetzung dieser Rechtslage in dem gegenüber dem Kläger ergangenen Honorarbescheid fehlerhaft
sei, sind von ihm nicht geltend gemacht worden, und dafür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.