Unechte Rückwirkung von Honorarbegrenzungsregelungen
Gründe:
I. Streitig ist die Höhe vertragszahnärztlichen Honorars für das Jahr 2001.
Der Kläger ist seit 1993 im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) zur vertragszahnärztlichen Versorgung
zugelassen. Die Beklagte führte zur Umsetzung der im GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz zunächst nur für das Jahr 1999 vorgeschriebenen
Budgetierung der Gesamtvergütungen im Rahmen von deren Verteilung an die Vertragszahnärzte ein System praxisindividueller
Honorarkontingente ein, welches in § 4 Abs 1a ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) geregelt war. Nachdem im GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000 (GKVRefG 2000) die Budgetierung der Gesamtvergütungen ohne zeitliche Begrenzung fortgeführt wurde, ergänzte die Vertreterversammlung
der Beklagten im Mai 2000 den HVM in § 4 Abs 1a erneut um - in einigen Punkten modifizierte - Regelungen zur Festlegung individueller
Honorarkontingente je Vertragszahnarzt und zu vorläufigen Honorareinbehalten im Falle von deren Überschreitung. Diese traten
zum 1. April 2000 in Kraft, doch waren die monatlichen Abrechnungen von Zahnersatz-, Parodontose- und Kieferbruchleistungen
bis einschließlich Mai 2000 hiervon ausgenommen. Die Geltung dieser Bestimmungen war ausdrücklich bis zum 31. Dezember 2000
begrenzt. Die von der neu gewählten Vertreterversammlung der Beklagten am 17. Februar 2001 beschlossene und zwei Tage später
in einer Sonderausgabe des Rheinischen Zahnärzteblattes bekannt gemachte Nachfolgeregelung für das Jahr 2001 sah ein Inkrafttreten
des § 4 Abs 1a HVM in einer gegenüber dem Vorjahr ergänzten Gestalt (dh nunmehr mit separaten Honorarkontingenten für den
Primär- und Ersatzkassenbereich) ausnahmslos bereits mit Wirkung ab 1. Januar 2001 vor.
Der Kläger reichte zum 15. Januar 2001 und zum 15. Februar 2001 Behandlungsfälle, in denen er Zahnersatzleistungen erbracht
hatte, bei der Beklagten zur Abrechnung ein. Die Beklagte teilte dem Kläger in Schreiben vom 30. Januar 2001 bzw vom 13. März
2001 die Höhe seiner Zahnersatz-Honorare für die Abrechnungsmonate Januar bzw Februar 2001 mit (Kassenanteil von 45.319,46
DM für 48 Fälle bzw von 29.877,26 DM für 26 Fälle), wobei Honorareinbehalte nicht vorgenommen wurden. Beide Abrechnungsschreiben
enthielten - fett gedruckt - folgenden Hinweis:
"Leistungen für sonstige Kostenträger sowie Material- und Laborkosten fließen nicht in die Budgetberechnung ein. Nach Abzug
dieser Beträge verbleibt ein vom Grundsatz her auf das Budget anzurechnender Betrag von DM ... . Ob überhaupt und ggf in welcher
Höhe hieraus eine tatsächliche Honorarbegrenzung folgt, ist der Quartalsabrechnung zu entnehmen."
Die Beklagte setzte nachfolgend im Honorarbescheid für das Quartal I/2001 vorläufige Honorareinbehalte auf der Grundlage von
§ 4 Abs 1a HVM sowohl bei der Vergütung für konservierend-chirurgische Leistungen (KCH-Leistungen - 3.366,25 DM) als auch
beim Honorar für Kieferorthopädie, Zahnersatz, Parodontose- und Kieferbruch-/Kiefergelenkbehandlungen (übrige Leistungsarten
[ÜLA] - 28.113,35 DM) fest. In der Schlussabrechnung für das Jahr 2001 wurden die für KCH-Leistungen einbehaltenen Beträge
gutgeschrieben, da der Kläger in diesem Bereich seine Jahreshonorargrenze nicht überschritten hatte. Hingegen beliefen sich
die Kürzungen im ÜLA-Bereich endgültig auf 29.545,61 DM (Primärkassen - Quote 29,3 %) bzw 2.209,14 DM (Ersatzkassen - Quote
3,81 %; Bescheid vom 12. April 2002). Die Beklagte wies den vom Kläger hinsichtlich der Zahnersatz-Abrechnungen für Januar
und Februar 2001 unter Berufung auf das Rückwirkungsverbot erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. September
2002).
Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, die vom Kläger bis zum 18. Februar 2001 im ÜLA-Bereich abgerechneten Honorare
vollständig - dh ohne Vornahme von Honorareinbehalten - auszuzahlen (Urteil vom 14. Juli 2004 - juris). Auf die Berufung der
Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) diese Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Im Berufungsurteil ist
im Wesentlichen ausgeführt, die Honorarbegrenzungsregelungen im HVM der Beklagten für das Jahr 2001 seien rechtmäßig. Die
Veröffentlichung des geänderten HVM erst am 19. Februar 2001 begründe keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, da die
rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage kein schutzwürdiges Vertrauen verletze. Die Leistungserbringung in den Bereichen
Kieferorthopädie und Zahnersatz sei dadurch geprägt, dass die Maßnahmen zuvor vom zuständigen Kostenträger auf der Grundlage
eines Heil- und Kostenplans genehmigt werden müssten. Da der Vertragszahnarzt sie über einen längeren, der Planung unterworfenen
Zeitraum erbringe, seien für sein Leistungsverhalten nicht die zum Zeitpunkt der Abrechnung geltenden Bestimmungen, sondern
die bei der Planung bestehenden Vergütungsregelungen entscheidend. Darüber hinaus könne der Vertragszahnarzt nach Abschluss
der Behandlung den Zeitpunkt der Leistungsabrechnung relativ frei wählen und zur Optimierung des Honorars - auch unter steuerrechtlichen
oder Budgetaspekten - selbst festlegen, was sich auch im Abrechnungsverhalten des Klägers zeige. Aus diesen Umständen folge,
dass für die vom Kläger im Zeitraum 1. Januar bis 18. Februar 2001 abgerechneten Leistungen des streitigen ÜLA-Bereichs das
Vertrauen auf eine honorarbegrenzungsfreie Vergütung nicht entscheidend gewesen sei (Urteil vom 31. August 2005 - juris).
Der Kläger rügt mit seiner Revision, das LSG habe das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verbot rückwirkend belastender
Rechtsnormen verletzt. Die am 17. Februar 2001 mit Wirkung ab 1. Januar 2001 beschlossene Änderung des HVM habe hinsichtlich
der zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits erbrachten und abgerechneten Leistungen zu einer echten Rückwirkung geführt,
da sie insoweit in bereits abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen habe. Die Abrechnung einer Leistung stelle die letzte
Tätigkeit des Vertragszahnarztes im Zusammenhang mit der Leistungserbringung dar; deshalb müssten die rechtlichen Vorgaben
zur Vergütung spätestens zu diesem Zeitpunkt feststehen. Nach den Regelungen im Gesamtvertrag bzw im Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte
sei hinsichtlich der übrigen Leistungsarten abweichend vom Quartalsprinzip eine monatliche Abrechnungsweise vorgeschrieben.
Aus diesem Grund habe der Kläger bei Einreichung seiner ÜLA-Abrechnungen am 15. Januar bzw 15. Februar 2001 darauf vertrauen
dürfen, dass diese Leistungen nach den in diesem Zeitraum gültigen HVM-Bestimmungen vergütet würden, zumal es keine Anhaltspunkte
für eine anstehende rückwirkende Änderung des HVM gegeben habe. Keine der Ausnahmen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) eine echte Rückwirkung rechtfertigen könnten, liege vor. Vor allem sei eine Rückwirkung nicht wegen überragender
Belange des Gemeinwohls erforderlich. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte die im Mai 2000 beschlossenen Honorarbegrenzungen
ohne Schwierigkeiten nur mit Wirkung für die Zukunft eingeführt und deren Geltung ausdrücklich bis zum 31. Dezember 2000 begrenzt
habe. Die streitigen Honorareinbehalte beträfen zudem einen erheblichen Anteil der vertragsärztlichen Vergütung des Klägers,
sodass der sog "Bagatellvorbehalt" nicht greife. Die vom LSG angeführten Besonderheiten bei der Erbringung der Zahnersatz-
und übrigen Leistungen könnten die Rückwirkung nicht rechtfertigen. Vielmehr werde der Anwendungsbereich des Rückwirkungsverbots
ausgeweitet, wenn für diese Leistungsarten hinsichtlich der Steuerungsfunktion des HVM bereits auf den Zeitpunkt der Planung
oder Bewilligung der Leistungserbringung abgestellt werde. Hingegen sei die nach den geltenden Abrechnungsbestimmungen bestehende
Möglichkeit des Zahnarztes, den Zeitpunkt der Abrechnung - auch zur Honoraroptimierung - relativ frei zu wählen, durch Art
12 und Art
2 Grundgesetz (
GG) geschützt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. August 2005 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. Juli 2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die auf gesamtvertraglicher Ebene zwischen KZÄV und Krankenkassen (KKn) vereinbarten
unterschiedlichen Abrechnungstermine für einzelne Leistungsarten führten nicht dazu, dass in der Rechtsbeziehung zum Vertragszahnarzt
bei der Feststellung von dessen Honoraranspruch differenziert werden müsse. Aus § 4 Abs 9 ihres HVM ergebe sich, dass der
Honorarbescheid quartalsweise zu erteilen sei und die im jeweiligen Quartal abgerechneten Leistungen sämtlicher Leistungsbereiche
umfasse. Auf dieser Grundlage sei eine unzulässige Rückwirkung nicht festzustellen. Zudem sei zweifelhaft, ob der Kläger auf
eine durch Budgetierungen nicht geschmälerte Abrechnung habe vertrauen können, obwohl ihm die Budgetierungsmaßnahmen der Vorjahre
bekannt gewesen seien. Darüber hinaus habe das Bundessozialgericht (BSG) die im HVM der Beklagten angelegte kumulative Betrachtung
der Honorargrenzen über das gesamte Kalenderjahr hinweg mit endgültiger Festlegung des Honoraranspruchs erst nach Abschluss
des vierten Quartals ebenfalls nicht als unzulässige Rückwirkung angesehen. Das LSG habe zu Recht auch darauf hingewiesen,
dass in den hier betroffenen Leistungsbereichen die Einholung einer Genehmigung der KK vor der Leistungserbringung erforderlich
sei. In der Rechtsprechung des BSG sei insoweit geklärt, dass die Erteilung der Genehmigung durch die jeweilige KK dem Vertragszahnarzt
keinen in der Höhe bestimmten Honoraranspruch garantiere. Die verzögerte Beschlussfassung der Vertreterversammlung im Jahr
2001 sei ua darauf zurückzuführen, dass damals mit den Ersatzkassen noch keine Einigung über die Höhe der Gesamtvergütungen
erzielt worden sei.
II. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid über die
Schlussabrechnung des dem Kläger für das Jahr 2001 zustehenden Honorars sowie die zugrunde liegenden Bestimmungen des HVM,
soweit ihre Überprüfung in diesem Revisionsverfahren veranlasst ist, rechtmäßig sind. Der Kläger kann die Auszahlung derjenigen
Honorareinbehalte, die sich auf die im Januar und Februar 2001 abgerechneten übrigen Leistungen (ÜLA) beziehen, nicht beanspruchen
(§
54 Abs
2 Satz 1 und Abs
4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Zahlung höheren vertragszahnärztlichen Honorars ist § 72 Abs 1 Satz 2 iVm
§
85 Abs
4 Satz 1 bis
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V - hier anzuwenden idF des GKVRefG 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626). Danach steht dem Vertragszahnarzt ein Anspruch
auf Teilhabe an den von den KKn entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten
und abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im HVM zu.
Der HVM der beklagten KZÄV für das Jahr 2001 - idF vom 17. Februar 2001 - sah in § 4 Abs 1 zunächst eine Verteilung der Gesamtvergütungen
an die Vertragszahnärzte auf der Grundlage der für die abgerechneten Einzelleistungen im Bewertungsmaßstab für vertragszahnärztliche
Leistungen ausgewiesenen Punktzahlen sowie der in den Gesamtverträgen vereinbarten bzw vom Schiedsamt festgesetzten Punktwerte
vor. In Ergänzung hierzu führte § 4 Abs 1a HVM mit Rücksicht auf die begrenzten Gesamtvergütungsvolumina einen Mechanismus
ein, der sicherstellen sollte, dass zum einen die zur Verfügung stehenden Budgets voll ausgeschöpft, zum anderen aber bei
Überschreitungen der Budgetvolumina die hiernach erforderlichen Kürzungen der Einzelleistungsvergütungen gerecht auf die Vertragszahnärzte
verteilt werden. Zudem sollte eine gleichmäßige Verteilung der Gesamtvergütungen auf das gesamte Jahr gewährleistet sein.
Zu diesem Zweck wurden vorläufige Honorar-Obergrenzen je Fall - differenziert nach Kassenarten und nach den Leistungsbereichen
KCH bzw ÜLA - bestimmt, die sich aus den zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungsvolumina sowie aus den im Jahr 1997 abgerechneten
Leistungsmengen errechneten (§ 4 Abs 1a Sätze 1 bis 4 HVM). Auf dieser Basis wurde für jeden Vertragszahnarzt ein individuelles
Honorar-Gesamtkontingent ermittelt (§ 4 Abs 1a Abschnitt A Nr 1 und Nr 2.1 HVM). Für jedes Abrechnungsquartal erfolgte eine
Berechnung der individuellen Teilkontingente (KCH und ÜLA, jeweils für Primär- und Ersatzkassen) in kumulierter Betrachtung
aller im Verlauf des Jahres bis dahin angefallenen Quartals- bzw Monatsabrechnungen (aaO Nr 2.4). In den genannten Teilbereichen
wurden die abgerechneten Einzelleistungen unter Anwendung der vertraglich vereinbarten Punktwerte nur bis zum Erreichen des
Individual(teil)budgets vergütet (aaO Nr 2.2); Überschreitungen der Teilkontingente wurden vorläufig einbehalten (§ 4 Abs
1a Abschnitt C Nr 1 Satz 1 HVM). Die Einbehalte erfolgten ebenfalls quartalsweise, wobei jede Monatsabrechnung entsprechend
ihrem Einreichungstermin einer Quartalsabrechnung zugeordnet wurde (aaO Nr 1 Satz 2). Bis zur Quartalsabrechnung galten die
auf zuvor eingereichte Monatsabrechnungen bereits geleisteten Zahlungen als vorläufige Abschlagszahlungen (aaO Nr 1 Satz 3).
Die endgültige Festsetzung des Jahreshonorars des Vertragszahnarztes unter Berücksichtigung seines individuellen Gesamtkontingents
erfolgte im Zusammenhang mit der Abrechnung des vierten Quartals eines Jahres (aaO Nr 2).
Diese Honorarbegrenzungsregelungen in Gestalt eines Individualbudgets sind - soweit sie hier zu beurteilen sind - rechtmäßig.
Das hat der Senat zu vorangegangenen Fassungen von § 4 Abs 1a des HVM der Beklagten, die mit der hier maßgeblichen Regelung
im Wesentlichen identisch waren, bereits entschieden (BSGE 81, 213 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23; BSG MedR 2004, 172) und dies auch hinsichtlich ähnlicher HVM-Regelungen anderer KZÄVen in ständiger Rechtsprechung bekräftigt (zusammenfassend
BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 23 ff; s auch BSG, Urteil vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 8/05 R - RdNr 10 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). An dieser Beurteilung hält der Senat fest, zumal das BVerfG zwischenzeitlich
die den genannten Senatsentscheidungen zugrunde liegende Auslegung und Anwendung des §
85 Abs
4 SGB V als mit Art
12 Abs
1 und Art
3 Abs
1 GG vereinbar beurteilt hat (BVerfG [Kammer], Beschluss vom 27. Oktober 2006 - 1 BvR 1645/06 ua, das Senatsurteil vom 8. Februar 2006 - BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23 - betreffend). Der Kläger stellt die Rechtmäßigkeit derartiger Honorarbegrenzungsregelungen auch
nicht in Frage. Er hat seinen Antrag vielmehr auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils beschränkt. Darin war die
Beklagte - entsprechend seinem Begehren - zur Auszahlung lediglich derjenigen Honorareinbehalte verurteilt worden, welche
auf die vom Kläger in den Monaten Januar und Februar 2001 abgerechneten ÜLA-Leistungen entfielen. Mithin steht vorliegend
allein im Streit, ob die Einbeziehung dieser Leistungen in die Berechnung der Honorareinbehalte gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip
(Art
20 Abs
3 GG) abgeleitete Rückwirkungsverbot verstößt. Das ist nicht der Fall. Das Inkrafttreten der im Februar 2001 beschlossenen und
bekannt gemachten HVM-Honorarbegrenzungsregelung mit Wirkung vom 1. Januar 2001 führt lediglich zu einer unechten Rückwirkung,
die sich als rechtmäßig erweist.
Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte
eingreift, eine unechte dann, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen
für die Zukunft einwirkt, indem sie Rechtspositionen nachträglich entwertet. Bei dieser Abgrenzung, die jeweils nur im Einzelfall
unter Würdigung der Eigenarten des in Betracht kommenden Regelungsbereichs vorgenommen werden kann, ist auf den Zeitpunkt
der Bekanntmachung der Norm abzustellen (stRspr, vgl zB BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, jeweils RdNr 46; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 4 RdNr 10 - jeweils mit Nachweisen auch zur Rspr des
BVerfG).
Nach diesen Maßstäben bewertet der Senat die rückwirkende Inkraftsetzung von HVM-Honorarbegrenzungsregelungen, deren Ziel
darin besteht, die in §
71 Abs
1 und
2 iVm §
85 Abs
3 SGB V normierte Begrenzung der von den KKn zu entrichtenden Gesamtvergütungen auf den einzelnen Leistungserbringer "herunterzubrechen"
und so jeden einzelnen Vertrags(zahn)arzt möglichst gleichmäßig mit den Auswirkungen nur begrenzt zur Verfügung stehender
Finanzmittel zu belasten (vgl BSG MedR 2004, 172, 173; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 408, mwN), regelmäßig als einen Fall unechter Rückwirkung (vgl zuletzt BSG, Urteil vom
19. Juli 2006 - B 6 KA 8/05 R - RdNr 30, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 45 f - das BVerfG hat mit Beschluss vom 14. Februar 2006 - 1 BvR 1917/05 - die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 16; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 31 S 239 f). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Honorarabrechnung
des streitbefangenen Quartals zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des geänderten HVM noch nicht erfolgt war. Denn ein konkreter
Honoraranspruch - und damit ein bereits abgeschlossener Sachverhalt - entsteht unter der Geltung begrenzter Gesamtvergütungen
regelmäßig erst nach Prüfung sämtlicher von den Vertrags(zahn)ärzten eingereichter Abrechnungen und der darauf basierenden
Errechnung der möglichen Verteilungspunktwerte; erst dadurch konkretisiert sich der bis dahin nur allgemeine Anspruch auf
Honorarteilhabe zu einem der Höhe nach individualisierten Honoraranspruch (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 46; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 4 RdNr 12). Nur in den - seltenen - Fällen, in denen eine
bestehende HVM-Regelung bereits eine abschließende Festlegung zB in Form der Garantie eines Mindestpunktwertes enthält, führt
ein nach Leistungserbringung erfolgender Eingriff in diese Position zur Umgestaltung eines in den wesentlichen Merkmalen bereits
abgewickelten Sachverhalts und damit zu einer echten Rückwirkung (BSG aaO).
Die Anwendung dieser Kriterien auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergibt, dass ein Fall unechter Rückwirkung vorliegt.
Zunächst war die Honorarabrechnung des Quartals I/2001 durch die Beklagte zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Ergänzung des
§ 4 HVM um die hier streitbefangene Honorarbegrenzungsregelung - im Rheinischen Zahnärzteblatt vom 19. Februar 2001 - noch
nicht erfolgt. Dies gilt auch hinsichtlich der Zahnersatz-Behandlungen, die gemäß § 2 Abs 2 Satz 2 HVM iVm entsprechender
Bekanntmachungen des Vorstands der Beklagten monatlich abzurechnen waren. Zwar hatte die Beklagte bereits unter dem Datum
vom 30. Januar 2001 dem Kläger einen Bescheid über die von ihm im Januar 2001 eingereichten Abrechnungen von Zahnersatz-Leistungen
erteilt. Dieser Bescheid enthielt aber ausdrücklich einen Vorbehalt, dass der Honoraranteil des bewilligten Betrags im Grundsatz
auf das Budget anzurechnen sei, über eine eventuelle Honorarbegrenzung jedoch erst im Zusammenhang mit der Quartalsabrechnung
entschieden werde. Mit diesem Vorbehalt hat die Beklagte die Vorläufigkeit jener Honorarfestsetzung für Zahnersatzleistungen
in ausreichender Weise deutlich gemacht, sodass auch insoweit eine verbindliche Honorarabrechnung noch nicht vorlag (zum Erfordernis
von Vorläufigkeitshinweisen, falls einzelne Grundlagen der Honorarverteilung noch nicht verbindlich feststehen, vgl BSGE 96,
1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, jeweils RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 16). Der Bescheid über die im Februar 2001 vom
Kläger zur Abrechnung eingereichten Zahnersatz-Leistungen ist ohnehin erst am 13. März 2001 und damit nach Bekanntmachung
der Ergänzung des HVM um die Honorarbegrenzungsregelung ergangen (vgl insoweit auch Abschnitt C Nr 1 Satz 2 und 3 des § 4
Abs 1a HVM, wonach die Honorareinbehalte in den jeweiligen Quartalshonorarbescheiden festgesetzt werden und zuvor ergangene
Monatsabrechnungen nur vorläufige Abschlagszahlungen darstellen).
Der HVM der Beklagten enthielt darüber hinaus in der Form, in der er ursprünglich ab dem 1. Januar 2001 bis zur Bekanntmachung
des Änderungsbeschlusses vom 17. Februar 2001 gegolten hatte, auch keine abschließende Festlegung der bei der Honorarverteilung
anzuwendenden Punktwerte. Allerdings sollte die ursprüngliche Honorarbegrenzungsregelung des § 4 Abs 1a HVM in der mit Beschluss
der Vertreterversammlung vom 6. Mai 2000 eingefügten Fassung ausdrücklich nur bis zum 31. Dezember 2000 gelten (Abschnitt
C Nr 5.2 in § 4 Abs 1a jenes HVM). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass dem einzelnen Vertragszahnarzt für alle
ab 1. Januar 2001 erbrachten Leistungen die gesamtvertraglich vereinbarten Einzelleistungspunktwerte als Mindesthonorarbetrag
garantiert worden wären. Eine solche Garantiefunktion im Sinne eines Mindestpunktwertes kann der Honorarverteilungs-Grundregel
des § 4 Abs 1 Satz 1 HVM weder nach ihrem Wortlaut noch aus ihrem Sinnzusammenhang entnommen werden. Vielmehr bestand zu Beginn
des Jahres 2001 die Situation einer gemäß §
71 Abs
2 und
3 SGB V von den KKn nur in begrenzter Höhe zu entrichtenden Gesamtvergütung unverändert fort. Deshalb war für jeden an der vertragszahnärztlichen
Versorgung Beteiligten offenkundig, dass die erbrachten Leistungen je nach abgerechneten Leistungsmengen auch im Jahr 2001
nur quotiert vergütet werden konnten. Zudem war weiterhin das Gebot gleichmäßiger Verteilung der Gesamtvergütungen auf das
gesamte Jahr (§
85 Abs
4 Satz 5
SGB V) zu beachten, das ebenfalls den Erlass steuernder Regelungen erforderte. Diese jedem in das System einbezogenen Leistungserbringer
bekannten Rahmenbedingungen der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung schließen es aus, die Anknüpfung des HVM an die gesamtvertraglich
vereinbarten Einzelleistungspunktwerte im Sinne eines garantierten Mindesthonorars zu verstehen.
Dem Vorbringen des Klägers, in Wirklichkeit liege eine echte Rückwirkung vor, weil der zu beurteilende Sachverhalt bereits
mit Vorlage der Leistungsabrechnung des Zahnarztes bei der KZÄV abgeschlossen sei, ist nicht zu folgen. Die Vorlage der Abrechnungsunterlagen
durch den Zahnarzt bei der KZÄV leitet den Honorierungsvorgang lediglich ein; es schließt sich das Verfahren zur Überprüfung
auf sachlich-rechnerische Richtigkeit an, das gegebenenfalls mit Richtigstellungen und im Übrigen mit der Bekanntgabe eines
Honorarbescheids endet. Erst zum Zeitpunkt des Erlasses des Honorarbescheids müssen - soweit in ihm eine verbindliche Regelung
getroffen wird - die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben zur Verteilung der Vergütung feststehen. Auf den Zeitpunkt der Einreichung
der Abrechnung kommt es daher nicht an, zumal dieser Zeitpunkt vom einzelnen Vertragszahnarzt in gewissen Grenzen frei gewählt
werden kann.
Mithin ist im Ergebnis von einer unechten Rückwirkung der im Februar 2001 bekannt gemachten Ergänzung des HVM um eine Honorarbegrenzungsregelung,
die alle ab 1. Januar 2001 erbrachten bzw abgerechneten Leistungen einbezieht, auszugehen. Diese ist rechtmäßig, wenn ausreichende
Gemeinwohlgründe sie erfordern und das schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage
nicht überwiegt (BVerfGE 103, 392, 403 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39 S 197; BVerfGE 109, 96, 122 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 65; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR 1750/01 - juris RdNr 39 - sowie Beschluss vom 10. August 2006 - 2 BvR 563/05 - juris RdNr 14 = DVBl 2006, 1370, 1371). Die hiernach gebotene Interessenabwägung ergibt, dass die streitbefangene Regelung im HVM der Beklagten nicht zu
beanstanden ist.
Der Normgeber des HVM der Beklagten war durch die Vorschrift in §
85 Abs
4 Satz 5
SGB V (hier idF des GKVRefG 2000) gehalten, eine gleichmäßige Verteilung der zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen auf das
gesamte Jahr sicherzustellen. Dieser gesetzliche Auftrag erforderte es, in notwendige Honorarbegrenzungsregelungen nach Möglichkeit
- also soweit rechtlich zulässig - alle im Verlauf eines Kalenderjahres abgerechneten Leistungen einzubeziehen, die zu Lasten
der für diesen Zeitraum von den KKn gezahlten Gesamtvergütungen honoriert werden. Daher stellt gerade die Nichteinbeziehung
in bestimmten Zeitabschnitten eines Jahres erbrachter Leistungen in Regelungen zur Honorarbegrenzung eine im Lichte des Gleichbehandlungsgebots
rechtfertigungsbedürftige Ausnahme dar.
Eine Rechtfertigung für eine derartige Nichteinbeziehung - oder, wie der Kläger meint, die Verpflichtung zur Nichteinbeziehung
- der in den Monaten Januar und Februar 2001 bereits vor Bekanntmachung der HVM-Ergänzung gegenüber der Beklagten abgerechneten
ÜLA-Leistungen besteht hier nicht. Sie folgt insbesondere nicht daraus, dass zugunsten der betroffenen Zahnärzte ein Vertrauensschutztatbestand
geschaffen worden wäre, aufgrund dessen ihr Bestandsinteresse gegenüber dem Veränderungsinteresse des Normgebers überwiegen
würde. Ein entsprechend gewichtiger Vertrauensschutztatbestand (vgl BVerfG [Kammer], Beschluss vom 10. August 2006, aaO, juris
RdNr 15 bzw DVBl 2006, 1370, 1371) konnte sich in den ersten Wochen zu Beginn des Jahres 2001 nicht herausbilden. Denn die Vertragszahnärzte mussten
- wie bereits ausgeführt - aufgrund der fortbestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen damit rechnen, dass die Ende 2000 neu
gewählte Vertreterversammlung alsbald nach ihrer Konstituierung (am 27. Januar 2001, vgl Rheinisches Zahnärzteblatt 2001,
138) eine Nachfolgeregelung zur Honorarbegrenzung beschließen würde. Vertrauen in das "Behalten dürfen" einer bereits durch
Bescheid bewilligten Honorarzahlung kann allerdings zu berücksichtigen sein, falls die KZÄV Vorbehalte oder warnende Hinweise
im Bewilligungsbescheid unterlässt, obwohl ihr Ungewissheiten über die Grundlagen der Honorarverteilung bekannt sind (vgl
BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 16, 21). Ein solches Versäumnis der Beklagten liegt hier
jedoch nicht vor. Denn die Beklagte hatte die Bescheide über die Monatsabrechnungen der ÜLA-Leistungen für Januar und Februar
2001 ausdrücklich mit dem Hinweis und Vorbehalt versehen, dass möglicherweise im Quartalshonorarbescheid noch eine budgetbedingte
Honorarbegrenzung erfolgen werde. Infolgedessen konnte das vom Kläger reklamierte Vertrauen in ein endgültiges "Behalten dürfen"
der betreffenden Honorarzahlungen von vornherein nicht entstehen.
Der Kläger kann zu berücksichtigenden Vertrauensschutz auch nicht daraus herleiten, dass die Beklagte im Jahr 2000 eine vergleichbare
Honorarbegrenzungsregelung rückwirkend zum Quartalsbeginn eingeführt, hiervon aber diejenigen Leistungen ausdrücklich ausgenommen
hatte, die bis dahin bereits in einer Monatsabrechnung geltend gemacht worden waren (vgl Abschnitt C Nr 5.3 in § 4 Abs 1a
des HVM in der am 6. Mai 2000 beschlossenen und zum 1. April 2000 in Kraft getretenen Fassung). Allein die Annahme und Erwartung
des Klägers, die - zwischenzeitlich neu gewählte - Vertreterversammlung der Beklagten werde im Jahr 2001 erneut so verfahren,
begründet noch kein rechtserheblich verfestigtes und deshalb schutzwürdiges Vertrauen. Ob dieser Einwand im Falle einer langjährig
so praktizierten Vorgehensweise bei im Jahresverlauf beschlossenen HVM-Anpassungen beachtlich wäre, insbesondere wenn eine
Änderung der Regelungspraxis nicht rechtzeitig zuvor angekündigt wird, ist hier nicht zu entscheiden (zu der aus Vertrauensschutzgründen
ggf notwendigen Ankündigung von Änderungen s zB BSGE 95, 141 RdNr 40 f = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 48 f). Denn eine derartige Konstellation liegt hier jedenfalls nicht vor, da eine
entsprechende Handhabung durch die Vertreterversammlung der Beklagten lediglich einmalig vorangegangen war (zum Erfordernis
einer regelmäßig dreimalig vorbehaltlosen Leistungsgewährung zur Begründung sowie zur Beseitigung einer sog "betrieblichen
Übung", die als Willenserklärung ein vertragliches Schuldverhältnis gestaltet, vgl BAGE 113, 29, 38 = AP Nr 70 zu §
242 BGB "Betriebliche Übung"; BAG AP Nr 74 aaO, RdNr 36 - zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen).
Schließlich kann der Kläger vorrangigen Vertrauensschutz nicht daraus ableiten, dass die KKn der Versicherten, deren Leistungen
er im Januar und Februar 2001 gegenüber der Beklagten abgerechnet hatte, vor Durchführung der jeweiligen Behandlungen die
zugrundeliegenden Heil- und Kostenpläne genehmigt hatten. Mit der Genehmigung eines Heil- und Kostenplans stellt die KK lediglich
klar, dass die Art und Weise der dort beschriebenen Zahnbehandlung aus ihrer Sicht - soweit aus den vorgelegten Unterlagen
ersichtlich - sachgerecht und wirtschaftlich ist. Eine verbindliche Aussage zur Höhe des aus einer plangerecht durchgeführten
Behandlung resultierenden Honoraranspruchs des Vertragszahnarztes enthält die Genehmigung hingegen von vornherein nicht, da
insoweit den KKn im vertragszahnarztrechtlichen Vergütungssystem keine Regelungsbefugnis zukommt (BSG SozR 3-5555 § 12 Nr
5 S 27, mwN; zur Reichweite der Genehmigung des Heil- und Kostenplans s auch Senatsbeschluss vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 5/06 B - juris, dort RdNr 8, mwN).