Zulässigkeit der Empfehlungen in Heilmittel-Richtlinien durch den Gemeinsamen Bundesausschuss
Gründe:
I. Zwischen der klagenden Spitzenorganisation von Heilmittelverbänden und dem beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA)
ist umstritten, ob die Neufassung der "Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung
(Heilmittel-RL)" vom 1. Dezember 2003/16. März 2004 Rechte der in der Klägerin zusammenarbeitenden Verbände verletzt.
Die Klägerin ist eine Organisation iS des §
92 Abs
6 Satz 2 iVm §
125 Abs
1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), welche die Interessen von Heilmittelerbringern wie Ergotherapeuten, Logopäden, Masseuren und Physiotherapeuten wahrnimmt.
Der beklagte GBA, der zum 1. Januar 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) als Rechtsnachfolger des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen (Bundesausschuss) errichtet wurde, beschloss am 16. März 2004 endgültig eine noch vom Bundesausschuss
vorbereitete Neufassung der Heilmittel-RL, die nach Bekanntmachung im Bundesanzeiger (Nr 106a vom 9. Juni 2004, berichtigt
in Nr 110 S 12605 vom 17. Juni 2004) am 1. Juli 2004 in Kraft trat. Mit ihrer Klage gegen diese Neufassung der Heilmittel-RL
beanstandet die Klägerin, der GBA habe durch einzelne Regelungen in den Kompetenzraum eingegriffen, der in §
125 Abs
1 Satz 1
SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den für die Wahrnehmung der Interessen der Heilmittelerbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen
auf Bundesebene zugewiesen worden sei. Sie hält vor allem die Vorgabe von Verordnungsmengen für Erst- und Folgeverordnungen
(Nr 11.2.3 der Heilmittel-RL) sowie die Zuordnung einzelner Heilmittel bei bestimmten Indikationen zu den Kategorien A ("vorrangiges
Heilmittel"), B ("optionales Heilmittel") oder C ("ergänzendes Heilmittel") gemäß Nr 24 der Heilmittel-RL in Verbindung mit
der Aufstellung im zweiten Teil der Richtlinien für rechtswidrig.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Durch die Festlegung von regelmäßigen Anwendungsfrequenzen für bestimmte Heilmittel und die Vorgabe,
welche Heilmittel vorrangig bei bestimmten Indikationen zum Einsatz kommen sollten, habe der Beklagte nicht in den Kompetenzbereich
der Klägerin eingegriffen. Der Vertragsarzt, dem das Gesetz die Verantwortung für die Verordnung auch von Heilmitteln zuweise,
sei die Schlüsselfigur des Verordnungsgeschehens. Sein Verordnungsverhalten dürfe durch Richtlinien des GBA gelenkt werden,
insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit. Deshalb sei der Beklagte berechtigt, auch mit Wirkung gegenüber
den Versicherten verbindliche Konkretisierungen des Wirtschaftlichkeitsgebotes für die Heilmittelverordnung vorzugeben. Die
rechtlich nicht verbindlichen Rahmenempfehlungen nach §
125 Abs
1 SGB V müssten - wenn sie zu Stande kämen - an diesen Vorgaben ausgerichtet werden. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des §
125 Abs
1 SGB V, soweit dort bestimmt sei, die Empfehlungen ergingen "unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6"
(Urteil vom 28. September 2005).
Mit ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des §
125 Abs
1 iVm §
92 Abs
6 Satz 1
SGB V. Die ihr - der Klägerin - und den Spitzenverbänden der Krankenkassen in §
125 Abs
1 SGB V eingeräumten Rechte seien im Sinne einer ausschließlichen Kompetenz zur Regelung des Umfangs und der Wirtschaftlichkeit der
Heilmittelversorgung zu verstehen. Der Gesetzgeber habe dem Beklagten in §
92 Abs
6 Satz 1
SGB V aufgegeben, das "Was" der Heilmittelversorgung und die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen zu definieren. Das in
§
125 Abs
1 SGB V normierte Partnerschaftsmodell ziele auf die Einbeziehung des Sachverstandes der Leistungserbringer in den Prozess der Steuerung
des Leistungsgeschehens ab. Dieser Zweck werde vereitelt, wenn der GBA auf der Grundlage des §
92 Abs
6 SGB V alle der Klägerin und den Spitzenverbänden der Krankenkassen zugewiesenen Kompetenzen an sich ziehe und den Regelungsbereich
der Rahmenvereinbarung auf diese Weise leer laufen lasse. Die effektive Einbindung der Heilmittelerbringer in die Festlegung
von Vorgaben für die Heilmittelversorgung diene deren vom Gesetz als berechtigt bewerteten Belangen sowie den Interessen der
Patienten an einer umfassenden und qualitativ hoch stehenden Versorgung mit Heilmitteln.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28. September 2005 aufzuheben und festzustellen,
a) dass der Beschluss des Beklagten über die Neufassung der Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen
Versorgung (Heilmittel-Richtlinien) vom 1. Dezember 2003/16. März 2004 teilweise, nämlich zu "Erster Teil Ziff 11.2.3 und
Ziff 24" nichtig ist,
b) festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten über die Neufassung der Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln
insoweit nichtig ist, als der zweite Teil "Zuordnung der Heilmittel zu den Indikationen (Heilmittel-Katalog)" in der Spalte
5 mit der Überschrift "Heilmittelverordnungen im Regelfall" konkrete Regelungen zur Heilmittelversorgung enthält.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Zwischen den Richtlinien des GBA und den Rahmenempfehlungen bestehe
ein Rangverhältnis im Sinne eines Vorrangs der Richtlinien. Das ergebe sich schon daraus, dass die Rahmenempfehlungen unter
Berücksichtigung der Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V abzugeben seien. Weiterhin sei der GBA in besonderer Weise für die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung verantwortlich,
die auch die Verordnung von Heilmitteln erfasse. Soweit er auf dieser Grundlage die Erbringung und Verordnung von Heilmitteln
einschränke oder ausschließe, sei für Rahmenempfehlungen nach §
125 Abs
1 Satz 4 Nr
1 SGB V über Inhalt, Umfang und Häufigkeit der Heilmittelanwendungen von vornherein kein Raum.
Die Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
II. Die Revision hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß §
55 Abs
1 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] ("Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses") zulässig. Der Senat hat in seinem Urteil vom 31. Mai 2006
(B 6 KA 69/04 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen), das eine Klage von Spitzenorganisationen der Pflegedienste iS des §
132a Abs
1 SGB V gegen den GBA in Bezug auf die Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege (Krankenpflege-RL) zum Gegenstand hatte, im Einzelnen
dargelegt, dass die Spitzenorganisationen durch Regelungen in diesen Richtlinien unmittelbar in eigenen rechtlich geschützten
Belangen betroffen sein können. Das beruht darauf, dass die Spitzenorganisationen nach dem in §
132a Abs
1 SGB V verankerten "Partnerschaftsmodell" kraft Gesetzes an der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen über eine einheitliche Versorgung
der Versicherten mit häuslicher Krankenpflege mitwirken. Diese Aufgabe haben sie gemäß §
132a Abs
1 Satz 1
SGB V "unter Berücksichtigung der Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6" wahrzunehmen, dh auch unter Berücksichtigung der Regelungen in den Krankenpflege-RL des GBA. Die Krankenpflege-RL beeinflussen
somit allein durch ihre rechtliche Existenz den Spielraum der Spitzenorganisationen der Pflegedienste ebenso wie denjenigen
der Spitzenverbände der Krankenkassen bei der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen zur näheren Ausgestaltung der Versorgung
mit häuslicher Krankenpflege, ohne dass es hierfür noch eines gesonderten Vollzugsaktes bedarf (Senatsurteil vom 31. Mai 2006,
aaO, RdNr 16).
Für den Bereich der Heilmittel weist §
125 Abs
1 SGB V - nahezu wörtlich übereinstimmend mit §
132a SGB V - den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den für die Wahrnehmung der Interessen der Heilmittelerbringer maßgeblichen
Spitzenorganisationen auf Bundesebene die Aufgabe zu, unter Berücksichtigung der Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln abzugeben. Mithin gelten hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten,
der zulässigen Klageart und auch der - hier nicht eingreifenden - Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber möglichen
Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklagen die Ausführungen im genannten Senatsurteil vom 31. Mai 2006 entsprechend.
Der Beklagte hat die Zulässigkeit der Klage im Übrigen zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt.
Die Klage ist nicht begründet. Der GBA ist berechtigt, die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen von Heilmitteln
(Nr 11.2.3 der Heilmittel-RL) sowie die Klassifizierung von Heilmitteln nach vorrangigen Heilmitteln, optionalen Heilmitteln,
ergänzenden Heilmitteln und standardisierten Heilmittel-Kombinationen vorzugeben und diese einzelnen Indikationen zuzuordnen
(Nr 24 der Heilmittel-RL), und ist schließlich auch befugt, im zweiten Teil der Heilmittel-RL für jede in Betracht kommende
Indikation Vorgaben hinsichtlich der regelmäßig zu beachtenden Gesamtverordnungsmenge sowie der Frequenz der Anwendung einzelner
Heilmittel festzulegen. Rechte der Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer werden dadurch nicht verletzt.
Rechtsgrundlage für den Erlass der Heilmittel-RL ist §
92 Abs
1 Satz 1 und Satz 2 Nr
6 iVm Abs
6 Satz 1
SGB V (idF GMG vom 14. November 2003, BGBl I 2190). In diesen Vorschriften ist nunmehr dem GBA ausdrücklich aufgegeben, die zur
Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
Versorgung der Versicherten auch mit Heilmitteln zu beschließen. Anders als bei den Leistungen der häuslichen Krankenpflege,
die Gegenstand des Senatsurteils vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 69/04 R - gewesen sind, war die Verordnung von Heilmitteln schon seit Jahren Gegenstand von Richtlinien des Bundesausschusses. Bis
zum Inkrafttreten des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes (2. GKV-NOG) am 1. Juli 1997 beschränkte sich die gesetzliche Regelung allerdings
auf die Generalermächtigung des §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V, wonach der Bundesausschuss ua Regelungen über die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln zu beschließen hat. Darüber hinaus
war in §
92 Abs
2 Satz 1
SGB V lediglich die Grundlage für eine Zusammenstellung von Heilmitteln zur Festsetzung von Festbeträgen geregelt. Durch Art 1 Nr 33 Buchst d 2. GKV-NOG ist in §
92 SGB V ein neuer Abs
6 eingefügt worden. Danach sind in den Richtlinien nach Abs 1 Satz 2 Nr 6 insbesondere 1. der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2. die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen, 3. die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen und 4. Inhalt und Umfang
der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer zu regeln. Vor der Entscheidung
des Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln ist den in §
125 Abs
1 Satz 1
SGB V genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung
einzubeziehen.
Gemäß diesen Vorgaben hat der GBA diejenigen Regelungen zu treffen, die den Vertragsarzt, dem nach §
15 Abs
1 Satz 2
SGB V die Zuziehung der Hilfeleistung anderer Personen zur Versorgung der Versicherten vorbehalten ist, in die Lage versetzen,
eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung seiner Patienten mit Heilmitteln zu gewährleisten. Zu diesem
Zweck darf er in den Heilmittel-RL Empfehlungen zu den regelmäßigen Gesamtverordnungsmengen und Anwendungsfrequenzen bei Erst-
und Folgeverordnungen, zum wirtschaftlichen Einsatz der einzelnen verordnungsfähigen Heilmittel und zu den Präferenzen für
den Einsatz bestimmter Heilmittel bei den in Betracht kommenden Indikationen geben. Die Regelung des §
125 Abs
1 SGB V, nach der die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der
Heilmittelerbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene unter Berücksichtigung der Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln abgeben sollen, hindert den GBA an der Erfüllung
dieser Aufgabe nicht.
Die Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände einerseits und die Richtlinien des GBA andererseits haben nach der Konzeption des
Gesetzes unterschiedliche Gegenstände und Zielrichtungen. Die Richtlinien setzen als normativ wirkende Regelungen an der vertragsärztlichen
Verordnung an; sie beschreiben zu diesem Zweck die einzelnen Arten und den Umfang der von den Vertragsärzten zu verordnenden
Heilmittel auch mit verbindlicher Wirkung für die Versicherten und für die Krankenkassen. Im Rahmen des vom Gesetzgeber im
2. GKV-NOG vorgesehenen Partnerschaftsmodells muss der GBA vor Erlass solcher Richtlinien die Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer
einbeziehen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Allerdings verbleibt dem GBA das Letztentscheidungsrecht beim Erlass
der Richtlinien (vgl eingehend zur parallelen Situation bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege Senatsurteil vom 31. Mai
2006, aaO, RdNr 28).
Demgegenüber sollen die in §
125 Abs
1 SGB V genannten Institutionen Empfehlungen über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln abgeben und dabei insbesondere den
Inhalt der einzelnen Heilmittel einschließlich Umfang und Häufigkeit ihrer Anwendungen im Regelfall sowie deren Regelbehandlungszeit
näher beschreiben (§
125 Abs
1 Satz 4 Nr
1 SGB V). Ziel dieser Empfehlungen, die weder erzwungen werden können noch für andere Beteiligte verbindlich sind, ist es, eine im
ganzen Bundesgebiet qualitativ gleichwertige Versorgung zu gewährleisten. Zu den vom Gesetzgeber vorgesehenen Empfehlungsinhalten
zählen insbesondere bundesweit einheitliche Leistungsdefinitionen einschließlich von Regelbehandlungszeiten für einzelne Anwendungen
und ihre Frequenz, Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung sowie Bestimmungen zur
Zusammenarbeit zwischen Vertragsarzt und Heilmittelerbringer, um die Patientenversorgung zu optimieren. Außerdem können Empfehlungen
zu neuen Vergütungsstrukturen (zB Komplexgebühren) abgegeben werden (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Gesundheit, BT-Drucks 13/7264 S 68, zu Art 1 Nr 32a - neu - [§ 125 SGB V]). Der Bericht des Ausschusses betont den "engen
sachlichen Zusammenhang zwischen den Rahmenempfehlungen nach dieser Vorschrift und den Heilmittel-RL des Bundesausschusses"
und gibt vor, dass der Inhalt der Richtlinien bei der Erarbeitung der Rahmenempfehlungen zu beachten ist (aaO S 68).
Für den Bereich der häuslichen Krankenpflege hat der Senat im Urteil vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 69/04 R - aus dem Zusammenwirken der Vorschriften des §
132a SGB V sowie der Richtlinienkompetenz des Beklagten in §
92 Abs
7 SGB V gefolgert, dass Richtlinien und Rahmenempfehlungen unterschiedliche Regelungsgegenstände im Prozess fortschreitender Konkretisierung
des Rahmenrechts der Versicherten auf Leistungen häuslicher Krankenpflege enthalten, nebeneinander stehen und sich inhaltlich
ergänzen. Grundsätzlich gilt für den Bereich der Heilmittel nichts anderes. Allerdings bestehen gewisse Abweichungen in den
Regelungen zur häuslichen Krankenpflege und zur Versorgung mit Heilmitteln. In §
92 Abs
6 Nr
3 SGB V ist dem GBA für den Bereich der Heilmittel aufgegeben, in den Richtlinien insbesondere "die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen"
zu regeln. Eine entsprechende Regelung findet sich in §
92 Abs
7 SGB V in Bezug auf die häusliche Krankenpflege nicht. Das lässt erkennen, dass nach der Intention des Gesetzgebers jedenfalls im
gewissen Umfang unmittelbar in den Heilmittel-RL Hinweise zum Verordnungsverhalten des Vertragsarztes gegeben werden müssen.
Deshalb rechnen grundsätzlich Vorgaben zum Verordnungsverhalten bei Heilmitteln nicht zu den Details der Ausgestaltung der
Verordnung mit Heilmitteln im Einzelnen, welche unter Anwendung der Grundsätze des Senatsurteils vom 31. Mai 2006 den Rahmenempfehlungen
nach §
125 Abs
1 SGB V vorbehalten sind.
Soweit die Klägerin aus §
92 Abs
6 Nr
3 SGB V ableitet, abgesehen von dem Sachverhalt der Wiederholungsverordnungen dürften in den Richtlinien keine Hinweise zu den Anwendungsfrequenzen
bezogen auf einzelne Heilmittel und potenzielle Indikationen gegeben werden, trifft das nicht zu. Zwar enthält §
125 Abs
1 Satz 4 Nr
1 SGB V die Aufforderung an die Partner der Rahmenempfehlungen, den Inhalt der einzelnen Heilmittel einschließlich Umfang und Häufigkeit
ihrer Anwendungen im Regelfall sowie deren Regelbehandlungszeit mit Empfehlungen zu versehen. Das kann auf dem Hintergrund
der gesetzlichen Ermächtigung an den GBA in §
92 Abs
6 SGB V aber nicht als ausschließliche Kompetenzzuweisung verstanden werden (aA Brink, Heilmittelerbringer in der Gesetzlichen Krankenversicherung,
2004, S 141). Einem umfassenden Verständnis der Regelungszuweisung an die Partner der Empfehlungsvereinbarung iS des §
125 Abs
1 Satz 1
SGB V steht schon entgegen, dass wegen der dem Beklagten zugewiesenen Kompetenz, zu Kernbereichen der Heilmittelversorgung Richtlinienempfehlungen
abzugeben (BT-Drucks 13/7264 zu Art 1 Nr 27a - neu - [§ 92 SGB V], S 64), diesem nicht verwehrt sein kann, auch Festlegungen
zum Inhalt der einzelnen Heilmittel iS des §
125 Abs
1 Satz 4 Nr
1 SGB V zu treffen. Der GBA hat nach §
92 Abs
6 Satz 1 Nr
1 SGB V ua die Verpflichtung, den "Katalog verordnungsfähiger Heilmittel" abschließend festzulegen, und seine Richtlinien sind gemäß
§
138 SGB V Voraussetzung dafür, dass neue Heilmittel in der vertragsärztlichen Versorgung überhaupt verordnet werden dürfen (zum Erlaubnisvorbehalt
des §
138 SGB V näher BSG SozR 4-2500 §
18 Nr 1 RdNr 14). Dies umfasst notwendigerweise auch die Befugnis, Festlegungen über "den Inhalt" derartiger Heilmittel zu treffen.
Ein Katalog von Heilmitteln, dem keine Definition des mit dem jeweiligen Begriff gemeinten therapeutischen Verfahrens oder
Mittels zugeordnet ist, ist nicht denkbar. Im Sinne der Ausführungen des Senatsurteils vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 69/04 R - zu dem Prozess der fortschreitenden Konkretisierung der Regelung kann daher das Tatbestandsmerkmal "Inhalt" in §
125 Abs
1 Satz 4 Nr
1 SGB V nur so verstanden werden, dass auf der Grundlage der Definition des jeweiligen Heilmittels in den Heilmittel-RL, in deren
Gestalt es Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist, die Partner der Rahmenempfehlungen nähere Konkretisierungen zur
technischen und inhaltlichen Ausgestaltung der jeweiligen Maßnahme und ggf zum Vorgehen des Therapeuten geben können.
Nichts anderes gilt hinsichtlich des Volumens (Gesamtverordnungsmenge) bzw der Frequenz, mit der die einzelnen Heilmittel
typischerweise bei den in Betracht kommenden Indikationen angewendet werden sollen. Im Hinblick auf die Verpflichtung des
GBA, Vorgaben zur Heilmittelverordnung mit dem Ziel einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der
Versicherten mit Heilmitteln zu geben, ist dieser berechtigt, im Sinne einer generellen Richtschnur die einzelnen von ihm
als ausreichend qualitätsgesichert angesehenen Heilmittel mit Vorgaben zur Verordnungsmenge für den Regelfall zu versehen.
Anders machte die dem GBA in §
92 Abs
6 Satz 1 Nr
3 SGB V ausdrücklich zugewiesene Kompetenz zur Regelung von Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen keinen Sinn. Denn eine Wiederholungsverordnung
setzt voraus, dass zunächst Heilmittel erstmals in einer bestimmten - genau umgrenzten - Menge verordnet worden sind.
Vorgaben zur Anwendungsfrequenz eines Heilmittels rechnen zum Kernbereich von Regelungen zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen
Versorgung mit dem entsprechenden Behandlungsverfahren. Die für die Verordnung verantwortlichen Vertragsärzte erhalten damit
Hinweise, wie oft ein bestimmtes Heilmittel nach den vorliegenden Erfahrungen zunächst angewandt werden soll, bevor der Vertragsarzt
nach erneuter Untersuchung des Patienten zu entscheiden hat, ob eine Verlängerung, Intensivierung oder Beendigung der jeweiligen
Therapie angezeigt ist. Im Bericht des Ausschusses für Gesundheit zur Neufassung des §
92 Abs
6 SGB V ist ausdrücklich ausgeführt, das Letztentscheidungsrecht hinsichtlich der Festlegungen zu den Heilmitteln verbleibe beim
Bundesausschuss, der durch seine Richtlinien das Leistungsrecht der Versicherten und die Leistungsverpflichtung der Ärzte
konkretisiere (BT-Drucks 13/7264, aaO S 64). Mit dieser Verpflichtung wäre es nicht vereinbar, dem GBA jede Befugnis abzusprechen,
Vorgaben hinsichtlich wirtschaftlicher Verordnungsmengen im Regelfall und der Anforderungen an Wiederholungsverordnungen festzulegen.
Würde insoweit eine ausschließliche Kompetenz der Partner im Sinne des §
125 Abs
1 SGB V angenommen, so bestünde die Gefahr, dass über Jahre hinweg die Vertragsärzte insoweit keinerlei Anleitung erhielten und auch
die Versicherten nicht wissen könnten, in welcher Weise ihr Rahmenrecht auf Behandlung (auch mit Heilmitteln) unter dem Gesichtspunkt
der Wirtschaftlichkeit konkretisiert ist.
Insbesondere die Vertragsärzte sind wegen ihrer Verantwortung für die Verordnung von Heilmitteln und deren Wirtschaftlichkeit
auf verbindliche Vorgaben angewiesen. Soweit demgegenüber darauf hingewiesen wird, die Vertragsärzte seien auch ohne Richtlinienvorgaben
und Rahmenempfehlungen über das Heilmittelbudget bzw über die Richtgröße für die wirtschaftliche Verordnung von Heilmitteln
finanziell mitverantwortlich (Brink, aaO, S 139), überzeugt das nicht. Ungeachtet der Verantwortung des einzelnen Vertragsarztes
für die wirtschaftliche Verordnung von Arzneimitteln hat der Gesetzgeber in einem über Jahrzehnte währenden Konkretisierungsprozess
dem Bundesausschuss und später dem GBA immer detailliertere Vorgaben zum Erlass von Richtlinien zur Steuerung des Verordnungsverhaltens
gemacht (vgl im einzelnen Senatsurteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass es angesichts der Unübersichtlichkeit
des Arzneimittelmarktes und der besonderen Bedeutung, die einem sparsamen Einsatz der für die Versorgung der Versicherten
mit Arzneimitteln aufgewandten Finanzmittel zukommt, nicht ausreicht, an die Verantwortung des einzelnen Vertragsarztes für
die von ihm getätigten Verordnungen zu appellieren.
Auch wenn der Markt für Heilmittel übersichtlicher als der Arzneimittelmarkt ist und die Kosten der Heilmittel einen geringeren
Anteil an den Gesamtausgaben der Krankenkassen beanspruchen als die Ausgaben für Arzneimittel, gilt für die Verordnung von
Heilmitteln nichts grundsätzlich anderes. Gerade bei der Verordnung von Heilmitteln wie etwa der Sprachtherapie kann die Wirtschaftlichkeit
der Versorgung nicht ohne klare untergesetzliche Maßgaben allein über die auf den einzelnen Arzt ausgerichtete Wirtschaftlichkeitsprüfung
nach §
106 SGB V realisiert werden. Als Folge der geringen Zahl betroffener Behandlungsfälle sind statistische Vergleichsprüfungen hier vielfach
nur schwer durchführbar. Umso wichtiger sind eindeutige Vorgaben der im Regelfall als wirtschaftlich angesehenen Verordnungsmengen
für die Erstverordnung und für eventuelle Wiederholungsverordnungen. Derartige Vorgaben schützen - wenn sie beachtet werden
- den Vertragsarzt davor, in großem und möglicherweise existenzbedrohenden Umfang für Verordnungen in Regress genommen zu
werden, die sich im Nachhinein als unwirtschaftlich erweisen. Ohne verbindliche Konkretisierungen des Wirtschaftlichkeitsgebotes
gerade im Bereich der Verordnung von Heilmitteln fällt es dem Vertragsarzt erfahrungsgemäß schwer, gegenüber dem Versicherten
eine wirtschaftliche Verordnungsweise durchzusetzen. Dementsprechend war bereits in Nr 28 der "Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln in der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung
(Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien idF vom 17. Juni 1992, BAnz Nr 183b vom 29. September 1992) bestimmt, der Kassenarzt
solle die Versicherten - soweit nötig im Einzelfall - auf die in diesen Richtlinien genannten Beschränkungen hinweisen. Fehlt
es an derartigen auch für die Versicherten verbindlichen Vorgaben (§
91 Abs
9 SGB V), müsste sich der Vertragsarzt in jedem Einzelfall mit den Verordnungswünschen der Patienten hinsichtlich der Menge und Frequenz
etwa von Massagen und Krankengymnastikbehandlungen auseinandersetzen. Die damit verbundene Belastung des Arzt-Patienten-Verhältnisses
wird durch klare normativ verbindliche Vorgaben, welche in begründeten Einzelfällen ein Abweichen gestatten, gerade verhindert.
Schließlich spricht auch der Inhalt der früheren Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien für eine Berechtigung des GBA zur
Vorgabe auch von Verordnungsmengen und Anwendungsfrequenzen und zur Bewertung von Heilmitteln. In diesen Richtlinien, die
(auch) Vorläufer der hier zu beurteilenden Heilmittel-RL des GBA sind, waren zahlreiche Vorgaben hinsichtlich der Verordnungsmengen
enthalten. Unter Nr 17 war zB bestimmt, dass insbesondere bei Maßnahmen der physikalischen Therapie die jeweilige Verordnung
nicht mehr als sechs Einzelbehandlungen umfassen solle. Die Verordnung längerer Behandlungsserien bedurfte besonderer Begründung,
soweit sich die Notwendigkeit nicht aus der Diagnose selbst ergab. Die Unterbrechung einer Behandlungsserie von mehr als zehn
Tagen verlangte grundsätzlich eine Neuverordnung. Das Gleiche galt, wenn die Behandlung nicht innerhalb von 14 Tagen nach
Ausstellung der Verordnung aufgenommen wurde. In der Nr 45 (Sprachtherapie) war bestimmt, dass die erstmalige Verordnung von
Sprachtherapien im Krankheitsfall - von medizinisch indizierten Ausnahmen abgesehen - nicht mehr als zehn Therapieeinheiten
umfassen solle. Eine entsprechende Vorgabe enthielt Nr 51.2 für Leistungen der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie).
Diese Regelungen waren dem Gesetzgeber des 2. GKV-NOG bekannt, und es spricht nichts dafür, dass er angesichts des auf eine
Konkretisierung der Verordnungsgrundsätze bei Heilmitteln abzielenden Neufassung des §
92 Abs
6 SGB V dem Bundesausschuss (später GBA) generell die Möglichkeit nehmen wollte, Vorgaben zur Menge und zur Frequenz verordneter
Heilmittel zu machen. Deshalb kann nicht angenommen werden, dass allein mit der Aufforderung an die Partner nach §
125 Abs
1 SGB V, zu Umfang und Häufigkeit der Anwendungen im Regelfall Stellung zu nehmen, dieser für die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung
zentrale Bereich der Rechtsetzungsbefugnis dem GBA gänzlich entzogen werden sollte. Da der Gesetzgeber des 2. GKV-NOG die
Vereinbarung von Rahmenempfehlungen nur empfohlen hat, diese nicht als rechtlich verbindlich ausgestaltet und auch kein Schiedsverfahren
für den Fall vorgesehen hat, dass derartige Empfehlungen nicht zustande kommen, müsste angenommen werden, dass der Gesetzgeber
auf verbindliche Vorgaben zur regelmäßigen Verordnungsfrequenz sowohl mit Wirkung für die Versicherten als auch mit Wirkung
für die verordnenden Vertragsärzte habe ganz verzichten wollen. Dafür spricht angesichts der auf eine stärkere Entfaltung
des Gebotes der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung generell und insbesondere
bei der Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln gerichteten Zielsetzung des 2. GKV-NOG nichts.