Anspruch auf rückwirkende Gewährung einer Mehrbedarfsleistung nach dem SGB XII wegen der Zuerkennung des Merkzeichens G
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Zeitpunkt der bescheidmäßigen Feststellung des Merkzeichens durch das Versorgungsamt
Erneute Klärungsbedürftigkeit einer bereits höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfrage
Gründe:
I
Im Streit ist ein Anspruch auf rückwirkende Gewährung der Mehrbedarfsleistung nach § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für den Zeitraum Dezember 2012 bis Juni 2013 wegen der im Juli 2013 erfolgten Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Die Beklagte bewilligte Leistungen der Grundsicherung im Alter im Zeitraum Dezember 2012 bis Juni 2013 ohne Berücksichtigung
eines Mehrbedarfs (Bescheide vom 30.10.2012 und 11.3.2013). Nach Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab Dezember 2012 (Widerspruchsbescheid
des Niedersächsischen Landesamts für Soziales, Jugend und Familie [Landesamt] vom 24.7.2013) beantragte die Klägerin mit Schreiben
vom 25.7.2013 bei der Beklagten die Anerkennung eines Mehrbedarfs. Die Beklagte bewilligte hierauf Grundsicherungsleistungen
ab Juli 2013 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen der Zuerkennung des Merkzeichens "G" (Bescheid vom 26.7.2013,
Widerspruchsbescheid vom 14.10.2013). Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat die auf Gewährung eines Mehrbedarfs vom 1.12.2012 bis 30.6.2013 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 6.2.2017).
Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zurückgewiesen (Urteil
vom 26.9.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Mehrbedarf könne erst ab dem Zeitpunkt der
bescheidmäßigen Feststellung des Merkzeichens durch das Versorgungsamt gewährt werden.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) geltend. Sie wirft sinngemäß die aus ihrer Sicht grundsätzlich bedeutsame Frage auf, ob im Falle einer Abhilfe im
Widerspruchsverfahren bezüglich der Zuerkennung des Merkzeichens "G" für die Gewährung des Mehrbedarfs auf den Zeitpunkt des
fehlerhaften Ausgangsbescheids abzustellen sei. Das Landesamt habe mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.7.2013 den fehlerhaften
Ausgangsbescheid korrigiert und das Merkzeichen "G" rückwirkend festgestellt. Der Klägerin dürften durch das zweigleisige
Verwaltungsverfahren vor dem Landesamt und dem Sozialleistungsträger keine ungerechtfertigten Nachteile entstehen. Soweit
das LSG auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.4.2018 (B 8 SO 25/16 R) Bezug nehme, könne dem nicht gefolgt werden.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen
Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist (vgl etwa BSG Beschluss vom 5.9.2018 - B 8 SO 33/18 B mwN). Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert,
ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin zeigt schon den (abstrakten) Klärungsbedarf zu der von ihr aufgeworfenen Frage, ob bei einer Abhilfe im Widerspruchsverfahren
bezüglich der Zuerkennung des Merkzeichens "G" auf den Zeitpunkt des fehlerhaften Ausgangsbescheids abzustellen ist, nicht
hinreichend auf. Sie legt nicht ausreichend dar, wieso mit Blick auf die Rechtsprechung des BSG, wonach die Gewährung eines pauschalierten Mehrbedarfs wegen Zuerkennung des Merkzeichens "G" frühestens mit dem Zeitpunkt
der bescheidmäßigen Feststellung des Merkzeichens durch das Versorgungsamt möglich ist (BSG Urteil vom 25.4.2018 - B 8 SO 25/16 R - juris RdNr 14 ff, vorgesehen für SozR 4-3500 § 30 Nr 5), noch Klärungsbedarf bestehen
soll.
Die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, es sei auch nach der BSG-Rechtsprechung auf die ursprüngliche Ablehnung durch Bescheid abzustellen, weil sie (rückwirkend) korrigiert worden sei,
ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Senat in der genannten Entscheidung nicht auf den Zeitpunkt, zu dem der
Nachteilsausgleich vom Versorgungsamt rückwirkend anerkannt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt des Nachweises abgestellt
hat, der im Falle der Klägerin frühestens mit dem Erlass des Widerspruchs- bzw Abhilfebescheids möglich war (BSG Urteil vom 25.4.2018 - B 8 SO 25/16 R - juris RdNr 18, vorgesehen für SozR 4-3500 § 30 Nr 5). Damit setzt sich die Klägerin
nicht in der gebotenen Weise auseinander, sondern greift nur die Richtigkeit der Entscheidung des LSG an. Dies vermag indes
die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in
der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig
(vgl zB BSG Beschluss vom 31.1.2018 - B 8 SO 79/17 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 5.9.2018 - B 8 SO 33/18 B - juris RdNr 5). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden
worden ist, kann zwar wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen
wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG Beschluss vom 5.9.2018 - B 8 SO 33/18 B - juris RdNr 5; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Daran fehlt es aber.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.