Leistungen der Grundsicherung
Verfahrensrüge
Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils
Absoluter Revisionsgrund
1. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen
bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die
diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden.
2. Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG
- auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht, es sei denn, es werden absolute
Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß §
202 SGG i.V.m. §
547 ZPO der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Zahlung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) für die Zeit vom 1.12.2008 bis 30.9.2013.
Der Kläger erhält neben Bezügen des Versorgungswerks der Rechtsanwälte seit 1.11.2008 eine Regelaltersrente von der Deutschen
Rentenversicherung Bund, die zudem einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung zahlt. Seit 1.3.2005 erhält der Kläger
Grundsicherungsleistungen. Dabei legte die Beklagte einen Bedarf in Höhe von 115 Euro als Kosten der privaten Krankenversicherung
zugrunde und berücksichtigte ua die Altersrente und den Zuschuss für die private Krankenversicherung als Einkommen. Mit seinem
Überprüfungsantrag vom Juli 2013 machte der Kläger erfolglos geltend, die Berücksichtigung des Zuschusses zur privaten Krankenversicherung
als Einkommen sei rechtswidrig (Bescheid vom 17.7.2013; Widerspruchsbescheid vom 30.6.2014; Gerichtsbescheid des SG Freiburg
vom 27.10.2014; Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 27.4.2017).
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger vier "Verfahrensfehler" geltend.
Zum einen habe er nur die Überprüfung der Anrechnung des Krankenkassenbeitrags beantragt und nicht der Bescheide insgesamt;
es liege in der Hand der Prozessparteien, den Streitgegenstand zu bestimmen. Zum zweiten müsse die Anrechnung des Zuschusses
zur privaten Krankenversicherung zweckbestimmt erfolgen. Die Zahlungen der geschiedenen Ehefrau in Höhe von 300 Euro seien
als Darlehen erfolgt und hätten nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfen. Aufgrund des Bestandsschutzes wären die
Fristen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) und nicht die des § 116a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) anwendbar gewesen. Auf all diesen Fehlern beruhe das Urteil des LSG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter
nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen
bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die
diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden (BSG SozR 1500 §
160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht
des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es werden - was hier allerdings nicht der Fall ist - absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß §
202 SGG iVm §
547 Zivilprozessordnung (
ZPO) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Es fehlt nicht nur an jeglicher, auch zusammenfassender Darstellung
des entscheidungserheblichen Sachverhalts, die dem Senat die Prüfung ermöglichen würde, ob die Entscheidung des LSG auf einem
der als "Verfahrensfehler" bezeichneten Mängel beruht. Der Kläger macht mit seinem Vortrag zu den "Komplexen" 2 bis 4 tatsächlich
auch gar keine Verfahrensmängel geltend ("error in procedendo"), sondern wendet sich gegen die Richtigkeit der Entscheidung
des LSG ("error in iudicando").
Soweit er rügt ("Komplex" 1), das LSG habe den Streitgegenstand verkannt (§
123 SGG), fehlt es zumindest an nachvollziehbarem Vortrag, weshalb die Entscheidung des LSG hierauf beruhen soll, das LSG auch ohne
den angeblichen Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Allein die Behauptung, das Urteil
des LSG beruhe "auf diesem Fehler", genügt dafür erkennbar nicht. Denn es hätte jedenfalls Ausführungen dazu bedurft, weshalb
- bei einer isolierten Prüfung des Zuschusses des Rentenversicherungsträgers zur privaten Krankenversicherung - dieser Zuschuss
gerade nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl dazu im Übrigen BSG SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 15, 37) oder ihm aus anderen Gründen höhere Grundsicherungsleistungen zu gewähren wären. Daran fehlt es.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.