Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägerinnen in der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 31. Oktober 1993 Hilfe zum Lebensunterhalt
ohne Anrechnung vom Geldvermögen zusteht, das aus Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG - angespart worden ist.
Die Klägerin zu 1, Mutter der am 20. Mai 1992 geborenen Klägerin zu 2, befand sich in dieser Zeit als Rechtsreferendarin im
Erziehungsurlaub und bezog Erziehungsgeld in Höhe von 600 DM monatlich, das sie auf ihrem Sparbuch anlegte.
Am 1. Juli 1993 zogen die Klägerinnen von K., wo sie bis zum 30. Juni 1993 Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen hatten, in den
Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Den bereits unter dem 7. Mai 1993 gestellten Antrag der Klägerin zu 1 auf Hilfe zum Lebensunterhalt
lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 1993 ab, weil die Klägerin zu 1 nach dem Stand vom 3. Mai 1993 über ein Sparguthaben
von 9080 DM verfüge, mit dem sie ihren notwendigen Lebensunterhalt sicherstellen könne. Daß das Sparvermögen in erster Linie
durch das Ansparen von Erziehungsgeld entstanden sei, begründe für seinen Einsatz oberhalb der für die Klägerinnen geltenden
Freigrenze keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3
BSHG.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1993) erhobene Klage auf Verpflichtung der
Beklagten zur Gewährung von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 1451,89 DM hatte in beiden Rechtszügen
keinen Erfolg. Das Berufungsurteil (ZfS 1997, 214 = NWVBl 1997, 259) ist im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerinnen hätten im streitgegenständlichen Zeitraum ihren notwendigen Lebensunterhalt aus dem Sparvermögen der Klägerin
zu 1 beschaffen können. Das Sparguthaben der Klägerin zu 1 sei lediglich in den Grenzen des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG geschützt gewesen. Dem Einsatz des die Schongrenze von 3000 DM übersteigenden Betrages habe § 88 Abs. 2 Nr. 1
BSHG nicht entgegengestanden; denn Erziehungsgeld gehöre nicht zu den öffentlichen Mitteln, die zum Aufbau oder zur Sicherung
einer Lebensgrundlage oder zur Sicherung eines Hausstandes gewährt würden. Der Einsatz des die Schongrenze übersteigenden
Sparvermögens bedeute für die Klägerinnen auch keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG. Bei der Anwendung dieser Vorschrift komme es darauf an, ob die Anwendung der Rechtsvorschriften zu einem den Leitvorstellungen
des § 88 Abs. 2
BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen würden. Die Herkunft des Vermögens spiele in diesem Zusammenhang regelmäßig keine entscheidende
Rolle. § 8
BErzGG, der anordne, daß Erziehungsgeld bei der Gewährung von einkommensabhängigen Sozialleistungen als Einkommen unberücksichtigt
bleibe, könne nicht dahin ausgelegt werden, daß diese Vorschrift auch die Einsatzfreiheit des Erziehungsgeldes als Vermögen
regele.
Allerdings könne der gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung des Erziehungsgeldes als Einkommen auch im Rahmen
des Vermögenseinsatzes nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG durchgreifen. Auch dies führe jedoch nicht zur Schonung von angespartem Erziehungsgeld im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt.
Denn der Zweck des Erziehungsgeldes liege in der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Familien nach der Geburt
eines Kindes und der Anerkennung der Erziehungsleistung von Müttern und Vätern, nicht aber in der Ermöglichung einer Vermögensbildung
des leistungsberechtigten Personenkreises.
Nach Abzug des kleineren Barbetrages in Höhe von 3000 DM habe der Klägerin zu 1 ein Sparguthaben in der streitgegenständlichen
Zeit zwischen 4680 DM und 2000 DM zur Verfügung gestanden. Dieses Vermögen habe zwar nicht ausgereicht, um den nicht gedeckten
Bedarf für den gesamten Zeitraum in Höhe von 5807,56 DM zu decken. Hierauf komme es aber entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
nicht an, sondern auf das tatsächlich im jeweiligen Zeitabschnitt vorhandene Vermögen. Da der Klägerin zu 1 in jedem der streitigen
Monate ein Betrag in Höhe von mindestens 1451,89 DM als verwertbares Sparvermögen zur Verfügung gestanden habe, sei sie in
der Lage gewesen, in jedem Monat ihren eigenen und den ungedeckten Bedarf der Klägerin zu 2 aus ihrem Sparguthaben zu beschaffen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerinnen, mit der sie ihr Verpflichtungsbegehren weiterverfolgen. Sie
rügen Verletzung des § 88 Abs. 3
BSHG und des § 8
BErzGG.
Die Beklagte und der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen das angefochtene Urteil.
II.
Die Revision der Klägerinnen ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Verpflichtung der Beklagten
zur Gewährung der begehrten Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Anrechnung des angesparten Erziehungsgeldes (§
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
1
VwGO).
Die das Berufungsurteil tragende Auffassung, der Einsatz von Vermögen, das aus nicht verbrauchtem Erziehungsgeld nach dem
Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) i.d.F. der Bekm. vom 21. Januar 1992 (BGBl I S. 68) angespart worden ist, stelle keine Härte i. S. des § 88 Abs. 3
BSHG dar verletzt Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1
VwGO).
Zu Recht ist allerdings das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß das Gesetz generelle Einsatzfreiheit nur für das Erziehungsgeld
als Einkommen anordnet. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG. Nach dieser Vorschrift bleibt das Erziehungsgeld als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung - wie die Hilfe zum
Lebensunterhalt (§ 11 Abs. 1
BSHG) - von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt. Da das Recht der sozialen Leistungen für den Einsatz des Einkommens
und des Vermögens je getrennte und unterschiedliche Regelungen enthält (vgl. z.B. für das Sozialhilferecht §§ 76 ff. und §§ 88 f. BSHG und BVerwGE 45, 135 [136]; 98, 256 [257 f.]; für das Ausbildungsförderungsrecht §§
21 ff. und §§
26 ff.
BAföG), können sozialrechtliche Leistungsnormen, die ausdrücklich nur die Einsatzfreiheit einer Sozialleistung als Einkommen anordnen
(wie § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG auch § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" vom 13. Juli 1984 [BGBl I S.
880]), grundsätzlich nicht dahin ausgelegt werden, daß mit ihnen gleichzeitig auch die Einsatzfreiheit der Sozialleistung
als Vermögen angeordnet werden soll. Dies wird dadurch bestätigt, daß der Gesetzgeber, wenn er eine umfassende Einsatzfreiheit
will, die betreffende Sozialleistung ausdrücklich bei der "Ermittlung von Einkommen und Vermögen" ausnimmt (so § 21 Abs. 2
Satz 1 des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 17. Dezember 1971 [BGBl I S.
2018]; s. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. August 1992 - BVerwG 5 C 2.88 - [Buchholz 436. 0 § 2
BSHG Nr. 14]; ebenso § 17 Abs. 2 des Gesetzes über die humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen [HIV-Hilfegesetz - HIVHG] vom 24. Juli
1995 [BGBl I S. 972]).
Kann demnach § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG nicht dahin ausgelegt werden, daß er auch die Einsatzfreiheit des Erziehungsgeldes als Vermögen regele, so schließt dies
jedoch nicht aus, den gesetzgeberischen Grund für die Nichtberücksichtigung des Erziehungsgeldes als Einkommen auch im Rahmen
des Vermögenseinsatzes zum Tragen zu bringen und angespartes Erziehungsgeld als Vermögen in dem Umfang einsatzfrei zu stellen,
in dem es den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist wie das monatlich gezahlte Erziehungsgeld. Die rechtliche Grundlage
hierfür bietet § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG (vgl. BVerwGE 45, 135 [136]; 98, 256 [257 f.]).
Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz und von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den,
der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Das Vorliegen
einer solchen Härte haben die Vorinstanzen zu Unrecht verneint. Müßte die Klägerin zu 1 das angesparte Erziehungsgeld in dem
hier streitgegenständlichen Zeitraum, in dem die Klägerin zu 2 ihren 18. Lebensmonat noch nicht vollendet hatte, für die Bestreitung
des Lebensunterhalts für sich und ihre Tochter einsetzen, stünde es in der ersten Lebensphase ihres Kindes nicht mehr zu den
Zwecken zur Verfügung, denen es das Bundeserziehungsgeldgesetz gewidmet hat. Das trifft die Klägerinnen hart i. S. des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geht das Bundeserziehungsgeldgesetz nicht davon aus, daß das monatlich bewilligte Erziehungsgeld von dem leistungsberechtigten Personenkreis stets auch laufend
monatlich verbraucht wird und verbraucht werden muß, um die Zwecke, die mit der Zahlung des Erziehungsgeldes verfolgt werden,
zu erfüllen. Dagegen spricht bereits, daß Erziehungsgeld auch rückwirkend bewilligt werden kann, und zwar für längstens sechs
Monate (§ 4 Abs. 2
BErzGG). Damit gibt das Gesetz zu erkennen, daß es mit der Zweckbestimmung des Erziehungsgeldes vereinbar ist, wenn die Geldleistung
dem Berechtigten nicht in monatlichen Teilbeträgen, sondern in einer Summe zufließt, die immerhin ein Drittel des gesamten
Anspruchsvolumens nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BErzGG ausmacht.
Die Zwecke, die das Erziehungsgeld verfolgt, sind nicht der Art, daß sie nur durch einen monatlichen Verbrauch der zugeflossenen
Sozialleistung verwirklicht werden könnten. Das Erziehungsgeld dient weder der Sicherstellung des Unterhalts des Anspruchsberechtigten
und seines Kindes noch dem Ersatz entgangenen Lohnes oder Einkommens (vgl. BTDrucks 11/2460 S. 15: "Erziehungsgeld ist keine
Lohnersatzleistung"; weiterhin BVerfG, Beschluß der 3. Kammer des 1. Senats vom 14. Juni 1989 - 1 BvR 594/89 - [SozR 7833 § 3
BErzGG Nr. 2]; BFHE 176, 114 [116 f.]). Denn das Erziehungsgeld ist während der ersten sechs Monate nach der Geburt des Kindes einkommensunabhängig (§
5 Abs. 2
BErzGG), wird grundsätzlich neben zivilrechtlichem Unterhalt und öffentlich-rechtlichen Sozialleistungen mit Unterhaltsfunktion
(§ 8 Abs. 1, § 9 Satz 1 BErzGG) und auch an Personen gezahlt, die vor der Geburt des zu betreuenden Kindes nicht erwerbstätig waren (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4
BErzGG).
Das Erziehungsgeld dient vielmehr spezifisch familienpolitischen Zwecken. Es wird "für die Betreuung und Erziehung eines Kindes"
(§ 3 Abs. 1 Satz 1 BErzGG) "vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensmonats" (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BErzGG) gewährt. Es soll weder tatsächliche Einkommenseinbußen ausgleichen noch den tatsächlichen Betreuungsaufwand entschädigen,
sondern lediglich die Betreuung und Erziehung eines Kindes durch eine nicht voll erwerbstätige, sorgeberechtigte Person in
der ersten Lebensphase des Kindes allgemein fördern (vgl. BVerfG, Beschluß der 3. Kammer des 1. Senats vom 14. Juni 1989 [a.a.O.]),
indem es die wirtschaftliche Situation junger Familien nach der Geburt eines Kindes wesentlich verbessert; zugleich bringt
es eine Anerkennung der Erziehungsleistung durch die Gemeinschaft zum Ausdruck (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks
10/3792 S. 13 unter I.; Begründung zum 2. BErzGG-ÄndG, BTDrucks 12/1125 S. 7; BFH a.a.O. S. 116). Hierbei spielt § 8 Abs. 1
BErzGG eine besondere Rolle. Die zusätzliche Gewährung des Erziehungsgeldes neben anderen Sozialleistungen soll sicherstellen, daß
das Erziehungsgeld auch bei Einkommensschwachen seiner Zielsetzung gerecht wird, die Betreuung und Erziehung eines Kindes
in der ersten Lebensphase durch die Eltern anzuerkennen und mehr als bisher zu fördern und schwangeren Frauen, die sich aus
wirtschaftlichen Gründen in einer Konfliktsituation befinden, das Ja zum Kind zu erleichtern (Begründung zu § 8
BErzGG, BTDrucks 10/3792 S. 18).
Das Erziehungsgeld stellt sich demnach als eine familienpolitische, verhaltenssteuernde Sozialleistung dar, die die Hinwendung
zum Kind bewirken soll (vgl. BSGE 78, 132 [137]). Vor dem Hintergrund dieser Zweckausrichtung ist es unerheblich, ob das Erziehungsgeld Monat für Monat ausgegeben
oder angespart und für einen kostenaufwendigeren Bedarf, etwa eine Erholungsreise zur physischen Regeneration der Mutter,
verwendet wird. Das Gesetz läßt dem Anspruchsberechtigten Freiheit, wofür und wann er das Geld ausgibt; gerade auch hierin
zeigt sich die Anreizfunktion des Erziehungsgeldes. In dem vom Gesetz normierten Begünstigungszeitraum, der ersten Lebensphase
des neugeborenen Kindes, sollen sich junge Eltern wirtschaftlich besserstehen und sich Dinge leisten können, die sie sich
ohne das Erziehungsgeld nicht leisten könnten. Erziehungsgeld kann demnach seine gesetzlich gesetzten Zwecke auch als Vermögen
erfüllen, wenn es in dem gesetzlichen Förderungszeitraum ausgegeben wird.
Erst mit Ablauf des Monats, mit dem die Berechtigung zum Bezug von Erziehungsgeld endet, verliert Vermögen, das aus Erziehungsgeld
angespart worden ist, seine spezifische Zweckbestimmung, weil es nun nicht mehr im gesetzlichen Förderungszeitraum wirksam
werden kann. Vor diesem Zeitpunkt darf nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG sein Einsatz von dem Träger der Sozialhilfe nicht verlangt werden, weil es sonst dem Bezugsberechtigten nicht mehr für die
Verwendung im Rahmen des gesetzlichen Förderungsszweckes zur Verfügung stünde.
Da die Klägerin zu 2 in der hier streitgegenständlichen Zeit ihren 18. Lebensmonat noch nicht vollendet hatte, waren demnach
die ablehnenden Bescheide der Beklagten, mit denen diese von der Klägerin zu 1 den Einsatz ihres aus Erziehungsgeld angesparten
Vermögens verlangt, und die dies bestätigenden Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
den Klägerinnen Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Anrechnung von Vermögen zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1
VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus §
188 Satz 2
VwGO.
Beschluß
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Revisionsverfahren auf 5807,56 DM festgesetzt (vgl. § 13 Abs. 2
GKG).