Beitragsnachweise des Insolvenzverwalters für Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens als Altmasseverbindlichkeiten; Feststellung der Höhe der geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge
sowie Erstellung der Beitragsnachweise durch den Rentenversicherungsträger; Keine Erhebung von Säumniszuschlägen
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung.
Der Kläger wurde in dem am 01.03.2006 eröffneten Insolvenzverfahren (Beschluss des Amtsgerichts Neustadt a d Wstr, 1 IN /06)
über das Vermögen der S. Bau GmbH (im Folgenden: S.-GmbH) gemäß §
27 Insolvenzordnung (
InsO) zum Insolvenzverwalter ernannt. Bereits mit Schreiben vom 22.02.2006 (eingegangen am 23.02.2006), hatte er gegenüber dem
Insolvenzgericht angezeigt, "dass die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Masseverbindlichkeiten zum Zeitpunkt
ihrer Fälligkeit zu erfüllen." Außerdem kündigte er sämtlichen Arbeitnehmern der S.-GmbH und stellte sie ab dem Zeitpunkt
der Insolvenzeröffnung unter Anrechnung auf eventuell noch bestehende Urlaubsansprüche und anderweitige Vergütungsansprüche
von der Arbeitsleistung frei. Der Kläger übermittelte für die gekündigten Arbeitnehmer für die Zeit ab 01.03.2006 keine Beitragsnachweise
und zahlte auch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge mehr.
Der beklagte Rentenversicherungsträger führte bei der S.-GmbH am 30.04.2009 eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 01.03. bis
30.09.2006 durch und entschied mit Bescheid vom 05.05.2009, dass die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung 88.688,46
€ beträgt. Der Kläger wurde aufgefordert, diesen Betrag an die in der Anlage zum Bescheid aufgeführten Einzugsstellen zu zahlen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 18.05.2009 Widerspruch ein. Der angefochtene Bescheid sei bereits deshalb rechtswidrig,
weil er ohne vorherige Anhörung ergangen sei. Der Bescheid erstrecke sich auf den Prüfzeitraum vom 01.03.2006 bis 30.09.2006,
also auch die Zeit nach Insolvenzeröffnung. Sämtliche Arbeitsverhältnisse der Gesamtschuldnerin seien jedoch bis spätestens
zum 30.06.2006 vom Insolvenzverwalter mit der für ihn geltenden Sonderkündigungsfrist des §
113 InsO gekündigt worden, so dass Beiträge für die Zeit ab dem 01.07.2006 nicht mehr anfallen könnten. Darüber hinaus bestehe zum
jetzigen Zeitpunkt eine Beitragspflicht aber auch aus Rechtsgründen nicht. Der Insolvenzverwalter habe bereits bei Eröffnung
des Insolvenzverfahrens die Masseunzulänglichkeit angezeigt und bereits vor Insolvenzeröffnung sämtliche Arbeitnehmer von
der Arbeitsleistung freigestellt. Kein einziger Arbeitnehmer sei nach Insolvenzeröffnung noch weiterbeschäftigt worden. Dies
führe dazu, dass Lohnansprüche sowie hierauf gegründete Sozialversicherungsansprüche nach §
209 Abs
1 Nr
3 InsO nachrangige Masseverbindlichkeiten seien, die vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (noch) nicht
zu bezahlen seien. Bei Vorliegen von Masseunzulänglichkeit sei auch noch nicht abzusehen, ob auf diese Löhne nur eine Quote
zu bezahlen sein werde.
Außerdem seien die Arbeitnehmer unter Anrechnung auf anderweitige Vergütungsansprüche von der Arbeitsleistung freigestellt
worden. Würden diese Arbeitnehmer bereits während ihrer Freistellung ein neues Arbeitsverhältnis eingehen und Löhne beziehen,
wären diese Löhne auf Lohnansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter anzurechnen. Insoweit würde der Insolvenzverwalter keine
Löhne und damit auch keine Sozialversicherungsansprüche mehr schulden. Üblicherweise gehe der Insolvenzverwalter in einem
masseunzulänglichen Insolvenzverfahren so vor, dass er in dem Zeitpunkt, in dem die Insolvenzmasse feststehe, die freigestellten
Arbeitnehmer anschreibe und diese unter Beifügung eines Formulars auffordere ua mitzuteilen, welche anderweitigen Löhne oder
Lohnersatzleistungen sie erhalten haben, um mit Hilfe dieser Informationen den korrekten Annahmeverzugslohn nach §
615 BGB zu ermitteln. Bis zur Erteilung der Auskunft könne der Insolvenzverwalter die Leistung verweigern, weil ihm ein Zurückbehaltungsrecht
zustehe. Da die betroffenen Arbeitnehmer keine Auskünfte erteilt hätten, seien die Lohnansprüche nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG) bis heute nicht fällig geworden. Gleiches gelte für die Sozialversicherungsbeiträge.
Dem Widerspruch des Klägers half die Beklagte teilweise ab. Mit Bescheid vom 12.04.2010 wurde die Nachforderung auf 58.873,70
€ festgesetzt, darin enthalten sind Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 15.770,50 €. Die Beklagte trug damit dem Umstand
Rechnung, dass einige der gekündigten Arbeitnehmer bereits vor dem 30.09.2006 eine neue Beschäftigung aufgenommen hatten.
In einer dem Bescheid als Anlage beigefügten Aufstellung sind die 21 Arbeitnehmer sowie die sieben für die betroffenen Arbeitnehmer
zuständigen Einzugsstellen aufgeführt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2010 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers im Übrigen als
unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde der Fortbestand eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich nicht dadurch berührt, dass über das Vermögen des
Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
bestehe demnach auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur rechtlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses,
längstens bis zur Aufnahme einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber fort. Dabei sei es unerheblich, ob der Insolvenzverwalter
die Arbeitsverhältnisse vor oder nach Betriebsstilllegung kündige und die Arbeitnehmer von der Arbeit freistelle. Für Beiträge
und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt habe, sei ein Säumniszuschlag
zu zahlen. Für Beiträge, die aufgrund einer Betriebsprüfung gefordert würden, gelte dies nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber
unverschuldet keine Kenntnis von seiner Zahlungspflicht gehabt habe. Der Kläger habe in Kenntnis dessen, dass Beitragsnachweise
zu erstellen seien, eine Nachweisung gegenüber den Einzugsstellen unterlassen.
Am 28.06.2010 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (S 12 R 2382/10). Er hat sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte habe die Auswirkungen der von ihm erklärten Masseunzulänglichkeit
auf die Beitragsansprüche nicht beachtet. Die Beitragsansprüche stellten lediglich nachrangige Masseverbindlichkeiten gemäß
§
209 Abs
1 Nr
3 InsO dar (sog Altmasseverbindlichkeiten), die er als Insolvenzverwalter erst bedienen dürfe, wenn alle vorangegangen Rangklassen
erfüllt seien. Im vorliegenden Insolvenzverfahren sei derzeit die Massebildung noch nicht abgeschlossen. Es sei noch nicht
absehbar, ob bzw in welcher Höhe auf die hier streitigen nachrangigen Beitragsansprüche der Sozialversicherungsträger Zahlungen
geleistet werden könnten. Daraus folge, dass die Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer und die hierauf gegründeten Sozialversicherungsansprüche
heute weder fällig noch der Höhe nach absehbar seien. Daher könnten auch keine Säumniszuschläge festgesetzt werden.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Bescheid vom 23.05.2013 erlassen. Sie hat darin die Beitragsforderung um
diejenigen Beiträge vermindert, die von der Bundesagentur für Arbeit getragen wurden. Die Beitragsforderung beträgt jetzt
noch 23.090,25 €, darin enthalten sind Säumniszuschläge in Höhe von 2.359,50 €. Im Übrigen ist die Beklagte der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 31.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger als Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer einseitig und unwiderruflich von der Arbeitsleistung
freigestellt habe, habe er sich grundsätzlich nach §
615 BGB im Annahmeverzug befunden. Dementsprechend seien sie zur Vergütung verpflichtet geblieben. Nach §
615 Satz 2
BGB müsse sich der Arbeitnehmer allerdings den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung
erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen habe. Zwar treffe
grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein eines anrechenbaren Verdienstes den Arbeitgeber. Werde
er aber auf Zahlung von Annahmeverzugslohn in Anspruch genommen, habe er im Gegenzug einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer
in entsprechender Anwendung von § 74c HGB auf Auskunft über die tatsächlichen Umstände, die nach §
615 Satz 2
BGB zum Erlöschen seiner Zahlungspflichten führten. Erteile der Arbeitnehmer die verlangte Auskunft nicht, könne der Arbeitgeber
die Fortzahlung des Arbeitsentgelts verweigern. Das Zurückbehaltungsrecht nach §
273 BGB ändere jedoch nichts daran, dass der Arbeitsentgeltanspruch grundsätzlich entstanden und geschuldet sei. Das Urteil ist dem
Kläger am 23.12.2014 zugestellt worden.
Am 13.01.2014 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein früheres Vorbringen. Ergänzend trägt er
vor, entgegen der Auffassung des SG würden vom Kläger keine Arbeitslöhne geschuldet, so dass auch keine Beitragspflicht habe entstehen können. Geschuldetes Arbeitsentgelt
iSd §
22 SGB IV sei dasjenige, welches der Arbeitnehmer aufgrund einer konkreten Rechtsgrundlage vom Arbeitgeber tatsächlich rechtlich beanspruchen
könne. Das Bestehen von Versicherungspflicht und das Entstehen von Beitragsansprüchen habe der Sozialversicherungsträger nachzuweisen.
Das vom Kläger mehrfach zitierte Urteil des BAG vom 19.03.2002 (9 AZR 16/01) werde von der Beklagten völlig missverstanden. In dem vom BAG entschiedenen Fall hätten die Arbeitsvertragsparteien sich
einvernehmlich auf eine Freistellung des Arbeitnehmers geeinigt. In diesem Fall ergebe sich der Arbeitslohn des Arbeitnehmers
aus §
611 BGB. Ein Verzug des Arbeitsgebers liege in einem solchen Fall nicht vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31.07.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.05.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31.07.2013 zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, aus Sicht der Sozialversicherung mindere nur der tatsächlich erzielte, anderweitige Verdienst des
Arbeitnehmers den Beitragsanspruch. Auch Säumniszuschläge seien zu Recht erhoben worden. Auf eine unverschuldete Unkenntnis
von der Beitragspflicht könne sich der Kläger nicht berufen.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Nach einem rechtlichen Hinweis des Senats (Schreiben vom 09.05.2014) hat die Beklagte ergänzend vorgetragen, es sei zwar zutreffend,
dass es sich bei den Ansprüchen der Arbeitnehmer um sog Altmasseverbindlichkeiten iSd §
209 Abs
1 Nr
3 InsO handele. Aber auch bei Anzeige von Masseunzulänglichkeit seien die Beitragsforderungen festzustellen. Die Masse werde grundsätzlich
durch die Säumniszuschläge nicht eingeschränkt, da diese nach §
39 Abs
1 Nr
1 InsO den Insolvenzforderungen des §
38 InsO nachgeordnet würden. Nur für den Fall, dass der Insolvenzverwalter durch sein persönliches Verschulden - zB durch eine Fehlbeurteilung
der Beitragspflicht freigestellter Arbeitnehmer - dazu beitrage, dass Säumniszuschläge als Neumasseverbindlichkeiten festzusetzen
seien, könnten diese die Quote mindern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23.05.2013 ist rechtswidrig, soweit der Kläger zur
Zahlung von Beiträgen und Säumniszuschlägen verpflichtet wird. Im Übrigen, dh soweit festgestellt wird, dass der Kläger Beiträge
in der im Bescheid genannten Höhe schuldet, ist der Bescheid rechtmäßig. Dadurch wird der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid vom 23.05.2013, der gemäß §
96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, hat den Bescheid vom 12.04.2010 ersetzt und ist (alleiniger) Gegenstand des
Klageverfahrens geworden. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte den Umstand, dass der Insolvenzverwalter
bei sog Altmasseverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr
zur Zahlung aufgefordert werden darf, nicht berücksichtigt hat. Dagegen durfte der Rentenversicherungsträger die Beiträge
der Höhe nach festsetzen; insoweit kommt dem Bescheid nur die Bedeutung eines Beitragsnachweises zu. Der Arbeitgeber und im
Fall der Insolvenz der Insolvenzverwalter hat der Einzugsstelle nach §
28f Abs
3 Satz 1
SGB IV einen Beitragsnachweis zu übermitteln. Der Beitragsnachweis gilt für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle
und im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderung der Einzugsstelle. Erstellt der Insolvenzverwalter
- wie hier - keinen Beitragsnachweis, kann dies der Rentenversicherungsträger für ihn tun. Hierfür ist ein (nur feststellender)
Beitragsbescheid zwar nicht notwendig, aber auch nicht rechtswidrig.
In einem Rechtsstreit, in dem es (nur) um die Berechtigung zum Erlass eines feststellenden Bescheides als Ersatz für einen
vom Arbeitgeber nicht erteilten Beitragsnachweis geht, sind die betroffenen Arbeitnehmer nicht notwendig beizuladen, weil
in diesem Rechtsstreit noch nicht endgültig über das Bestehen und den Umfang einer sie betreffenden Versicherungsplicht entschieden
wird.
Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV). Nach Abs 1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten
und ihre sonstigen Pflichten nach dem
SGB IV erfüllen. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger
der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber
den Arbeitgebern; insoweit gelten §
28h Abs
2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs 5 SGB X nicht. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Rentenversicherung
und Arbeitslosenversicherung gelten nach §
253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) und §
174 Abs
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r
SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§
1 Abs
1 Satz 2
SGB IV, §
348 Abs
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Das Arbeitsentgelt unterliegt der Beitragsbemessung in der Rentenversicherung (§
162 Nr 1
SGB VI). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch
auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus
der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§
14 Abs
1 S 1
SGB IV). §
22 Abs
1 SGB IV bestimmt ergänzend, wann die Beitragsansprüche entstehen. Nach dem in §
22 Abs
1 Satz 1
SGB IV geregelten Grundsatz entstehen die Beitragsansprüche, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen
vorliegen. Nach der Ausnahmeregelung des §
22 Abs
1 Satz 2
SGB IV entstehen die Beitragsansprüche bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist.
Bei den von der Beklagten festgesetzten Beiträgen für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt es sich
um Masseverbindlichkeiten im Sinne des §
209 Abs
1 Nr
3 InsO (sog Altmasseverbindlichkeiten) und nicht um Masseverbindlichkeiten im Sinne des §
209 Abs
1 Nr
2 InsO (sog Neumasseverbindlichkeiten). Die Beitragsforderungen wurden vom Kläger nicht - wie dies §
209 Abs
1 Nr
2 InsO verlangt - begründet. Für eine "Begründung" in diesem Sinn reicht nicht aus, dass ein vorher abgeschlossenes Dauerrechtsverhältnis
auch noch eine gewisse Zeit lang nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit rechtlich fortbesteht. Im Sinne von §
209 Abs
1 Nr
2 InsO ist ein Schuldverhältnis (unmittelbar) "begründet" worden, wenn der Insolvenzverwalter den Rechtsgrund dafür erst nach der
Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelegt hat, insbesondere durch eine Handlung im Sinne des §
55 Abs
1 Nr
1 InsO. Hierbei handelt es sich jeweils um Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter durch selbstbestimmtes Handeln auslöst
(vgl hierzu BGH 29.04.2004, IX ZR 141/03, WuM 2004, 545, [...]). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Arbeitsverträge
derjenigen Arbeitnehmer, für die hier Beiträge gefordert werden, nicht abgeschlossen hat. Der Kläger hat auch nicht die Gegenleistung
aus den Arbeitsverhältnissen genutzt, weil er die Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt hat. Er hat damit die
Gegenleistung aus dem Dauerschuldverhältnis gerade nicht in Anspruch genommen, so dass auch kein Fall des §
209 Abs
2 Nr
3 InsO vorliegt (vgl auch hierzu BGH 29.04.2004, IX ZR 141/03, WuM 2004, 545, [...]). Somit sind die Beitragsforderungen Masseverbindlichkeiten im Sinne des §
209 Abs
1 Nr
3 InsO. Nach §
210 InsO ist die Vollstreckung wegen einer solchen Masseverbindlichkeit unzulässig, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit
angezeigt hat. Letzteres ist hier erfolgt.
Das Vollstreckungsverbot richtet sich nicht nur gegen bereits titulierte Ansprüche der Massegläubiger, sondern hat auch zur
Folge, dass zivilrechtliche Ansprüche nicht mehr im Wege der Leistungsklage verfolgt werden dürfen. Für die Arbeitgeberprüfung
nach § 28p
SGB IV folgt hieraus, dass auch die Beklagte nicht mehr berechtigt war, sich durch den Erlass eines Beitragsbescheides einen Vollstreckungstitel
zu verschaffen. Andererseits wird in einem solchen Fall im Zivilprozess die Feststellungsklage für zulässig erachtet, zumindest
dann, wenn der Insolvenzverwalter das Bestehen einer Masseverbindlichkeit bestreitet (vgl Hefermehl in MüKo 3. Aufl. 2013
§
210 InsO Rn 18; BGH 03.04.2003, IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358). Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist damit vergleichbar, weil der Insolvenzverwalter sich geweigert hat, einen Beitragsnachweis
zu übermitteln mit der Begründung, eine Beitragsforderung sei noch gar nicht entstanden. Um der Einzugsstelle ein Dokument
zu verschaffen, mit dem diese ihre Forderung im Insolvenzverfahren glaubhaft machen kann, war die Beklagte berechtigt, den
vom Kläger geschuldeten Beitragsnachweis selbst zu erstellen. Dies muss nicht, kann aber in Form einer Feststellungsbescheides
erfolgen.
Nach §
28 p Abs.
3 SGB IV sind die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Arbeitgeberprüfung verpflichtet, die Einzugsstellen über Sachverhalte
zu unterrichten, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen. Auf dieser Grundlage übermitteln
die Rentenversicherungsträger die nach § 7 Abs 4 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV) erstellten Prüfberichte an die Einzugsstellen. Für die Durchführung der Prüfung haben der GKV-Spitzenverband, die Deutsche
Rentenversicherung Bund, die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. die Vereinbarung
vom 03.11.2010 getroffen. Danach unterrichtet die Einzugsstelle den Rentenversicherungsträger, wenn sie eine alsbaldige Prüfung
für erforderlich hält. Gedacht ist dabei ua an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Rentenversicherungsträger führen
diese Betriebsprüfungen unverzüglich durch (sog ad-hoc-Prüfung nach 1.1.2 und 1.1.4 der Vereinbarung). Unter "1.6 Unterrichtung
der Einzugsstellen" der Vereinbarung ist dann Folgendes geregelt:
"Damit die Einzugsstellen ihren Pflichten nachkommen können, müssen die Rentenversicherungsträger sie nach § 28p Abs 3
SGB IV über Sachverhalte unterrichten, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen. Jede Einzugsstelle
erhält eine Durchschrift der vollständigen Prüfmitteilung mit der sie betreffenden Anlage (Aufstellung der Nachberechnungen
und Gutschriften). Die Information erhält die Einzugsstelle/Geschäftsstelle, die die Beiträge einzieht. Die Anlage zur Prüfmitteilung
gilt als Beitragsnachweis für die Sollstellung der Einzugsstelle. Der Arbeitgeber weist die Beiträge nicht mehr gesondert
nach; darauf ist er bei der Prüfung hinzuweisen."
Durch den vom beklagten Rentenversicherungsträger selbst erstellten Beitragsnachweis hat die Einzugsstelle ein Dokument zur
Glaubhaftmachung ihrer Forderungen (§
28 f Abs
3 Satz 3
SGB IV) erhalten. Für den Erlass eines zur Zahlung verpflichtenden Beitragsbescheides, der ohnehin nicht vollstreckt werden dürfte,
fehlt es in diesem Fall allerdings an einer Rechtsgrundlage.
Der Hinweis des Klägers auf die aus seiner Sicht fehlende Fälligkeit des Arbeitsentgelts und der noch offenen Quote berechtigt
ihn nicht dazu, gar keinen Beitragsnachweis zu erstellen. Seine Rechtsansicht, wonach eine Beitragsforderung noch gar nicht
entstanden sein soll, wird vom Senat nicht geteilt. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass mit der Insolvenz des Arbeitgebers
und einer sich anschließenden Freistellung der Arbeitnehmer durch den Insolvenzverwalter das Beschäftigungsverhältnis der
Arbeitnehmer nicht beendet wird (vgl BSG 26.11.1985, 12 RK 51/83, BSGE 59,183). Damit sind auch die Beitragsansprüche der Sozialversicherungsträger nach §
22 Abs
1 Satz 1
SGB IV entstanden und nach §
23 SGB IV fällig geworden. Ob es - wie vom Kläger vorgetragen - zutrifft, dass die Lohn- oder Gehaltsansprüche der freigestellten Arbeitnehmer
noch nicht fällig geworden sind, weil diese dem Insolvenzverwalter keine Auskunft darüber erteilt haben, ob sie während ihrer
Freistellung eine andere Beschäftigung aufgenommen haben, bedarf keiner Entscheidung. Darauf kommt es nicht an. Die Entstehung
der Beitragsansprüche hängt nicht davon ab, ob das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt wurde, es dem Arbeitnehmer also zugeflossen
ist. Dies gilt nur für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (§
22 Abs
1 Satz 2
SGB IV). Für die Fälligkeit laufend geschuldeter Beiträge kommt es nach §
23 SGB IV außerdem nicht darauf an, ob das geschuldete Arbeitsentgelt fällig geworden ist (BSG 21.05.1996, 12 RK 64/94, BSGE 78, 224).
Der angefochtene Bescheid ist auch rechtswidrig, soweit die Beklagte Säumniszuschläge festgesetzt hat. Nach §
24 Abs
1 Satz 1
SGB IV ist für Beiträge, die nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wurden, ein Säumniszuschlag zu zahlen. Die Pflicht
zur Zahlung eines Säumniszuschlages setzt also eine Pflicht zur Zahlung des Beitrages voraus. Aufgrund des sich aus §
210 InsO ergebenden Vollstreckungsverbotes für die sog Altmasseverbindlichkeiten bestand aber keine Pflicht zur Zahlung der Beiträge.
Im Beitragsrecht der Sozialversicherung ist ähnlich wie im Steuerrecht (hierzu BFH 29.08.2007, IX R 58/06, [...]) und im Abgabenrecht (vgl SächsOVG 19.10.2012, 5 D 97/12, [...]) eine Trennung zwischen einer Festsetzung der Beiträge und ihrer Vollstreckung vorzunehmen. Das Vollstreckungsverbot
hat deshalb zur Folge, dass Widerspruch und Klage gegen den Beitragsbescheid aufschiebende Wirkung haben und eine Vollstreckung
aus dem Beitragsbescheid unzulässig ist. Ferner fallen keine Säumniszuschläge an. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit lässt
die Forderung des Massegläubigers als solche zwar unberührt. Sie schränkt jedoch die Leistungspflicht des Insolvenzverwalters
und damit zugleich den Wert der Altmasseforderungen ein. Aufgrund der Anzeige verlieren die Altmasseverbindlichkeiten nicht
allein ihre Durchsetzbarkeit, sondern es tritt auch eine Anspruchsbeschränkung auf die ihnen zustehende Quote ein. Die Höhe
der Quote schwankt im Laufe des Verfahrens und kann im Grunde erst nach Abschluss der Verwertung hinreichend sicher berechnet
werden. Die angezeigte Masseunzulänglichkeit begründet deshalb eine materiell-haftungsrechtliche Einwendung. Der Verwalter
kann somit durch die Anzeige einen Schuldnerverzug gegenüber Altmassegläubigern (§§
280,
286 BGB) vermeiden, so dass die unzulängliche Masse nicht durch Verzugszinsen oder Säumniszuschläge zusätzlich geschmälert wird (Hefermehl
aaO § 208 Rn 62 mwN).
Aus den Entscheidungen des BSG zu der Frage, welcher Rang den Ansprüchen auf Säumniszuschläge in der Insolvenz zukommt (vgl BSG 26.01.2005, B 12 KR 23/03 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 3 und 18.12.2003, B 11 AL 37/03 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 1) kann nicht der Schluss gezogen werden, dass Säumniszuschläge auch für die Altmasseverbindlichkeiten
anfallen. Denn die Entscheidungen des BSG betreffen Ansprüche auf Säumniszuschläge, die zwar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, aber aufgrund
von Forderungen, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Klage war zunächst erfolgreich, soweit die Beklagte die Forderung während des Klageverfahrens von 58.873,70 € auf 23.090,25
€ ermäßigt hat. Sie war ferner insoweit erfolgreich, als im noch streitgegenständlichen Bescheid vom 23.05.2013 zu Unrecht
eine Pflicht zur Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 23.090,25 € verfügt worden ist, sie war ohne Erfolg, soweit die Höhe
der Beitragsschuld festgesetzt bzw der Sache nach ein Beitragsnachweis erstellt worden ist. Der Senat wertet dies als ein
hälftiges Obsiegen. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen im Bescheid vom 23.05.2013 war insgesamt rechtswidrig. Daraus ergibt
sich eine Kostenaufteilung für das Klageverfahren von 85 vH zu Lasten der Beklagten und 15 vH zu Lasten des Klägers und für
das Berufungsverfahren von 55 vH zu Lasten der Beklagten und 45 vH zu Lasten des Klägers.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs 2 Nr
3, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt
ist, der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen
zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers - wie vorliegend - eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 Satz 1 GKG). Für das Klageverfahren beträgt der Streitwert daher 58.873,70 €, für das Berufungsverfahren 23.09,25 €.