Erstattungsanspruch der Berufsgenossenschaft als unzuständiger Leistungsträger gegen die gesetzliche Krankenkasse
Keine Bindungswirkung des dem Versicherten erteilten Ablehnungsbescheides
Tatbestand
Die klagende Berufsgenossenschaft begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von 4.560,47 EUR für erbrachte Leistungen
(stationäre Krankenhausbehandlung, Transportkosten, Heilmittel, Verletztengeld einschließlich Sozialversicherungsbeiträge)
an den 1971 geborenen R. B. (im Folgenden: B) im Zeitraum 19.06. bis 04.09.2009.
Der bei der Beklagten krankenversicherte B war bei der B. F. GmbH in F. als Arbeiter beschäftigt und als solcher bei der Klägerin
gesetzlich unfallversichert. Am 19.06.2009 entfernte er entsprechend eines ihm erteilten Auftrags Unkraut von einem erdbedeckten
Tanklager auf dem Betriebsgelände seiner Arbeitgeberin. Bei dem Tanklager handelt es sich um einen Gastank mit mehreren Meter
hohen senkrechten Betonwänden und darüber angelegter Erdböschung. Die Erdböschung ist über eine feste installierte Steigleiter
und eine weitere Anlegeleiter zu erreichen. Das Tanklager grenzt unmittelbar an ein Lagergebäude des Nachbarbetriebs, dessen
Dach in Höhe des rückwärtigen Fußes der Erdböschung des Tanklagers an dieses anschließt. Das Dach ist bis auf eine vom Tanklager
ca 7 Meter entfernte Lichtluke aus Kunststoff mit Eternit gedeckt. Gegen 15: 00 Uhr brach B durch die Lichtluke und stürzte
auf eine darunter stehende Steinschneidemaschine. Hierbei erlitt er ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit Gehirnerschütterung,
einer Risswunde am Kopf, eine Nasenbeinfraktur, eine Orbitadachfraktur (Fraktur der Augenhöhle) links mit Lufteinschluss in
der Orbita, verschiedene Hämatome am Kopf, eine Schulterblattfraktur links, eine Handgelenksprellung sowie eine Halswirbelsäulendistorsion.
An den Unfallhergang und den Grund für das Betreten des Nachbardaches hat B keinerlei Erinnerung; Zeugen für den Unfallhergang
gibt es nicht.
Am Unfalltag wurde B mit einem Rettungswagen in das Universitätsklinikum F. gebracht, wo er bis zum 24.06.2009 stationär behandelt
wurde. Vom 01.08. bis 14.08.2009 bezog er Verletztengeld. In der Zeit vom 24.07. bis 04.09.2009 erfolgten krankengymnastische
Behandlungen.
Mit an B gerichtetem bestandskräftigen Bescheid vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2009 lehnte
die Klägerin die Anerkennung des Unfalls vom 19.06.2009 als Arbeitsunfall ab. Ein Arbeitsunfall liege nur vor, wenn bewiesen
sei, dass zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit verrichtet worden sei. Warum B das Dach der benachbarten Firma betreten
habe, lasse sich nicht feststellen. Betriebliche Tätigkeiten habe er dort nicht zu verrichten gehabt. Der Vermutung des Arbeitgebers,
B sei auf dem Rückweg von seiner Tätigkeit auf dem Tanklager gewesen, stehe entgegen, dass es vom Nachbardach keine Abstiegsmöglichkeit
gegeben habe und das Werkzeug auf dem Erdwall zurückgelassen worden sei. Soweit B selbst vermute, beim Unkrautjäten habe sich
plötzlich Wurzelwerk gelöst, weshalb er rückwärts auf das Nachbargrundstück gestürzt sein könne, erscheine dies wenig wahrscheinlich,
da sich die Absturzstelle mehrere Meter von der Böschung des Tanks und damit zu weit entfernt befinde
Mit Schreiben vom 30.07.2009 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an. Mit weiteren Schreiben vom
27.08.2009, 15.09.2009, 13.11.2009, 12.01.2010, 05.03.2010 und 04.06.2010 bezifferte die Klägerin den Anspruch wegen Erstattung
der von ihr erbrachten Leistungen für Krankentransport, stationäre Krankenhausbehandlung, Krankengymnastik und Verletztengeld
einschließlich Sozialversicherungsbeiträge und mahnte die Erstattung an. Die Beklagte lehnte die Erstattung ab zuletzt mit
Schreiben vom 09.06.2010.
Am 06.07.2010 hat die Klägerin zum Sozialgericht Mannheim (SG) Leistungsklage gegen die Beklagte erhoben auf Zahlung von 4.560,47 EUR. Die Aufwendungen setzen sich wie folgt zusammen:
stationäre Behandlung 19. bis 24.06.2009 1.740,76 EUR, Transportkosten 590,84 EUR, Krankengymnastik 1.264,30 EUR, Verletztengeld
672,00 EUR, Rehabeiträge (ALV, RV) 135,38 EUR und Rehabeiträge (KV/PV) 157,19 EUR Die Klägerin ist der Auffassung, für die
aus Anlass des Unfalls vom 19.06.2009 erbrachten Leistungen nicht zuständig gewesen zu sein. Im Übrigen sei die Beklagte an
den gegenüber B ergangenen bestandskräftigen Bescheid vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widers ruchsbescheids vom 15 10 2009
gebunden
Das SG hat mit Urteil vom 19.12.2012 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr zu Gunsten
von B erbrachten Leistungen im Zeitraum 19.06. bis 04.09.2009 nach § 105 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), denn sie sei für diese Leistungen zuständig gewesen. Zwar seien im Erstattungsverhältnis die beteiligten Träger grundsätzlich
an Bescheide gebunden mit denen der auf Erstattung in Anspruch genommene Träger dem Sozialleistungsberechtigten gegenüber
bindend über Grund und Höhe des Leistungsanspruchs entschieden habe. Demgegenüber hindere ein im Verhältnis zum Leistungsempfänger
erlassener Bewilligungsbescheid des Erstattung begehrenden Leistungsträgers diesen nicht daran, sich auf seine eigene Unzuständigkeit
zu berufen und den Erstattungsanspruch geltend zu machen. Auch die \226 wie hier \226 durch Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten
erfolgte Ablehnung von Leistungen durch den die Erstattung begehrenden Träger könne zu Lasten des in Anspruch genommenen Trägers
keine Bindungswirkung entfalten.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei, dass diese infolge des Versicherungsfalls
(Arbeitsunfall) bzw der durch diesen verursachten Gesundheitsschäden erforderlich werden. Die gewährten Leistungen seien wesentlich
auf die von B durch das Unfallereignis vom 19.06.2009 erlittenen Verletzungen zurückzuführen. Dieses Unfallereignis sei auch
als Arbeitsunfall anzusehen. Arbeitsunfälle seien Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach §§
2,
3,
6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) begründenden Tätigkeit. Erforderlich sei, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen sei, dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis geführt habe und letzteres einen Gesundheitsschaden oder den
Tod des Versicherten verursacht habe. Die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis"
und "Gesundheitserstschaden müssten im Wege des Vollbeweises feststehen. Könne ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen
werden, gehe dies bei anspruchsbegründenden Tatsachen zu Lasten des jeweiligen Klägers. Bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen
Krankenkasse und Unfallversicherungsträger treffe bei Nichterweislichkeit des Vorliegens eines Versicherungsfalles die Feststellungslast
den Krankenversicherungsträger. Denn dessen Zuständigkeit bleibe nach §
11 Abs
5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) solange bestehen, bis die Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers feststehe. In Anwendung dieser Grundsätze sei
das am 19.06.2009 erfolgte Durchbrechen des B durch das Dach des an das Betriebsgelände seiner Arbeitgeberin angrenzenden
Lagergebäudes mit dem hierdurch erlittenen Sturz und den hierauf zurückzuführenden Primärverletzungen als Arbeitsunfall anzusehen.
B habe den Unfall infolge der verrichteten Tätigkeit erlitten. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den
Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls sei die Handlungstendenz des Versicherten,
wie sie durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt werde. Mit der auftragsgemäß aufgenommenen Unkrautbeseitigung auf
dem erdbedeckten Tanklager habe eine versicherte Verrichtung vorgelegen. Für eine Änderung der Handlungstendenz in Richtung
auf eine unversicherte private Tätigkeit trage die Klägerin die objektive Beweislast, denn es handele sich um eine anspruchshindernde
Tatsache, deren Nichterweislichkeit zu Lasten des Unfallversicherungsträgers gehe. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich der
Unfall \226 wie hier \226 aus nicht zu klärenden Umständen und in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem
Arbeitsplatz ereignet habe.
Gegen das ihr am 28.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.02.2013 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
Der Senat hat mit Beschluss vom 04.02.2014 die Berufung zugelassen und das Verfahren mit Beschluss vom 30.03.2015 zum Ruhen
gebracht zur Klärung der Frage der Bindungswirkung von an den Leistungsempfänger gerichteten Bescheiden im Erstattungsverfahren
in einem Parallelverfahren. Nach Vorliegen der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG 13.12.2016, B 1 KR 29/15 R, juris) ist das Verfahren am 03.04.2017 wieder angerufen worden.
Die Klägerin trägt vor, dass sie nach Vorliegen der Entscheidung des BSG an ihrer bisherigen Rechtsauffassung zur Bindungswirkung von Ablehnungsbescheiden gegenüber Versicherten nicht festhalten
könne. Sie bleibe aber bei ihrer Auffassung, dass ein Erstattungsanspruch bestehe, weil kein Arbeitsunfall vorgelegen habe
und sie deshalb nicht leistungspflichtig sei. Der Versicherte habe sich zum Unfallzeitpunkt gerade nicht mehr im engen örtlichen
Zusammenhang zu seinem Arbeitsplatz befunden, weil er durch das Dach der benachbarten Firma abgestürzt sei. Eine Entfernung
von 5-7 Metern könne nicht mehr als ganz geringfügig eingeschätzt werden. Die genaue Entfernung lasse sich nicht mehr feststellen,
da die Gebäude abgerissen worden seien und das Gebiet in ein Wohngebiet umgewandelt worden sei. Es widerspräche dem Sinn und
Zweck der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht, wenn sich der Versicherungsschutz auch auf die Risiken angrenzender Nachbarfirmen
erstreckte, für die der Unternehmer keinen Beitrag entrichte und ihm jede Möglichkeit für Präventionsmaßnahmen (zB Sicherung
von Absturzstellen) genommen sei. Es sei ausgeschlossen, dass der Versicherte eine seinem Arbeitgeber dienliche Tätigkeit
auf dem Dach der fremden Firma verrichtet habe. Das Dach sei gerade nicht sein Arbeitsplatz gewesen. Außerdem habe er sein
Werkzeug auf dem Dach des Arbeitgebers zurückgelassen und vom Nachbardach gebe es keine Abstiegsmöglichkeit. Das SG weiche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, auch in Bezug auf die Beweislastverteilung. Nach dem Urteil des BSG vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R) trage die Berufsgenossenschaft die Beweislast für das Unterbrechen der versicherten Tätigkeit, wenn ein Versicherter unter
ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz verunfalle. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin daher gerade nicht die Beweislast
zu tragen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Klage beschränkt auf die Zahlung von 3.485,26
EUR im Hinblick auf die Berechnung des Erstattungsbetrags durch die Beklagte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.12.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.485,26 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zu Recht habe das SG festgestellt, dass die Verrichtung des Versicherten, die wesentlich zu dem Unfallereignis geführt habe, in sachlichem Zusammenhang
mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe und eine Änderung der Handlungstendenz in Richtung auf eine unversicherte private
Tätigkeit von der Klägerin nicht nachgewiesen worden sei. Auch eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
sei nicht zu erkennen. Die Konstellation im Urteil des BSG vom 31.01.2012 (B 2 U 2/11 R) unterscheide sich erheblich von denen der Urteile vom 04.09.2007 (B 2 U 28/06 R) und 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R). In beiden Urteilen 2004 und 2007 hätten Sachverhalte zugrunde gelegen, in denen die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit
einwandfrei nachgewiesen gewesen sei und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen
Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz einen Unfall erlitten hätten. Damit sei der Fall des B 1: 1 vergleichbar. Allein aus dem
Durchbrechen des Daches des an das Betriebsgelände seines Arbeitgebers angrenzenden Lagergebäudes könne nicht schon auf eine
Unterbrechung der versicherten Verrichtung geschlossen werden. Gründe, warum sich B an diese Stelle begeben habe, seien nicht
bekannt und den objektiven Umständen nicht zu entnehmen. Bei dieser Sachlage trage einzig die Klägerin die Beweislast. Die
Beklagte hat auf Anfrage mitgeteilt, dass sich der Erstattungsbetrag nach dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung
auf 3.485,26 EUR belaufen würde (Verletztengeld in Höhe Krankengeld 663,46 EUR; Rehabeiträge (RV/ALV) 135,38 EUR, Rehabeiträge
(KV/PV) 157,19 EUR; Transportkosten 580,84 EUR; Heilmittel Krankengymnastik 267,63 EUR; stationäre Behandlung 19. bis 24.06.2009
1.680,76 EUR).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Die zugelassene Berufung (§
145 Abs
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) ist auch in der Sache begründet. Das SG hat die zutreffend als reine Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG) erhobene Klage zu Unrecht abgewiesen, denn die Klägerin kann die Erstattung der Kosten der für B im Zeitraum 19.06. bis
04.09.2009 erbrachten Leistungen dem Grunde nach verlangen. Der Anspruch besteht in der zuletzt noch geltend gemachten Höhe
von 3.485,26 EUR entsprechend dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung. Über darüber hinaus gehende Beträge
hatte der Senat nicht mehr zu entscheiden, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Klage insoweit
teilweise zurückgenommen hat (§
102 Abs
1 SGG).
B musste zum Verfahren nicht notwendig beigeladen werden. Der Entschädigungsanspruch eines Verletzten gegen einen Träger der
Unfallversicherung einerseits und der gegen letzteren gerichtete Erstattungsanspruch der Krankenkasse des Verletzten andererseits
stellen im Rahmen von §
75 Abs
2 SGG zwei grundverschiedene Streitgegenstände dar (BSG 30.06.1993, 2 RU 40/92, juris; BSG 16.03.2010, B 2 U 4/09 R, juris). Gleiches gilt, wenn - wie hier - der Unfallversicherungsträger Erstattungsansprüche gegenüber der Krankenkasse geltend
macht (BSG 13.12.2016, B 1 KR 29/15 R, juris). Der Senat hat daher die vom SG vorgenommene Beiladung wieder aufgehoben.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch der Klägerin ist § 105 SGB X. Diese Norm begründet einen Erstattungsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers, der ohne Kenntnis von der kongruenten
Verpflichtung des zuständigen Trägers in der irrigen Annahme seiner Leistungskompetenz und in der Absicht endgültig (und nicht
vorläufig, vgl § 102 SGB X) zu leisten, Sozialleistungen erbracht hat. Die Regelung bezweckt durch einen nachträglichen Ausgleich zwischen den Leistungsträgern
unter Heraushalten des Leistungsempfängers den Zustand herzustellen, wie er bei einer von Anfang an der gesetzlichen Zuständigkeit
entsprechenden Leistungserbringung bestanden hätte und zugleich Überversorgung in Form von Doppelleistungen an den Leistungsberechtigten
zu vermeiden (Prange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 105 RdNr 26). Der Anspruch richtet sich gegen den Leistungsträger, der für die Sozialleistung sachlichrechtlich zuständig ist.
Dies ist der Träger, der hinsichtlich der begehrten Leistung nach materiellem und formellen Recht richtigerweise von dem Leistungsberechtigten,
hier dem Versicherten B, auf Leistung in Anspruch zu nehmen ist. Für die Erstattung nach § 105 SGB X ist somit charakteristisch, dass die erbrachten Sozialleistungen \226 im Gegensatz zu den von den §§ 102 bis 104 SGB X erfassten Fällen \226 nicht rechtmäßig, sondern durch den unzuständigen Leistungsträger erbracht worden sind. Unzuständigkeit
bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für den Leistungsträger, der Erstattung fordert, von Anfang an weder eine eigene Leistungspflicht
noch eine Leistungspflicht im Auftrag eines anderen vorgelegen haben darf; maßgebend ist demnach die rechtliche Sachbefugnis
im Sinne der Passivlegitimation im Verhältnis zu dem Leistungsempfänger B, dem von der Klägerin stationäre Behandlung, Krankentransportleistungen
sowie physikalische Therapie als Sachleistung und Verletztengeld (einschließlich Sozialversicherungsbeiträge) gewährt worden
war. Dagegen müsste die Beklagte als anderer Leistungsträger zuständig und dem Leistungsempfänger B gegenüber zur Leistungserbringung
verpflichtet sein. Nach § 105 Abs 2 SGB X sind für den Umfang des Erstattungsanspruches die für den zuständigen \226 erstattungspflichtigen \226 Leistungsträger im
Zeitpunkt der Entstehung der Kosten geltenden Vorschriften maßgeblich. Das bedeutet, dass zu erstatten ist, was der zuständige
Leistungsträger nach den von ihm anzuwendenden Vorschriften zu leisten gehabt hätte.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch besteht, denn tatsächlich war nicht die Klägerin, sondern die Beklagte für die Erbringung
der Leistungen an B im streitigen Zeitraum zuständig. Nach §
11 Abs
5 SGB V besteht aus der gesetzlichen Krankenversicherung kein Anspruch auf Leistungen wenn diese als Folge eines Arbeitsunfalls oder
einer Berufskrankheit im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Diese Vorschrift schließt somit bei
Leistungen wegen Arbeitsunfällen einen Anspruch aus der Gesetzlichen Krankenversicherung zugunsten der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers
aus, das heißt, wenn der gesundheitliche Schaden durch einen unfallversicherungsrechtlichen Tatbestand verursacht worden ist.
Die Klägerin kann sich insoweit allerdings nicht auf ihren gegenüber B erlassenen Bescheid vom 11.08.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 15.10.2009 berufen, mit dem sie gegenüber B bestandskräftig festgestellt hat, dass kein Arbeitsunfall
vorlag. Diese Entscheidung entfaltet gegenüber der auf Erstattung in Anspruch genommenen Krankenkasse keine Bindungswirkung
dahingehend, dass mit dem Bescheid die Unzuständigkeit der Klägerin und dementsprechend die Zuständigkeit der Beklagten für
den hier streitigen Zeitraum feststünde (BSG 13.12.2016, B 1 KR 29/15 R, juris).
Der Senat hat daher in materiell-rechtlicher Hinsicht zu entscheiden, ob die Klägerin tatsächlich im Leistungszeitraum 19.06.
bis 04.09.2009 unzuständiger Leistungsträger war. Dies ist der Fall, denn bei dem Unfall des B am 19.06.2009 handelt es sich
nicht um einen Arbeitsunfall. Auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge
eines Arbeitsunfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind (§
11 Abs
5 SGB V). Dies war hier gerade nicht der Fall, so dass die in Rede stehenden Leistungen der Klägerin aufgrund der Unfallfolgen dem
Zuständigkeitsbereich der Beklagten unterfallen.
Nach §
8 Abs
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten
zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung
zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität),
und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende
Kausalität; vgl BSG 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG 18.09.2012, B 2 U 20/11 R, SozR 4-2700 § 6 Nr 3).
Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln,
indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in
der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Bei einem wie hier nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII grundsätzlich versicherten Beschäftigten sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden
Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang. Dies bedeutet
nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte
versichert sind, weil nach dem Wortlaut des §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sogenannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt
(vgl §
10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche
Verrichtungen wie zB Essen, oder eigenwirtschaftliche, wie zB Einkaufen. Sie führen zu einer Unterbrechung der versicherten
Tätigkeit und damit regelmäßig auch zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes.
Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung
zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des
Einzelfalls bestätigt wird. Aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der versicherte Arbeitnehmer mit seiner
konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine auf seinem Arbeitsvertrag beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter
Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte (vgl BSG 10.10.2006, B 2 U 20/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 19).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die
Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie
"Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das
Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen
Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht
die bloße Möglichkeit (vgl BSG 02.04.2009, B 2 UR 30/07 R, BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN).
Eine Verrichtung des B zur Zeit des Unfalls, die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist
nicht erwiesen. B ist unter ungeklärten Umständen nicht an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet
hat (hier: dem erdbedeckten Dach des Tanklagers), verunglückt, sondern er ist 5 bis 7 Meter von der Dachkante des Betriebs
der Arbeitgeberin entfernt auf dem Dach eines benachbarten Betriebs durchgebrochen und verunglückt. Es ist daher weder nachgewiesen
noch nachweisbar, dass B die Gesundheitsschäden bei der Ausübung einer Verrichtung erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang
mit der versicherten Tätigkeit (hier: Entfernen von Unkraut auf dem Erddach des Tanklagers) stand. Das Unfallereignis, Durchbrechen
des Nachbardaches mit Sturz und nachfolgendem Aufprall auf eine Steinschneidemaschine kann daher nicht mit Sicherheit wesentlich
auf eine für die Arbeitgeberin durchgeführte Verrichtung zurückgeführt werden, so dass B nicht "infolge" der versicherten
Tätigkeit einen Unfall erlitten hat (§
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommen die Grundsätze der "Beweiserleichterung", wie sie das BSG in den Urteilen vom 04.09.2007 (B 2 U 28/06 R, juris) und 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R, BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9) entwickelt hat, hier nicht zum Tragen. Es handelt sich um kein eigenständiges Rechtsinstitut, sondern
um eine Anpassung der Beweisanforderungen ohne Reduzierung des konkret geltenden Beweismaßstabes, um typischen Beweisschwierigkeiten
bei der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung darf dabei von einem bestimmten Geschehensablauf
trotz bestehender Zweifel ausgegangen werden (Hessisches LSG 28.11.2016, L 9 U 59/14, juris). Nach den genannten Urteilen des BSG entfällt nur dann der Versicherungsschutz, wenn ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz verunglückt,
wo er zuletzt betriebliche Tätigkeiten verrichtet hatte, wenn bewiesen ist, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt
für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte. In beiden Fällen war die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit
nachgewiesen und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit
dem Arbeitsplatz verunglückt und an den Folgen gestorben. Insbesondere ist der Sachverhalt in dem 2004 entschiedenen Fall
keineswegs gleichzusetzen mit dem hier vorliegenden Sachverhalt. In dem vom BSG entschiedenen Fall musste der Versicherte zusammen mit einem Kollegen eine Regenabdeckung für eine Fördereinrichtung auf
dem Dach einer Lagerhalle montieren. Nachdem der Kollege vom Dach heruntergerufen worden war, stürzte der Versicherte während
der Wartezeit auf die Rückkehr des Kollegen 7 Meter vom Förderband entfernt durch eine Lichtluke des Daches. Im Gegensatz
zum hier vorliegenden Fall hatte der Versicherte dort seinen Arbeitsbereich nicht verlassen, denn es waren auch schon zuvor
ungesicherte Teile des Daches betreten worden, um dort liegende Bleche für die Montage zu holen, so dass der Arbeitsbereich
nicht auf das Förderband beschränkt war. Die genannte Rechtsprechung des BSG kommt daher nur zum Tragen, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet
hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (BSG 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 43).
Im konkreten Fall befand sich B zum Absturzzeitpunkt gar nicht mehr auf dem Betriebsgelände seiner Arbeitgeberin. Ein enger
räumlicher Zusammenhang besteht angesichts der Entfernung von 5 bis 7 Metern zur Erdböschung auch nicht mehr. Es lässt sich
in keiner Weise mehr feststellen, welche Zwecke B mit dem Betreten des Nachbardaches verfolgt hat. Er selbst hat keinerlei
Erinnerung an den Unfall und die unmittelbar davor liegende Zeit. Spekulationen darüber, dass er beim Unkrautherausziehen
rückwärts gefallen sei (angesichts der Entfernung zur Unfallstelle eher unwahrscheinlich), aus der Entfernung das Arbeitsergebnis
habe betrachten wollen oder einen anderen Weg zum Abtransport des Schnittgutes gesucht hätte, können einen Zusammenhang mit
der versicherten Tätigkeit "Entfernen von Unkraut auf der Erdböschung" jedenfalls nicht belegen, geschweige denn kann hierüber
ein Nachweis geführt werden. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass es den Schutz der Unternehmerversicherung sprengen
würde, wenn auch die von Nachbarbetrieben ausgehenden Gefahren, auf die der Unternehmer keinerlei Einfluss hat, mit einbezogen
würden.
Auch das Vorliegen eines Wegeunfalls kommt nicht in Betracht. Versicherte Tätigkeit ist zwar auch das Zurücklegen des mit
der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit (§
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII). Die Erdböschung des Tanklagers hatte jedoch einen direkten Zugang nur über das Betriebsgelände der Arbeitgeberin. Vom angrenzenden
Nachbardach bestand schon gar keine Abstiegsmöglichkeit.
Eine Zuständigkeit der Klägerin ist für die Folgen des Unfalls nach alledem nicht gegeben. Die Beklagte als Krankenversicherungsträger
ist daher zuständig für die Erbringung von Krankentransportleistungen (nach dem Unfall in die Klinik), die stationäre Behandlung,
physikalische Therapie und den finanziellen Ausgleich der Arbeitsunfähigkeit durch Krankengeld. Der Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit
iSd gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Wesentlichen deckungsgleich (BSG 05.07.2005, B 2 U 10/04, SozR 4-2700 § 46 Nr 1).
Die Voraussetzungen des § 105 SGB X sind nach alledem insgesamt erfüllt. Die Klägerin hat als unzuständiger Leistungsträger ohne Kenntnis von der kongruenten
Verpflichtung des zuständigen Krankenversicherungsträgers in der irrigen Annahme ihrer Leistungskompetenz und in der Absicht
endgültig zu leisten, Sozialleistungen an B erbracht.
Ist der Erstattungsanspruch dem Grunde nach gegeben, ist abschließend auch über die Höhe zu entscheiden (BSG 13.12.2016, B 1 KR 25/16 R, juris). Hinsichtlich der Höhe besteht der Anspruch nach den für die Beklagte geltenden Sätzen (§ 105 Abs 2 SGB X). Daraus folgt, dass der Anspruch nur in Höhe von 3.485,26 EUR begründet ist. Auf die Aufstellung der Beklagten vom 08.01.2018,
die von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird, wird insoweit Bezug genommen. Darüber hinausgehende Forderungen macht
die Klägerin nicht mehr geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG iVm §
155 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Kostenquotelung entspricht dem Ausmaß des Obsiegens in Anbetracht der ursprünglich von der Klägerin geltend gemachten
Forderung.
Gründe für die Zulassun der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) lie en nicht vor
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §§ 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 1 und 3, 47 Gerichtskostengesetz.