Anspruch auf Erhöhung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Streitgegenstand bei Überprüfungsverfahren
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Verletztenrente im Streit.
Der 1948 geborene Kläger erlitt am 24.04.1981 einen Arbeitsunfall, als er von einem Baugerüst stürzte und sich hierbei eine
Fersenbeintrümmerfraktur rechts sowie eine Prellung der linken Ferse mit fraglicher Fissur des Fersenbeins zuzog.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 19.04.1983 als Folge des Arbeitsunfalls folgende gesundheitlichen Einschränkungen an:
Weitgehende Einsteifung des unteren Sprunggelenks rechts, mäßiggradige Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk rechts,
Muskelminderung am rechten Ober- und Unterschenkel, erhebliche Kalksalzminderung im rechten Sprunggelenk, leichte Gangbehinderung,
sowie unter weitgehender Aufhebung des Tubergelenkwinkels und in leichter Valgusstellung knöchern fest verheilter Fersenbeinbruch
rechts. Sie bewilligte dem Kläger ab dem 19.12.1981 (erster Tag der Arbeitsfähigkeit) eine Verletztenrente nach einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf Dauer um 20 von Hundert (v.H.). Die Beurteilung der MdE beruhte auf einem Gutachten des Chirurgen
Dr. A. vom 18.03.1983.
Das Sozialgericht Reutlingen (SG) änderte mit Urteil vom 23.04.1986 den Bescheid vom 19.04.1983 dahingehend, dass dem Kläger bis zum 23.04.1982 eine Rente
nach einer MdE von 30 v.H. und erst anschließend mit einer MdE von 20 v.H. zu gewähren sei (Aktenzeichen [Az.] S 5 U 812/83). Nach umfangreichen medizinischen Ermittlungen änderte das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 12.07.1990 das Urteil
des SG vom 23.04.1986 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.04.1983 dahingehend ab, dass als weitere Schädigungsfolgen "sekundärarthrotische
Veränderungen des rechten unteren Sprunggelenks, eine Vergrößerung eines freien Knochens (Os trigonum) und Bildung von Knochenvorsprüngen
am rechten Fersenbein im Bereich des Achillessehnenansatzes, eine Beinverkürzung rechts um 1 cm, sensible Störungen an der
rechten Außenseite des rechten Fußes, und die Notwendigkeit des Tragens orthopädischer Schuhe" festgestellt wurden und die
Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. bis zum 17.03.1983 und anschließend in Höhe einer MdE von 20 v.H. zu zahlen war
(Az. L 7 U 1720/86).
Die Beklagte führte das Urteil des LSG vom 12.07.1990 mit Bescheid vom 06.09.1990 aus. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers
zum Bundessozialgericht (BSG) gegen das Urteil des LSG wurde als unzulässig verworfen (Az. 2 BU 161/90).
Weitere Verfahren des Klägers mit dem Ziel, eine Erhöhung seiner Verletztenrente zu erhalten, hatten keinen Erfolg (Az. S 4 U 2066/86, L 2 U 497/89 wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen, Beendigung durch Verfahrensvergleich aufgrund des oben genannten anhängigen Berufungsverfahrens;
Az. S 4 U 1288/91, L 2 U 1753/92 wegen einer geltend gemachten beruflich bedingten Hauterkrankung; Az. S 1 U 796/94, L 2 U 1995/95 wegen der Berechnungsweise der gewährten Verletztenrente; Az. L 7 U 2687/04 Restitutionsklage gegen das Urteil des LSG mit dem Az. L 7 U 1720/86 wegen geltend gemachter fehlerhafter ärztlicher Feststellungen).
Mit Schriftsatz vom 28.06.2004 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Erhöhung
der Verletztenrente. Der Kläger machte eine Schädigung des linken Fußes und eine 1992 in der R.-Klinik in B. durchgeführte
Arthrodese des linken Fußes als Unfallfolgen sowie mittelbare Unfallfolgen im Bereich der Knie- und Hüftgelenke geltend. Außerdem
führte er an, dass eine von der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie S. im Rahmen eines Rentenverfahrens (Gutachten vom 07.07.1994)
festgestellte paranoide Psychose ebenfalls Folge des Arbeitsunfalles sei.
Der Beratungsarzt Dr. M. (Neurologe und Psychiater) der Beklagten vertrat am 28.07.2005 die Auffassung, dass die von der Gutachterin
S. festgestellte Diagnose einer paranoiden Psychose mit einer selbsterbauten Gedankenwelt eine Wesenseigenart des Klägers
sei, welche als persönlichkeitsimmanent anzusehen sei und nicht als Folge des Unfalles im Sinne psychoreaktiver Unfallfolgen
angesehen werden könne.
Mit Bescheid vom 24.11.2005 lehnte die Beklagte daraufhin die Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 06.09.1990 und die Anerkennung
einer Paranoia als Folge des Arbeitsunfalls vom 24.04.1981 ab. Neue Tatsachen oder Erkenntnisse, welche für die Beurteilung
der Höhe der Verletztenrente relevant seien, lägen nicht vor.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2006 als unbegründet zurück. Eine andere
Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei nicht veranlasst.
Der Kläger hat am 24.04.2006 Klage zum SG erhoben und mit seiner Klage geltend gemacht, dass verschiedene von ihm mit der Klage vorgelegte ärztliche Unterlagen (älteren
Datums bis 1992) den Gutachtern bei der Ablehnung der Anerkennung weiterer Unfallfolgen nicht vorgelegen hätten (Az. S 8 U 1526/06). Die andauernden Schmerzzustände in beiden Beinen und Füßen sowie der psychische Stress, die berechtigte Anerkennung seiner
Unfallfolgen zu erhalten, hätten dazu geführt, dass auch die psychischen Folgen als Folgen des Unfallgeschehens anzuerkennen
seien.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 03.04.2007 als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte
habe die Korrektur des Bescheides vom 06.09.1990 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu Recht abgelehnt, da der Kläger keine (neuen) Gründe dargelegt habe, die für die Rechtswidrigkeit des Ausführungsbescheides
vom 06.09.1990 sprächen (mit Hinweis auf BSG SozR 1300 § 44 Nr. 33). Die mit der Klage vorgelegten älteren Arztberichte stützten
die von ihm behaupteten weiteren Unfallfolgen nicht in eindeutiger Weise. Nachdem das LSG auf der Grundlage mehrerer orthopädischer
Gutachten und eines fachneurologischen Gutachtens seine Entscheidung vom 12.07.1990 getroffen habe, sei nicht ersichtlich,
inwiefern die genannten Berichte an dieser Entscheidung etwas hätten ändern können. Der vom Kläger vorgelegte Bericht des
Kreiskrankenhauses T. vom 03.04.1989 sage nichts über die Frage eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem diagnostizierten
Reizzustand des linken Kniegelenkes mit diffusen Knorpelläsionen und dem Unfallereignis aus. Das LSG habe sich in seinem Urteil
eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob auch Kniegelenksbeschwerden Unfallfolgen seien, und hierzu ausgeführt, dass
ein Kausalzusammenhang mit dem Unfall auch durch die Auskunft des Allgemeinmediziners Dr. M. widerlegt werde, wonach der Kläger
schon vor dem Unfall wegen Kniegelenksbeschwerden behandelt wurde und es nicht wahrscheinlich sei, dass der Sturz auf die
Füße Schäden an den Kniegelenken oder den Hüftgelenken hervorgerufen habe. Auch die Ablehnung der Anerkennung der Paranoia
als Folge des Arbeitsunfalles vom 24.04.1981 sei nicht zu beanstanden. Die Einschätzung des Beratungsarztes Dr. M. vom 28.07.2005,
dass es sich hierbei um eine dem Kläger immanente Persönlichkeitseigenschaft handele, sei schlüssig und überzeugend. Das Unfallerlebnis
wie auch Art und Schwere der Unfallverletzung seien als solche unstreitig nicht geeignet gewesen, eine paranoide Persönlichkeitsstörung
zu verursachen. Wenn sich eine Störung im Verlaufe der Auseinandersetzungen des Klägers mit den begutachtenden Ärzten, Versicherungsträgern
und Gerichten manifestiere, fehle es hierfür an einem rechtlich wesentlich ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten
Unfallereignis. Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 10.04.2007 zugestellt.
Am 09.05.2007 hat der Bevollmächtigte des Klägers beim LSG Berufung eingelegt (Az. L 1 U 2349/07). Bereits zum Zeitpunkt des Ausführungsbescheides vom 06.09.1990 habe eine rechtswidrige Entscheidung der Beklagten vorgelegen,
weil die Folgen des Unfalles zu diesem Zeitpunkt bereits wesentlich größer als von der Beklagten eingestanden gewesen seien.
Die getroffenen Entscheidungen beruhten auf mangelhaften, um nicht zu sagen, gefälschten Gutachten. Da der Kläger an beiden
Füßen erhebliche Beschwerden gehabt habe, seien die Sprunggelenke beider Füße versteift worden. Unzulässigerweise erkenne
die Beklagte die Schädigung des linken Fußes jedoch nicht als Unfallfolge an. Der Kläger habe demgegenüber von Anfang an seit
dem Unfall auf die Probleme mit seinem linken Fuß hingewiesen. Es gebe zwei Berichte der Universitätsklinik F. vom 01.04.1992
an Dr. M. in T., wobei jedoch nur in einem der Berichte eine radikuläre periphere Nervenläsion festgestellt und in dem anderen
Bericht verneint worden sei. Demgegenüber sei in dem Gutachten für das Gericht der Hinweis auf eine solche Nervenverletzung
nicht enthalten gewesen. Der Hinweis darauf, dass bereits 1962 bei einem privaten Unfall eine Fersenbeinfraktur erlitten worden
sei, sei unzureichend aufgegriffen worden, da insoweit Ermittlungen hätten erfolgen müssen, inwieweit den Kläger in Abgrenzung
zu dem Unfallereignis vom 24.04.1981 die Unfallfolgen eines früheren Unfalls hätten entgegen gehalten werden dürfen. Der Klägerbevollmächtigte
legte eine aktuelle Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Neurologie Dr. G. vom 13.08.2007 vor, in welcher dieser
mitteilt, dass er die Auffassung von Dr. M. in vollem Umfang teile. Seiner Auffassung nach hätte jedes beliebige negative
Ereignis bei dem Kläger ähnliche Reaktionen auslösen können. Die wahnhafte Störung des Klägers sei Ausdruck eines grundlegenden
Irrtums im Denken des Klägers und eines Sich-Verrennens, welches bis zum heutigen Tag andauere.
Am 04.04.2008 wurde im LSG ein Erörterungstermin durchgeführt. Der Berichterstatter wies hierbei darauf hin, dass eine weitere
Sachverhaltsaufklärung auf orthopädischem bzw. unfallchirurgischem Fachgebiet durchaus erfolgversprechend sein könnte, wobei
indes fraglich sei, ob diese Gesichtspunkte im Rahmen einer Entscheidung nach § 48 SGB X (Aufhebung eines Dauerverwaltungsaktes wegen geänderter Verhältnisse) im vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen seien.
Nach dem der Kläger sich bereit erklärt hatte, sich einer Untersuchung auf unfallchirurgischem oder orthopädischem Fachgebiet
unterziehen, wurde auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des vorliegenden Verfahrens angeordnet.
Die Beklagte schlug dem Kläger anschließend drei Gutachter zur Auswahl vor, aus denen der Kläger den Chirurgen Dr. L. auswählte.
Dr. L. gibt in seinem Gutachten vom 30.03.2009 als Folgen des Unfalles vom 24.04.1981 im Bereich der rechten unteren Gliedmaße
ein in Funktionsstellung operativ versteiftes unteres Sprunggelenk, eine eingeschränkte Beweglichkeit bei der Durchführung
der Kombinationsbewegungen mit Unfähigkeit der Einnahme des Hockstandes und Unsicherheiten bei der Durchführung des Einbein-,
Zehen- und Hackenstandes, reizlose Operationsnarbenverhältnisse nach Arthrodese des unteren Sprunggelenks, eine Störung der
Oberflächensensibilität vor allen Dingen am äußeren Fußrand sowie röntgenologisch einen knöchern fest durchbauten Fersenbeintrümmerbruch
mit leichter Verkürzung des Fersenbeins und vermehrter Varusstellung bei seitengleich regelrechtem Kalksalzgehalt der rückfußskelettbildenden
Knochen bei knöchern fest durchbauter Arthrodese des unteren Sprunggelenkes an. Linksseitig habe sich ein regelrechter röntgenologischer
Befund der knöchernen Strukturen und des Sprunggelenks und des Rückfußes, insbesondere auch des Fersenbeins gefunden. Stattgehabte
knöcherne Verletzungen im Bereich des linken Fersenbeines könnten selbst als Fissur ausgeschlossen werden. Verletzungsfolgen
im Bereich des Achsenskeletts, der Kniegelenke und der Ellbogengelenke beidseits seien anhand der zur Verfügung gestellten
bildgebenden Diagnostik im Verlauf von 25 Jahren sicher auszuschließen. Es bestehe daher als Erstschaden aufgrund des Unfallablaufs
vom 24.04.1981 eine isolierte Trümmerfraktur des rechten Fersenbeins vom Joint-Depression-Typ mit Aufhebung des Tubergelenkwinkel
und Deformierung der Fersenbeingelenkfläche im unteren Sprunggelenk rechts. Am linken Fersenbein sei eine schwere Fersenbeinprellung
ohne Nachweis einer knöchernen Verletzungsfolge oder Gelenkbeteiligung entstanden. Unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen
Literatur und der maßgeblichen Vorgutachten sei eine MdE von 15 v.H. zutreffend. Da indes keine als wesentlich zu bezeichnende
funktionelle Veränderung gegenüber dem maßgeblichen Vorgutachten des Prof. Dr. R. vom 10.08.1987 feststellbar sei, müsse weiterhin
von einer rentenberechtigenden MdE von 20 v.H. ausgegangen werden. Die arthrodetische Versorgung des rechten unteren Sprunggelenks
in guter Funktionsstellung habe eher zu einer Verbesserung der Funktionalität im Bereich der unteren rechten Gliedmaße geführt.
Soweit der Kläger Beschwerden und Funktionseinschränkungen über die Sprunggelenke hinaus beklage, etwa betreffend seine Kniegelenke,
seine Hüftgelenke und die Wirbelsäule, liege ein altersgerechter Befund mit den üblicherweise zu erwartenden degenerativen
Verschlechterungen vor. Wesentliche Funktionseinschränkungen der Kniegelenke oder der Hüftgelenke seien nicht feststellbar.
Die Wirbelsäule sei beweglich, was unter anderem durch einen ohne Schwierigkeiten erreichbaren Fingerkuppen-Boden-Abstand
von 10 cm beim Vorwärtsneigen nachgewiesen worden sei. Ein Großteil der von dem Kläger geschilderten Beschwerden des Bewegungsapparats
könne durch die bei ihm nachgewiesene unfallunabhängige primäre Hyperuricämie (Gicht) erklärt werden, welche medikamentös
gut zu beherrschen wäre.
Der Klägerbevollmächtigte widersprach den Ausführungen des Gutachters und rief das beim LSG ruhende Verfahren (Az. L 1 U 2349/07) am 08.06.2009 unter dem Az. L 1 U 2697/09 wieder an. Die Beklagte vertrat hierzu die Auffassung, dass das nach § 48 SGB X eingeleitete Verfahren, welches zur Erstellung des Gutachtens von Dr. L. geführt habe, nicht Streitgegenstand des vorliegenden
Verfahrens sei. Der Kläger erstattete Strafanzeige gegen Dr. L ... Dr. L. erläuterte sein Gutachten gegenüber der Beklagten
mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 16.06.2009.
Mit Bescheid vom 16.07.2009 lehnte die Beklagte die Erhöhung der Verletztenrente unter Berücksichtigung der Ausführungen des
Gutachters Dr. L. erneut ab. Eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen liege nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2009 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet,
dass Dr. L. im aktuellen Gutachten im Wesentlichen die gleichen Feststellungen wie Prof. Dr. R. in den Gutachten vom 10.08.1987
getroffen habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.04.2007 aufzuheben, den Bescheid vom 19.04.1983 in der Gestalt des
Bescheides vom 06.09.1990 abzuändern, den Bescheid vom 24.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2006
und den Bescheid vom 16.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.04.1981 mit Wirkung vom Beginn der Verletztenrente am 19.12.1981 eine höhere Verletztenrente
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angegriffenen Gerichtsbescheid vom 03.04.2007 für zutreffend.
Am 08.12.2009 wurde ein Erörterungstermin durchgeführt. Der Kläger teilte hierin unter anderem mit, wegen orthopädischer Beschwerden
zuletzt zu Ostern dieses Jahres im Krankenhaus in T. in Behandlung gewesen zu sein. Der Berichterstatter hat die Beteiligten
in dem Erörterungstermin darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten getrennt nach § 44 SGB X und nach § 48 SGB X geführten Verfahren einen einheitlichen Streitgegenstand darstellen könnten, über den der Senat ggf. im vorliegenden Verfahren
eine einheitliche Entscheidung zu treffen habe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten,
die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Gewährung einer höheren Verletztenrente ab der erstmaligen Gewährung
dieser Rente am 19.12.1981, weil der Kläger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens geltend macht, bereits die anfänglich gewährte
Verletztenrente sei zu niedrig gewesen.
Der Begriff des Streitgegenstands im sozialgerichtlichen Verfahren deckt sich mit der Definition des Begriffs im zivilprozessualen
Verfahren (BSGE 9, 17; 14, 99; 35, 6). Streitgegenstand ist der vom Kläger im Prozess erhobene Anspruch, (prozessuale Theorie, h.M.), nämlich das vom Kläger
aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren der im Klageantrag bestimmten Entscheidung (Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008, §
95 Rdnrn. 4 ff. m.w.N.). Danach wird der Streitgegenstand im Wesentlichen durch den vom Kläger erhobenen Anspruch bestimmt (Dispositionsmaxime).
Aufgrund des hier geltend gemachten Überprüfungsanspruchs des Bescheides vom 19.04.1983 in der Gestalt des Bescheides vom
06.09.1990 ist der Streitgegenstand auch nicht teilidentisch (Zeitraum vom 19.12.1981 bis 17.03.1983) mit dem rechtskräftigen
Urteil des LSG vom 12.07.1990 - L 7 U 1720/86 -, so dass auch für die Zeit vom 19.12.1981 bis 17.03.1983 die Klage zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1987 -1 RA 15/86 -).
Die zuvor im vorliegenden Verfahren (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B -) aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem Bescheid vom 06.09.1990 um einen Ausführungsbescheid des LSG-Urteils vom 12.07.1990
ohne eigenen Regelungsgegenstand handelt, kann offen gelassen werden, weil auch ein bloßer Ausführungsbescheid möglicher Gegenstand
eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sein kann; denn einem solchen Verfahren steht auch die rechtskräftige Verneinung eines Anspruchs nicht entgegen (Roos in
von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, vor § 39 Rdnr. 2).
Das Zugunstenverfahren des Klägers scheitert auch nicht daran, dass der Kläger im Wesentlichen keinen neuen Vortrag vorgebracht
hat, denn nach § 44 SGB X haben Verwaltung und Gerichte auch ohne neues Vorbringen zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsaktes
das Recht unrichtig angewandt wurde (BSG, Urteil vom 05.09.2006-B 2 U 24/05 R-).
Schließlich ist auch hinsichtlich des weiteren Bescheides der Beklagten vom 16.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06.11.2009 nicht von einem anderen Streitgegenstand auszugehen. Die auch hier geltend gemachte Erhöhung der Verletztenrente
aufgrund einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 SGB X wird nach dem prozessualen Streitgegenstandsbegriff vom Prüfungsgegenstand der vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mit
umfasst. Denn eine spätere Unrichtigkeit der Bescheide aufgrund einer Verschlimmerung der Gesundheitsbeschwerden wäre auch
in dem älteren Verfahren, in welchem die anfängliche Unrichtigkeit geprüft wurde, im Sinne einer teilweisen Stattgabe zu berücksichtigen
gewesen. Da sich diese Begehren, die einheitlich auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente (aus allen in Betracht kommenden
Rechtsgrundlagen) gerichtet sind, überschneiden, liegt ein einheitlicher Streitgegenstand vor. Dies hat zur Folge, dass die
insoweit ergangenen Bescheide nach §
96 SGG insgesamt Bestandteile des vorliegenden Verfahrens geworden sind (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1992 - 14b/4 REg 12/90 -, wonach auf § 44 SGB X gestützte Folgebescheide in bereits anhängige Streitverfahren einzubeziehen sind, weil hier ebenfalls über die Rechtmäßigkeit
der früheren Verwaltungsakte entschieden wird und der Streitgegenstand deswegen weitgehend identisch ist). Dementsprechend
ist das Begehren des Klägers auf die Erhöhung der Verletztenrente ab dem 19.12.1981 auszulegen. Darüberhinaus war der klägerische
Antrag als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auszulegen. Die vom SG insoweit angenommene Verpflichtungsklage ist insoweit entbehrlich, weil der Kläger mit der begehrten Leistung unmittelbarer
sein Ziel erreicht (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 - mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -).
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet, da ausgehend von den im Wesentlichen übereinstimmenden gutachterlichen Äußerungen
eine höhere unfallbedingte MdE als eine solche von 30 v.H. bis zum 17.03.1983 bzw. von 20 v.H. nach diesem Zeitpunkt im Sinne
von § 44 SGB X nicht nachgewiesen ist.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der seit dem 18.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen
zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Gem. §§ 580, 581
RVO bzw. §
56 SGB VII (vgl. die §§
212,
214 SGB VII) wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe
gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls über die 13. bzw. (nach
SGB VII) über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit
infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden,
auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn dessen Folgen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.
H. mindern. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 548 Abs. 1
RVO bzw. §
7 Abs.
1 SGB VII).
Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte
Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität.
Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden
- Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich
war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder
"annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende
Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben)
(BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF
RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589
RVO). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang
zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss.
Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche
Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr
führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 aF
RVO; BSG Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 34/03 R -; zu Berufskrankheiten vgl. §
9 Abs.
3 SGB VII). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität -
genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 aF
RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 aF
RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel
ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 aaO. mH auf BSG SozR Nr. 41 zu §
128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 aF
RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 aF
RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO., Kap 1.8.2, S 119 f.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008, §
128 RdNr. 3c). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen
einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen
werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Dr. L. vom 30.03.2009 bestehen Unfallfolgen ausschließlich noch im Bereich
der rechten unteren Gliedmaße (in Funktionsstellung operativ versteiftes unteres Sprunggelenk, eingeschränkte Beweglichkeit
bei der Durchführung der Kombinationsbewegungen mit Unfähigkeit der Einnahme des Hockstandes und Unsicherheiten bei der Durchführung
des Einbein-, Zehen- und Hackenstandes, reizlose Operationsnarbenverhältnisse nach Arthrodese des unteren Sprunggelenks, Störung
der Oberflächensensibilität vor allen Dingen am äußeren Fußrand sowie röntgenologisch einen knöchern fest durchbauten Fersenbeintrümmerbruch
mit leichter Verkürzung des Fersenbeins und vermehrter Varusstellung bei seitengleich regelrechtem Kalksalzgehalt der rückfußskelettbildenden
Knochen und bei knöchern fest durchbauter Arthrodese des unteren Sprunggelenkes). Insbesondere liegt linksseitig ein regelrechter
röntgenologischer Befund der knöchernen Strukturen, des Sprunggelenks und des Rückfußes, insbesondere auch des Fersenbeins,
vor. Stattgehabte knöcherne Verletzungen im Bereich des linken Fersenbeines können selbst als Fissur ausgeschlossen werden.
Diese Feststellungen von Dr. L. decken sich im Wesentlichen mit den Feststellungen in dem nach §
109 SGG erstellten Gutachten von Prof. Dr. R ... Der Senat geht daher insbesondere aufgrund dieser beiden umfassenden Gutachten,
auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, davon aus, dass insoweit durchgängig von einer unfallbedingten
MdE von 20 v.H. seit dem 18.03.1983 auszugehen ist (vgl. die Fallgestaltungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 746).
Die wesentlich geringere und folgenlos ausgeheilte Verletzung der linken unteren Extremität gegenüber den bei dem Arbeitsunfall
rechts eingetretenen Verletzungen wird durch Dr. L. schlüssig anhand der umfangreichen Dokumentation dargelegt; insbesondere
hat sich nach dem Unfall links anders als rechts kein Hämatom gebildet, und Verletzungen des linken Sprunggelenks konnte Dr.
L. auch im Sinne von Fissuren mit Bestimmtheit ausschließen, nachdem wegen dieses Verdachts sekundär-diagnostische Röntgenuntersuchungen
durchgeführt worden sind. Bis 1990 konnten radiologische Veränderungen des linken Fersenbeins gänzlich ausgeschlossen werden.
Im Gegenteil diente sogar die Röntgenabbildung des linken Fußes mit Fersenbein und Sprunggelenksbereich bei der Durchführung
der ersten Arthrodese (des rechten unteren Sprunggelenks) 1990 in Belgien als Planskizze.
Sofern der Klägerbevollmächtigte auf die unterschiedlichen neurologischen Aussagen in den beiden Berichten des Universitätsklinikums
vom 01.04.1992 hinweist, ist die Bedeutung dieser beiden elf Jahre nach dem Unfall erstellten Berichte für die Entscheidung
des vorliegenden Rechtsstreits nachrangig. Der unterschiedliche Wortlaut lässt sich ohne Weiteres dadurch erklären, dass ein
Teilnachweis von Nervenverletzungen gelungen ist, wobei der eine Bericht die Korrektur einer zuvor fehlerhaften Niederschrift
darstellt. In diese Richtung deutet insbesondere der in beiden Berichten nachfolgende Hinweis "sowie geringer auch der Unterschenkelaußenseiten
beidseits", der nur Sinn ergibt, wenn zuvor etwas positiv festgestellt und nicht verneint wurde. Allerdings ist hiermit noch
in keiner Weise etwas darüber ausgesagt, dass die festgestellten Diagnosen unfallbedingt sind. Dagegen spricht gerade in den
genannten Attesten, dass die Beschwerden beidseits festgestellt wurden, obwohl davon auszugehen ist, dass in der linken unteren
Extremität keine bleibenden Verletzungen durch den Unfall erfolgt sind (siehe oben).
Eine Nervenläsion wird im Übrigen unabhängig hiervon im fachneurologischen Gutachten von Dr. H. und Prof. Dr. L. vom 05.12.1985
ausdrücklich eingeräumt, was auch Prof. Dr. R. durch sein Gutachten ("Schmerzen") anerkennt, ohne dass dies zur Anerkennung
einer weiteren Unfallfolge oder einer höheren Verletztenrente hätte führen können. Zudem hat der Kläger gegenüber dem Gutachter
Dr. L. selbst angegeben (S. 12 des Gutachtens vom 30.03.2009), dass die Nervenschädigung am linken Bein, welche die größeren
Probleme bereite, bei der 1992 in Bologna durchgeführten Arthrodese entstanden sei; da diese Arthrodese nicht als Folgebehandlung
wegen des Arbeitsunfalls anerkannt werden kann, scheidet damit auch eine Berücksichtigung dieser Nervenverletzung als Unfallfolge
aus.
Die aktuellen Beschwerden des Klägers, welche seinen Bewegungsapparat betreffen, können im Übrigen schlüssig durch die beim
Kläger nachgewiesenen altersbedingten Erscheinungen (Gicht; Degeneration des Stützapparats) erklärt werden, worauf der Gutachter
Dr. L. mehrfach hingewiesen hat.
Eine Anerkennung der beim Kläger erstmalig durch die Gutachterin Dr. S. festgestellten Paranoia als Unfallfolge ist ausgeschlossen,
weil es sich nach allen hierzu vorliegenden ärztlichen Äußerungen um eine persönlichkeitsbedingte Erscheinung und dem Wesen
des Klägers immanente Veranlagung handelt. Neben der Gutachterin S. haben auch der Beratungsarzt Dr. M. und der behandelnde
Neurologe Dr. G. übereinstimmend ausgesagt, dass eine unfallbedingte Erkrankung insoweit bei der Paranoia des Klägers nicht
angenommen werden kann, weil jedes andere Ereignis ähnliche Reaktionen bei dem Kläger hätte auslösen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.