Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente im Streit.
Der 1983 geborene Kläger war für die T GmbH & Co. KG in W als Handballprofi tätig, als ihn ein gegnerischer Spieler am 18.12.2015
mit dem Ellenbogen an der Nase traf und der Kläger sich hierbei eine dislozierte Fraktur des Nasenbeines zuzog (Durchgangsarztbericht
vom 21.11.2015). Am 23.12.2015 erfolgte die operative Versorgung der Fraktur im Mhospital S.
Im Rahmen einer Nachuntersuchung am 30.12.2015 gab der Kläger an, keine Schmerzhaftigkeit zu verspüren, die Nasenatmung sei
sehr gut. Nach Abnahme des Nasengipses zeigte sich die äußere Nase gerade stehend und mittig. Festgestellt wurde eine hohe
Septumdeviation [Nasenscheidewandverkrümmung] nach rechts, ein Septumhämatom konnte ausgeschlossen werden.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte mit Schreiben vom 07.02.2017 die Gewährung einer Verletztenrente wegen der
Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.12.2015. Noch heute beklage der Kläger Beschwerden im Bereich seiner Nase. Zudem bekomme
dieser schlecht Luft durch die Nase, was sich insbesondere bei körperlicher Anstrengung bemerkbar mache. Der Kläger bitte
um gutachterliche Feststellung der verbliebenen Unfallfolgen.
Die Beklagte ließ den Kläger sodann hals-nasen-ohrenärztlich durch S1 begutachten. Dieser untersuchte den Kläger am 12.04.2017
und 06.07.2017 und führte in seinem Gutachten vom 28.07.2017 aus, der Kläger gebe an, dass die Nasenatmung subjektiv nach
der Operation nicht besser geworden sei. Aktuell störe den Kläger die Nasenatmungsbehinderung bei Belastung. Vor der Operation
habe eine normale Nasenatmung bestanden. Seit dem Unfall habe die Rhonchopathie [Schnarchstörung] zugenommen. Zudem bestehe
ein Druckschmerz über der rechten Nasenflanke. Erst im Sommer 2016 habe der Kläger eine Einschränkung der Geruchswahrnehmung
wahrgenommen. Er könne zwar alle Gerüche riechen, jedoch erst verzögert wahrnehmen. Der Geschmacksinn sei unverändert. In
der klinischen Untersuchung der Nase stellte S1 äußerlich einen knöchernen Hocker sowie eine leichte Impression der rechten
Nasenflanke fest. Rhinoskopisch zeigte sich eine leichte anteriore Nasenseptumdeviation nach rechts mit basalen Septumleisten
[Knöcherne Leiste ausgehend von der Nasenscheidewand, die in die Nasenhöhle ragt und die Belüftung verschlechtern kann] beidseits
(rechts ausgeprägter als links). Insgesamt erschienen die Nasenhaupthöhlen regelrecht weit. Es zeigte sich kein Hinweis auf
eine stattgehabte Nasenseptumfraktur. Die Schleimhaut sei rosig und glatt. Lediglich am linken Nasenseptum zeigte sich die
Nasenschleimhaut leicht krustig belegt. Bei der Nasenendoskopie fanden sich kein pathologisches Sekret und keine Polypen.
Die mittleren Nasengänge seien frei gewesen. Eine durchgeführte Rhinomanometrie [Messverfahren zur Bestimmung des Luftwiderstandes
beim Atem durch die Nase] ergab keine Nasenatmungsbehinderung. Weiter führte S1 einen Screening-Riechtest mit einem Testsystem
aus zwölf Riechstoffen durch. In allen Fällen nahm der Kläger einen Geruch war, ordnete ihn jedoch gelegentlich falsch zu.
Der Test wurde nach abschwellenden Maßnahmen durchgeführt. Insgesamt - so S1 - sei bei den erzielten Werten von einem stark
eingeschränkten Riechvermögen auszugehen. Ein durchgeführter Geschmackstest ergab eine Unrichtigkeit (bei vier Proben). Die
vom Kläger angegeben Beschwerden - so S1 - könnten anhand der Akten, der klinischen Untersuchung und der Anamnese des Klägers
nicht erklärt werden. Anatomisch liege keine Verlegung der Riechrinne bzw. des mit Riechepithel [Riechschleimhaut] ausgekleideten
Bereichs vor. Eine traumatisch bedingte neuronale Riechstörung mit Abscherung der Fila olfactoria [Nervenfasern, die der Geruchswahrnehmung
dienen] sei aufgrund des Unfallhergangs sehr unwahrscheinlich und gehe meist mit einer Anosmie [Geruchsverlust] einher. Eine
Schädigung des Riechvermögens durch chemische Stoffe sei beruflich nicht gegeben. Für die Untersuchung olfaktorisch [den Geruchssinn
betreffend] evozierter Potentiale empfehle er die Vorstellung in einer dafür spezialisierten Klinik. Eine Bildgebung (cMRT)
sei zur Beurteilung des Riechnerven und dessen intracraniellen Verlaufs in Erwägung zu ziehen.
Nach entsprechender Beauftragung durch die Beklagte ließ S1 am 05.09.2017 ein MRT des Schädels und der Nasennebenhöhlen mit
Kontrastmittel anfertigen. Es zeigten sich ein regelrechter intrakranieller Befund und kein Hinweis auf eine Pathologie des
Nervus olfactorius [Riechnervs].
Mit Bescheid vom 25.10.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente anlässlich des Unfallereignisses vom 18.12.2015
ab. Zur Begründung führte sie aus, ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers über die 26.
Woche nach Eintritt des Versicherungsfalles bzw. nach Ende des Verletztengeldanspruches nicht in messbarem Grad (MdE < 10%)
gemindert sei. Nicht als Folge des Versicherungsfalles, weder im Sinne einer Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung,
werde ein eingeschränktes Riechvermögen anerkannt. Als Folge des Unfallereignisses wurde anerkannt:
- eine leichte Höckernase mit leichter vorderer Nasenscheidewandverkrümmung nach rechts nach Nasengerüstfraktur.
Hiergegen erhob die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Telefax vom 14.11.2017 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus,
die Beklagte "wäre verpflichtet gewesen, weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen einzuleiten, und zwar die von S1
vorgeschlagenen gutachterlichen Untersuchungsmaßnahmen". Derzeit stehe nicht eindeutig fest, ob die stark verminderte Riechwahrnehmung
auf das Unfallereignis vom 18.12.2015 zurückzuführen sei. Da diese erst nach dem Unfallereignis aufgetreten sei, spreche eine
hohe Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang.
Hierauf entgegnete die Beklagte mit Schreiben vom 21.12.2017, die von S1 vorgeschlagene cMRT-Untersuchung sei durchgeführt
worden. Hierbei sei festgestellt worden, dass keine neurologische Schädigung des Nervus olfactorius vorliege. Da somit keine
unfallbedingte Beeinträchtigung des Riechvermögens vorliegen könne und die Riechstörung erst im Sommer 2016 aufgetreten sei,
habe die Riechstörung eine andere Ursache. Eine weitergehende olfaktorische Untersuchung sei zur Abklärung der Unfallfolgen
nicht notwendig.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hielt an der Notwendigkeit der Durchführung einer neurophysiologischen Untersuchung
olfaktorisch evozierter Potentiale in einer hierauf spezialisierten Klinik fest (Schriftsatz vom 29.12.2017).
In der beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 03.01.2018 führte der N aus, bei der beklagten verzögerten Geruchswahrnehmung
des Klägers handle es sich nicht um ein Traumaproblem. Der Kläger könne alles riechen. Die Geschwindigkeit, mit der ein spezifischer
Geruch nach Wahrnehmung auch richtig erkannt werde, sei keinem Unfallgeschehen zuzuordnen, außer eventuell einem Hirntrauma
mit konsekutiver genereller Funktionseinbuße. Der von S1 durchgeführte Riechtest ergebe, dass beidseits vier bis fünf Proben
richtig erkannt wurden. Somit sei eine Anosmie durch traumatische Ruptur der Riechnervenstrukturen ausgeschlossen; ebenfalls
durch die Tomografie [bildgebendes Verfahren]. Das angeschuldigte Ereignis sei auch nicht geeignet, eine Verletzung der Riechnerven
zu verursachen. Bei bereits ausgeschlossener Verletzung der neuralen Riechstrukturen sei die geforderte Untersuchung auf olfaktorisch
evozierte Potentiale überflüssig, da sie nur nachweisen könne, was bereits feststehe. Die gutachterliche Feststellung eines
"stark eingeschränkten Riechvermögens" sei vor dem Hintergrund zu kritisieren, dass auch Riechproben von bspw. Lakritz, Honig
oder Sesamöl angeboten würden, die nicht von jedem unmittelbar erkannt würden. Erkennen könne man nur, was man auch kenne.
Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch die Angabe des Klägers, dass der Geschmacksinn unverändert sei. Bei echten Riechstörungen
werde auch immer eine Beeinträchtigung des Geschmacks beklagt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2018, der Bevollmächtigten des Klägers am 01.03.2018 zugestellt, wies die Beklagte den
Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.10.2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund des Gutachtens
von S1 und dem Ergebnis der MRT-Untersuchung könne eine traumatische Schädigung des Riechnervs ausgeschlossen werden. Da das
eingeschränkte Riechvermögen zudem erst im Sommer 2016 vom Kläger bemerkt worden sei, könne ein Unfallzusammenhang nicht wahrscheinlich
gemacht werden. Weiterhin habe der Kläger selbst angegeben, keinen Geschmacksverlust feststellen zu können. Bei echten Riechstörungen
sei der Geschmacksinn ebenfalls gestört, da der Geschmack über den Riechnerv wahrgenommen werde. Zudem sei ein Schlag auf
die Nase nicht geeignet, eine traumatische Nervenverletzung des Riechnervs zu verursachen. Die leichte Höckernase und die
leichte vordere Nasenscheidewandverkrümmung ohne Behinderung der Nasenatmung rechtfertige keine MdE in messbarem Grad.
Deswegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Telefax vom 29.03.2018 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe die von S1 vorgeschlagene Untersuchung olfaktorisch evozierter
Potentiale in einer hierfür spezialisierten Klinik unterlassen. Die Untersuchung wäre jedoch dringend notwendig gewesen, um
zu klären, ob die festgestellte Schädigung des Riechvermögens auf das Unfallereignis vom 18.12.2015 zurückzuführen sei. Sie
sei nunmehr im Klageverfahren nachzuholen. Vor dem Hintergrund, dass noch weitere Unfallfolgen anzuerkennen seien, stehe dem
Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H., hilfsweise um 10 v.H. im Sinne einer sogenannten Stützrente zu. Es
lägen noch weitere Versicherungsfälle vor, aufgrund der eine MdE um 10 v.H. in Betracht komme. Insoweit seien noch weitere
Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart anhängig.
Das SG hat die MRT-Aufnahme des Schädels vom 05.09.2017 im Original beigezogen und sodann von Amts wegen ein hals-nasen-ohrenärztliches
Gutachten bei S2, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Mhospital S eingeholt. In seinem Gutachten
vom 13.09.2019 hat dieser aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 22.08.2019 ausgeführt, der Kläger berichte
über eine behinderte Nasenatmung vor allem auf der linken Seite. Seit der Behinderung der Nasenatmung liege nachts eine Rhonchopathie
vor. Ferner sei die Schlafqualität eingeschränkt. Der Kläger gebe eine trockene Nasenschleimhaut an. Die Riechfunktion habe
sich nach dem Trauma verschlechtert. Insbesondere habe der Kläger das Gefühl, Duftstoffe nur noch verzögert wahrzunehmen.
Die Riechfunktion sei nicht ausgefallen, subjektiv jedoch verändert und verzögert in der Wahrnehmung. Die Riechstörung habe
sich in den ersten Monaten nach dem Trauma endgültig entwickelt und Auswirkungen auf die Lebensführung des Klägers; so könne
er verdorbenes Essen nicht mehr rechtzeitig wahrnehmen. Die Schmeckfunktion sei ebenfalls etwas eingeschränkt. In der klinischen
Untersuchung der Nase durch S2 zeigte sich eine leichte knöcherne Impression der Flanke von rechts sowie eine geringe Höckerbildung
im knöchernen Nasenabschnitt. Nasen- und Nasenrachenendoskopie ergaben auf beiden Seiten freie Verhältnisse. Das Septum der
Nase war weitgehend medial stehend. Anterior zeigte sich eine geringe Deviation nach rechts. Die Prämaxilla [Knochen, der
die oberen Schneidezähne hält] sei auf beiden Seiten etwas verbreitert. Die Nasenschleimhäute seien bei der Untersuchung feucht
ohne Krusten und die Nasenklappen eher eng, aber durchgängig gewesen. Die unteren Nasenmuscheln seien mittelgradig hyperplastisch
[übermäßig gewachsen] ausgebildet. Die Rhinomanometrie habe eine Behinderung der Nasenatmung ergeben. Nach einer Riechprüfung
mit Sniffin-Sticks sei die Riechfunktion als eingeschränkt einzustufen. Hinweise auf eine Aggravation lägen nicht vor. Die
Schmeckprüfung habe eine eingeschränkte Schmeckfunktion ergeben. Der Kläger habe anlässlich des Ereignisses vom 15.12.2018
eine Nasenbeinfraktur erlitten. Die nunmehr bestehende Impression der Nasenflanke von rechts sowie die geringe Höherbildung
seien mit hoher Wahrscheinlichkeit Folge dieser Fraktur. Durch die geringe Impression der Nase von rechts sei die Verschlechterung
der Nasenatmung jedenfalls in Teilaspekten unfallbedingt erklärbar. Für die Riechstörung sowie die starke Behinderung der
Nasenatmung bestehe zwar die Möglichkeit, aber keine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese unfallbedingt bestehe. Für einen
Ursachenzusammenhang spreche der Umstand, dass die Beschwerden erstmalig nach dem Unfallfall aufgetreten seien. Die verzögerte
Feststellung der Riechstörung nach dem Trauma spreche für sich genommen nicht gegen einen Unfallbezug, da Riechstörungen häufig
erst im Intervall wahrgenommen würden. Gegen einen Ursachenzusammenhang spreche jedoch die geringe Intensität des Traumas.
In der Literatur werde die Häufigkeit von Riechstörungen vor allem mit der Stärke des Traumas in Verbindung gesetzt. Ferner
sei der Unfallmechanismus nicht typisch für die Entstehung einer Riechstörung. Riechstörungen nach einer isolierten Nasenbeinfaktur
seien zwar möglich, aber nicht typisch. Zudem liege auch kein kompletter Ausfall vor. Riechstörungen als Folge anderer Ursachen,
etwa aufgrund von Infekten der Nasenschleimhaut seien relativ häufig. Konkurrierende Ursachen seien damit denkbar. Betreffend
die Behinderung der Nasenatmung spreche der intranasale Befund gegen eine alleinig unfallbedingte Verursachung. Anlagebedingt
sei die Nase eher eng (Hyperplasie der unteren Nasenmuscheln, Verbreiterung der Prämaxilla). Weitere Befunde, wie die geringe
Deviation der Nasenscheidewand und die Enge der Nasenklappen könnten unfallbedingt erklärt werden. Zum sicheren Nachweis wäre
ein Befund vor dem Unfall notwendig. Als sicher nicht unfallbedingt schätze er die Schmeckstörung ein. Die MdE für die Impression
der Nase mit Höckerbildung, die nicht zu einer Entstellung führe und die damit in Teilaspekten verbundene schlechtere Nasenatmung
bewerte er mit 0. Wolle man für die Gesamtbetrachtung noch die Riechstörung und einen stärkeren unfallbedingten Teilaspekt
der Behinderung der Nasenatmung als unfallbedingt annehmen, wäre eine MdE um 10 v.H. anzunehmen. Es stelle sich jedoch die
Frage, ob die Wahrscheinlichkeit ausreichend gegeben sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2020, zugestellt der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.11.2020, hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung von Unfallfolgen im Wege einer
kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage begehre. Es fehle insoweit an einer entsprechend anfechtbaren Verwaltungsentscheidung,
weil die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 25.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2018 keine Entscheidung
über die Feststellung von Unfallfolgen getroffen habe. Der Bescheid enthalte den Betreff "Bescheid über Ablehnung einer Rente",
und in seinem ersten Absatz, der insoweit als Verfügungssatz anzusehen sei, habe die Beklagte lediglich ausgeführt, dass der
Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls keinen Anspruch auf Rente habe. Weiter folgten unter der Überschrift "Unsere Entscheidung
begründen wir wie folgt" Ausführungen dazu, warum die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nicht vorlägen und welche Gesundheitsstörungen
als Folge bzw. nicht als Folge des Versicherungsfalls vom 18.12.2015 anerkannt würden. Unter Berücksichtigung dieser klaren
optischen Absetzung vom eigentlichen Verfügungssatz könnten die Ausführungen über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen
als Unfallfolge nicht als Verfügungssatz angesehen werden.
Soweit der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
SGG) verfolge, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt.
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei infolge des Arbeitsunfalls vom 15.12.2018 nicht um wenigstens 10 v.H. gemindert. Damit
könne dahinstehen, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung von §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VII aufgrund weiterer Versicherungsfälle zusammen wenigstens um 20 v.H. gemindert sei. Zwar bestehe bei dem Kläger eine Behinderung
der Nasenatmung, diese werde jedoch allenfalls teilweise durch die unfallbedingte Impression der Nasenflanke von rechts verursacht.
Es bestünden beim Kläger weitere unfallunabhängige Faktoren mit negativem Einfluss auf die Nasenatmung. So liege beim Kläger
anlagebedingt (und damit unfallunabhängig) eine eher engere Nase mit mittelgradig hyperplastisch ausgeprägter unterer Nasenmuschel
und beidseitiger verbreiterter Prämaxilla vor. Darüber hinaus bestehe eine geringe Nasenscheidewandverkrümmung sowie eine
Enge der Nasenklappen. Dies ergebe sich aus den Feststellungen des S2 in seinem Gutachten vom 13.09.2019. Ob die Nasenscheidewandverkrümmung
sowie die Enge der Nasenklappen ursächlich auf das Unfallereignis vom 18.12.2015 zurückzuführen seien, könne mangels Befundunterlagen
vor dem Unfallereignis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Es sei durchaus denkbar, dass diese Veränderungen
schon vor dem Unfall vorgelegen hätten, von dem Kläger jedoch nicht als störend empfunden worden wäre. S2 habe hierzu überzeugend
ausgeführt, dass oft kleine Veränderungen in der Anatomie - hier der Impression der Nasenflanke von rechts - zu einer subjektiv
starken Änderung der Wahrnehmung der Nasenatmung führten. In der unfallmedizinischen Literatur werde bei einer Behinderung
der Nasenatmung durch erhebliche Verengung der Nasengänge eine MdE von 10 bis 20 v.H. angesetzt (unter Bezugnahme auf Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.01.2013 - Az.: L 3 U 245/10 - in juris Rn. 40 m.w.N.). Der durch die unfallbedingte Impression der Nasenflanke von rechts verursachte Anteil der Behinderung
der Nasenatmung sei demnach mit einer MdE um weniger als 10 v.H. hinreichend bemessen.
Die geringe Höckerbildung im knöchernen Nasenabschnitt bedinge mangels Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Nase keine
Erhöhung der MdE. Insbesondere ergebe sich aus ihr keine Entstellung des klägerischen Gesichts.
Die vom Kläger beklagte Riechstörung sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 18.12.2015
zurückzuführen und daher nicht bei der Bewertung der MdE zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus den schlüssigen und übereinstimmenden
Ausführungen des S1 und des S2. S1 habe überzeugend ausgeführt, dass die beklagte Riechstörung nicht erklärt werden könne.
Anatomisch liege keine Verlegung der Riechrinne bzw. des mit Riechepithel ausgekleideten Bereichs vor. Eine traumatisch bedingte
neuronale Riechstörung durch Schädigung des Nervus olfactorius mit Abscherung der Fila olfactoria habe durch ein cMRT des
Schädels m 05.09.2017 ausgeschlossen werden können. Auch vor dem Hintergrund des Unfallherganges - so S1 und S2 überzeugend
- erscheine eine traumatische bedingte Riechstörung eher unwahrscheinlich. S2 hat unter Bezugnahme auf entsprechende Literatur
widerspruchsfrei dargestellt, dass die Häufigkeit von Riechstärke mit der Stärke des Traumas in Verbindung gesetzt werde.
Das am 18.12.2015 stattgehabte Trauma sei eher von geringer Natur gewesen. Somit spreche allein die Tatsache, dass die Riechstörung
in zeitlicher Hinsicht erst nach dem Unfallereignis vom 18.12.2015 eingetreten ist, für einen Ursachenzusammenhang. Dieser
Aspekt verliere jedoch an Gewicht, wenn man bedenke, dass Riechstörungen nach den überzeugenden Ausführungen des S2 relativ
häufig infolge anderer Ursachen, bspw. Infekten der Nasenschleimhaut auftreten. In der Gesamtschau spreche daher nicht mehr
für als gegen einen Ursachenzusammenhang zwischen der beklagten Riechstörung und dem Unfallereignis vom 18.12.2015, weshalb
dieser nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei. Weitere Ermittlungen von Amts wegen
seien nicht erforderlich. Insbesondere sei die vom Kläger begehrte Untersuchung olfaktorisch evozierter Potentiale, die eine
objektive Untersuchung des Geruchssinnes darstelle, nicht durchzuführen. Mit der Untersuchung könne allein der objektive Nachweis
erbracht werden, dass der Kläger an einer Riechstörung leide. Weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Ursache der Geruchsstörung
würden sich hieraus indes nicht ergeben.
Die Geschmackstörung sei ebenfalls nicht bei der Bewertung der MdE zu berücksichtigen. Sie sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
durch das Unfallereignis vom 15.12.2018 verursacht worden. Insoweit gelte das zur Riechstörung bereits ausgeführte.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat am 14.12.2020 (Montag) beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Schwere der von dem Kläger erlittenen Verletzungen nicht ausreichend berücksichtigt
worden sei. Der Sachverständige S2 gehe davon aus, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Unfallbedingtheit der Gesundheitsschäden
"Impression der Nasenflanke von rechts und geringe Höckerbildung" und "Teilaspekt der behinderten Nasenatmung durch Impression
der Nasenflanke rechts (entweder im Sinne der Entstehung oder im Sinne der Verschlimmerung)" bestehe. Diese gutachterlichen
Feststellungen hätten dazu führen müssen, die Beklagte zur Anerkennung dieser Gesundheitsstörungen als weitere Unfallfolgen
zu verurteilen. Soweit der Sachverständige S2 lediglich von einem geringen Trauma ausgehe, treffe dies nicht zu, weil das
Nasenbein disloziert und die Nase geschwollen gewesen sei. Wegen der Schwere der Nasenverletzung sei dann auch die operative
Versorgung durch eine Nasenbeinreposition am 23.12.2015 erfolgt. Zu Unrecht habe es S2 die Prüfung unterlassen, ob sich der
"anlagebedingte" Zustand der klägerischen Nase durch das Unfalltrauma verschlechtert habe mit der Folge, dass die starke Behinderung
der Nasenatmung im Sinne der Verschlimmerung als Unfallfolge anzuerkennen sei. Soweit der Sachverständige S2 für die Unfallbedingtheit
dieser Gesundheitsschäden als sicheren Beweis einen Befund von vor dem Unfall für notwendig erachte, sei der Kläger nicht
darlegungs- und beweispflichtig. In dem anhängigen Parallelrechtsstreit vor dem SG (S 21 U 1651/18) wegen der Folgen eines weiteren Arbeitsunfalles vom 23.05.2004 (linke Schulter) sei davon auszugehen, dass das SG der Klage stattgeben und die Beklagte verurteilen werde, eine Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. zu gewähren. Unter
Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts 05.07.2011 - B 2 U 17/18 R - sowie den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13.03.2020 - L 3 U 142/19 B - habe das SG die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hinsichtlich der Feststellung von weiteren Unfallfolgen zu
Unrecht als unzulässig abgewiesen.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt sachdienlich gefasst,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.11.2020 und unter Abänderung des Bescheides
der Beklagten vom 25.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2018 zu verurteilen,
beim Kläger zusätzlich zu den bereits in diesem Bescheid anerkannten Unfallfolgen als Folgen des Versicherungsfalles vom 18.12.2015
auch
-
eine leichte knöcherne Impression der rechten Nasenflanke,
-
eine leichte anteriore Nasenseptumdeviation nach rechts mit basalen Septumleisten beidseits (rechts ausgeprägter als links),
-
eine stark eingeschränkte Nasenatmung sowie
-
ein eingeschränktes Riechvermögen anzuerkennen
-
und dem Kläger wegen dieser Folgen des Versicherungsfalles eine Rente nach einer MdE von 10 % in Form einer sog. Stützrente
ab dem 01.02.2016 (Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit) zu gewähren, sowie
-
hilfsweise, das Berufungsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem anhängigen Verfahren bei dem Sozialgericht
Stuttgart zum Aktenzeichen S 21 U 1651/18 ruhend zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Sie hat zur Berufungserwiderung im Wesentlichen auf den
angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin vom 09.11.2021 einen bis zum 23.11.2021 widerruflichen gerichtlichen Vergleich
geschlossen. Hierin waren sich die Beteiligten einig, dass bei Erledigung des Rechtsstreits im Übrigen als weitere Unfallfolgen
des Unfalls vom 18.12.2015 anerkannt werden:
- Enge der Nasenklappe links,
- Deviation der Nasenscheidewand,
- Impression der Nasenflanke rechts und
- geringe Verschlechterung der Nasenatmung links (Teilaspekt der behinderten Nasenatmung durch Impression der Nasenflanke
rechts).
Mit Schreiben vom 23.11.2021 hat die Beklagte den Vergleich widerrufen. Lediglich die Impression der Nasenflanke rechts sowie
die geringe Verschlechterung der Nasenatmung (als Teilaspekt der Behinderung der Nasenatmung) könnten als weitere Unfallfolge
des Unfalls vom 18.12.2015 anerkannt werden. Nach nochmaliger Bewertung sei die (bereits vorbestehende) Enge der Nasenklappe
links nicht als Unfallfolge anzusehen. Das Trauma habe in einer umschriebenen singulären Impression der rechten Nasenseite
anderen, was aus dem OP-Bericht zweifelsfrei zu ersehen sei. Es liege keine Fraktur des kompletten Nasengerüsts mit Verlagerung
der ganzen Nase (Schiefnase) vor. Demnach sei die linke Nase hinsichtlich der knöchern knorpeligen Stützsubstanz einschließlich
seines Flügelknorpels vom Trauma nicht betroffen gewesen. Der Gutachter S2 sehe zwar die Möglichkeit, dass eine Enge des Naseneingangs
im Bereich der Nasenklappen unfallbedingt entstehen könne, diskutiere damit aber die theoretische Möglichkeit bei einem Nasentrauma
und meine nicht das konkret hier von dem Kläger erlittene Einzeltrauma. Zudem reiche die Möglichkeit, dass die Enge des Naseneingangs
im Bereich der Nasenklappen unfallbedingt sein könnte, nicht aus, um diese als Folge des Unfalls vom 18.12.2015 anzuerkennen;
gefordert sei hier die nicht gegebene hinreichende Wahrscheinlichkeit. Eine gewisse Enge der Nase durch eine Nasenmuschelhyperplasie
und eine verbreitete Prämaxilla seien anlagebedingt und nicht unfallbedingt als Ursache einer Nasenatmungsbehinderung zu sehen.
Die Septumdeviation sei bereits als leichte vordere Nasenscheidewandverkrümmung nach rechts mit Bescheid vom 25.10.2017 anerkannt
worden.
Auf einen weiteren gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 24.11.2021 auf der Grundlage der Ausführungen der Beklagten vom 23.11.2021
hat sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers ungeachtet mehrerer Erinnerungsschreiben nicht in der Sache geäußert.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 04.04.2022 hat der Berichterstatter letztmals an die Erledigung des gerichtlichen Schreibens
vom 24.11.2021 erinnert und hierzu Frist gesetzt bis 02.05.2022 (Eingang bei Gericht). Dem Kläger ist in diesem Schreiben
gemäß §§
153 Abs.
1,
106a SGG Frist bis 02.05.2022 (Eingang bei Gericht) gesetzt worden zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung
im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt, soweit nicht bereits geschehen. Zudem ist dem Kläger unter o.g. Fristsetzung
aufgegeben worden, zu seinen unfallbedingten Gesundheitsstörungen Tatsachen anzugeben und Beweismittel zu bezeichnen, Urkunden
oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit nicht bereits geschehen. Die
Klägerseite ist darauf hingewiesen worden, dass der Senat Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der o.g. Frist
vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung
des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt
und der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht
beabsichtigt.
Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 03.05.2022, der Prozessbevollmächtigten des Klägers durch Empfangsbekenntnis am
13.05.2022 zugestellt die im gerichtlichen Schreiben vom 04.04.2022 gesetzte Frist abschließend und auf der Grundlage eines
klägerischen Fristverlängerungsantrags vom 02.05.2022 bis 13.06.2022 (Eingang bei Gericht) verlängert. Ergänzend hat er ausgeführt,
dass vor dem Hintergrund, dass bereits seit mehr als 5 Monaten ungeachtet mehrfacher gerichtlicher Erinnerungsschreiben eine
Reaktion der Klägerseite auf das gerichtliche Schreiben vom 24.11.2021 ausstehe, nicht beabsichtigt sei, eine weitere Fristverlängerung
zu gewähren.
Mit Schreiben vom 22.09.2022 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, aus dem teilweisen Widerruf des Vergleichs
seitens der Beklagten folge im Umkehrschluss, dass der protokollierte Vergleich vom 09.11.2021 als Teil-Anerkenntnis der Beklagten
auszulegen sei, soweit die Impression der Nasenflanke rechts und die geringe Verschlechterung der Nasenatmung links (Teilaspekt
der behinderten Nasenatmung durch Impression der Nasenflanke rechts) als Unfallfolge des Unfalls vom 18.12.2015 anzuerkennen
seien. Dieses Teil-Anerkenntnis nehme der Kläger an.
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 21.06.2022 und die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 22.09.2022
hat sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §
124 Abs.
2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten
und die Akten des SG sowie des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte hat in den angegriffenen Bescheiden zu Unrecht als Unfallfolge lediglich eine "leichte Höckernase mit leichter
vorderer Nasenscheidewandverkrümmung nach rechts nach Nasengerüstfraktur" anerkannt. Darüber hinaus sind jedoch auch die Unfallfolgen
"Impression der Nasenflanke rechts" sowie "geringe Verschlechterung der Nasenatmung (als Teilaspekt der Behinderung der Nasenatmung)"
anzuerkennen, weswegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.11.2020 und die angegriffenen Bescheide insoweit teilweise
abzuändern sind. Ein Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente besteht jedoch auch unter Berücksichtigung der
Anerkennung dieser Unfallfolgen nicht.
1. Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung weiterer Unfallfolgen begehrt, ist richtige Klageart die
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG oder nach Wahl des Versicherten die Anfechtungsklage kombiniert mit der Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG (vgl. BSG 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 und BSG 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R -). Bei dem Klageantrag in der durch den Bevollmächtigten formulierten Fassung handelt es sich demnach um eine nach §
54 Abs.
1 SGG zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Feststellung weiterer Unfallfolgen. Hiermit verbunden kann
der Kläger auch die Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
4 SGG im Hinblick auf die Gewährung einer Verletztenrente verfolgen.
2. a) Streitgegenständlich sind demnach über die bereits im Bescheid vom 25.10.2017 anerkannte Unfallfolge ("Leichte Höckernase
mit leichter vorderer Nasenscheidewandverkrümmung nach rechts nach Nasengerüstfraktur") hinaus die klägerseits beantragten
und nicht anerkannten weiteren Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Anders als die Prozessbevollmächtigte des Klägers meint hat die Beklagte bezüglich der Unfallfolgen "Impression der Nasenflanke
rechts" und "geringe Verschlechterung der Nasenatmung (als Teilaspekt der Behinderung der Nasenatmung)" weder im Erörterungstermin
vom 09.11.2021 noch in deren nachfolgenden schriftlichen Erklärung des Vergleichswiderrufs ein Teilanerkenntnis abgegeben.
Ein (Teil-)Anerkenntnis ist das im Wege der einseitigen Erklärung gegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der
Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch ganz oder teilweise besteht. Ein Anerkenntnis und kein Vergleichsangebot liegt
vor, wenn der Beklagte einseitig und ohne Einschränkung erklärt, die vom Kläger begehrte Rechtsfolge werde "ohne Drehen und
Wenden" zugegeben. Im begrifflichen Gegensatz dazu steht der (Prozess-)Vergleich, der unter beiderseitigem Nachgeben den Rechtsstreit
beenden soll (Stäbler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2. Aufl., §
101 SGG, Rn. 34 m.w.N. [Stand: 24.06.2022]). Bei der Auslegung einer Prozesserklärung bildet deren Wortlaut grundsätzlich die Grenze.
Dies folgt auch daraus, dass Prozesserklärungen klar und eindeutig sein müssen (BSG vom 19.03.2020 - B 4 AS 54/20 B - in juris Rn. 6 mwN). Zwar sind die Gerichte gehalten, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken (§
106 Abs.
1 SGG) und Prozesserklärungen beteiligtenfreundlich auszulegen (vgl. zum sog. Grundsatz der Meistbegünstigung etwa BSG vom 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R -), insbesondere wenn diese nicht rechtskundig vertreten sind. Das "letzte Wort" haben aber die Beteiligten, deren Erklärungen
nicht gegen den ausdrücklich bekundeten Willen ausgelegt werden dürfen, selbst wenn diese für sie aus objektiver Sicht nachteilig
wären (vgl etwa BSG vom 06.04.2011 - B 4 AS 3/10 R, in juris Rn. 13). Dies findet seinen Ausdruck etwa darin, dass es den Gerichten auch verwehrt ist, einem Kläger mehr zuzusprechen
als er beantragt ("ne ultra petita"; BSG vom 27.05.2014 - B 5 RE 6/14 R -; BSG vom 23.04.2015 - B 5 RE 23/14 R - in juris Rn. 11). Zudem ist bei der Auslegung von Prozesserklärungen von Rechtsanwälten
oder vergleichbar qualifizierten Prozessbevollmächtigten wie z.B. auch von Behördenvertretern in der Regel davon auszugehen,
dass diese das Gewollte richtig wiedergeben (s. BSG vom 12.12.2019 - B 10 EG 3/19 B - RdNr 9; zum ganzen BSG, Urteil vom 17.09.2020 - B 4 AS 13/20 R -, in juris Rn. 23f.)
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Beklagte den im Erörterungstermin vom 09.11.2021 geschlossenen gerichtlichen Vergleich
innerhalb der Widerrufsfrist ordnungsgemäß und, aufgrund der fehlenden Teilbarkeit des Widerrufs, insgesamt widerrufen. Indem
die Beklagte im Rahmen der Widerrufserklärung ausgeführt hat, dass lediglich die Impression der Nasenflanke rechts sowie die
geringe Verschlechterung der Nasenatmung (als Teilaspekt der Behinderung der Nasenatmung) als weitere Unfallfolge des Unfalls
vom 18.12.2015 anerkannt werden könnten, hat sie bei verständiger Würdigung kein Teilanerkenntnis bezüglich dieser beiden
Unfallfolgen abgegeben. Sie hat lediglich kundgetan, zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs unter beiderseitigem Nachgeben
und dem Zugeständnis bereit zu sein, nur diese beiden Unfallfolgen bei Fallenlassen der weiteren von Klägerseite geltend gemachten
Ansprüche (Verletztenrente, weitere Unfallfolgen) anzuerkennen und den Rechtsstreit auf diese Weise einvernehmlich zu beenden.
Auf den hierauf gründenden Vergleichsvorschlag des Berichterstatters ist die Prozessbevollmächtigte des Klägers im weiteren
Prozessverlauf jedoch nicht eingegangen.
b) Sofern der Kläger im Berufungsverfahren teils abweichend zu den vor dem SG gestellten Anträgen nunmehr die Anerkennung der Unfallfolgen
- leichte knöcherne Impression der rechten Nasenflanke,
- leichte anteriore Nasenseptumdeviation nach rechts mit basalen Septumleisten beidseits (rechts ausgeprägter als links),
- stark eingeschränkte Nasenatmung sowie
- eingeschränktes Riechvermögen
verfolgt, handelt es sich um eine nach §
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG auch noch im Berufungsverfahren zulässige Umstellung des Klageantrags in der Hauptsache, die im Übrigen auch als Klageänderung
nach §
99 Abs.
1 SGG als sachdienlich anzusehen wäre. Denn es entspricht dem Gebot der Prozessökonomie, über alle bekannten Folgen desselben Unfalls
in einem Verfahren zu entscheiden (Senatsurteil vom 20.05.2022 - L 8 U 1273/21 -, in juris Rn.67 m.w.N.). Anders als das SG meint, hat die Beklagte, wie sich bereits aus dem Wortlaut des Bescheids vom 25.10.2017 ergibt, hierin über die Feststellung
von Unfallfolgen ausdrücklich und textlich hervorgehoben entschieden ("Als Folgen ihres Versicherungsfalles werden anerkannt:
Leichte Höckernase mit leichter vorderer Nasenscheidewandverkrümmung nach rechts nach Nasengerüstfraktur. Als Folgen Ihres
Versicherungsfalles werden nicht anerkannt, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung: Eingeschränktes
Riechvermögen.") Insofern kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass es insoweit an dem Vorverfahren nach §
78 SGG fehlt. Es liegt auch weder der Fall vor, dass Unfallfolgen eines bestimmten Fachgebietes bisher nicht Gegenstand der angegriffenen
Behördenentscheidung sind, noch der Fall, dass die Unfallfolgen erst nach der Behördenentscheidung aufgetreten sind (vgl.
hierzu Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 23.06.2021 - L 7 U 25/20 -, Rn. 59 ff., juris).
3. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sind eine Impression der Nasenflanke rechts sowie die geringe Verschlechterung der
Nasenatmung (als Teilaspekt der Behinderung der Nasenatmung) als weitere Unfallfolgen des Unfalls vom 18.12.2015 anzuerkennen.
Die Septumdeviation wurde mit Bescheid vom 25.10.2017 bereits als leichte vordere Nasenscheidewandverkrümmung nach rechts
anerkannt. Im Übrigen sind weitere Unfallfolgen nicht nachgewiesen.
Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind als zusätzliche Folgen des Arbeitsunfalls anzuerkennen, wenn zwischen dem Unfallereignis
und ihnen entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne von §
8 Abs.
1 SGB VII besteht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich
nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben
(st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils Rn. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen
Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE
1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser
ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine
qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische
Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den
Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen
Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache
auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen
von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne
des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht
als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts
ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall,
dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen
und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung"
akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes
andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere
des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 17; B 2 U 40/05 R, UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04R, UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang
zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss.
Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt
hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F.
RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F.
RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 55a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel
ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R und B 2 U 26/04 R - a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen
einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen
werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.).
Der Gutachter S2 hat in seinem Gutachten vom 13.09.2019 eine unfallbedingte Impression der Nasenflanke rechts sowie eine ebenfalls
unfallbedingte geringe Verschlechterung der Nasenatmung (als Teilaspekt der behinderten Nasenatmung) eindeutig bestätigt,
weshalb diese als weitere Unfallfolgen anzuerkennen sind.
Darüber hinaus besteht unter Zugrundelegung der vorliegenden Gutachten kein Anspruch auf die zusätzliche Anerkennung weiterer
Unfallfolgen. So reicht die von S2 angenommene Möglichkeit, dass die Enge des Naseneingangs im Bereich der Nasenklappen unfallbedingt
entstanden ist, nicht aus, um diese als weitere Unfallfolgen anzuerkennen. Beweisrechtlich ist zumindest die (hier nicht bestehende)
hinreichende Wahrscheinlichkeit gefordert. Hier lag eine Fraktur des kompletten Nasengerüsts mit Verlagerung der ganzen Nase
(Schiefnase) aber nicht vor; das Trauma bestand lediglich in einer Impression der rechten Nasenseite, wie aus dem OP-Bericht
vom 23.12.2015 zu ersehen ist. Mithin war die linke Nase hinsichtlich der knöchern knorpeligen Stützsubstanz einschließlich
seines Flügelknorpels vom Trauma nicht betroffen, worauf bereits die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.
Für die Riechstörung sowie die starke Behinderung der Nasenatmung bestand aufgrund der geringen Intensität des Traumas ebenfalls
lediglich die zur Anerkennung als Unfallfolge nicht ausreichende bloße Möglichkeit, aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit,
dass diese unfallbedingt besteht. So hat S2 in seinem Sachverständigengutachten nachvollziehbar dargelegt, dass die Häufigkeit
von Riechstörungen vor allem mit der Stärke des Traumas in Verbindung gesetzt wird und Riechstörungen nach einer isolierten
Nasenbeinfaktur zwar möglich, aber nicht typisch sind; vielmehr treten sie als Folge anderer (konkurrierender) Ursachen, etwa
aufgrund von Infekten der Nasenschleimhaut, relativ häufig auf. Hinsichtlich der stärkeren Behinderung der Nasenatmung ist
diese als Unfallfolge auch deshalb nicht hinreichend wahrscheinlich, weil insoweit der von S2 erhobene intranasale Befund
gegen eine unfallbedingte Verursachung spricht; anlagebedingt ist die Nase eher eng (Hyperplasie der unteren Nasenmuscheln,
Verbreiterung der Prämaxilla). Auch S1 hat überzeugend ausgeführt, dass die beklagte Riechstörung nicht erklärt werden kann
und zutreffend darauf hingewiesen, dass anatomisch keine Verlegung der Riechrinne bzw. des mit Riechepithel ausgekleideten
Bereichs vorliegt. Dem konnte eine traumatisch bedingte neuronale Riechstörung durch Schädigung des Nervus olfactorius mit
Abscherung der Fila olfactoria durch das cMRT des Schädels m 05.09.2017 ausgeschlossen werden.
Als sicher nicht unfallbedingt haben sowohl S1 als auch S2 die Schmeckstörung eingeschätzt. Weitere anzuerkennende Unfallfolgen
lassen sich den eingeholten Sachverständigengutachten nicht entnehmen, wobei bereits nach dem cMRT des Schädels und der Nasennebenhöhlen
vom 05.09.2017 sich ein regelrechter intrakranieller Befund ergeben hat und kein Hinweis auf eine Pathologie des Riechnervs
bestand.
Offenbleiben kann, ob und gegebenenfalls inwieweit aus den zusätzlich anzuerkennenden Unfallfolgen "Impression der Nasenflanke
rechts" sowie "geringe Verschlechterung der Nasenatmung (als Teilaspekt der Behinderung der Nasenatmung)" überhaupt eine Funktionseinschränkung
resultiert. Denn eine fehlende Funktionseinschränkung steht der Anerkennung einer entsprechenden Unfallfolge nicht entgegen.
Das Vorliegen funktioneller Einschränkungen ist zwar eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) und die Gewährung einer Verletztenrente (vgl. §
56 Abs.
1 Satz 3
SGB VII; grundsätzlich hierzu BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, BSGE 96, 196-209). Hierum geht es vorliegend allerdings nicht. In §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG findet sich keinerlei Einschränkung dahingehend, dass für den Bereich der Unfallversicherung eine Feststellung von Unfallfolgen
erst ab einer wie auch immer gearteten Erheblichkeitsschwelle oder ab dem Vorliegen von funktionellen Einschränkungen erfolgen
soll. Dies ist auch bei der hier erfolgten zulässigen Wahl des Klägers, die Feststellung von Unfallfolgen durch die Beklagte
im Wege der Verpflichtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG zu verfolgen, zu beachten. Grundsätzlich erfolgt die Feststellung von Unfallfolgen unabhängig von der Feststellung von funktionellen
Einschränkungen, weswegen in Bescheiden der Unfallversicherungsträger hierzu auch voneinander unabhängige Regelungen vorliegen,
die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal ereilen kann (Senatsurteil vom 20.05.2022 - L 8 U 1273/21 -, in juris Rn. 86 m.w.N.). Insoweit liegt bei der Feststellung von Unfallfolgen auch eine andere Interessenlage als bei
der Gewährung von Verletztenrente vor, weil der Antrag auf Anerkennung bestimmter Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen (Feststellungs-
oder Verpflichtungsantrag) auch im Hinblick auf die von der Beklagten nach dem
SGB VII zu gewährende Heilbehandlung von Bedeutung ist (BSG, Urteil vom 28.06.1984 - 2 RU 64/83 -, juris), die ebenfalls keine Geringfügigkeitsschwelle kennt (Senatsurteil vom 20.05.2022 - L 8 U 1273/21 -, in juris a.a.O.).
4. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht nicht. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nach einer
MdE wenigstens 20 v.H. liegen nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus
um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle
gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall,
Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens
10 v.H. mindern (§
56 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung
SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung
festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§
62 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte
Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der
MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben
(§
62 Abs.
2 SGB VII).
Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der
Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger
Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung
der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG, Urteile vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R - und vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R -; juris). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken,
sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich
darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt
sind (BSG, Urteile vom 14.11.1984 - 9b RU 38/84 - und vom 30.06.1998 - B 2 U 41/97 R -, juris). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher
oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens
und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R -, juris).
Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungs-rechtlichen und versicherungsmedizinischen
Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für
die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen
Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O; BSG Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R -, juris). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur
Höhe der MdE unterbreitet, sie sind aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend (BSG, Urteile vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, vom 30.06.1998 - B 2 U 41/97 R -, vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R -; juris). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen
Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R -, juris mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R -, juris).
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der
MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R -, juris). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen
der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles
durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt
des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 30.05.1988 - 2 RU 54/87 -, 211, 212; Bereiter-Hahn/Mehrtens,
SGB VII, Ergänzungslieferung 1/20, §
56 Rn. 10.1 ff. Dies verlangt §
56 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. Abs.
1 Satz 1
SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten
Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Die Erwerbsfähigkeit
des Klägers ist infolge des Arbeitsunfalls vom 15.12.2018 nicht um wenigstens 10 v.H. gemindert. Damit kann dahinstehen, ob
die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund weiterer Versicherungsfälle zusammen wenigstens um 20 v.H. gemindert ist (vgl. §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VII).
Die beim Kläger infolge der am 18.12.2015 erlittenen Nasenbeinfraktur vorliegende Impression der Nasenflanke rechts rechtfertigt
keine MdE um wenigstens 10 v.H. So wird die beim Kläger bestehende und in der ambulanten Untersuchung durch S2 am 22.08.2019
festgestellte Behinderung der Nasenatmung allenfalls teilweise durch die unfallbedingte Impression der Nasenflanke von rechts
verursacht. Denn, wie unter 3. bereits ausgeführt, bestehen beim weitere unfallunabhängige Faktoren mit negativem Einfluss
auf die Nasenatmung. So hat der Kläger anlagebedingt (und damit unfallunabhängig) eine eher engere Nase mit mittelgradig hyperplastisch
ausgeprägten unteren Nasenmuscheln und beidseitiger verbreiterter Prämaxilla. Darüber hinaus liegen eine geringe Nasenscheidewandverkrümmung
sowie eine Enge der Nasenklappen vor, wie sich aus den Feststellungen von S2 in dessen Gutachten vom 13.09.2019 ergibt. Ob
die Nasenscheidewandverkrümmung sowie die Enge der Nasenklappen ursächlich auf das Unfallereignis vom 18.12.2015 zurückzuführen
sind oder ob diese Veränderungen schon vor dem Unfall vorlagen (und den Kläger gegebenenfalls nicht störten), kann mangels
Befundunterlagen vor dem Unfallereignis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. S2 hat hierzu überzeugend
dargelegt, dass bereits kleine Veränderungen in der Anatomie - hier der Impression der Nasenflanke von rechts - zu einer subjektiv
starken Änderung der Wahrnehmung der Nasenatmung führen können. In der unfallmedizinischen Literatur wird bei einer Behinderung
der Nasenatmung durch erhebliche Verengung der Nasengänge eine MdE von 10 bis 20 v.H. angesetzt (vgl. Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.01.2013 - L 3 U 245/10 - Rn. 40 bei juris m.w.N.). Der durch die unfallbedingte Impression der Nasenflanke von rechts verursachte Anteil der Behinderung
der Nasenatmung erreicht demnach und in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG nicht eine MdE von wenigstens 10 v.H.
Die geringe Höckerbildung im knöchernen Nasenabschnitt bedingt mangels Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Nase keine
Erhöhung der MdE. Insbesondere ergibt sich aus ihr keine Entstellung des klägerischen Gesichts, worauf bereits auch das SG zutreffend hingewiesen hat.
Die vom Kläger beklagte Riechstörung ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 18.12.2015
zurückzuführen und daher nicht bei der Bewertung der MdE zu berücksichtigen, wie bereits unter 3. ausgeführt.
Die Geschmackstörung ist ebenfalls nicht bei der Bewertung der MdE zu berücksichtigen. Sie ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
durch das Unfallereignis vom 15.12.2018 verursacht worden, wie unter 3. ausgeführt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
6. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.