Zulässigkeit der Anhörungsrüge im sozialgerichtlichen Verfahren; Anforderungen an das Darlegungserfordernis
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 10.11.2014, Az.: L 15 SF 286/14 E, verwarf der Senat die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Landshut vom 26.09.2014, Az.: S 4 SF 31/14 E, mit dem über die von den Beschwerdeführern zu erstattenden außergerichtlichen Kosten im Verfahren mit dem Aktenzeichen
S 8 U 5030/13 ER entschieden worden war, als unzulässig.
Der Senat begründete die Verwerfung der Beschwerde damit, dass gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten die Beschwerde nicht statthaft sei, was sich aus
§
197 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ergebe. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden den Beschwerdeführern in Anwendung von §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) auferlegt, da eine gesetzlich bestimmte Gebührenfreiheit nur für statthafte Verfahren gelte, nicht aber wie hier bei einem
unstatthaften Rechtsbehelf.
Dazu haben die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.11.2014, bei Gericht eingegangen am 21.11.2014, "Richtigstellung" begehrt
und die Aufhebung des Beschlusses des Senats vom 10.11.2014 beantragt. Diesem sowie weiteren folgenden Schreiben der Beschwerdeführer
ist zu entnehmen, dass diese u.a. von einer "absoluten NICHT-Behandlung der zugrundeliegenden RECHTS-Sachverhalte" ausgehen
und meinen, dass rechtsstaatliche Grundsätze bei ihnen durch die Gerichte missachtet würden. Aus ihrer Sicht ist der Beschluss
vom 10.11.2014 "ohne jede RECHTS-Bedeutung und KOSTENLOS aufzuheben", was ihnen umgehend zu bestätigen sei.
II.
Die mit Schreiben vom 20.11.2014 erhobene Anhörungsrüge ist gemäß §
178 a Abs.
4 Satz 1
SGG als unzulässig zu verwerfen.
1. Auslegung des Rechtsschutzziels der Beschwerdeführer
Das Schreiben der Beschwerdeführer vom 20.11.2014 stellt eine Anhörungsrüge dar.
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht
- BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom
29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art.
19 Abs.
4 Satz 1
Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen
Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.:
1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).
Bei Beachtung dieser Vorgaben ist der Antrag auf "Richtigstellung" im Schreiben vom 20.11.2014 als Anhörungsrüge gemäß §
178 a SGG auszulegen. Denn Ziel der Beschwerdeführer ist offenkundig eine inhaltliche Überprüfung und Aufhebung des Beschlusses des
Senats vom 10.11.2014, Az.: L 15 SF 286/14 E. Ein anderes Rechtsmittel sieht das
SGG nicht vor.
An dieser Auslegung ändert auch der von den Beschwerdeführern am Ende ihres Schreibens vom 20.11.2014 gegebene "Hinweis: weder
FRAGEN zum RECHT noch zu FEHLERN noch ANTRÄGE sind als "Beschwerden" zu werten." nichts. Ohne jeden Zweifel streben die Beschwerdeführer
die Aufhebung des Beschlusses vom 10.11.2014 an. Um den Beschwerdeführern den grundgesetzlich garantierten Rechtsschutz zu
ermöglichen, ist das Schreiben vom 20.11.2014 daher zwingend als Anhörungsrüge zu betrachten. Anderenfalls könnte das Schreiben
der Beschwerdeführer kommentarlos und unbeantwortet zum Akt geschrieben werden, was ihrem Begehren nicht gerecht und so auch
nicht der erkennbaren Erwartungshaltung der Beschwerdeführer entsprechen würde.
2. Zur Prüfung der Anhörungsrüge
Die Anhörungsrüge ist unstatthaft.
Gemäß §
178 a Abs.
2 Satz 5
SGG muss die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erhebende Anhörungsrüge die
angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in §
178 a Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG genannten Voraussetzungen ("das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher
Weise verletzt hat") darlegen.
Die Beschwerdeführer haben das ihnen obliegende Darlegungserfordernis nicht erfüllt.
Die Erfüllung des Darlegungserfordernisses ist wegen §
178 a Abs.
4 Satz 1
SGG Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. Beschluss des Senats vom 24.07.2012, Az.: L 15 SF 150/12 AB RG, L 15 SF 151/12 AB RG; BSG, Beschluss vom 07.04.2005, Az.: B 7a AL 38/05 B). Eine Anhörungsrüge ist daher nur dann zulässig, wenn sich dem Vorbringen
zweierlei entnehmen lässt, nämlich zum einen die Verletzung des Anspruchs des die Rüge erhebenden Beteiligten auf rechtliches
Gehör durch das Gericht, zum anderen, dass die Verletzung entscheidungserheblich ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders.,
SGG, 11. Aufl. 2014, §
178 a, Rdnr. 6a).
Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten dürfen - auch mit Blick auf die kurze Darlegungsfrist von zwei Wochen - die
Anforderungen nicht überspannt werden, da im
SGG zwingende Begründungsanforderungen ansonsten nur für Verfahren vor dem BSG mit Vertretungszwang aufgestellt werden. Auch von einem rechtsunkundigen Beteiligten müssen jedoch gewisse Mindestanforderungen
erfüllt werden. Dies ist zum einen ein substantiierter Vortrag, aus dem erkennbar ist, warum das rechtliche Gehör nicht gewährt
worden ist, oder der schlüssig die Umstände aufzeigt, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht
ergibt. Zum anderen ist darzulegen, weshalb ohne den Verstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann
(vgl. Leitherer, a.a.O., § 178 a, Rdnr. 6b; Beschluss des Senats vom 07.08.2013, Az.: L 15 SF 139/13 RG; Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 19.09.2013, Az.: L 1 SF 283/13 RG).
An einem solchen Vortrag fehlt es hier.
Die Beschwerdeführer haben in ihrem Schreiben vom 20.11.2014 nichts gerügt, was einem Zustandekommen der gerügten Entscheidung
vom 10.11.2014 unter Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs entsprechen würde. Das, was sie beanstanden, war für die
Entscheidung des Senats über die Beschwerde zum Beschluss des SG Landshut vom 26.09.2014, Az.: S 4 SF 31/14 E, ohne Bedeutung. Die Beschwerdeführer wollen offenbar nicht wahrhaben, dass gegen die Entscheidung des SG Landshut vom
26.09.2014 eine Beschwerde nicht statthaft ist. Dies hat der Senat in der jetzt von den Beschwerdeführern gerügten Entscheidung
ausführlich erläutert.
Die weiteren Schreiben vom Dezember 2014 sind im Rahmen der Anhörungsrüge schon deshalb unbeachtlich, da sie erst nach Ablauf
der gemäß §
178 a Abs.
2 Satz 1
SGG maßgeblichen Darlegungsfrist von zwei Wochen bei Gericht eingegangen sind.
Die Anhörungsrüge ist daher als unzulässig zu verwerfen.
Die kostenrechtliche Einordnung des Verfahrens der Anhörungsrüge folgt dem zugrunde liegenden Verfahren, das mit der gerügten
Entscheidung beendet worden ist. Die Kostenentscheidung beruht daher auf §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO (vgl. Leitherer, a.a.O., § 178 a, Rdnr. 9b).
Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es nicht, da für Verfahren der Anhörungsrüge gemäß §
178 a SGG in gerichtskostenpflichtigen Verfahren gemäß §
197 a SGG im Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (dort Nr. 7400) eine Festgebühr in Höhe von 60,- EUR vorgesehen ist.