Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; sachlicher Zusammenhang bei Widerstand gegen Polizei
bei Durchsetzung eines vom Arbeitgeber angeordneten Hausverbotes
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erkrankung des Klägers vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 als Berufskrankheit anzuerkennen
und zu entschädigen ist bzw. das Ereignis vom 18.11.2002 als Arbeitsunfall und die Erkrankung vom 18.11.2002 bis 31.10.2003
als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen und zu entschädigen sind.
Dem 1950 geborenen Kläger wurde mit Schreiben vom 15.11.2002, ihm am selben Tag zugegangen, von seinem Arbeitgeber, der Firma
C. GmbH, fristlos, hilfsweise ordentlich, zum 15.11.2002 gekündigt. Gleichwohl erschien er am Montag, den 18.11.2002, gegen
7.00 Uhr auf dem Firmengelände. Den mehrfachen Aufforderungen des Produktionsleiters der Firma, die Firma zu verlassen, sowie
dem im Beisein der herbeigerufenen Polizei durch den Werkleiter K. ausgesprochenen Hausverbot kam der Kläger nicht nach. Nachdem
auch die Polizeibeamten mehrfach - erfolglos - versucht hatten, den Kläger zum Verlassen des Betriebsgeländes zu bewegen,
versuchten die Polizeibeamten den Kläger aus dem Betriebsgelände zu schieben. Dabei wendeten sie unmittelbaren Zwang an. Laut
Durchgangsarztbericht vom 21.11.2002 erlitt der Kläger bei der Festnahme eine Schürfwunde am rechten Handgelenk sowie Prellungen
am Handgelenk, Ellenbogengelenk und Brustkorb. Mit Endurteil vom 13.03.2003 stellte das B. (im Verfahren ...) fest, dass das
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15.11.2002 nicht aufgelöst worden ist und verurteilte die Firma C., den Kläger bis
zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Kündigungsschutzverfahren als Kunststoffwerker zu unveränderten Bedingungen weiter
zu beschäftigen.
Mit Bescheid vom 21.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2003 lehnte die Beklagte die vom Kläger geltend
gemachten psychischen Beschwerden im Zeitraum vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 als Berufskrankheit ab. Hiergegen erhob der Kläger
Klage (S 2 U 296/03) zum Sozialgericht Nürnberg (SG). In der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2004 schlossen die Beteiligten eine Vereinbarung, wonach sich die Beklagte bereit
erklärte, den Vorgang vom 18.11.2002 aufgrund des Schreibens vom 17.11.2003 im anhängigen Klageverfahren unter dem Gesichtspunkt
eines Arbeitsunfalls zu prüfen und rechtsbehelfsfähig zu verbescheiden (1.). Daraufhin erklärte der Kläger, dass die anhängige
Streitsache wegen Anerkennung einer Berufskrankheit erledigt ist (2.). Mit Schriftsatz vom 29.02.2004, bei der Beklagten am
02.03.2004 im Verfahren S 2 U 56/04 A eingegangen, erklärte der Kläger, dass er Punkt 2. der Vereinbarung vom 19.02.2004 nicht zustimme. Mit Urteil vom 15.07.2004
stellte das SG fest, dass die Klage zurückgenommen ist. Am 03.06.2004 erhob der Kläger Untätigkeitsklage (S 2 U 128/04), die das SG mit Urteil vom 15.07.2004 als unzulässig abwies.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15.07.2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Das Ereignis vom 18.11.2002
sei nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen, da der Kläger keine versicherte Tätigkeit verrichtet habe, als er die Verletzungen
erlitten habe. Den hiergegen am 02.08.2004 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2004
zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 05.10.2004 Klage zum SG (Az: S 2 U 219/04) mit dem Begehren erhoben, dass seine Erkrankung vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 entweder als Folge eines Arbeitsunfalls oder
als Berufskrankheit anerkannt werde. Zum Zeitpunkt des Ereignisses am 18.11.2002 habe er voll im Arbeitsverhältnis mit der
Fa. C. GmbH A-Stadt gestanden und gerade seine Arbeit ausgeübt. Er habe zu diesem Zeitpunkt die Absicht gehabt, zu arbeiten,
jedoch habe die Polizei ihn aus Gründen falscher Angaben der Firmenleitung daran gehindert. Seine Erkrankung habe sich ausschließlich
auf seine Arbeit bezogen, weshalb die Beklagte alle Leistungen übernehmen müsse. In der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2004
hat der Kläger ein Attest des behandelnden Arztes Dr. S. vom 04.02.2003 sowie das Kündigungsschreiben der Fa. C. GmbH vom
15.11.2002 vorgelegt.
Mit Urteil vom 08.12.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und dem Kläger in Ziffer III. des Tenors Mutwillenskosten in Höhe von 200,00 EUR auferlegt. Die Klage
sei, soweit mit ihr die Anerkennung einer Berufskrankheit beantragt werde, unzulässig, da dies bereits Gegenstand des Verfahrens
S 2 U 296/03 gewesen und die Rücknahme der Klage mit Urteil vom 15.07.2004 bestätigt worden sei. Soweit die Anerkennung als Arbeitsunfall
beantragt werde, sei die Klage zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger habe zwar korrekt gehandelt, als er am 18.12.2002
seine Arbeitskraft angeboten habe; er habe sich jedoch von den betrieblichen Belangen zu dem Zeitpunkt, als ihm gegenüber
ein Hausverbot und die Forderung, das Gelände zu verlassen, ausgesprochen worden sei, völlig gelöst. Der Widerstand gegen
die Polizeibeamten, die ebenfalls zunächst verbal versucht hätten, die Situation zu entschärfen, habe keinerlei Bezug zum
Arbeitsverhältnis und falle daher nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Es könne dahinstehen, ob und
welche Gesundheitsschäden eingetreten seien, da es hierauf nicht mehr ankomme. Es fehle bereits die haftungsbegründende Kausalität
i.S. der Anerkennung als versicherter Vorgang. Obwohl der Kläger ausdrücklich auf die Möglichkeit des Ausspruchs von Mutwillenskosten
bei Fortsetzung der Klage hingewiesen worden sei, habe er eine gerichtliche Entscheidung begehrt. Er sei - wie bereits in
den Verhandlungen am 19.02.2004 und 15.07.2004 - erneut nochmals ausdrücklich und eindringlich darauf hingewiesen worden,
dass dieser Vorgang vom 18.11.2002 mangels einer Tätigkeit im betrieblichen Interesse nicht geeignet sei, anerkannt und entschädigt
zu werden.
Hiergegen richtet sich die zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers. Unter Vorlage der Niederschrift
des Landesarbeitsgerichts B-Stadt (Az: 8 Sa 564/03) vom 29.01.2004, des sozialmedizinischen Gutachtens des MDK in Bayern vom 15.11.2002 sowie der Betriebsvereinbarung zwischen
den Geschäftsleitungen und den Betriebsräten der Firmen C. GmbH W. und C. Bayern GmbH A-Stadt über die Ordnung des Betriebs
und das Verhalten der Mitarbeiter im Betrieb trägt der Kläger vor, dass am 18.11.2002 zwischen ihm und der Fa. C. GmbH ein
Arbeitsverhältnis bestanden habe. Er habe eine fristlose Kündigung erhalten, die nicht wirksam gewesen sei und eine Aussprache
mit seinem Vorgesetzten gesucht, was sein Recht sei und ebenfalls die Arbeitsordnung verlange. Es sei deshalb nicht richtig,
dass er zum Zeitpunkt des Geschehens nichts auf dem Firmengelände zu suchen gehabt habe. Sein Arbeitsverhältnis sei zu keiner
Zeit unterbrochen worden. Dass die darauffolgende Erkrankung die Folge des Ereignisses vom 18.11.2002 sei, beweise das Gutachten
des MDK vom 17.10.2003. Darin sei ganz eindeutig ausgeführt, dass seine Erkrankung auf seine Berufstätigkeit zurückzuführen
sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.12.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 06.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Erkrankung vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 als Berufskrankheit
anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen oder das Ereignis vom 18.11.2002 als Arbeitsunfall und
die Erkrankung vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen
zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat 5 Band Akten der Beklagten, 3 Band Akten des SG (Az: S 2 U 219/04; S 2 U 56/04 A; S 2 U 128/04), 1 Band Akten der Staatsanwaltschaft A. (71 Js 14253/02) und 1 Band Akten des Arbeitsgerichts B-Stadt beigezogen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist jedoch in der Hauptsache nicht begründet. Hingegen ist Ziffer III. des Urteils des SG vom 08.12.2004 auf die Berufung des Klägers aufzuheben, weil die Voraussetzungen des §
192 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG (idF des 6. SGGÄndG v. 17.08.2001) nicht vorliegen.
Die Beklagte ist weder verpflichtet, die Erkrankung des - als Beschäftigter zum versicherten Personenkreis (§
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII) gehörenden - Klägers vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 als Berufskrankheit nach §
9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen, noch, das Ereignis vom 18.11.2002 als Arbeitsunfall
nach §
8 SGB VII und die Erkrankung vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen
zu entschädigen.
Hinsichtlich der begehrten Anerkennung der o.g. Erkrankung als Berufskrankheit ist die Berufung unbegründet, denn die Klage
war insoweit gemäß §
54 Abs
1 SGG wegen Fehlens eines anfechtbaren Verwaltungsakts unzulässig. Die Anerkennung einer Berufskrankheit war mit Bescheid vom 21.08.2003
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2003 bestandskräftig abgelehnt worden. Dieses Begehren war bereits Gegenstand
des Verfahrens S 2 U 296/03, das der Kläger für erledigt erklärt hatte. Die Wirksamkeit der vom Kläger angefochtenen Erledigterklärung war im Verfahren
(S 2 U 56/04) mit Urteil vom 15.07.2004 bestätigt worden. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 15.07.2004 wurde lediglich die Anerkennung
eines Arbeitsunfalls abgelehnt, jedoch keine Feststellung hinsichtlich des klägerischen Begehrens unter dem Gesichtspunkt
einer Berufskrankheit getroffen, d.h. es liegt kein anfechtbarer Verwaltungsakt gemäß § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor, der gemäß §
54 Abs
1 SGG hätte Klagegegenstand sein können. Schon wegen der Unzulässigkeit der Klage ist der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom
27.01.2008, das SG habe das sozialmedizinische Gutachten vom 17.10.2003 mit der Diagnose "Langdauernde depressive Reaktion bei bekannter innerbetrieblicher
Konfliktsituation ..." nicht respektiert, ohne rechtliche Relevanz.
Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass das Ereignis vom 18.11.2002 nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen und daher
die Erkrankung des Klägers im Zeitraum vom 18.11.2002 bis 31.10.2003, insbesondere die geltend gemachten psychischen Schäden,
nicht als Folgen eines Arbeitsunfalls vom 18.11.2002 anzuerkennen und zu entschädigen sind. Denn es liegt kein Arbeitsunfall,
d.h. kein Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) vor, §
8 SGB VII.
Nach §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, Satz 2.
Für einen Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen
auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden
oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen
aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines
Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; jeweils RdNr 10 mwN; BSG v. 30.06.2009 - B 2 U 22/08 R). Dieser innere bzw. sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls
ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welchen
der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG v. 26.10.2004 - B 2 U 16/04 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 10; BSG v. 10.10.2006 - B 2 U 20/05 = SozR 4-2700 § 8 Nr 19). Für die tatsächlichen Grundlagen der anzustellenden Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu
erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss also der volle Beweis für das Vorliegen der
versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (vgl. BSG v. 20.02.2001 - B 2 U 6/00 R).
Das Ereignis vom 18.11.2002 ist nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen, denn die unfallbringende Verrichtung, nämlich der Widerstand
des Klägers gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizeibeamten, die dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
beachteten, stand in keinem inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Beschäftigter bei der Fa. C. Bayern
GmbH A-Stadt i.S. des §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII.
Vielmehr beruhte das Ereignis vom 18.11.2002 auf dem Widerstand des Klägers gegenüber den Polizeibeamten, die nach dem von
Hr. K. ausgesprochenen Hausverbot und mehrfachen - erfolglosen - Aufforderungen, das Betriebsgelände zu verlassen, beim Kläger
unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unmittelbaren Zwang anwendeten und ihn abführten. Zum Widerstand war
der Kläger nicht befugt, insbesondere waren das Verweilen auf dem Firmengelände und der Widerstand keine legitimen Mittel,
einen etwaigen Weiterbeschäftigungsanspruch gegen den Arbeitgeber durchzusetzen. Hierfür ist die Erhebung einer entsprechenden
Klage vor dem Arbeitsgericht das von der Rechtsordnung zugebilligte Mittel. Auch die Verfolgung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs
aus dem Arbeitsvertrag unter Missachtung des vom Arbeitgeber erteilten Hausverbots ist eine unversicherte Tätigkeit, denn
die Betriebsdienlichkeit dieses Handelns ist nicht ersichtlich. Es kommt daher nicht darauf an, ob die gegenüber dem Kläger
am 15.11.2002 ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam war, d.h. ob der Kläger noch Beschäftigter iS des §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII war und er - wie er vorträgt - eine Aussprache mit seinem Vorgesetzten suchte. Die unfallbringende Verrichtung, nämlich der
- nicht berechtigte - Widerstand des Klägers gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei steht in keinem inneren
Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit und fällt somit nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Da es somit bereits an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt, kommt - mangels Vorliegens eines Arbeitsunfalls - eine Anerkennung
der vom Kläger im Zeitraum vom 18.11.2002 bis 31.10.2003 geltend gemachten Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls nicht
in Betracht, so dass die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen war.
Hingegen war das Urteil des SG in Ziffer III. des Tenors, wonach dem Kläger Mutwillenskosten (richtig: Verschuldenskosten) in Höhe von 200,00 EUR auferlegt
wurden, aufzuheben, weil die Voraussetzungen des §
192 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG (aaO.) nicht vorliegen.
Das Gericht kann nach §
192 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG (aaO.) im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte
den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung
dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
Nach §
192 Abs
1 Satz 3
SGG (aaO.) gilt als verursachter Kostenbetrag dabei mindestens der Betrag nach §
184 Abs 2 für die jeweilige Instanz, für das Verfahren vor den Sozialgerichten demnach mindestens 150,00 EUR.
Im vorliegenden Fall ist zwar von einer Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung auszugehen, es fehlt aber ein Hinweis auf
die Möglichkeit der Kostenauferlegung.
Das SG hat laut Sitzungsniederschrift vom 08.12.2004 zu Recht auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hingewiesen. Denn
die unfallbringende Verrichtung des Klägers, nämlich sein Widerstand gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizeibeamten,
stand offensichtlich nicht im inneren Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis. Ferner hat der Kläger gegenüber Dr. S.
unrichtige Angaben über die Begleitumstände der Verletzung gemacht. Die Klage war daher offensichtlich aussichtslos. In Anlehnung
an die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes -BVerfGG- (vgl. die Beschlüsse vom 11.12.2001, Az: 1 BvR 1821/01 und vom 18.09.2000, Az: 2 BvR 1407/00) ist ein Missbrauch auch für das sozialgerichtliche Verfahren unter anderem dann zu bejahen, wenn eine Berufung offensichtlich
unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.
Dass diese offensichtliche Aussichtslosigkeit für den Tatbestand des Missbrauchs genügt, ergibt sich aus dem Willen des Gesetzgebers,
wie er bei der Novellierung des
SGG im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist: Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 14/5943, S
60 zu Nr 65) rechtfertigen die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits und ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden auf eine
mögliche Kostentragungspflicht die Auferlegung von Kosten. Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Bericht des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucksache 14/6335, S 35 zu Nr 65), dass es sich bei dem Tatbestand der offensichtlichen Aussichtslosigkeit
um einen Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung handelt (vgl. auch Meyer-Ladewig,
SGG. 7.Auflage, Rdnr 9 zu §
192). Die offensichtliche Aussichtslosigkeit ist für jedes Verfahren individuell zu prüfen; sie ist vor allem danach zu beurteilen,
ob die Gesetzeslage einfach und eindeutig ist und ob die interessierenden Rechtsfragen durch höchstrichterliche Rechtsprechung
des BSG geklärt sind.
Wie bereits ausgeführt war die Klage offensichtlich aussichtslos. Die Voraussetzungen des §
192 Abs
1 Nr
2 SGG (aaO.) liegen jedoch für das erstinstanzliche Verfahren nicht vor, weil der Kläger vom SG nicht auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Der nach §
192 Abs
1 Nr
2 SGG gebotene Hinweis muss sich stets auf zweierlei beziehen, nämlich auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und auf
die Möglichkeit, deswegen Kosten auferlegen zu können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.06.2004, Az: L 12 AL 59/03 Rdnr 22; Stark in Mutschler, Kostenrecht in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, §
3 Rz 145 ff). Der Gesetzgeber hat in §
192 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG (aaO.) zum verfahrensrechtlichen Ausgleich der Objektivierung des materiellen Maßstabs die Auferlegung von Kosten von einer
richterlichen Belehrung abhängig gemacht, die sich von der Anhörung nach §
62 SGG durch strengere formale und weitergehende inhaltliche Anforderungen unterscheidet (vgl. Knittel in Hennig, Komm. z.
SGG und Nebenrecht, §
192, Stand September 2002, RdNrn 10, 167; Landessozialgericht -LSG- Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 01.06.2006, L 7 V 2/06, L 7 V 3/06, L 7 V 4/06, L 7 V 5/06, L 7 V 6/06). Die Anknüpfung an den objektiven Maßstab des § 34 Abs 2 BVerfGG bedarf dieses Korrektivs, weil dessen Auslegung an der besonderen Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts orientiert ist, grundsätzliche
Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben und die Allgemeinheit wichtig sind, und - (nur) wo nötig - die Grundrechte
des Einzelnen durchzusetzen (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 12. 09.2000, 2 BvR - 1466/00).
Die mit §
192 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG verbundene Warnfunktion ist nur erfüllt, wenn der Vorsitzende nicht nur auf die Missbräuchlichkeit hinweist, sondern auch
auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung (LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.06.2004 - L 12 AL 59/03, Breith 05, 81). Dieser Hinweis ist als wesentlicher Vorgang in die Niederschrift aufzunehmen (§
122 SGG i.V.m. §
160 Abs
2 Zivilprozessordnung -
ZPO). Die Sitzungsniederschrift vom 08.12.2004 enthält jedoch keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung des Rechtsstreits,
so dass Ziffer III. des Urteils des SG aufzuheben war.
Hinsichtlich des Berufungsverfahrens war dem Kläger jedoch aus den Gerichtskosten ein Betrag in Höhe von 225,00 EUR (§§
192 Abs
1 Satz 3,
184 Abs
2 SGG) wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung aufzuerlegen. Nach dem objektiven Sach- und Streitstand liegt eine offensichtliche
Aussichtslosigkeit des klägerischen Begehrens und daher eine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung vor (siehe dazu oben).
Der Vorsitzende des Senats hat dem Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 19.01.2010 in der mündlichen Verhandlung
vom 19.01.2010 auch einen entsprechenden Hinweis hinsichtlich der Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung und der
Möglichkeit der Kostenauferlegung erteilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
183,
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG.