Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für Fahrten zu Behandlungen.
Der 1949 geborene und bei der Beklagten bis 31.01.2003 versichert gewesene Kläger bezieht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit;
er war früher bei der B. beschäftigt. Er war von Zuzahlungen befreit.
Der Kläger reichte bei der Beklagten zahlreiche Erstattungsanträge für Fahrten zu Ärzten und anderen Behandlern außerhalb
seines Wohnort (L.) ein; in den meisten Fällen suchte er Ärzte in dem Ort W. auf, der von seinem Wohnort ungefähr 18 km entfernt
ist. Dies waren in W. der Zahnarzt S., die radiologische Gemeinschaftspraxis Dr. K., der Allgemeinarzt Dr. M., der Chirurg
Dr. M., der Rheumatologe Dr. D., die Internisten Dres. R./G. sowie in L. (27 km entfernt) der Allgemeinarzt Dr. G ... Ferner
konsultierte er das Krankenhaus in N., das 17 km entfernt, und das S.bad in N., das 59 km von L. entfernt liegt.
Er beantragte bei der Beklagten hierfür Fahrkostenerstattung in Höhe von 1.284,50 DM (656,75 Euro). Die Beklagte bezahlte
davon 598,00 DM (305,75 Euro).
Sie lehnte mit Bescheid vom 28.01.2003 eine weitergehende Kostenerstattung ab. Fahrkosten zur ambulanten Behandlung könnten
nur zur nächsterreichbaren Behandlungseinrichtung übernommen werden. Die zur Erstattung geltend gemachten Fahrkosten zu den
Praxen in W., zum Kurmittelhaus S.bad in N. und zu Dr. G. in L. dürften nur anteilig bis zum jeweils nächsten Behandler übernommen
werden.
Der Kläger brachte mit dem dagegen eingelegten Widerspruchsschreiben vom 12.02.2003 und 09.04.2003 zum Ausdruck, dass er von
den in W. ansässigen Ärzten nur unzureichend behandelt werde, sie hätten die von seiner täglichen schweren Hebe- und Tragearbeit
herrührenden Gesundheitsstörungen nicht sachgerecht diagnostiziert und therapiert.
Die Beklagte wies mit den Widerspruchsbescheiden vom 10.07.2003 den Widerspruch zurück. Dem Kläger hätten anstelle der von
ihm aufgesuchten Behandler in W., L. und N. nähere Behandlungsmöglichkeiten in W., V. und auch in W. bezüglich der Untersuchung
im Krankenhaus zur Verfügung gestanden. Werde ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächst erreichbaren an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzte oder ärztlich geleiteten Einrichtungen in Anspruch genommen, unterliege der Anspruch auf Fahrkostenerstattung
gesetzlichen Einschränkungen. Zwingende Gründe für einen Behandlerwechsel hätten nicht vorgelegen und der Vorwurf, dass die
aufgesuchten Ärzte Arzneimittel nicht mehr in dem erforderlichen Umfang verordnet hätten, könne nicht akzeptiert werden. Bezüglich
der Höhe der geltend gemachten Kosten sei nach dem Bundesreisekostengesetz der Betrag auf 0,22 Euro je gefahrenen Kilometer pauschal festgesetzt worden. Da diese Kriterien beim Kläger nicht vorgelegen
haben, bleibe es bei der Kostenerstattung von 0,13 Euro je Kilometer. Hierbei gehe die Kasse davon aus, dass die Nutzung öffentlicher
Verkehrsmittel möglich gewesen wäre. Bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln seien mit der Zahlung von 0,13 Euro
je Kilometer die Kosten zum nächstgelegenen Behandler abgedeckt.
Die Beklagte hatte auch mit Bescheid vom 16.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2003 weitere geltend gemachte
Kostenerstattungen für Fahrten zu Ärzten in W., in W. und in L. abgelehnt. Hierbei ging es gleichfalls um die Behandlung bei
den Vertragsärzten Dr. M. (W.), Zahnarzt S. (W.), Dr. P.(W.) und Dr. H. (W.), Dr. G. (L.), Dr. D. (W.) und Dr. N.(W.). Die
Beklagte war auch hier der Auffassung, dass der Kläger entsprechende Ärzte in W. und in V. hätte aufsuchen können. Bezüglich
der Untersuchung in der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität R. verwies sie den Kläger auf eine Behandlungsmöglichkeit
in W ... Sie hatte wegen der Möglichkeit einer ortsnäheren ärztlichen Versorgung Kosten nur in Höhe von 279,98 Euro übernommen.
Der Kläger hat mit der Klage vom 12.06.2003 beim Sozialgericht Regensburg (SG) sich gegen den Bescheid vom 16.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2003 gewandt sowie die Erstattung
der geltend gemachten Fahrkosten in voller Höhe beantragt (S 2 KR 192/03). Das Vertrauensverhältnis zu den in seiner Nähe in W. und V. ansässigen Vertragsärzten sei gestört, bezüglich der Zahnarztbehandlung
in W. habe ein Notfall vorgelegen und die Behandlung an der Universitätsklinik in R. sei infolge der Notwendigkeit einer genauen
Diagnose für das Schwerbehindertenverfahren erforderlich gewesen. Am 18.08.2003 hat der Kläger auch gegen den Bescheid von
28.01.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2003 Klage erhoben (S 2 KR 259/03).
Das SG hat mit Beschluss und 26.11.2003 beide Streitsachen verbunden und mit Urteil vom gleichen Tage die Klage abgewiesen. Der
Kläger habe nur Anspruch auf Erstattung der Kosten für Fahrten zum nächst erreichbaren Arzt bzw. Behandler. Ein zwingender
Grund für das Aufsuchen von weiter entfernt ansässigen Ärzte liege nicht vor. Er hätte im Hinblick auf die gegen die früher
aufgesuchten Ärzten in W. und V. erhobenen Vorwürfe andere dort niedergelassene Ärzte konsultieren können. Gleiches gelte
auch für die Fahrten zur Universitätsklinik in R. und zum S.bad N ...
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 28.01.2004, mit der er wieder geltend macht, das Vertrauensverhältnis
zwischen ihm und den nächst erreichbaren Ärzten sei gestört. Sie hätten z.B. eine vorliegende Arbeitsunfähigkeit nicht erkannt
bzw. Verordnungen abgelehnt. Bezüglich der zahnärztlichen Behandlung in W. habe ein Notfall vorgelegen. Er habe auch Dr. N.
und Dr. G. wegen einer Schmerzbehandlung aufsuchen müssen und habe sich in der Universitätsklinik R. wegen der dort vorhandenen
neuesten Röntgengeräte untersuchen lassen.
Mit Schreiben vom 07.05.2004 hat der Kläger erneut Vorwürfe gegen die in seiner näheren Umgebung niedergelassenen Ärzte erhoben;
er ist der Auffassung, das Vertrauensverhältnis zu diesen Ärzten bestehe nicht mehr.
Die Klägerbevollmächtigte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.11.2003 und die zugrunde liegenden Bescheide
der Beklagten vom 16.10.2002 und 28.01.2003 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.05.2003 bzw. 10.07.2003 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 797,45 Euro Fahrkosten zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144 Abs.
1 151
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -), der Wert des Beschwerdegegenstandes (797,45 Euro) übersteigt den Mindestbetrag von 500,00 Euro.
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der restlichen Kosten für die Fahrten zu ambulanten ärztlichen Behandlungen
zu den weiter entfernt gelegenen Vertragsärzten bzw. ärztlich geleiteten Einrichtungen oder anderen Behandlern.
Gemäß §§ 60 Abs. 2 S. 2, Abs.
3 Nr.
4,
61 Abs.
1 Nr.
2 SGB V hat die Krankenkasse bei einem von Zuzahlungen befreiten Versicherten die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse
notwendigen Fahrkosten zu übernehmen. Als Fahrkosten werden anerkannt bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für
jeden gefahrenen Kilometer der jeweils aufgrund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzte Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung,
höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme eines nach §
60 Abs.
3 Nrn. 1 bis 3
SGB V erforderlichen Transportmittels entstanden wären. Dies bedeutet, dass bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der
Fahrpreis unter Ausschöpfung von Fahrpreisermäßigungen anerkannt wird.
Ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Kosten für Fahrten auch zu den Behandlern zu erstatten, die weiter entfernt sind
als die nächst erreichbare Behandlungsmöglichkeit, bestimmt sich nach §
76 Abs.
1,
2 SGB V. Zwar haben Versicherte nach §
76 Abs.
1 SGB V die freie Wahl unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen Ärzten, den ermächtigten Ärzten, ermächtigten ärztlich
geleiteten Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen, den vertraglich zur
ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie
den Einrichtungen nach §
75 Abs.
9 SGB V (Einrichtungen zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und Sterilisationen). Bezüglich der anfallenden Mehrkosten
bei Aufsuchen von Behandlern, die nicht mehr zu den nächst erreichbaren Behandlern gehören, ohne dass ein zwingender Grund
vorliegt, enthält §
76 Abs.
2 SGB V aber insoweit eine Einschränkung, als der Versicherte die dadurch entstandenen Mehrkosten zu tragen hat. Dies bedeutet, dass
der Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten gleichfalls eingeschränkt ist. §
76 Abs.
2 SGB V enthält eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§
12 Abs.
1 SGB V), wonach die gesetzliche Krankenversicherung nur die medizinisch notwendigen Leistungen zu übernehmen hat. Ferner liegt §
76 Abs.
2 SGB V auch im Interesse des Versicherten, die vertragsärztliche Versorgung möglichst wohnortnah oder arbeitsplatznah in Anspruch
zu nehmen. Schließlich ist diese Vorschrift auch die Konsequenz aus dem Sicherstellungsauftrag des Vertragsarztrechts in §§
70 Abs.
1,
72 Abs.
1,
2 SGB V, wonach die Krankenkassen und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten haben.
Der Kläger hat die Möglichkeit, die in W. und V. niedergelassenen Vertragsärzte aufzusuchen, die die Fachgebiete Allgemeinmedizin,
Zahnmedizin, Chirurgie und innere Medizin abdecken. Dies ergibt u.a. sich aus dem Arztverzeichnis der Kassenärztlichen Vereinigung
Bayerns (Bezirksstelle Oberpfalz) und den Internetseiten dieser Gemeinden. Nach einer vom Senat eingeholten telefonischen
Auskunft der Gemeindeverwaltung in W. gibt es vom Wohnort des Klägers aus entsprechende Busverbindungen. Insoweit bestand
kein Bedürfnis, die entsprechenden Fachärzte in dem wesentlich weiter entfernten Ort W. zu konsultieren. Soweit der Kläger
einwendet, die nächstgelegenen Ärzte seien medizinisch ungeeignet, ist dies eine durch nichts belegte Meinungsäußerung. Es
ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Krankenkasse Mehrkosten übernehmen muss, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem
Versicherten und dem nächst erreichbaren Arzt so schwer gestört ist, dass dem Versicherten die Behandlung durch diesen Arzt
nicht mehr zugemutet werden kann (Kassler Kommentar-Hess, § 76, Rndnr, 19). Von einer Störung des Vertrauensverhältnisses
kann aber nicht die Rede sein, wenn ein Vertragsarzt, wie der Kläger in seinen Schreiben zum Ausdruck gebracht hat, spezielle
Behandlungswünsche nicht erfüllt. Denn die Entscheidung für die eine oder andere Therapie obliegt dem Vertragsarzt (§§
15 Abs.
1,
27 Abs.
1,
28 Abs.
1,
2 SGB V), aber nicht dem Versicherten. Selbst wenn vom Senat eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu den Ärzten in W. unterstellt
wird, hätte der Kläger noch die Möglichkeit gehabt, Ärzte in V. aufzusuchen.
Es bestand auch kein zwingender Grund für die Fahrten nach N. (S.bad), das 59 km vom Wohnort des Klägers entfernt liegt, da
nach Angaben der Beklagten eine entsprechende Behandlungsmöglichkeit auch in W. (18 km entfernt) vorhanden war. Schließlich
gab es keinen Grund für den Kläger, Röntgenaufnahmen an der Universitätsklinik R. anfertigen zu lassen, da eine entsprechende
Untersuchungsmöglichkeit auch in W. bestanden hat.
Hinsichtlich der Höhe des Kilometersatzes besteht kein Streit. Zwar begrenzt §
60 Abs.
3 Nr.
4 SGB V die Kostenerstattung auf die im Bundesreisekostengesetz festgesetzten Höchstbeträge sowie auf die Kosten, die bei Inanspruchnahme eines öffentlichen Verkehrsmittels entstanden wären.
Der Aktennotiz der Beklagten vom 13.05.2003, mit der sie die geltend gemachten Fahrtkosten abgerechnet hat, ist zu entnehmen,
dass der Kläger für die Fahrten zu ambulanten Behandlungen 0,25 DM je Kilometer geltend gemacht und die Beklagte diesen Betrag
bei ihrer Abrechnung gleichfalls angesetzt hat.
Die Kostentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Nrn. 1, 2
SGG).