Gründe
I.
Mit Urteil vom 27.09.2016 hat das Sozialgericht Augsburg festgestellt, dass der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten
Klägerin einen Sachleistungsanspruch auf bariatrische Operation zusteht. Dieser folge aus der Anwendung der fiktiven Genehmigung
nach §
13 Abs.
3a SGB V (idF der Einfügung durch Art. 2 Nr.
1 G v. 20.2.2013, BGBl I S. 277 mWv 26.2.2013). Die dortigen Fristen habe die Beklagte, die im Termin zur mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Antragseingang
bestritten habe, nicht eingehalten. Die Nichteinhaltung der Fristen ergebe sich in einer Würdigung des Gesamtablaufes.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und zugleich die Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts
beantragt. Die hat dies mit dem Nichtvorliegen der materiellen Voraussetzungen der fiktiven Genehmigung sowie mit dem Bestreiten
des Einganges eines fristauslösenden Antrages begründet. Dem hat sich die Klägerin widersetzt.
II.
Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gemäß §
199 Abs.
2 S. 1
SGG kann, wenn - wie vorliegend - ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das
Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Bei der Entscheidung über die Aussetzung
ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss v. 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
199 Rn 8), wobei der in §
154 Abs
2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich
der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen
in Betracht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO Rn 8a; BSG, Beschluss v. 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B). Der Gesetzgeber hat ausdrücklich eine Regelung zur Vollstreckung in §
154 Abs
2 SGG getroffen und hat dabei auch das generelle Interesse des Leistungsträgers, Leistungen erst bei endgültiger Klärung der Sach-
und Rechtslage zu erbringen, berücksichtigt, indem nur die aufschiebende Wirkung der Berufung für Beträge, die für die Zeit
vor Erlass des Urteiles zu zahlen sind, angenommen wurde.
Bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind im Rahmen der Interessen- und Folgenabwägung zunächst die Erfolgsaussichten
der Berufung zu berücksichtigen. Diese sind für die Entscheidung maßgeblich, wenn sie offensichtlich fehlen oder offensichtlich
bestehen (BSGE 12, 138; vgl. auch BSG vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen
der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob die Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung
als solcher verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde. Maßgeblich sind dabei die
Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG in SozR 3-1500 § 199 Nr 1; BSG Beschluss v. 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine rechtswidrig gezahlte Leistung vom Begünstigten nicht zurückgefordert werden
darf, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim Begünstigten könne ein solcher "Härtefall"
bestehen (vgl. BSG, Beschluss v. 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R).
Vorliegend erweist sich der Antrag der Beklagten in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze als unbegründet. Denn mit dem Erstgericht
ist davon auszugehen, dass die Klägerin einen genehmigungsfähigen Antrag oder zumindest mit Vorlage des in den Urteilsgründen
benannten ärztlichen Attestes vom 11.01.2016 einen genehmigungsfähig gewordenen Antrag spätestens am 11.01.2016 gestellt haben
dürfte. Insoweit bekommt Gewicht, dass die Beklagte über lange Strecken des Verfahrens sich nicht veranlasst gesehen hatte,
am im eigenen Widerspruchsbescheid genannten Antragsdatum zu rütteln. Dies ist vielmehr dezidiert erst in der mündlichen Verhandlung
sowie detailliert in der Berufungsbegründung geschehen. Einem während eines gerichtlichen Verfahrens inkonsistentem Tatsachen-Vorbringen,
bei welchem ein gewisser prozessualer Lerneffekt nicht als gänzlich abwegig bezeichnet werden kann, ist ein eher eingeschränkterer
Beweiswert zuzusprechen. Hinzu kommt, dass die Beklagtenakte erstmals am 26.01.2016 ein Schriftstück der Klägerin mit einem
Eingangsstempel versehen hat - also fast drei Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlichen Genehmigungsfiktion, bei welcher gerade
das Eingangsdatum eines Antrags bei den Krankenkassen eine entscheidungserhebliche Rolle spielt.
Darüber hinaus liegen die Besonderheiten im Falle der Klägerin so, dass entsprechend den Ausführungen des Erstgerichts die
Ausnahmevoraussetzungen für einen Eingriff am gesunden Organ Magen mit dem Ziel der Gewichtsreduzierung sowie einer lebenslangen
Dauernachbehandlung wohl erfüllt sein werden. Es spricht somit deutlich mehr gegen einen Erfolg der Berufung als dagegen.
Dem Antrag der Klägerin ist somit der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des §§
193 SGG (vgl. Bayer LSG vom 16.07.1996; Az.: L 1 An 90/95; Beschluss vom 12. Dezember 2011 - L 6 R 1065/11 ER -, Rn. 10, zitiert nach [...]).
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.