Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für ihre Beschäftigung als Sachbearbeiterin bei der Beigeladenen zu
1. im Bereich Haftpflichtschaden für den Zeitraum vom 1.6.2010 bis zum 31.3.2014 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht
zu befreien ist.
Vor dem SG ist die Klägerin mit ihrer Klage zunächst erfolgreich gewesen. Das SG Köln hat mit Urteil vom 14.6.2013 die ablehnende Verwaltungsentscheidung
aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Das Berufungsverfahren
ist zunächst ruhend gestellt worden.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015 (BGBl I 2517) erteilte die Beklagte auf den Antrag der Klägerin eine Befreiung von der Versicherungspflicht ab Zulassung als Syndikusrechtsanwältin
durch die Rechtsanwaltskammer Köln sowie rückwirkend für die Zeit ab 1.4.2014. Für den davorliegenden Zeitraum lehnte die
Beklagte eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab, da keine einkommensbezogenen Beiträge zum Versorgungswerk
entrichtet worden seien (Bescheid vom 16.1.2017 und Widerspruchsbescheid vom 24.10.2017). Dagegen hat die Klägerin ebenfalls Klage zum SG Köln erhoben (Aktenzeichen S 45 R 1522/17).
Nach Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 27.11.2019 einen Anspruch der Klägerin
auf Befreiung von der Versicherungspflicht für den Zeitraum 1.6.2010 bis 31.3.2014 verneint und auf die Berufung der Beklagten
das Urteil des SG Köln vom 14.6.2013 geändert sowie die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach §
6 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI lägen nicht vor. Die Ablehnung einer rückwirkenden Befreiung unter den besonderen Voraussetzungen des §
231 Abs
4b Satz 4
SGB VI betreffe einen anderen Regelungsgegenstand und sei deshalb nicht Gegenstand des Verfahrens. Auch liege keine zulässige Klageänderung
vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensfehler geltend (§
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Hinsichtlich
der geltend gemachten Verfahrensmängel ist die Beschwerde bereits unzulässig.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es muss sich dabei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung handeln, über die das BSG nach erfolgter Zulassung zur Wahrung und Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts entscheiden
könnte (vgl dazu BSG Beschluss vom 12.8.2010 - B 3 KR 3/10 B - juris RdNr 10 mwN).
Die Klägerin formuliert als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung:
"Werden in einer wegen der Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen des §
6 SGB VI vor dem 03.04.2014 bei Sozialgerichten anhängig gemachten und noch nicht entschiedenen Rechtssache die an den jeweiligen
Klägern gemäß den Bestimmungen der §§
6,
231 Abs.
4b SGB VI nach dem 31.12.2015 ergangenen Bescheide und Widerspruchsbescheide Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens nach §
96 SGG?" und
"Sind bei der Auslegung des §
96 SGG das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte, die gesetzgeberischen Motive sowie die Entscheidungen des
BVerfG vom 19. und 22. Juli 2016 (1 BvR 2584/14 und 1 BvR 2534/14) zu berücksichtigen?"
Der Rechtssache kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG zu, weil die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nicht mehr klärungsbedürftig sind. Sie lassen sich unschwer und eindeutig
anhand der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung klären, ohne dass es hierzu einer erneuten höchstrichterlichen Entscheidung
bedarf (vgl zu den Voraussetzungen Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr
65 f mwN). In einem anschließenden Revisionsverfahren könnten keine weiteren Erkenntnisse zur Wahrung und Vereinheitlichung der Rechtsprechung
oder zur Fortbildung des Rechts gewonnen werden (vgl BSG Beschluss vom 12.8.2010 - B 3 KR 3/10 B - juris RdNr 11).
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Rechtsanwältin für eine
vor dem 1.1.2016 ausgeübte Beschäftigung ist zu unterscheiden von einem Anspruch auf Befreiung für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin
nach dem ab dem 1.1.2016 geltenden Berufsrecht (vgl § 46 ff BRAO idF des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517). Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich wegen der unterschiedlichen Statusbezogenheit (Rechtsanwalt bzw Syndikusanwalt)
nicht um identische Regelungsgegenstände handelt (vgl BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - juris RdNr 31). Auch existiert weitere Rechtsprechung des Senats zu §
96 SGG im Kontext des Befreiungsrechts (zur Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für die Tätigkeit einer Syndikuspatentanwältin vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 16 ff).
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist die Frage nach der Auslegung des §
96 SGG - auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände - höchstrichterlich entschieden. Die tatsächlichen Gegebenheiten, die zu
neuen Befreiungs- und Ablehnungsbescheiden geführt haben, wurden in der Senatsrechtsprechung bereits vollumfänglich berücksichtigt.
Der Senat hat sich weder "die Ansicht der Beklagten zu eigen gemacht" noch unbeachtet gelassen, dass es den Syndikusrechtsanwälten
nicht um "die Erlangung eines neuen Status" gegangen ist. Dem Vortrag der Klägerin, es gebe "denknotwendig" nur die eine Befreiung
für die eine Tätigkeit, kann nicht gefolgt werden. Der Senat hat bereits ausführlich dargestellt, dass ein neuer Bescheid,
der den Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach §
231 Abs
4b SGB VI ablehnt, einen früheren Bescheid über die Ablehnung eines Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI weder abändert noch ersetzt iS von §
96 Abs
1 SGG. Die Regelungsgegenstände sind nicht identisch (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 16 und BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - juris RdNr 31).
Der Senat hat auch den Gesichtspunkt der Prozessökonomie bereits erwogen und ausgeführt, dass §
96 Abs
1 SGG mit Wirkung zum 1.4.2008 neu gefasst wurde (Art 1 Nr 16 des Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444). Die Gesetzesänderung ("nur dann") diente der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm. Eine Einbeziehung des neuen
Verwaltungsakts sollte danach nur noch möglich sein, wenn der ursprüngliche Bescheid nach Klageerhebung durch ihn ersetzt
oder abgeändert wird. Eine entsprechende Anwendung der Norm kommt danach - auch aus Gründen der Prozessökonomie - nicht mehr
in Betracht (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 21).
Soweit die Klägerin auf Ausführungen des BVerfG zur Auslegung des §
231 Abs
4b SGB VI in den Kammerentscheidungen vom 19.7.2016 und 22.7.2016 verweist (1 BvR 2584/14 und 1 BvR 2534/14), ergibt sich daraus ebenfalls keine weitere Klärungsbedürftigkeit. Aus diesen Beschlüssen können keine Rückschlüsse für die
Auslegung des §
96 SGG gezogen werden. Gegenstand der Verfassungsbeschwerden waren Verfahren über eine Befreiung nach §
6 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI. Die Verfassungsbeschwerden wurden wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht zur Entscheidung angenommen. Nur in diesem
Kontext ergingen die Hinweise des BVerfG zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer rückwirkenden Befreiung von der
Versicherungspflicht und zur Anwendung der Übergangsvorschrift des §
231 Abs
4b Satz 5
SGB VI (vgl dazu bereits BSG Beschluss vom 23.7.2019 - B 5 RE 5/19 B - juris RdNr 14).
Auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Klägerin, es müsse genau ermittelt werden, "welchen Inhalts die Ablehnung
ist und welche Rechte und Ansprüche damit verneint werden", besteht keine erneute Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen
Rechtsfragen. Die Klägerin zitiert aus einem zur Weitergewährung einer befristeten Erwerbsminderungsrente ergangenen Senatsbeschluss
vom 17.8.2017 (B 5 R 248/16 B - juris). Danach liegt eine die frühere Rentenablehnung ersetzende Neuregelung iS von §
96 SGG vor, wenn während des Klageverfahrens der Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für einen Teil des streitigen Zeitraums
bewilligt (Weitergewährung der Zeitrente) und im Übrigen (Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer) weiter abgelehnt
wird (BSG aaO RdNr 9). Wie die Klägerin zu Recht vorträgt, war für die Anwendung des §
96 Abs
1 SGG entscheidend auf den Inhalt der Rentenbescheide abzustellen. Nichts anderes gilt für den Rechtsstreit der Klägerin. Die Auslegung
von Verwaltungsakten nach Anträgen auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht war ebenfalls bereits Inhalt der Senatsrechtsprechung
zur Anwendung und Auslegung von §
96 SGG (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 18 ff).
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung des BSG zu §
96 SGG (BSG Beschluss vom 28.10.2009 - B 6 KA 56/08 B - juris) schließlich geltend macht, unterschiedliche Rechtsgrundlagen der Bescheide stünden einer Anwendung von §
96 SGG nicht entgegen, ergibt sich daraus ebenfalls kein neuer Aspekt, der einer weiteren Klärung bedürfte. Die Entscheidungen über
eine Befreiung als Rechtsanwalt und über eine Befreiung als Syndikusrechtsanwalt ergeben sich zwar aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen.
Maßgeblich für die Ablehnung einer Identität der Regelungsgegenstände beider Bescheide ist indes die unterschiedliche Statusbezogenheit
der Verfügungssätze (zum Status als Patentanwältin und zum Status als Syndikuspatentanwältin vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RE 2/17 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 17 RdNr 20).
2. Soweit die Klägerin darüber hinaus Verfahrensmängel geltend macht, ist die Beschwerde bereits unzulässig.
In der Beschwerdebegründung wird die geltend gemachte Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG ) nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu hätte die Klägerin näher ausführen müssen, welchen entscheidungserheblichen Vortrag
das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat oder an welchem Vorbringen sie als Rechtsuchenden gehindert
worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruhen kann (vgl aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 27.1.2020 - B 5 RE 3/19 B - juris RdNr 14). Allein ihr Vorbringen, das LSG habe sich mit ihrem erheblichen Vortrag "nicht ernsthaft" auseinandergesetzt, ist dafür nicht
ausreichend. Woraus die Klägerin entnimmt, das LSG habe ihre Darlegungen "schlicht nicht zur Kenntnis genommen und nicht in
Erwägung gezogen", ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet im Übrigen nicht,
dass der Rechtsansicht eines Beteiligten gefolgt wird (vgl BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 16).
Soweit die Klägerin schließlich rügt, das LSG sei "rechtsfehlerhaft" von einer unzulässigen Klageerweiterung der Klägerin
ausgegangen und habe die Sachdienlichkeit der Klageänderung fälschlich verneint, kann eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit
der angefochtenen Entscheidung nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein (vgl Senatsbeschluss vom 3.7.2019 - B 5 RS 10/18 B - juris RdNr 11).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.