Gründe:
I.
Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltssozietät, begehrt aus der Landeskasse eine höhere Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Ihre spätere Mandantin, der bereits ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt worden war, beantragte am 1. April 2015 Feststellungen
nach dem Schwerbehindertengesetz. Die zuständige Behörde stellte mit einem Bescheid vom 18. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September
2015 einen Grad der Behinderung von 60 fest, lehnte jedoch die Anerkennung von Merkmalen ab. Aufgrund einer Vollmacht vom
19. Oktober 2015 erhob die Antragstellerin im Namen der vietnamesischen Mandantin bei dem Sozialgericht Berlin am 26. Oktober
2015 eine auf die Zuerkennung der Merkzeichen B und G gerichtete Klage. Das Verfahren wurde dort unter dem Aktenzeichen S
119 SB 4967/15 geführt. Das Sozialgericht gewährte der Mandantin mit einem Beschluss vom 12. Januar 2015 "mit Wirkung vom
27. Oktober 2015" Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen unter Beiordnung der Antragstellerin, die auf Antrag einen
Vergütungsvorschuss in Höhe von 202,30 EUR erhielt. Die beklagte Behörde erkannte mit Schriftsatz vom 11. April 2016 einen
Grad der Behinderung von 80 und das Merkzeichen G hinsichtlich der Zeit ab dem 1. April 2015 an. Die Antragstellerin nahm
dieses Teilanerkenntnis mit einem Schriftsatz vom 30. Mai 2016 "nach umfangreichen Rücksprachen mit der nicht ausreichend
Deutsch sprechenden Klägerin sowie deren Sohn" an und erklärte den Rechtsstreit insgesamt für erledigt.
Die Antragstellerin hat mit einem Schreiben vom 2. September 2015 für das Verfahren S 119 SB 4967/15 die folgende Vergütung
geltend gemacht: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 270,00 EUR Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 300,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 890,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 169,10 EUR Gesamtbetrag 1.059,10 EUR abzüglich Vorschuss - 202,30 EUR Zahlbetrag 856,80 EUR
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Vergütung mit einem Beschluss vom 25. November 2016 folgendermaßen festgesetzt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 300,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR (Zwischensumme 620,00 EUR) Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 117,80 EUR Gesamtbetrag 737,80 EUR abzüglich Vorschuss - 202,30 EUR Zahlbetrag 535,50 EUR In der Begründung des Beschlusses
heißt es, dass eine fiktive Terminsgebühr nicht entstanden sei, weil es sich nur um ein Teilanerkenntnis gehandelt habe.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin am 7. Dezember 2016 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen,
eine fiktive Terminsgebühr falle auch dann an, wenn ein Teilanerkenntnis angenommen und anschließend der Rechtsstreit im Übrigen
für erledigt erklärt werde.
Das Sozialgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 21. März 2017 zurückgewiesen und sich zur Begründung auf Beschlüsse
von Landessozialgerichten bezogen.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 29. März 2017 unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2017 aufzuheben und den Zahlbetrag
ihrer Vergütung aus der Landeskasse unter Änderung des Beschlusses der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 25. November
2016 auf 856,80 EUR festzusetzen.
Der Antragsgegner hat sich nicht weiter geäußert und keinen Antrag gestellt.
Nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten hat der Berichterstatter die Sache mit Beschluss vom 29. August 2017 wegen grundsätzlicher
Bedeutung dem Senat übertragen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet nach der Übertragung der Sache gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 2 und Satz 3 RVG sowie §
33 Abs.
1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgehalten hat, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Erinnerung
zu Recht zurückgewiesen. Diese ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Rechtsanwaltsvergütung.
Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 45 Abs. 1 RVG.
Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz (VV RVG). Vorliegend sind in dem Ausgangsverfahren gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren entstanden, da es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelte, in dem das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden war.
Eine fiktive Terminsgebühr, deren Anteil hier allein streitig ist, ist nicht entstanden. Als Rechtsgrundlage kommt nur Nr.
3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG in Betracht. Danach entsteht die Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben
ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Nach der herrschenden Meinung, der sich der Senat anschließt, reicht hierfür ein Teilanerkenntnis mit anschließender Erledigungserklärung
im Übrigen nicht aus (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Juli 2019, L 10 SF 1298/19 E-B, Rn. 14; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 27. September 2018, L 1 SF 1163/16 B, Rn. 22; Beschluss vom 8. Februar 2018, L 1 SF 808/16 B, Rn. 23; Beschluss vom 7. April 2015, L 6 SF 145/15 B, Rn. 17; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. März 2018, L 20 SO 95/18 B, Rn. 30 ff.; Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. November 2016, L 2 AS 445/15 B, Rn. 22; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. September 2014, L 8 AS 1192/12 B KO, Rn. 20; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2015, L 7/14 AS 64/14 B, Rn. 32 ff.; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. März 2014, L 5 SF 43/14 B E, Rn. 15; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. Mai 2011, L 2 SF 140/10 E, Rn. 18; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17. Juli 2008, L 6 B 93/07, Rn. 32; hier wie nachfolgend zitiert nach juris).
Die Gegenansicht (Sozialgericht Detmold, Beschluss vom 18. Dezember 2013, S 18 SF 187/13 E, Rn. 13; Sozialgericht Trier, Beschluss vom 4. Juli 2012, S 6 SB 362/08 Rn. 37; Sozialgericht Oldenburg, Beschluss vom 14. März 2012, S 10 SF 170/11 E, Rn. 17) übersieht, dass bereits der Wortlaut der Regelung für das hier gefundene Ergebnis spricht. Der Begriff des angenommenen
Anerkenntnisses bezieht sich auf die Regelung des §
102 Abs.
2 SGG. Danach erledigt das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.
In diesem Sinne liegt ein Anerkenntnis vor, wenn der Beklagte einseitig und ohne Einschränkung erklärt, die vom Kläger begehrte
Rechtsfolge werde "ohne Drehen und Wenden" zugegeben (Bundessozialgericht, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 16/09 R, Rn. 19). Ein Teilanerkenntnis erfüllt diese Anforderungen nicht. Falls der Gesetzgeber auch ein angenommenes Teilanerkenntnis
und eine Erledigungserklärung im Übrigen als Entstehungsgrund für die fiktive Terminsgebühr hätte ausreichen lassen wollen,
hätte es nahegelegen, dieses in der Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG ausdrücklich zu erwähnen. Davon hat der Gesetzgeber jedoch auch im Zuge des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts
vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) abgesehen, obwohl ihm die Rechtsprechung der Landessozialgerichte bekannt war.
Auch die systematische Auslegung spricht dagegen, für Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG ein Teilanerkenntnis mit nachfolgender Erledigungserklärung im Übrigen genügen zu lassen. Die Fälle der fiktiven Terminsgebühr
nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 VV RVG knüpfen an die unmittelbare Beendigungswirkung des dort jeweils genannten Ereignisses an. Sowohl das Urteil ohne mündliche
Verhandlung nach §
124 Abs.
2 SGG als auch der schriftliche Vergleich nach §
101 Satz 2
SGG oder die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach §
105 SGG führen zu einem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens, ohne dass es noch einer gesonderten Erledigungserklärung des Rechtsanwalts
bedarf. Die Nr. 3106 Satz 1 Nr. 3 VV RVG fügt sich in diese Systematik nur dann ein, wenn auch sie dahingehend zu verstehen ist, dass der Rechtsstreit durch das angenommene
Anerkenntnis vollständig beendet wird.
Dieses Ergebnis steht auch mit dem Sinn und Zweck der fiktiven Terminsgebühr im Einklang. Mit der Gebühr soll dem Rechtsanwalt
das Interesse genommen werden, das Anerkenntnis nur deshalb nicht anzunehmen, um einen Termin zu erzwingen (BT-Drucksache
17/11471 [neu] S. 275). Dieses Ziel der Schonung gerichtlicher Ressourcen würde zwar auch dann erreicht, wenn ein angenommenes
Teilanerkenntnis und eine Erledigungserklärung oder eine Klagerücknahme im Übrigen zum Entstehen der fiktiven Terminsgebühr
führen würde. Die fiktive Terminsgebühr ist jedoch erkennbar nicht als Belohnungsgebühr für eine Erledigungserklärung oder
eine Klagerücknahme ausgestaltet, obwohl ein solcher Anreiz dem Gesetzgeber aus anderen Kostenvorschriften, zum Beispiel in
Form der Reduzierung der Gerichtskosten im Falle der Rücknahme der Klage, Berufung oder Revision (Nr. 7111, 7113 und 7115
des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz) bekannt ist. Zudem würde sich anderenfalls auch der Wertungswiderspruch ergeben, dass eine vollständige Rücknahme einer
Klage ohne Erfolgsaussichten keine fiktive Terminsgebühr entstehen lassen würde, wohingegen die Rücknahme einer nach angenommenem
Anerkenntnis verbleibenden, aber genauso aussichtslosen Klage zu einer fiktiven Terminsgebühr führen würde. Der für die Entstehung
der fiktiven Terminsgebühr maßgebliche Unterschied wäre allein eine Teilbegründetheit der Ausgangsklage. Das würde aber auch
der Systematik der Vorschrift entgegenstehen. Nur in den Fällen, in denen die Nutzung der prozessualen Instrumente unmittelbar
zur Schonung der gerichtlichen Ressourcen durch Wegfall der mündlichen Verhandlung führt, soll die fiktive Terminsgebühr entstehen.
Das ist bei einem angenommenen Teilanerkenntnis aufgrund der fortbestehenden Anhängigkeit des restlichen Rechtsstreits nicht
der Fall. Soweit eingewandt wird, bei fehlender Berücksichtigung einer fiktiven Terminsgebühr werde der Rechtsanwalt dazu
veranlasst, einen Gerichtstermin nur zu dem Zweck zu erzwingen, erst dort den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt zu erklären
oder die Klage zurückzunehmen, so ist dem entgegenzuhalten, dass er damit dem wohlverstandenen Interesse des Mandanten vorsätzlich
zuwiderhandeln würde, welches nicht darin bestehen kann, unnötige Gebühren nach dem RVG herbeizuführen. Zudem wird dem Ziel der Schonung gerichtlicher Ressourcen bereits dadurch Genüge getan, dass in den Fällen,
in denen - wie vorliegend - zur Vorbereitung der Erledigungserklärung oder der Klagerücknahme im Übrigen eine besondere rechtsanwaltliche
Mühewaltung notwendig ist, eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Betracht kommt.
Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei. Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.