LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.02.2022 - 3 U 148/20
Anerkennung eines Arbeitsunfalls
Hörgeräte und Brillen grundsätzlich keine Arbeitsgeräte
Aufsuchen eines Hörgeräteakustikers während des Arbeitsweges
Nutzung eines Hörgeräts für betriebsfremde Zwecke
Begriff des versicherten Wegeunfalls
1. Ein Gegenstand ist grundsätzlich nur dann ein Arbeitsgerät, wenn er objektiv für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit
geeignet ist und für die versicherte Tätigkeit gebraucht wird. Persönliche Gegenstände wie Hörgeräte und Brillen gehören grundsätzlich
nicht zu den Arbeitsgeräten.
2. Es steht nicht im Belieben des Arbeitgebers, durch arbeitsvertragliche Begründung von Nebenpflichten den Versicherungsschutz
der gesetzlichen Unfallversicherung auf objektiv nicht versicherte Verrichtungen zu erweitern. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn die vertraglich statuierte Nebenpflicht in ihrer objektiven Nützlichkeit für den Arbeitgeber nicht über die den Arbeitnehmern
allgemein obliegende Verpflichtung hinausgeht, funktionsfähig und soweit möglich unter Kompensation persönlicher Einschränkungen
oder Behinderungen zum Dienst zu erscheinen, etwa ein im privaten Bereich verordnetes Hörgerät zu tragen.
3. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung für vorbereitende Tätigkeiten ist grundsätzlich auf diejenigen
Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt. Sonstige typische Vorbereitungshandlungen sind grundsätzlich
nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die dem privaten Risikobereich des Versicherten zugeordnet sind. Ausnahmen
hiervon gelten nur dann, wenn ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Bezug zur versicherten Tätigkeit gegeben
ist, der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen
lässt.
Orientierungssatz
Eine Fahrdienstleiterin für die Deutsche Bahn, die aufgrund einer Weisung ihres Arbeitgebers ihren Dienst nicht ohne Ersatzbatterien
für ihr Hörgerät antreten darf, und ihren Arbeitsweg zwecks Kaufs von Ersatzbatterien beim Gehörakustiker unterbricht, steht
dabei nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Vorinstanzen: SG Potsdam 16.09.2020 S 2 U 10/20
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. September 2020 aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
Die Beteiligten haben für das gesamte Verfahren einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.
Die im Jahr 1960 geborene Klägerin war zur Zeit des hier streitgegenständlichen Ereignisses beruflich für die D B als Fahrdienstleiterin
tätig. Laut Unfallanzeige vom 28. August 2019 befand sie sich am 13. August 2019 auf dem Weg von ihrem Wohnort in der A-B-Straße
in B zum Spätdienst auf ihrer Arbeitsstelle im Stellwerk T, Estraße in B, als sie ihren Arbeitsweg am Bahnhof F unterbrach,
um in der Adstraße in F ihren Hörgeräteakustiker aufzusuchen. Dabei stürzte sie gegen 11 Uhr auf dem öffentlichen Verkehrsweg
vor dem Geschäft des Hörgeräteakustikers. In der Unfallanzeige heißt es weiter, die Klägerin dürfe nur mit einem Hörgerät
arbeiten, daher sei vor Arbeitsbeginn ein Batteriewechsel im Fachgeschäft erforderlich gewesen.
Der herbeigerufene Notarzt verbrachte die Klägerin in die Rettungsstelle der H Kliniken in N, wo sie in der Zeit vom 13. August
2019 bis zum 23. August 2019 zur stationären Behandlung verblieb. Laut Arztbrief des Chefarztes Dr. E, Klinik für Traumatologie
und Orthopädie, vom 23. August 2019 wurden bei der Klägerin unfallbedingt bildgebend eine Humeruskopffraktur rechts und eine
Humerusschaftfraktur links diagnostiziert. Noch am Unfalltag erfolgten eine geschlossene Reposition und eine Osteosynthese
links durch Verriegelungsnagel. Am 15. August 2019 wurde am rechten Schultergelenk eine inverse Totalendoprothese eingesetzt.
In einem Unfallfragebogen gab die Klägerin am 03. September 2019 an, sie sei zum Unfallzeitpunkt mit einem Fuß am Bordstein
hängengeblieben, sei sodann gestolpert und gestürzt.
Laut einem Vermerk der Beklagten über einen Anruf der Klägerin vom 10. September 2019 habe diese mitgeteilt, dass sie verpflichtet
sei, ihr Hörgerät zu tragen, um ihren Dienst überhaupt antreten zu dürfen.
In einem weiteren, ihr von der Beklagten übersandten Unfallfragebogen gab die Klägerin am 20. Oktober 2019 an, gewöhnlich
nehme sie von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte den Fußweg bis zum Bahnhof B, sodann die Regionalbahn bis zum Bahnhof S, dann
den Bus bis zur Haltestelle H Straße und schließlich die U-Bahn bis zur Haltestelle B. Den restlichen Weg bis zum Stellwerk
lege sie zu Fuß zurück. Von diesem Weg, den sie zu Hause um 10:10 Uhr aufgenommen habe, sei sie am Unfalltag abgewichen, um
Batterien für ihr Hörgerät zu erwerben, da sie ihren Dienst ohne Hörgerät nicht antreten dürfe. Für ihren Arbeitsweg benötige
sie ca. 90 Minuten. Am Unfalltag hätte ihr Dienst um 14 Uhr anfangen sollen und wäre um 22 Uhr beendet gewesen.
Laut einem Vermerk der Beklagten vom 24. Oktober 2019 über ein weiteres Telefonat mit der Klägerin am gleichen Tag trage sie
ihr Hörgerät seit Januar 2019. Am Unfalltag hätten sich im Hörgerät Ersatzbatterien befunden und sie habe beim Hörgeräteakustiker
neue Batterien kaufen wollen, als sie gestürzt sei. Nach dem Kauf der Batterien hätte sie zur Arbeit fahren wollen.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2019 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 13. August 2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Am Tag des streitgegenständlichen Ereignisses sei die Klägerin von ihrer Wohnung zum Bahnhof B gegangen, um von dort mit öffentlichen
Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren. Üblicherweise würde sie zunächst am Bahnhof S umsteigen. Am 13. August 2019 sei sie
nicht bis zum Bahnhof S gefahren, sondern vorher am Bahnhof F ausgestiegen, um in F den Hörgeräteakustiker aufzusuchen. Vor
dem Gebäude des Hörgeräteakustikers sei sie dann gestürzt. Zum Ereigniszeitpunkt habe sie den versicherten Weg in Nebenrichtung
verlassen. Sie habe sich somit auf einem unversicherten Abweg befunden. Ein Versicherungsschutz lasse sich auch nicht durch
den Umstand begründen, dass die Klägerin Batterien für ihr Hörgerät habe kaufen wollen und sie nur mit Hörgerät ihrer beruflichen
Tätigkeit nachgehen dürfe. Verrichtungen vor Aufnahme der versicherten Tätigkeit seien in der Regel unversichert. Derartige
Handlungen seien gerade dadurch gekennzeichnet, dass der Versicherte sie noch in seinem privaten, unversicherten Lebensbereich
vornehme, um sich darauf vorzubereiten, dass er die versicherte Tätigkeit später ordnungsgemäß durchführen könne. Handele
es sich jedoch um eine Verrichtung zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und sei diese plötzlich bzw. unvorhergesehen erforderlich,
rücke das betriebliche Interesse zumindest gleichwertig neben das eigene wirtschaftliche Interesse. Diese Verpflichtung stünde
unter Versicherungsschutz. In einem Telefongespräch mit der Klägerin am 25. Oktober 2019 habe diese mitgeteilt, dass sie weitere
Batterien für das am Unfalltag funktionierende Hörgerät habe kaufen wollen. Der Kauf der Batterien sei somit nicht plötzlich
bzw. unvorhergesehen erforderlich gewesen. Ihre Verrichtung zum Unfallzeitpunkt sei somit dem privaten, unversicherten Lebensbereich
zuzuordnen, sodass das Ereignis vom 13. August 2019 nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 19. November 2019 Widerspruch ein. Bei der
unfallbringenden Verrichtung habe es sich um eine solche zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit gehandelt, die unvorhergesehen
gewesen sei. Sie, die Klägerin, dürfe ihre Arbeit nach Weisung des Arbeitgebers nicht ohne Ersatzbatterien für ihre Hörgeräte
antreten. Normalerweise tausche sie ihre Batterien am Wochenende aus, diese hielten im Durchschnitt sechs Tage. Auch am Wochenende
des 10./11. August 2019 habe sie die Batterien ihres Hörgeräts getauscht. Wider Erwarten habe sie während ihrer Spätschicht
am 12. August 2019 vom Hörgerät das Signal bekommen, die Batterien zu wechseln. Offenbar seien die eingelegten Batterien beschädigt
gewesen. Daher habe sie am 12. August 2019 die Batterien ihres Hörgeräts getauscht, so dass sie am Schichtende keine Ersatzbatterien
mehr gehabt habe, die sie am nächsten Tag hätte mitführen können. Bei Dienstende am 12. August 2019 sei der Hörgeräteakustiker
bereits geschlossen gewesen, so dass sie am Folgetag ihren Arbeitsweg genutzt habe, um neue Batterien zu erwerben.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2020 zurück. Die Klägerin habe ihre
Wohnung bereits fast vier Stunden, gegen 10:10 Uhr, vor dem Beginn des Spätdienstes um 14:00 Uhr verlassen, um den Weg zur
Arbeit anzutreten. Laut Internetrecherche benötige man von ihrer Wohnung bis zum Hörgeräteakustiker in der Astraße in F ca.
28 Minuten und von dort zur Arbeitsstätte längstens ca. eine Stunde und 23 Minuten. Daraus ergebe sich eine Gesamtzeit von
rund zwei Stunden. Die öffentlichen Verkehrsmittel führen auf dieser Strecke auch regelmäßig (ca. alle 15 Minuten). Folglich
habe sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten Abweg befunden. Ein Versicherungsschutz lasse sich auch
nicht dadurch begründen, dass sie Ersatzbatterien für ihr Hörgerät habe kaufen wollen und sie nur mit dem Hörgerät ihrer beruflichen
Tätigkeit nachgehen dürfe. Es habe sich um eine Vorbereitungshandlung gehandelt, die trotz ihrer Betriebsdienlichkeit grundsätzlich
dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sei. Versicherungsschutz bestehe nur ausnahmsweise, wenn diese Tätigkeit
einen besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit aufweise. Folglich seien
Verrichtungen vor Aufnahme der versicherten Tätigkeit in der Regel unversichert. Derartige Handlungen seien gerade dadurch
gekennzeichnet, dass der Versicherte sie noch in seinem privaten, unversicherten Lebensbereich vornehme, um sich darauf vorzubereiten,
dass er die versicherte Tätigkeit später ordnungsgemäß durchführen könne. Handele es sich jedoch um eine Verrichtung zur Erhaltung
der Arbeitsfähigkeit und sei diese plötzlich bzw. unvorhergesehen erforderlich, rücke das betriebliche Interesse zumindest
gleichwertig neben das eigene wirtschaftliche Interesse. Im telefonischen Erstkontakt am 25. Oktober 2019 habe die Klägerin
mitgeteilt, dass sie weitere Batterien für das am Unfalltag funktionierende Hörgerät habe kaufen wollen. Der Kauf der Ersatzbatterien
sei daher nicht plötzlich bzw. unvorhergesehen erforderlich geworden. Vielmehr hätte sie aufgrund der Verpflichtungserklärung
bei ihrem Arbeitgeber bereits am 12. August 2019 direkt nach dem Batteriewechsel ihre Tätigkeit beenden müssen, weil sie zu
diesem Zeitpunkt schon keine funktionierenden Ersatzbatterien mehr mit sich geführt habe. Im Ergebnis habe sie sich somit
auf einem unversicherten Abweg befunden und der beabsichtigte Kauf der Ersatzbatterien stelle eine unversicherte eigenwirtschaftliche
Verrichtung dar, die keinen Versicherungsschutz begründe.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 21. Januar 2020 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat dieser am 13. Februar 2020 Klage
vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat er im Folgenden weiter ausgeführt, die Klägerin habe ihre Wohnung gegen 10:10 Uhr
verlassen und sei mit dem Zug um 10:15 Uhr ab Br nach F gefahren. Dort sei sie um 10:25 Uhr ausgestiegen. Zu Fuß benötige
sie vom Bahnhof zum Hörgeräteakustiker rund 30 Minuten. Geplant sei daher gewesen, das Geschäft gegen 11 Uhr zu erreichen,
dieses gegen 11:15 Uhr zu verlassen und um 11:45 Uhr wieder am Bahnhof zu sein. Dort hätte die Klägerin den Zug um 12:14 Uhr
genommen, wäre um 12:24 Uhr am Bahnhof S ausgestiegen und dort um 12:38 Uhr in den Bus X gestiegen. Um 13:02 Uhr wäre sie
am U-Bahnhof H Straße gewesen und wäre dort mit der U-Bahn um 13:11 Uhr zum U-Bahnhof Bo gefahren. Dort wäre sie um 13:13
Uhr angekommen und hätte dann nach zehn Minuten Fußweg gegen 13:23 Uhr ihren Arbeitsplatz erreicht. Aus diesem Zeitplan werde
ersichtlich, dass der Abweg, den sie am Unfalltag genommen habe, notwendig gewesen sei, um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Weiterhin hat die Klägerin eine von ihr und einer Führungskraft ihres Arbeitgebers unterzeichnete, undatierte „Vereinbarung
zum Tragen von Hörgerät/en“ vorgelegt. Dort heißt es unter anderem: „Verbrauchte Batterien für das Gerät/beide Geräte sind
unverzüglich gegen unverbrauchte auszutauschen. Zu diesem Zweck hat der Mitarbeiter immer die erforderlichen Ersatzbatterien
mitzuführen. Beim Ausfall eines oder beider Hörgeräte darf die Arbeit nicht begonnen werden bzw. muss sofort abgebrochen werden.“
Auf entsprechende Anforderung des SG hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 15. September 2020 ihren Arbeitsvertrag vorgelegt. Am 16. September
2020 hat das SG eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf Befragen des Gerichts hat die Klägerin unter anderem erklärt, sie habe am Unfalltag
in dem Komplex Astraße keine weiteren Besorgungen neben dem Kauf der Batterien bei dem Hörgeräteakustiker T geplant gehabt.
Zwar habe sie die Batterien ihres Hörgerätes wie üblich am Wochenende gewechselt gehabt, habe dann aber im Rahmen ihrer Spätschicht
am Vortag des Unfalls, die bis 22 Uhr gegangen sei, das akustische Signal erhalten, dass die Batterien ihres Hörgerätes gewechselt
werden müssten. Sie habe deshalb während ihrer Spätschicht die mitgeführten Ersatzbatterien eingelegt, so dass sie am Folgetag
neue Ersatzbatterien habe besorgen müssen, um ihren Dienst antreten zu können. Ihr ständiger Hörgeräteakustiker sei zu diesem
Zeitpunkt das Hörgeräteakustikstudio T gewesen. Für ihre Arbeit benötige sie eine gewisse Hörleistung und trage daher auch
ein Hörgerät. Im privaten Bereich höre sie subjektiv auch noch sehr gut ohne Hörgerät.
Mit Urteil vom 16. September 2020 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 aufgehoben
und festgestellt, dass die Klägerin am 13. August 2019 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Der Versicherungsschutz der Klägerin
als Beschäftigte erstrecke sich vorliegend auf die Ersatzbeschaffung der Batterien für ihr Hörgerät. Es handele sich hier
um einen Fall einer kraft Gesetzes gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VII) unter Versicherungsschutz stehenden Vorbereitungshandlung. Die Klägerin habe glaubhaft vorgetragen, ihr Hörgerät für ihre
Arbeitstätigkeit als Fahrdienstleiterin zu benötigen und im privaten Bereich nicht auf das Tragen eines Hörgeräts angewiesen
zu sein. Bereits die Anschaffung des Hörgeräts sei daher betrieblich veranlasst gewesen. Für die Ausübung des verantwortungsvollen
Berufs der Fahrdienstleiterin sei ein 100-prozentiges Hörvermögen Voraussetzung. Unterstrichen werde dies durch die schriftliche
Vereinbarung mit der Arbeitgeberin, die die Klägerin in Bezug auf das Tragen ihres Hörgeräts habe unterzeichnen müssen. Danach
habe sie im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht nur ein funktionierendes Hörgerät zu tragen, sondern auch für den Fall des Ausfalls
jederzeit einsatzfähige Ersatzbatterien mit sich zu führen. Vor diesem Hintergrund seien sowohl das Hörgerät als auch die
Ersatzbatterien als Arbeitsgerät einzustufen. Die Ersatzbeschaffung für ein verbrauchtes Arbeitsgerät sei unter den Begriff
des Erneuerns in § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII zu fassen. Der Weg von der Wohnung der Klägerin zum Geschäft des Hörgeräteakustikers habe nach den weiteren glaubhaften Angaben
der Klägerin allein zu dem Zweck gedient, die notwendigen Ersatzbatterien für das Hörgerät zu beschaffen.
Gegen das ihr am 02. Oktober 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Oktober 2020 Berufung vor dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg (LSG) eingelegt. Zur Begründung ihrer Berufung hat sie im Folgenden vorgetragen, die Aussage der Klägerin
in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, sie sei im privaten Bereich nicht auf ihr Hörgerät angewiesen, sei nicht medizinisch bzw. ärztlich überprüft worden. Eine
entsprechende Prüfung sei jedoch notwendig für eine Abgrenzung zwischen einem Arbeitsgerät und einem Gegenstand des täglichen
Lebens. Arbeitsgeräte seien Gegenstände, die ihrer Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die versicherte Tätigkeit gebraucht
würden. Gegenstände, die im täglichen Leben in gleicher Weise gebraucht würden wie bei der Verrichtung der konkreten betrieblichen
Tätigkeit, wie eine Lesebrille, eine Fernbrille oder eine Prothese, fielen im Regelfall nicht unter § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Dezember 1975 – 2 RU 77/75). Deshalb erschließe sich nicht, weshalb ein Hörgerät anders als etwa eine Lesebrille nicht als Gegenstand des täglichen
Lebens einzustufen sei. Die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit wären dann nämlich, wie auch das
Betanken eines privaten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 9/18 R), als Vorbereitungshandlung unversichert. Das SG hätte sich daher gedrängt fühlen müssen, den Vortrag der Klägerin, sie höre im privaten Bereich auch ohne Hörgeräte gut,
durch eine entsprechende fachärztliche Stellungnahme abklären zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. September 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die beabsichtigte Besorgung der Ersatzbatterien für das Hörgerät
sei allein beruflich veranlasst gewesen. Sie sei nicht so schnell unterwegs, wie es Internet-Routenplaner für den Fußweg vom
Bahnhof in F zum Geschäft ihres Hörgeräteakustikers vorsähen. Zudem sei der Unfalltag ein sehr heißer Tag gewesen, so dass
sie sich nicht so schnell habe bewegen können. Innerhalb Falkensees hätte sie zwar einen Bus nutzen können. Dies hätte aber
zusätzliches Fahrgeld gekostet und die zeitliche Ersparnis wäre allenfalls marginal gewesen. Zutreffend sei, dass sie bei
ihrer Planung noch einen zeitlichen Puffer von rund einer halben Stunde gehabt hätte. Der nächste Zug von B nach F wäre jedoch
erst 35 Minuten später gefahren; dies sei ihr zu spät erschienen, Von F aus Richtung Be sei die Taktung der Züge dichter als
von B aus.
Der Senat hat Befundberichte des behandelnden Facharztes für Hals-Nasen-Ohren (HNO-)Heilkunde der Klägerin, N, in F erfordert.
In dem am 28. April 2021 erstellten Befundbericht bezüglich des Behandlungszeitraums vom 20. Februar 2019 bis zum 19. Oktober
2020 heißt es, die Klägerin habe über eine Hörminderung sowie teilweise über Schwindel und einen Tinnitus berichtet. Als Diagnose
sei eine beidseitige tiefe Innenohrschwerhörigkeit (ICD-10: H90.3) gesichert. Hierbei wurden die Zusatzkennzeichen „G“ für
„gesichert“ und „B“ für „beidseitig“ vermerkt. Als weitere auf dem Gebiet der HNO-Heilkunde relevante Diagnosen wurden aufgeführt:
ICD-10: H81.9 (Störung der Vestibularfunktion, nicht näher bezeichnet), ärztlicherseits weiter umschrieben mit „Schwindel“,
H93.1 (Tinnitus) und Z.97.86 (Hörgeräteversorgung).
Auf gerichtliche Nachfrage hat der HNO-Arzt Nam 17. Juni 2021 ergänzend mitgeteilt, die Hörgeräteversorgung sei aufgrund des
bei der Klägerin diagnostizierten Tinnitus und der beidseitigen Hörminderung erfolgt. Sie sei bereits durch seinen Praxisvorgänger
unternommen worden; Näheres sei ihm nicht bekannt.
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2022 hat sich die Klägerin zum Sachverhalt weiter geäußert. Seit Anfang des
Jahres 2019 trage sie beidseits Hörgeräte, die ihr noch von Dr. T verordnet worden seien. Ihr Mann habe sie darauf hingewiesen,
dass das Fernsehgerät zunehmend lauter gestellt werden müsse und sie aufgefordert, zum HNO-Arzt zu gehen. Ihr selbst sei eine
Hörminderung gar nicht so aufgefallen. Nachdem ihr Hörgeräte verordnet worden seien, habe sie dies ihrem Arbeitgeber mitgeteilt.
Im Betrieb bestehe eine Verpflichtung, Veränderungen wie eine Brillen- oder Hörgeräteversorgung anzuzeigen, weil sich das
auf die Eignungsfähigkeit der Mitarbeiter auswirken könne. Sie sei dann zum Bahnarzt geschickt worden, der die Tauglichkeitsstufe
geprüft habe. Der Bahnarzt wiederum habe sie zu einem Hörgeräteakustiker geschickt, um bestimmte vorgegebene Messungen durchführen
zu lassen. Die Ergebnisse habe sie dann dem Bahnarzt vorlegen müssen. Danach sei ihre Eignung festgestellt und sie verpflichtet
worden, die Hörgeräte bei der Arbeit zu tragen. Sie habe dann bei bzw. gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten die Vereinbarung unterschreiben,
mit der sie sich verpflichte, die Hörgeräte im Dienst zu tragen und auch Ersatzbatterien bei sich zu führen für den Fall,
dass die Batterien im Hörgerät nicht mehr funktionierten, sodass sie ihren Dienst auch dann abschließen könne. Am nächsten
Tag habe sie dann wieder mit neuen Ersatzbatterien in der Tasche zum Dienst erscheinen müssen. Wann die Zusatzvereinbarung
mit dem Arbeitgeber abgeschlossen wurde, wisse sie nicht mehr genau. Es sei jedenfalls vor dem Unfall und nach der Vorstellung
beim Bahnarzt gewesen.
An dem Tag des Unfalls habe sie die Ersatzbatterien am Vortag in der Spätschicht eingesetzt gehabt, um die Schicht noch beenden
zu können. Sie habe dann beide Batterien gewechselt, weil diese paarig eingesetzt würden. Am nächsten Morgen habe sie dann
aber neue Ersatzbatterien besorgen müssen, weil sie keine mehr Zuhause gehabt habe. Sie kaufe natürlich immer mehrere, die
wie Tabletten in einem Blisterpack eingeschweißt seien, damit sie einen gewissen Vorrat habe. Regulär führe sie den Wechsel
der Batterien immer paarig sonntags durch. Es sei sonst schwer festzustellen, welche Batterie die schwächere sei. Normalerweise
hielten die Batterien immer gleich lang. Seit der Pandemie und der Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nase-Masken trage sie
die Hörgeräte nur noch auf der Arbeit. Auch gerade im Moment trage sie keine Hörgeräte, sie könne auch so gut hören. Durch
das Auf- und Absetzen der Maske habe sie schon ein Hörgerät verloren, das ihr aber durch die Krankenkasse ersetzt worden sei.
Nochmal würde es ihr nicht bezahlt werden, deswegen versuche sie, das Risiko zu vermindern. Im privaten Bereich höre sie noch
ausreichend gut, und ihr Mann müsse ertragen, dass der Fernseher etwas lauter gestellt werde.
Am Anfang der Hörgeräteversorgung sei der Tinnitus richtig laut gewesen, das heißt abends, wenn sie ins Bett gegangen sei.
Das sei eine ganze Zeit lang gewesen und sei dann wieder besser geworden. Sie habe die Hörgeräte anfangs nur zeitweise getragen
bzw. nur auf der Arbeit und habe sie danach wieder rausgenommen. Dr. T. ihr erklärt, dass sich das Gehirn und die Hörzellen
darauf erst einstellen müssten und es von daher zunächst zu einer Verschlimmerung des Tinnitus kommen könne. Ob die Hörgeräteversorgung
beim Tinnitus geholfen habe, könne sie so nicht sagen. Sie könne auch gar nicht sagen, ob der Tinnitus ein- oder beidseits
aufgetreten sei. Das Geräusch sei einfach sehr störend gewesen. Von einem reinen Innenohrgerät habe man ihr damals abgeraten,
weil das Ohr damit nicht richtig atmen könne und die Töne dumpfer würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den
Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten lagen in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung
vor.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und auch begründet. Das Urteil des SG Potsdam vom 16. September
2020 ist unzutreffend und war daher aufzuheben. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16. Januar 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Bei dem Ereignis vom 13. August 2019
hat es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist
(innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem
Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des
Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (ständige Rechtsprechung, vgl.
zuletzt BSG, Urteile vom 05. Juli 2016 – B 2 U 5/15 R – und vom 23. Januar 2018 – B 2 U 8/16 R –, jeweils in Juris).
Davon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die als Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei der D B tätige Klägerin zwar einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erlitten hat, als sie am 13. August 2019 gegen 11:00 Uhr auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Gebäude Adstraße in 1 F stürzte.
Dieser Unfall hat auch zu einer Einwirkung auf den Körper von außen geführt und einen Gesundheitsschaden wesentlich verursacht.
Laut Arztbrief des Chefarztes Dr. E, Klinik für Traumatologie und Orthopädie der HKliniken in N vom 23. August 2019 wurden
bei ihr unfallbedingt bildgebend eine Humeruskopffraktur rechts und eine Humerusschaftfraktur links diagnostiziert.
Entgegen der Annahme des SG Potsdam ergibt sich ein gesetzlicher Versicherungsschutz zum Unfallzeitpunkt aber zunächst nicht
unter dem Gesichtspunkt der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII. Danach sind versicherte Tätigkeiten auch ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Verwahren, Befördern, Instandhalten
und Erneuern eines Arbeitsgerätes oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der
Unternehmer erfolgt. Der Begriff des Arbeitsgerätes ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Er ist daher aus dem Sinn und Zweck
der Vorschrift zu entnehmen. Dementsprechend ist nicht jeder Gegenstand, der zur Verrichtung einer betrieblichen Arbeit gebraucht
werden kann, ein Arbeitsgerät im vorgenannten Sinne. Erforderlich ist, dass er entsprechend den betrieblichen Erfordernissen
zur Arbeit verwendet wird (so zur Vorgängervorschrift § 549 Reichsversicherungsordnung ( RVO) BSG, Urteil vom 17. Dezember 1975 – 2 RU 77/75 -, Rn. 17, Juris).
Ein Gegenstand ist grundsätzlich nur dann ein Arbeitsgerät, wenn er objektiv für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit
geeignet ist und für die versicherte Tätigkeit gebraucht wird. Erst wenn es sich um Gegenstände handelt, die auch zu anderen
Zwecken als zur Arbeit verwendet werden und deshalb nicht schon ihrer Natur nach als Arbeitsgerät anzusehen sind, ist es erforderlich,
dass das Gerät seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit in dem Unternehmen gebraucht wird (BSG, Urteile vom 09. November 2010 - B 2 U 14/ 10 R –, Rn. 32, vom 12. Mai 2009 – B 2 U 12/08 R -, Rn. 26 ff., vom 12. Juni 1990 – 2 RU 57/89 -, Rn. 17, vom 11. August 1998 - B 2 U 17/97 R -, Rn. 28; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Februar 2014 – L 3 U 208/12 -, Rn. 35 ; jeweils zitiert nach Juris). Eine hauptsächliche Nutzung ist dann gegeben, wenn die Nutzung für andere Zwecke
daneben nicht ins Gewicht fällt. Ein Gebrauch für die Arbeit in erheblichem Maß oder wesentlich genügt dazu noch nicht, auch
nicht ein bloß überwiegender Gebrauch. Vielmehr ist ein nahezu ausschließlicher Gebrauch erforderlich (Ricke in: Kasseler
Kommentar Sozialversicherungsrecht (KassKomm), SGB VII, 115. EL Juli 2021, § 8, Rn. 249). Persönliche Gegenstände wie Hörgeräte und Brillen gehören grundsätzlich nicht zu den Arbeitsgeräten. Dies gilt
auch dann, wenn sie eigens wegen besonderer Arbeitsumstände nur in Verbindung mit ihnen benutzt werden (Ricke in: KassKomm,
SGB VII, aaO, Rn. 246a).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien handelt es sich bei den Hörgeräten der Klägerin nicht um ein Arbeitsgerät, das sie durch
einen Kauf von Ersatzbatterien im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5, 3. Alt. SGB VII hätte in Stand halten können. Die Hörgeräte sind bereits objektiv nach ihrer Zweckbestimmung nicht geeignet, um die berufliche
Tätigkeit einer Fahrdienstleiterin auszuüben. Sie werden auch ihrer Zweckbestimmung nach nicht hauptsächlich für die Tätigkeit
im Unternehmen gebraucht, da ihre Nutzung für andere, betriebsfremde Zwecke jedenfalls nicht unerheblich ins Gewicht fällt.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem beigezogenen Befundbericht des behandelnden Facharztes für HNO-Heilkunde
N vom 28. April 2021. Danach sind bei der Klägerin auf HNO-ärztlichem Fachgebiet die ICD-10 Diagnosen H90.3 (beidseitiger
Hörverlust durch Schallempfindungsstörung), H81.9 (Störung der Vestibularfunktion , nicht näher bezeichnet) und H93.1 (Tinnitus)
diagnostiziert worden, also ein erhebliches Beschwerdebild, aus dem sich nach den ergänzenden Angaben des Facharztes für HNO-Heilkunde
Nin seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2021 die Notwendigkeit einer beidseitigen Hörgeräteversorgung zu Lasten der Krankenkasse
ergab. Den entgegenstehenden Vortrag der Klägerin, sie trage die Hörgeräte nahezu ausschließlich aufgrund der betrieblichen
Erfordernisse in ihrem Beruf als Fahrdienstleiterin, sieht der Senat als entkräftet an. Vielmehr ist davon auszugehen, dass
der gesundheitliche Zustand der Klägerin das Tragen der Hörgeräte auch privat erfordert. So sind Defizite des Hörvermögens
der Klägerin erstmals im privaten Bereich zu Tage getreten. Ihr Mann hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass es erforderlich
werde, das Fernsehgerät zunehmend lauter zu stellen. Die Verordnung zum Tragen eines Hörgerätes ging dann auch durch den die
Klägerin privat (nicht betrieblich) behandelnden HNO-Arzt Dr. T aus. Schließlich hat die Klägerin selbst in der mündlichen
Verhandlung mitgeteilt, sie trage die Hörgeräte erst seit der Pandemie und der Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nase-Masken
ausschließlich auf der Arbeit, da sie beim Auf- bzw. Absetzen einer Maske bereits einmal ein Hörgerät verloren habe. Daraus
ergibt sich im Gegenschluss, dass die Klägerin vor der Pandemie, also auch zur Zeit des Unfalls im August 2019, auf den hier
abzustellen ist, ihre Hörgeräte sehr wohl auch im privaten Bereich verwendet hat.
Diese Privatnützigkeit der Hörgeräte steht hier im Vordergrund. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die in dem Beruf
der Fahrdienstleiterin gestellten Anforderungen an das Hörvermögen nach dem Tätigwerden des Betriebsarztes nunmehr dadurch
sichergestellt werden, dass die Klägerin (mit Ersatzbatterien ausgestattete) Hörgeräte trägt und dazu gemäß der mit ihrem
Arbeitgeber geschlossenen „Vereinbarung zum Tragen von Hörgerät/en“ auch verpflichtet ist.
Der Unfall der Klägerin stellt sich auch nicht als versicherter Wegeunfall dar. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt grundsätzlich das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von
dem Ort der Tätigkeit als unter dem Schutz des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII stehende versicherte Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gebrauchte Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der
Tätigkeit" kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der versicherten Tätigkeit. Dieser sachliche
Zusammenhang besteht, wenn das Zurücklegen des Weges der Aufnahme der versicherten Tätigkeit bzw. nach deren Beendigung dem
Erreichen der Wohnung oder eines so genannten dritten Ortes dient. Ob das der Fall ist, ist wertend zu entscheiden, indem
untersucht wird, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls zum Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört. Maßgeblich
ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten. Diese muss auf die versicherte Tätigkeit gerichtet sein und durch objektiv
feststellbare Umstände gestützt werden, deren tatsächliche Grundlagen im Sinne des so genannten Vollbeweises sicher feststehen
müssen. Die konkrete Verrichtung hatte ihren Grund dann in der betrieblichen Handlungstendenz, wenn sie hypothetisch auch
dann vorgenommen worden wäre, wenn ein etwaiges eigenwirtschaftliches Interesse entfallen wäre (siehe zuletzt BSG, Urteile vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R und B 2 U 20/18 R -, vgl. auch Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R -, jeweils in Juris).
Der Unfall stellt zunächst keinen versicherten Wegeunfall in Bezug auf das Erreichen der Betriebsstätte im Stellwerk B-T dar.
Die Klägerin befand sich am 13. August 2019 zum Unfallzeitpunkt gegen 11:00 Uhr bereits nicht auf dem direkten Weg von ihrem
Wohnort in der Au-Straße in 1 Br zum Spätdienst auf ihrer Arbeitsstelle im Stellwerk T, Estraße in 1 Be, als sie vor dem Gebäude
Adstraße in 1 F stürzte. Vielmehr hatte sie ihren direkten Arbeitsweg am Bahnhof F unterbrochen, um das Geschäft ihres Hörgeräteakustikers
in der Adstraße in 1 F aufzusuchen. Dieser Umstand ergibt sich bereits anhand von Kartenmaterial bzw. Routenplanern – etwa
Google maps - aus der geographischen Betrachtung des Unfallortes im Verhältnis zum Wohn- und Arbeitsort und wird im Übrigen
auch von der Klägerin selbst nicht bestritten.
Überdies hätte die Klägerin auch in zeitlicher Hinsicht nicht unter dem Unfallversicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gestanden. Eine Lösung von der versicherten Tätigkeit tritt ein, wenn der Versicherte den Weg vom Tätigkeitsort um mehr als
zwei Stunden durch private Verrichtungen (einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Wege) unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 23/08 R – und Urteil vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 26/06 R -, Rn. 28, jeweils in Juris). Ausnahmen von der strikten Zeitgrenze von zwei Stunden kommen aus Gründen der Rechtssicherheit
weder zu Lasten noch zugunsten des Versicherten in Betracht. gilt analog umgekehrt: Beträgt die Unterbrechung mehr als zwei
Stunden, ist der Teil des Weges davor noch nicht versichert. Die Versicherung beginnt vielmehr erst mit der anschließenden
Fortsetzung (Ricken in: KassKomm, SGB VII, aaO, Rn. 198). Die Klägerin hat ihre Wohnung am Unfalltag nach eigenen Angaben bereits um 10:10 Uhr verlassen, um ihren
Spätdienst um 14:00 Uhr anzutreten. Routenplaner im Internet sehen für den Arbeitsweg der Klägerin bei Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel eine Dauer von zwischen gut einer Stunde (1:05 Stunden) und höchstens 1:25 Stunden vor, so dass sich hieraus
auf dem Arbeitsweg ein Zeitfenster von zwischen 2:35 Stunden und über 2:50 Stunden – mithin von deutlich mehr als zwei Stunden
– für private Verrichtungen ergibt. Hierdurch entfällt aber gemäß der oben genannten Rechtsprechung der zeitliche Zurechnungszusammenhang
zur Aufnahme der Arbeitstätigkeit. Dies gilt selbst dann, wenn ein zusätzlicher zeitlicher Puffer von einer halben Stunde
für etwaige Wartezeiten oder eine ungünstige Taktung im Hinblick auf Anschlussverbindungen berücksichtigt wird.
Der Unfall stellt schließlich auch keinen Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 SGB VII dar, den die Klägerin im Zusammenhang mit der Erfüllung einer ihr obliegenden beruflichen Nebenpflicht, dem Kauf von Ersatzbatterien
für ihre Hörgeräte, erlitten hätte.
Eine den Versicherungsschutz begründende Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird dann ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende
Hauptpflicht oder auch eine Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, in der Regel aus dem Arbeitsvertrag
(vgl. § 611 Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB)), zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus
diesem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung
annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (vgl.
BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 5/14 R -, Rn. 14 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2021 – L 1 U 779/21 -, Rn. 35 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06. September 2021 – L 2 U 159/20 -, Rn. 33 ff.; allesamt zitiert nach Juris). In beiden Fallgruppen stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handels mit im
Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des
Einzelfalls bestätigt wird (etwa BSG, Urteil vom 07. September 2004 – B 2 U 35/03 R -, Rn. 14, Juris). Zu fordern ist dabei in aller Regel mindestens ein objektiv arbeitgebernütziger Inhalt der Verrichtung.
Dieser muss allerdings auch dann vorliegen, wenn die Verrichtung auf Anordnung oder Veranlassung des Arbeitgebers durchgeführt
wird. Denn es steht nicht im Belieben des Arbeitgebers, den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf objektiv
nicht versicherte Verrichtungen zu erweitern (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2018 – L 6 U 441/18 -, Rn. 45 ff., Juris). Eine betriebliche Verrichtung in diesem Sinne - und damit Versicherungsschutz - kann auch vorliegen,
wenn die Handlungstendenz eines Versicherten auf mehrere Zwecke gerichtet ist und nur einer davon oder jedenfalls nicht alle
Zwecke betriebsbezogen sind. Dies sind die Fälle eines „Handelns mit gemischter Motivationslage“. Bei diesem wird nur eine
einzige Verrichtung ausgeübt, die gleichzeitig sowohl privatwirtschaftliche als auch betriebliche Zwecke verfolgt. Daher wird
auch von Tätigkeiten mit einer gespaltenen Handlungstendenz gesprochen. Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz
steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch
auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach
den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz
findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der
objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung,
so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 7/12 -, Rn. 14 f., Juris). Ob eine derartige betriebsdienliche Verrichtung außerhalb der Betriebsstätte bzw. der Weg dorthin noch
unter Versicherungsschutz stehen, hängt nicht vom Beginn oder Ende der Arbeitszeit ab. Der Versicherungsschutz ist nicht nach
formellen Gesichtspunkten zu bestimmen, sondern nach der materiellen Beurteilung der fraglichen Verrichtung (vgl. LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 21. Oktober 2021 – L 1 U 779/21 – Rn. 38, Juris m. w. N.).
Nach diesen rechtlichen Grundsätzen stuft der Senat den Weg zum Geschäft des Hörgeräteakustikers, um dort Ersatzbatterien
für das Hörgerät zu besorgen, nicht als betriebsbezogene Verrichtung ein, die geeignet wäre, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
zu vermitteln. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin schriftlich getroffen
Zusatzabrede zum Arbeitsvertrag, wonach bei der Ausübung des Dienstes durch die Klägerin stets ein Hörgerät zu tragen sei
und auch Ersatzbatterien mitgeführt werden müssten. Durch den Kauf der Ersatzbatterien bei insoweit bereits erschöpftem Vorrat
erfüllte die Klägerin zwar formal betrachtet eine vertragliche Nebenverpflichtung mit Bezug zu ihrem Arbeitsverhältnis. Mit
dieser Einordnung würde der Unfallversicherungsschutz eines Beschäftigten auf Grund einer vom Arbeitgeber ausgehenden vertraglichen
Gestaltung allerdings bedenklich über die eigentliche Betriebstätigkeit hinaus ausgeweitet. Diesem Argument kommt jedenfalls
dann entscheidende Bedeutung zu, wenn die vertraglich statuierte Nebenpflicht in ihrer objektiven Nützlichkeit für den Arbeitgeber
nicht über die den Arbeitnehmern allgemein obliegende Verpflichtung hinausgeht, funktionsfähig und soweit möglich unter Kompensation
persönlicher Einschränkungen oder Behinderungen zum Dienst zu erscheinen, konkret also beispielsweise eine Sehhilfe zu tragen
(vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1987 – 2 RU 33/86 -, Juris) oder eben auch ein im privaten Bereich verordnetes Hörgerät. Die Sorge um die Funktionsfähigkeit von Hilfsmitteln,
die dem Behinderungsausgleich dienen, ist nach Auffassung des Senats grundsätzlich eigenwirtschaftlicher Art. Anderenfalls
hätten Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiten Spielraum, den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz durch Statuierung von „Nebenpflichten“,
die eigentlich zuvörderst die private Lebensführung betreffen, in kaum noch kontrollierbare Sphären grundsätzlich nicht versicherter
allgemeiner Vorbereitungshandlungen auszuweiten (vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. März 2011 – L 3 U 64/06 -, Rn. 26, Juris).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich nach Auffassung des Senats maßgeblich von demjenigen, über den das Sächsische LSG
am 15. Mai 2003 zu entscheiden hatte (veröffentlicht in Juris, allerdings unter wohl irrtümlicher Angabe des erstinstanzlichen
Aktenzeichens S 7 U 182/98). In dem dort entschiedenen Fall befand sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zum Optiker, um ihre bereits nach
den objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung ihrer individuellen Verhältnisse ausschließlich beruflich nutzbare Monofokalbrille,
die nur als 60 cm-Abstandsbrille eingesetzt werden konnte („PC-Brille“), reparieren zu lassen. Das Sächsische LSG hatte unter
Berücksichtigung der vorgenannten Gesichtspunkte sogar den Versicherungsfall der Instandhaltung eines Arbeitsgerätes angenommen.
Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich indes um ein Hörgerät, das der Klägerin auf ihre private Veranlassung hin durch
den von ihr aus persönlichen Beweggründen aufgesuchten HNO-Arzt Dr. T verordnet worden war, und das – wie bereits oben ausgeführt
- von ihr unter Berücksichtigung ihrer individuellen Gegebenheiten zu ihrem privaten Nutzen hätte eingesetzt werden können
und jedenfalls in demjenigen Zeitraum, in dem sich der Unfall ereignet hatte, auch privat eingesetzt wurde. Wenn sich die
Klägerin (später) aus persönlichen Gründen dazu entscheidet, ihr Hördefizit im privaten Bereich nicht durch das Tragen eines
Hörgerätes ausgleichen zu wollen, sondern sich hierzu ausschließlich im beruflichen Kontext veranlasst sieht, so ist diese
persönliche Entscheidung nicht geeignet, die Betriebsbezogenheit der arbeitsvertraglichen Nebenabrede zur Verpflichtung zum
Tragen von Hörgeräten und zum Mitführen von Ersatzbatterien so weit in den Vordergrund zu rücken, dass hierdurch ein gesetzlicher
Unfallversicherungsschutz begründet würde. Überdies wäre in Anbetracht der vor Beginn der Pandemie im Februar/März 2020 zum
Unfallzeitpunkt im August 2019 noch gegebenen privaten Mitnutzung der Hörgeräte (siehe hierzu oben) der Kauf der Ersatzbatterien
auch dann vorgenommen worden, wenn die berufliche Motivation des Handelns entfallen wäre, so dass diese Verrichtung nach den
objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung wesentlich auch privat motiviert war.
Ausgehend von diesen besonderen Umständen gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass für den Weg zum Kauf der Ersatzbatterien
für die Hörgeräte der Klägerin betriebsbezogene Gründe nicht insoweit im Vordergrund standen, dass aus der hier geschlossenen
Nebenabrede zum Arbeitsvertrag ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz erwachsen könnte. Letztlich handelt es sich bei
der zuvörderst formal in den Stand einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht erhobenen Verpflichtung zum Tragen eines Hörgerätes
und zum Mitführen von Ersatzbatterien um typische Vorbereitungshandlungen, die grundsätzlich nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher
Regelung Unfallversicherungsschutz genießen.
Vorbereitungshandlungen oder vorbereitende Tätigkeiten sind Maßnahmen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre
Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung für
vorbereitende Tätigkeiten ist grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt.
Sonstige typische Vorbereitungshandlungen sind grundsätzlich nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die dem privaten
Risikobereich des Versicherten zugeordnet sind. Diese grundsätzliche Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die im Gesetz
ausdrücklich normierten Vorbereitungshandlungen trägt den gesetzlichen Vorgaben und der Systematik des § 8 SGB VII Rechnung. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in § 8 Abs. 2 SGB VII bestimmte typische Vorbereitungshandlungen dem Versicherungsschutz unterstellt, weil er insoweit ein über den Schutzbedarf
der eigentlichen beruflichen Tätigkeit hinausgehendes soziales Schutzbedürfnis angenommen hat. Er ist dabei ersichtlich davon
ausgegangen, dass es für die Einbeziehung klassischer Vorbereitungshandlungen in den Unfallversicherungsschutz einer besonderen
Regelung bedurfte, wohl auch deshalb, weil damit das Haftungsrisiko der die alleinige Beitragslast tragenden Unternehmer auf
einen Bereich ausgedehnt wird, in dem sie nur eingeschränkt zu präventiven Maßnahmen des Arbeitsschutzes in der Lage sind
(BSG, Urteil vom 23. Januar 2018 – B 2 U 3/16 R -, Rn 17 II Juris). Der ausnahmsweise erfolgenden Ausweitung des Versicherungsschutzes auf Vorbereitungshandlungen liegt
in der Rechtsprechung die Annahme zugrunde, dass diese mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes
versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden.
Hierfür ist neben einem besonders engen sachlichen auch ein besonders enger örtlicher und zeitlicher Zusammenhang erforderlich,
der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen
lässt (BSG, Urteile vom 23. Januar 2018 – B 2 U 3/16 R –, vom 13. November 2012 – B 2 U 27/11 R -, vom 17. Februar 2009 – B 2 U 26/07 R – und vom 28. April 2004 – B 2 U 26/03 R -, allesamt in Juris). Dementsprechend handelte es sich um Sachverhalte, bei denen die betreffende Verrichtung während der
Dienstzeit bzw. bei der Zurücklegung des Betriebsweges oder des Weges zum oder vom Ort der Tätigkeit unerwartet notwendig
geworden war, um weiterhin die betriebliche Arbeit verrichten bzw. den Weg zurücklegen zu können (BSG, Urteile vom 05. Juli 2016 – B 2 U 16/14 R -, vom 04. Juli 2013 – B 2 U 3/13 R -, vom 04. September 2007 – B 2 U 24/06 R -, jeweils in Juris). So hat das BSG in seiner älteren Rechtsprechung etwa Unfallversicherungsschutz angenommen beim Beschaffen von Medikamenten, wenn dies dazu
diente, trotz einer während der Dienstzeit oder auf einer Geschäftsreise plötzlich aufgetretenen Gesundheitsstörung die betriebliche
Tätigkeit fortsetzen zu können bzw. bei unmittelbar vor Dienstantritt aufgetretenen Beschwerden dies erst zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 26. Juni 1970 – 2 RU 113/68 –, Juris). Weiterhin hat das BSG entschieden, dass das Holen eines vergessenen, aber zur Arbeitsverrichtung unverzichtbaren Gegenstandes (zum Beispiel einer
Zahnprothese oder Brille) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, weil der maßgebliche Beweggrund hierfür
der versicherten Tätigkeit entspringt und damit eine rechtlich so wesentliche Verknüpfung mit dieser bildet, dass demgegenüber
das mit der versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängende Bestreben, den Gegenstand auch im privaten Bereich zu benutzen (z.
B. verständlich zu sprechen oder gut zu sehen), als nachrangig und deshalb rechtlich unwesentlich anzusehen ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 1977 – 2 RU 97/75 -, Juris). Die Besonderheit der entschiedenen Fälle bestand darin, dass der Versicherte die vergessenen Gegenstände zwingend
ausschließlich zur Ausübung der versicherten Tätigkeit benötigte, während er sie in seiner persönlichen Sphäre vorübergehend
(bis zum Ende des Arbeitstages) hätte entbehren können, ohne Nachteile zu erleiden. Die Annahme eines inneren Zusammenhangs
bei einer weniger betrieblich bedingten Motivation als bei den genannten Entscheidungen wäre angesichts des Überwiegens des
Eigeninteresses nicht mehr mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung zu vereinbaren (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2004 – B 2 U 35/03 R -, Rn. 21 ff., Juris).
Den im vorliegenden Fall nur sehr losen Bezug der Vorbereitungshandlungen zur betrieblichen Tätigkeit verdeutlicht bereits
die Erwägung, dass es sich hier in gleich dreifacher Hinsicht um eine Vorbereitungshandlung gehandelt hat. Bereitet schon
das Tragen (Einsetzen) von funktionierenden Hörgeräten auf die eigentliche betriebliche Tätigkeit vor, so stellt der Kauf
der Ersatzbatterien wiederum eine Vorbereitung für die Erhaltung der Einsatzfähigkeit und damit das Tragen funktionierender
Hörgeräte dar und der Weg zum Geschäft des Hörgeräteakustikers lediglich die Vorbereitung für den bereits vorbereitenden Kauf
der Ersatzbatterien. Umstände, die ausnahmsweise einen zum Versicherungsschutz führenden engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen
Zusammenhang begründen konnten, waren schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin gegeben, dass
ihr am Vortag des Unfalls während der Spätschicht mittels eines akustischen Signals angezeigt worden sei, die Batterien ihrer
Hörgeräte unerwartet wechseln zu müssen, so dass Ersatzbatterien dann nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten und diese
erst am Vormittag des nächsten Tages wieder hätten besorgt werden können. Die Klägerin war hier zur Aufrechterhaltung ihrer
Arbeitsfähigkeit gerade nicht darauf angewiesen, plötzlich und ohne weiteren Verzug tätig zu werden und für eine Instandhaltung
ihrer Hörgeräte zu sorgen. So konnte sie ihre Spätschicht am Vorabend des Unfalls auch regulär beenden, nachdem sie die von
ihr mitgeführten Ersatzbatterien in die beiden Hörgeräte eingesetzt hatte. Die Beschaffung der neuen Ersatzbatterien hätte
sodann zu jedwedem Zeitpunkt in der Freizeit der Klägerin vor Beginn der nächsten Schicht erfolgen können bzw. hätte sie auch
vorausschauend lückenlose Vorratshaltung betreiben können, um hier zeitlich noch flexibler zu sein. Letztlich handelte es
sich bei dem Kauf der Ersatzbatterien um die turnusmäßig wiederkehrende Instandhaltung eines Hilfsmittels zum Ausgleich einer
Behinderung, der die Klägerin grundsätzlich bei freier Zeitenteilung und ohne jedes Direktionsrecht ihres Arbeitgebers nachkommen
kann. Eine Fallkonstellation, bei der die betreffende Verrichtung während der Dienstzeit bzw. bei der Zurücklegung des Betriebsweges
oder des Weges zum oder vom Ort der Tätigkeit unerwartet notwendig geworden war, um weiterhin die betriebliche Arbeit verrichten
bzw. den Weg zurücklegen zu können, und die geeignet wäre, als Vorbereitungshandlung Unfallversicherungsschutz zu begründen,
lag hier mithin gerade nicht vor.
Nach alledem erscheint eine ausnahmsweise Ausweitung des Versicherungsschutzes auf Vorbereitungshandlungen vorliegend im Ergebnis
nicht gerechtfertigt. Das erstinstanzliche Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber durch die Gestaltung von Neben- oder Zusatzabreden zu einem
Arbeitsvertrag Unfallversicherungsschutz für bestimmte Verrichtungen des Beschäftigten bei der Erfüllung dieser Nebenpflichten
begründen kann, erscheint nicht hinreichend geklärt. Zudem hat das BSG die Frage, wann ein zum Versicherungsschutz führender besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen
einer betrieblich veranlassten Vorbereitungshandlung und einer betrieblichen Tätigkeit angenommen werden kann, in seinem Urteil
vom 07. September 2004 (B 2 U 35/03 R) ausdrücklich teilweise offengelassen (vgl. Rn. 22, zitiert nach Juris).
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