Anfechtungsbefugnis von Innungsverbänden gegen Festbetragsfestsetzungen für Hilfsmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen Festbetragsfestsetzungen, die die Beigeladenen für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 für bestimmte
Produktgruppen im Hilfsmittelbereich vorgenommen haben.
Der Kläger zu 1.) ist eine juristische Person des privaten Rechts im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 80 Satz 1 Handwerksordnung (HwO) für das Orthopädie-Mechaniker- sowie für das Bandagisten-Handwerk. Nach eigenen Angaben repräsentiert er zugelassene Leistungserbringer
für die Abgabe von Hilfsmitteln mit einem Organisationsgrad von mindestens 90% bundesweit, soweit es sich um Sanitätshäuser
mit einer bestimmten Zulassung handelt, und hat für alle Mitgliedsbetriebe bundesweit geltende Verträge nach §
127 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung (alte Fassung - aF) abgeschlossen. Nach § 5 seiner Satzung können neben den Landesinnungsverbänden nach § 79ff HwO auch Handwerksinnungen und selbständige Handwerker die Mitgliedschaft erwerben, soweit sie nicht anderweitig auf Bundesebene
vertreten sind. Zu seinen Aufgaben zählt nach § 3 seiner Satzung unter anderem, die Interessen der beiden o.g. Handwerke wahrzunehmen
und die angeschlossenen Landesinnungsverbände und Handwerksinnungen in der Erfüllung ihrer gesetzlichen und satzungsmäßigen
Aufgabe zu unterstützen. Ferner kann er die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der den angeschlossen Landesinnungsverbänden
und Handwerksinnungen angehörenden Mitglieder fördern (§ 4 der Satzung).
Die Klägerinnen zu 2.) bis 6.), deren Mitglieder ebenfalls zugelassene Leistungserbringer nach §
126 SGB V aF sind, haben nach eigenen Angaben für diese auf Landesebene Verträge mit den Primärkassen über die Versorgung der Versicherten
mit Hilfsmitteln nach §
127 Abs.
1 SGB V in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung geschlossen.
Die Rechtsvorgänger der Beigeladenen haben in ihrer damaligen Funktion als Spitzenverbände der Krankenkassen am 1. Dezember
2004 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 (B Anz. vom 10. Dezember 2004, Nr. 235a) bundesweite Festbeträge unter anderem für
Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie und Stomaartikel beschlossen. Im Kapitel "Festbeträge für
Einlagen" finden sich unter anderem folgende Passagen:
"Die Spitzenverbände der Krankenkassen bestimmen gemäß §
36 Abs.
1 SGB V in Verbindung mit (i.V.m.) §
213 SGB V gemeinsam und einheitlich Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen setzen
auf dieser Basis die nachfolgenden Festbeträge für Einlagen fest. Die Festbeträge treten am 1. Januar 2005 in Kraft und gelten
bundesweit.
Bei den Festbeträgen für Einlagen handelt es sich um Bruttopreise, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden
Höhe enthalten. Eine ggf. notwendige Anpassung wird im Rahmen der nach §
36 i.V.m. §
35 SGB V vorgeschriebenen Überprüfung vorgenommen.
Nach neueren Erkenntnissen ist bei der Abgabe von Kopieeinlagen (08.03.01) ein Gipsabdruck nicht erforderlich. Deshalb werden
die abrechenbaren Zusatzoptionen (08.99.99.0009 und 08.99.99.0010) im Festbetragsgruppensystem gestrichen. Ein Trittspurenabdruck
reicht für die korrekte Erstellung von Kopieeinlagen aus. Die Kosten für den Trittspurabdruck sind in dem Festbetrag enthalten.
Mit dem Festbetrag sind sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen (z. B. die Materialkosten,
der Trittspurabdruck, die Einweisung in die Handhabung der Produkte, ggf. notwendige Nacharbeiten und andere Dienstleistungen)
abgegolten. Die Einlagen haben mindestens den Qualitätsstandards des Hilfsmittelverzeichnisses nach §
128 SGB V i.V.m. §
139 SGB V zu entsprechen."
Bei den Festbeträgen der Positionen 08.03.01 (Kopieeinlagen) bis 08.03.06.0 (Stoßabsorber/Fersenkissen) handelt es sich um
Paarpreise. Die weiteren Festbeträge (08.03.06.1 "herausnehmbarer Verkürzungsausgleich" bis 08.99.99.0010 "Formabdruck aus
eigener Werkstatt") sind als Stückpreise ausgewiesen."
(Unter der Positionsnummer 08.03.01 "Kopieeinlagen (3/4-lang)":)
Bei Ledereinlagen mit Längsgewölbestütze (08.03.01.0) ist eine 3/4 lange Lederdecke im Festbetrag enthalten. Die Zusätze 09.99.99.001
bis 0005 und 0007 bis 0008 sind nach gesonderter ärztlicher Begründung zusätzlich abrechenbar.
Bei Kopieeinlagen aus thermoplastisch verformbaren Kunststoffen (08.03.01.1) sind die Zusätze 08.99.99.0001-0008 nach gesonderter
ärztlicher Begründung zusätzlich abrechenbar.
Bei Leichtmetalleinlagen (08.03.01.2) sind die Zusätze 08.99.99.0001 bis 0008 nach gesonderter ärztlicher Begründung zusätzlich
abrechenbar.
Bei Edelstahleinlagen (08.03.01.3) sind die Zusätze 08.99.99.0001 bis 0008 nach gesonderter ärztlicher Begründung zusätzlich
abrechenbar.
In den Kapiteln, die die anderen o.g. Produktgruppen betreffen, finden sich zum Teil wörtlich übereinstimmende Passagen.
Darüber hinaus enthält das Kapitel "Festbeträge für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie" den folgenden Absatz:
"Die Abgabe von maßgefertigten Kompressionsstrümpfen und -strumpfhosen ist nur möglich, wenn die Versorgung mit einem Serienprodukt
entsprechend der Maßtabelle in der Produktgruppe "Hilfsmittel zur Kompressionstherapie" des Hilfsmittelverzeichnisses aufgrund
abweichender Körpermaße nicht möglich ist. Die Körpermaße sind auf Basis des vorgenannten Maßschemas vollständig bei der Abrechnung
anzugeben.
Mit ihrer Klage vom 10. Januar 2005, mit der alle Kläger sowohl eigene als auch Rechte der von ihnen vertretenen Mitglieder
- im Falle des Klägers zu 1.): einzelne Leistungserbringer einerseits, Innungen bzw. deren Landesverbände andererseits - verfolgen,
machen sie geltend, die Festbetragsfestsetzungen verletzten sie sowie die zugelassenen Sanitätshäuser in ihrem Grundrecht
aus Art.
12 Abs.
1 Grundgesetz (
GG).
Die Festsetzung von Festbeträgen für Einlagen und für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie durch den Beschluss der ehemaligen
Spitzenverbände der Krankenkassen vom 11. Mai 2006 (BAnz. vom 20. Juni 2006, S. 4524-4526) haben die Klägerinnen mit der beim
Sozialgericht Berlin unter dem Az. S 28 KR 1901/06 geführten Klage angegriffen. Dieses Verfahren ruht derzeit.
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2006 (B Anz. vom 17. November 2006, Nr. 216 a) haben die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen
mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 unter anderem für alle o.g. Produktgruppen neue Festbeträge festgesetzt und hierbei die
oben zitierten Passagen weitgehend wiederholt; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 8a bis 8r der Gerichtsakte zum Rechtsstreit
L 9 KR 534/07 verwiesen.
Nachdem die Kläger die Auffassung vertreten haben, durch die beiden zuletzt genannten Festbetragsfestsetzungen habe sich die
Hauptsache erledigt, und demzufolge nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember
2004 beantragt haben, hat das Sozialgericht Berlin (Az.: S 112 KR 244/07) mit Urteil vom 1. August 2007 die Klage als unzulässig
abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Die Festbetragsfestsetzungen vom 11. Mai 2006 und 23. Oktober 2006
seien nicht im Sinne §
96 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, weil sie die ursprünglich angegriffene Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 weder
geändert noch ersetzt hätten. Den Klägern fehle es an einer Anfechtungsbefugnis, weil es aus den Gründen der Entscheidung
des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. November 2004 (Az.: B 3 KR 16/03 R) an einer möglichen Verletzung eigener Rechte mangele. Durch die streitbetroffenen Allgemeinverfügungen würden offensichtlich
weder Abgabepreise geregelt noch Vertragsbedingungen festgeschrieben. Die von den Klägern inkriminierten Texte seien evident
keine Regelungen im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
Gegen dieses ihnen am 9. August 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger vom 30. August 2007 (Az.: L 9 KR 530/07).
Die gegen die Festbetragsfestsetzung vom 23. Oktober 2006 gerichtete Klage (Az.: S 81 KR 3481/06) vom 18. Dezember 2006 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 31. Juli 2007 als unzulässig abgewiesen, da diese Festbetragsfestsetzung
gemäß 96 Abs. 1
SGG als im Rechtsstreit S 112 KR 244/07 bereits angefochten gelte und daher wegen bereits bestehender Rechtshängigkeit nicht
erneut anhängig gemacht werden könne.
Gegen diesen ihnen am 31. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 31. August 2007 ebenfalls Berufung eingelegt
(Az.: L 9 KR 534/07).
Zur Begründung ihrer Berufungen bringen die Kläger vor: Das Urteil des BSG vom 24. November 2004 (Az.: B 3 KR 16/03 R) rechtfertige die Annahme der Unzulässigkeit nicht. Denn die jenem Verfahren zu Grunde liegenden Festbetragsfestsetzungen
hätten keinerlei zusätzliche Regelungen - wie im hiesigen Fall - enthalten. Entgegen der Rechtsauffassung der 112. Kammer
des Sozialgerichts handele es sich im hiesigen Fall um Regelungen mit Außenwirkung für Dritte, die in gesetzeswidriger Weise
getroffen worden seien. Allerdings habe diese Kammer des Sozialgerichts - im Gegensatz zur 81. Kammer in ihrem Gerichtsbescheid
vom 31. Juli 2007 - §
96 SGG zutreffend nicht angewandt. Entgegen der gesetzlichen Ermächtigung seien in den angegriffenen Beschlüssen der Beigeladenen
keine Festbeträge, sondern Abgabepreise festgesetzt worden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut dieser Regelung, da
von Brutto-, Paar- oder Stückpreisen die Rede sei. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Urteil vom 17. Dezember
2002 (Az.: 1 BvL 30/95) die fehlende Grundrechtsbetroffenheit für Leistungserbringer des Hilfsmittelsektors gerade damit begründet, dass keine Kaufpreise
festgesetzt werden dürften. Gemessen an den Kriterien der Preisangabenverordnung vom 18. Oktober 2002 (BGBl. I 4197) seien von den Beigeladenen Preise festgesetzt worden. Bei den entsprechenden Regelungen
handele es sich um Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen nach § 31 Satz 2 SGB X. Denn wenn in einer Festbetragsfestsetzung, die Allgemeinverfügung ist, im Festsetzungsteil eine Definition gegeben werde,
dass die Festbeträge als Preise festgesetzt würden, sei dies eine Regelung im Sinne von § 31 SGB X. In den zahlreichen seinerzeitigen Veröffentlichungen in der Presse sei jeweils immer von Preisen die Rede gewesen. Auch
von Krankenkassenmitarbeitern seien Festbeträge als Festpreise bezeichnet worden und auch so behandelt worden. Solche Preisregelungen
und Regelungen, wonach Festbeträge als Preise anzusehen seien, richteten sich direkt und unmittelbar an Leistungserbringer
und deren vertragsschließende Organisationen als Adressaten. Da Allgemeinverfügungen ohne Begründung veröffentlicht würden,
sei wegen §
37 Abs.
3 und
4 SGB IX davon auszugehen, dass alles, was öffentlich bekannt gemacht worden sei, auch zum verfügenden Teil der Allgemeinverfügung
zähle.
Des weiteren träfen die Festbetragsfestsetzungen zahlreiche Abrechnungsregelungen, die einseitig nicht getroffen werden dürften,
sondern einer Vertragsumsetzung vorbehalten seien. Soweit beispielsweise im Text vor den Festbeträgen geregelt sei, dass bei
der Abgabe von Kopieeinlagen ein Gipsabdruck nicht erforderlich sei, weshalb bestimmte Zusatzoptionen im Festbetragsgruppensystem
gestrichen würden, sei dies eine unzulässige Veränderung des Gruppensystems, welches vor Festsetzung der Festbeträge festzustellen
sei. Soweit ferner für die Erstellung von Kopieeinlagen ein Trittspurabdruck als ausreichend angesehen werde und die Kosten
hierfür im Festbetrag enthalten sein sollen, sei es nicht Aufgabe der Spitzenverbände der Krankenkassen gewesen, in den Festbetragsfestsetzungen
selber Regelungen über die Herstellung einseitig vorzugeben. Im Übrigen ergebe sich aus dem Gruppensystem nicht, dass Kopieeinlagen
einen Trittspurabdruck enthielten. Vielmehr sei in der Produktbeschreibung lediglich zu lesen, welche Bestandteile eine solche
Kopieeinlage habe und bei welchen Indikationen diese Einlage Verwendung finde. Ob ein Formabdruck, der als Zusatzposition
mit einem eigenen Festbetrag versehen sei, für die Herstellung erforderlich sei oder nicht, könne jedenfalls nicht im Festbetragsfestsetzungsteil
(siehe Position 08.99.99.0009/0010) angeordnet und geregelt werden. Wenn in den angegriffenen Beschlüssen der Beigeladenen
geregelt werde, dass sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstünden (Materialkosten, Trittspurabdruck,
Einweisung in die Handhabung der Produkte, ggf. Nacharbeiten und andere Dienstleistungen), abgegolten seien, belege dies deutlich,
dass tatsächlich Verkaufspreise im Sinne von Komplettpreisen und nicht Festbeträge geregelt werden sollten. Darüber hinaus
sei im Gruppensystem von Trittspurabdruck, Einweisung in die Handhabung von Produkten, Nacharbeiten und anderen Dienstleistungen
überhaupt nicht die Rede. Wenn aber diese Dienstleistungen, die nicht einmal näher konkretisiert und bezeichnet worden seien,
im Gruppensystem nicht niedergelegt seien, könnten sie auch nicht mit einem Festbetrag versehen werden.
Nach den angegriffenen Regelungen setze die Abrechnung die Angabe der Körpermaße eines Patienten in vollständiger Form voraus.
Die Vorlage eines Maßschemas bei der Abrechnung sei aber sinnlos, da lediglich durch Inaugenscheinnahme der Verhältnisse bei
einem Patienten entschieden werden könne, ob eine Konfektionsversorgung ausreichend sei oder ob eine Maßversorgung durchgeführt
werden müsse. Es werde insoweit eine - allenfalls vertraglich begründbare - Verpflichtung durch Allgemeinverfügung geschaffen,
die sich ausschließlich an den Leistungserbringer richte, weil der Patient ein Maßschema nicht habe, diesem nicht vorliegen
könne und auch die Abrechnung von ihm nicht eingereicht werde.
Darüber hinaus würden unzulässigerweise auch Verordnungsvoraussetzungen, z.B. bei den Kopieeinlagen (Positionsnummer 08.03.01),
geregelt. Nach §
127 Abs.
1 Satz 2
SGB V seien die Abrechnungsregelungen für Festbeträge ausdrücklich vertraglichen Regelungen vorbehalten. Im übrigen fehle eine
Befugnis der Beigeladenen, eine gesonderte ärztliche Begründung für die "Abrechnung" von Festbeträgen zu verlangen. Denn nach
der damals anzuwendenden Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinie vom 1. Oktober 1992 (Ziffern 8.2 und 8.3) sollte der verordnende
Arzt bei einer Hilfsmittelversorgung nur die Produktart nennen oder eine entsprechende 7-stellige Positionsnummer angeben,
wobei das Einzelprodukt dann durch den Fachhandel nach Maßgabe der mit den Krankenkassen abgeschlossenen Verträge ausgewählt
werden solle. Bezüglich der Festbeträge für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie seien darüber hinaus in rechtswidriger Weise
spezielle Vertragsinhalte vorgegeben worden. Nach der Hilfsmittelrichtlinie sei es Aufgabe des Vertragsarztes, eine Verordnung
nach Maß oder eine Konfektionsverordnung auszusprechen. Grundsätzlich hänge die Frage einer Maßanfertigung von der ärztlichen
Verordnung ab. Insbesondere die Klägerinnen zu 2.) bis 6.) hätten im Vertragsbereich Nordrhein-Westfalen ein dezidierte vertragliche
Regelung abgesprochen, die eine Prüfung der Notwendigkeit einer Maßversorgung vorsehe. In diesem Zusammenhang habe das Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 7. November 2002 (Az.: L 2 KN 66/01 KR) in einem als Musterverfahren geführten Prozess für den Landesvertrag Nordrhein-Westfalen bindend festgestellt, dass eine
Krankenkasse nicht befugt sei, die Abrechnung von der Vorlage einer Maßkarte abhängig zu machen. Indem durch die angegriffenen
Beschlüsse der Beigeladenen neue Vertragsbedingungen als Zuatzanordnung der Festbetragsfestsetzung eingeführt würden, greife
dies unmittelbar in das Vertragsverhältnis der Klägerinnen zu 2.) bis 6.), aber auch in die Berufsausübungsfreiheit der von
diesen Klägerinnen vertretenen Sanitätshäuser in Nordrhein-Westfalen ein. Zwischenzeitlich sei auch durch das Urteil desselben
Gerichts vom 13. Dezember 2007 (Az.: L 2 KN 17/05 KR) gegenüber den Rechtsvorgängern der Beigeladenen zu 5.) und 6.) rechtskräftig festgestellt, dass eine Krankenkasse nicht
berechtigt ist, jede Genehmigung und/oder Abrechnung von vertragsärztlich verordneten Kompressionsstrümpfen oder -strumpfhosen
nach Maß von der Vorlage einer Maßkarte abhängig zu machen.
Auch wenn § 39 Abs. 2 SGB X grundsätzlich auch eine teilweise Aufhebung eines angefochtenen Verwaltungsaktes zulasse, komme im hiesigen Fall nur eine
völlige Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen in Betracht.
Die Kläger beantragen,
1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. August 2007 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli
2007 aufzuheben,
2. festzustellen, dass die Festbetragsfestsetzungen vom 1. Dezember 2004 für Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur
Kompressionstherapie und für Stomaartikel, veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 10. Dezember 2004, Nr. 235 a rechtswidrig
waren,
3. die Festbetragsfestsetzungen vom 23. Oktober 2006 für Inkontinenzhilfen und Stomaartikel, veröffentlicht im Bundesanzeiger
vom 17. November 2006, Beilage Nr. 216 a) aufzuheben und
4. festzustellen, dass die Festbetragsfestsetzungen vom 23. Oktober 2006 für Einlagen und Hilfsmittel zur Kompressionstherapie,
veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 17. November 2006, Beilage Nr. 216 a), rechtswidrig waren,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.
Die Beigeladenen halten das angefochtene Urteil für zutreffend und bringt ergänzend vor: auch die Abrechnungsregelungen für
Hilfsmittel zur Kompressionstherapie dienten der Konkretisierung von Festbeträgen. Im übrigen handele es sich bei den Festsetzungen
zu den für die Abrechnung erforderlichen Angaben um eine wiederholende Verfügung - und somit keinen materiellen Verwaltungsakt
- zu Bestimmungen im Festbetragsgruppensystem vom 26. Mai 1997, welche Bestandteil der noch auf Landesebene vorgenommenen
Festbetragsfestsetzung gewesen seien.
Während des Berufungsverfahrens haben die früheren Spitzenverbände der Krankenkassen
- am 17. September 2007 neue Festbeträge für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie mit Wirkung ab dem 01. Januar 2008,
- am 03. Dezember 2007 neue Festbeträge für Einlagen mit Wirkung ab dem 01. März 2008
beschlossen. Die diesbezügliche Klage ist unter dem Az.: S 73 KR 3215/07 am Sozialgericht Berlin anhängig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 2), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind überwiegend unbegründet. Nur soweit die streitgegenständlichen Beschlüsse der ehemaligen Spitzenverbände
der Krankenkassen für die Abrechnung von Hilfsmitteln zur Kompressionstherapie die Angabe von Körpermaßen auf der Basis eines
Maßschemas verlangen, haben die Klagen Erfolg. Im übrigen hat das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht die teilweise unzulässigen
und teilweise unbegründeten Klagen abgewiesen.
A) Der Senat entscheidet nach der Verbindung beider Rechtsstreite in der mündlichen Verhandlung über die Berufungen der Klägerinnen
gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. August 2007 und über ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Berlin vom 31. Juli 2007. Streitgegenstand ist somit zum einen die Allgemeinverfügung der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen
vom 01. Dezember 2004 hinsichtlich der Festsetzung von Festbeträgen für die Produktgruppen Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel
zur Kompressionstherapie und Stomaartikel und zum anderen die Allgemeinverfügung der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen
hinsichtlich der Festbetragsneufestsetzungen für diese Produktgruppen vom 23. Oktober 2006.
Der Senat entscheidet hingegen nicht über die Festbetragsfestsetzungen vom 11. Mai 2006, 17. September 2007 und 3. Dezember
2007. Hierbei kann offen bleiben, ob §
96 SGG insoweit im vorliegenden Fall überhaupt anwendbar wäre. Allerdings hat der Senat §
96 SGG bei Festbetragsfestsetzungen im Arzneimittelbereich angewandt (vgl. Urteile vom 16. Dezember 2009, Az.: L 9 KR 8/08, und vom 24. Februar 2010, Az.: L 9 KR 351/09, jeweils veröffentlicht in Juris). Von den dortigen Sachverhalten, in denen nur jeweils ein einziger von insgesamt zahlreichen
Festbeträgen je Festbetragsfestsetzung (Allgemeinverfügung) angegriffen wurde, unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit
gleich in mehrfacher Hinsicht: Zum einen haben die Kläger nicht nur einen bestimmten Festbetrag, sondern regelmäßig zahlreiche
Festbeträge ("Festpreise") angegriffen; zum anderen haben sie Textpassagen, die sich auf eine Vielzahl von Hilfsmitteln beziehen,
beanstandet. Schließlich haben die Rechtsvorgänger der Beigeladenen mit den späteren Festbetragsfestsetzungen teilweise auch
die Systematik der Hilfsmittelgruppierungen verändert, ohne dass auf den ersten Blick zu erkennen ist, ob es ich hierbei um
inhaltliche oder bloß formale Änderungen oder gar nur um Schreibfehler handelt. Insbesondere der zuletzt genannte Umstand
hätte bei einer Einbeziehung aller späteren Festbetragsfestsetzungen u.U. dazu führen können, dass der Senat umfangreiche
Beweiserhebungen hätte durchführen müssen, nur um die Voraussetzungen von §
96 SGG prüfen zu können. Die Anwendung von §
96 SGG hätte dann entgegen seiner Zielsetzung keinen Beitrag zur Prozessökonomie (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
Sozialgerichtsgesetz, 9.A., §
96 Rd. 1a m.w.N.) geleistet, sondern zu einer ggf. erheblichen Verfahrenserschwerung geführt. Die Klärung dieser Frage kann
jedoch dahinstehen. Denn die Kläger haben, nachdem der Senat in der mündlichen Verhandlung die aus einer Anwendung von §
96 SGG resultierenden Schwierigkeiten ausführlich mit den Beteiligten erörtert hat, ihre Anträge als Ausdruck ihrer Dispositionsbefugnis
(vgl. aaO. Rd. 11a m.w.N.) ausdrücklich auf die beiden o.g. Festbetragsfestsetzungen beschränkt. Hieran ist der Senat gebunden.
B) Die Berufungen sind infolge eines Parteiwechsels kraft Gesetzes gegen den jetzigen Beklagten, den Spitzenverband Bund der
Krankenkassen, zu richten (vgl. schon Urteile des Senats vom 16. Dezember 2009, Az.: L 9 KR 8/08, und vom 24. Februar 2010, Az.: L 9 KR 104/08 und L 9 KR 351/09, sowie Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2008, L 9 B 192/08 KR ER, alle veröffentlicht in Juris). Dementsprechend hatte der Senat das jeweilige Rubrum umzustellen, die bisherigen Beklagten
sind beigeladen worden. Zuständig für die Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel ist gemäß §
36 Abs.
2 Satz 1
SGB V in der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung i.V.m. §
217 f Abs.
1 SGB V nämlich ausschließlich der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; den Beigeladenen zu 1.) bis 6.) fehlt hierzu seit diesem
Zeitpunkt jegliche Kompetenz. Zwar bleibt die prozessuale Stellung einer beklagten Behörde grundsätzlich unberührt, wenn nach
Erhebung einer Klage eine andere Behörde für den Erlass der streitgegenständlichen Entscheidung zuständig wird. Eine Ausnahme
gilt aber jedenfalls dann, wenn der Zuständigkeitswechsel auf einem Organisationsakt der Verwaltung beruht. Organisationsakte
in diesem Sinne sind - wie im vorliegenden Fall - gesetzliche oder durch die Verwaltung getroffene Maßnahmen, durch die der
bisherige Zuständigkeitsbereich der ursprünglich beklagten Behörde geändert wird (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Oktober
2002, I R 17/01, veröffentlicht in Juris). Prozessuale Folge dieses Wechsels in der Behördenzuständigkeit ist zumindest bei kombinierten
Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ein Parteiwechsel kraft Gesetzes, da mit diesen Klagen in der Regel ein auch in die
Zukunft gerichtetes Begehren verfolgt wird und maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in diesen
Fällen die letzte mündliche Verhandlung ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Juli 2007, B 9/9a SB 2/07 R, veröffentlicht
in Juris). Anderes gilt für (reine) Anfechtungsklagen, da diese allein in die Vergangenheit, nämlich auf den Zeitpunkt des
angefochtene Bescheides, weisen und sich daher grundsätzlich gegen die den Bescheid erlassende Behörde richten (vgl. Bundessozialgericht,
aaO. sowie Urteil vom 5. Juli 2007, B 9/9a SB 2/06 R, veröffentlicht in Juris). Von Letzterem ist jedoch im Falle der Funktionsnachfolge
wiederum eine Ausnahme zu machen, da sie zu einer ersetzenden Zuständigkeitsverlagerung führt, wie der vorliegende Rechtsstreit
anschaulich belegt. Soweit der Gesetzgeber neue Zuständigkeitszuordnungen vornimmt bzw. die Besetzung von kollegial verfassten
Behörden ändert, sind die nunmehr als zuständig bestimmten Behörden in ihrer dem aktuellen Recht entsprechenden Zusammensetzung
für alle Entscheidungen in allen Verfahren aus ihrem sachlichen Aufgabenbereich zuständig, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt
sich die zu prüfenden Umstände abgespielt haben. Soweit keine Übergangsbestimmungen erlassen werden, treten die neu als zuständig
bestimmten Behörden bzw. diese in ihrer neuen Besetzung in vollem Umfang an die Stelle der alten Behörden. Für sämtliche anstehenden
Entscheidungen - unter Einschluss von Nebenentscheidungen zu bereits getroffenen Entscheidungen (z.B. zu den Kosten) - sind
ausschließlich die nunmehr zuständigen Behörden verantwortlich (im Ergebnis ebenso: Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juli
2007, B 12 P 4/06 R, sowie Urteil vom 9. April 2008, B 6 KA 34/07 R, jeweils veröffentlicht in Juris). Weil den Beigeladenen zu 1) bis 6) ab dem 1. Juli 2008 jegliche Kompetenz im Bereicht
der Festbetragsfestsetzung genommen wurde, fehlt ihnen seither jede rechtliche Befugnis, die angegriffene Festbetragsfestsetzung
zu ändern oder aufzuheben; die Abgabe eines prozessualen (Teil-)Anerkenntnisses etwa wäre rechtlich unzulässig. Hierzu ist
nur noch die seit dem 1. Juli 2008 zur Festbetragsfestsetzung gesetzlich ermächtigte Behörde - der Spitzenverband Bund der
Krankenkassen - berechtigt.
C) Die gegen die Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 gerichtete Klage vom 10. Januar 2005 (Az.: S 112 KR 244/07) hat
teilweise Erfolg.
I) Sie ist allerdings nur teilweise zulässig.
1) Statthafte Klageart war zunächst die Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1, 1. Alt.
SGG. Denn die Festsetzung von Festbeträgen stellt einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X in Form einer Allgemeinverfügung (§ 31 Satz 2 SGB X) dar (BSG, Urteil vom 24. November 2004, Az.: B 3 KR 16/03 R). Nachdem der Beschluss der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen vom 1. Dezember 2004 durch die späteren Festbetragsfestsetzungen
hinsichtlich aller Produktgruppen für die aktuelle Versorgung von Versicherten mit Hilfsmittel keine Rechtswirkungen mehr
entfaltet und der Rechtsstreit sich dadurch in der Hauptsache erledigt hat, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage
(§
131 Abs.
3 SGG) statthaft.
Deren Zulässigkeit setzt ein Interesse der Kläger an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes
voraus. Dieses Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich für die hiesigen Kläger aus der Wiederholungsgefahr in Bezug
auf die angegriffenen Passagen des Beschlusses vom 1. Dezember 2004. Einer Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall zu
bejahen, auch wenn sich die Gefahr, dass eine spätere Festbetragsfestsetzung wort- bzw. inhaltsgleiche Passagen enthält, durch
die Allgemeinverfügungen vom 11. Mai 2006, 23. Oktober 2006, 17. September 2007 und 3. Dezember 2007 bereits verwirklicht
hat und ein Kläger für diesen Fall regelmäßig darauf verwiesen werden kann, die spätere Festbetragsfestsetzung mit der Anfechtungsklage
anzugreifen. Die Klägerseite hat allerdings mit Recht darauf hingewiesen, dass in ihrem Fall stets eine neue Festbetragsfestsetzung
erlassen wurde, noch ehe das Sozialgericht über die Anfechtungsklage gegen die frühere Festbetragsfestsetzung entschieden
habe. Da eine Änderung dieses Zustands angesichts der allgemein bekannten außerordentlich hohen Belastung des Sozialgerichts
Berlin nicht abzusehen ist und bei einer Verweisung der Kläger auf die Anfechtungsklage effektiver Rechtsschutz i.S.v. Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) nicht gewährt würde, ist im vorliegenden Rechtsstreit ausnahmsweise die eine Fortsetzungsfeststellungsklage gestattende
Wiederholungsgefahr trotz der Möglichkeit einer Anfechtungsklage anzuerkennen.
Ob auch - wie von den Klägern geltend gemacht - die Vorbereitung einer Amtshaftungsklage ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse
im vorliegenden Fall begründen könnte, kann offen bleiben. Zweifel ergeben sich vor allem aus dem Umstand, dass die Feststellung
der Rechtswidrigkeit in einem durch den gesetzlichen Prozessstandschafter angestrengten Rechtsstreit nicht präjudiziell für
den Schadensersatzprozess der Rechtsträger (hier: der nach §
126 SGB V aF zugelassenen Leistungserbringer) wäre (Keller VersR 06, 1607ff m.w.N.).
2) Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage setzt aber auch voraus, dass die Anfechtungsklage vor Eintritt der
erledigenden Ereignisses zulässig war (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
Sozialgerichtsgesetz, 9.A., §
131 Rd. 9 m.w.N.). Die für die Zulässigkeit von Anfechtungsklagen erforderliche Klagebefugnis nach §
54 Abs. 1. Satz 2
SGG, d.h. die Möglichkeit, in eigenen Rechten verletzt zu sein, besteht nur, soweit die Kläger eigene Rechte geltend machen.
Im vorliegenden Fall ist die Verletzung der Kläger in eigenen Rechten nicht von vornherein ausgeschlossen, auch wenn nach
der Rechtsprechung des BVerfG und BSG Festbetragsfestsetzungen nur in sehr eingeschränktem Maße Rechte von Leistungserbringern
verletzen können.
a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit der Leistungserbringer (Art.
12 GG) ist durch die gesetzliche Einführung von Festbeträgen für Arzneimittel (§
35 SGB V) und Hilfsmittel (§
36 SGB V) nicht tangiert. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2002 (Az.: 1 BvL 28/95, 29/95, 30/95, veröffentlicht u.a. in BVerfGE 106, 275) entschieden, dass Arzneimittelhersteller und Hilfsmittellieferanten in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht berührt
sind, soweit der Gesetzgeber die Kassenverbände in den §§
35 und
36 SGB V zur Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel und Hilfsmittel ermächtigt hat. Damit steht für alle Verfassungsorgane,
Gerichte und Behörden gemäß § 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) fest, dass Festbetragsfestsetzungen als solche die Berufsfreiheit dieser Unternehmen nicht verletzen, weil sie lediglich
die Rahmenbedingungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung betreffen, auf deren unveränderte Beibehaltung kein verfassungsrechtlich
geschützter Anspruch besteht. Die Festbeträge als solche konkretisieren nur, was auch ohne sie schon gilt, nämlich eine Beschränkung
der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf wirtschaftliche Arzneimittel und Hilfsmittel. Die Veröffentlichung
der Festbeträge macht nur transparent, wo aus Wirtschaftlichkeitsgründen die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
für die einzelnen Arzneimittel und Hilfsmittel endet. Wird durch die Transparenzwirkung der Festbeträge auf das Marktverhalten
eines Unternehmens Einfluss genommen, ist dies ein bloßer Reflex auf die Rechtsetzung, nicht aber ein Grundrechtseingriff.
Dies schließt jedoch eine Klagebefugnis z.B. bei wettbewerbsverzerrenden staatlichen Maßnahmen (vgl. BSG, Urteil vom 24. November
2004, Az.: B 3 KR 23/04 R, veröffentlicht in Juris) oder aber dann nicht aus, wenn geltend gemacht wird, ein staatliches Organ habe die Grenzen seinen
gesetzlichen Auftrags überschritten und hierdurch Rechte des Klägers verletzt.
b) Hieran gemessen verfügen die Kläger über die erforderliche Klagebefugnis, soweit sie aus eigenem Recht geltend machen,
bestimmte Inhalte der Festbetragsfestsetzung vom 01. Dezember 2004 verletzten sie in ihrer Vertragsabschlusskompetenz aus
§
127 Abs.
2 SGB V aF. Nach §
127 Abs.
1 Sätze 1 und 2
SGB V aF schlossen die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen mit Wirkung für ihre Mitgliedskassen
über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln und deren Wiedereinsatz sowie über die Preise und deren Abrechnung Verträge
mit Verbänden der Leistungserbringer, soweit Festbeträge noch nicht festgelegt waren oder nicht festgelegt werden konnten.
Zudem regelten die Vertragsparteien nach §
127 Abs.
1 SGB V aF die Abrechnung der Festbeträge. Zu den Verbänden der Leistungserbringer im Sinne dieser Vorschrift zählen sowohl Handwerksinnungen
nach § 52 ff. HwO sowie Landes- und Bundesinnungsverbände. Eine Verletzung der ihnen durch §
127 Abs.
1 SGB V aF zugebilligten Vertragsabschlusskompetenz durch die von ihnen beanstandeten Inhalte der Festbetragsfestsetzung vom 01.
Dezember 2004 erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen. Dies genügt zur Bejahung einer Klagebefugnis.
c) Hingegen scheidet eine Verletzung in eigenen Rechten von vornherein aus, soweit sich die Kläger aus eigenem Recht auf eine
Verletzung von Art.
12 Abs.
1 GG berufen.
aa) Juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und sie in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte
einzubeziehen, ist im Hinblick auf Art.
19 Abs.
3 GG nur dann gerechtfertigt, wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen
ist, insbesondere wenn der "Durchgriff" auf die hinter ihnen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen
lässt. Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei juristischen Personen des Privatrechts
vielfach erfüllt. Demgegenüber sind die materiellen Grundrechte und der zu ihrer Verteidigung geschaffene Rechtsbehelf der
Verfassungsbeschwerde auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, jedenfalls soweit sie öffentliche Aufgaben erfüllen,
nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich nicht anwendbar. Denn die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch juristische
Personen des öffentlichen Rechts vollzieht sich in aller Regel nicht in Wahrnehmung unabgeleiteter, ursprünglicher Freiheiten,
sondern aufgrund von Kompetenzen, die vom positiven Recht zugeordnet und inhaltlich bemessen und begrenzt sind. Die Regelung
dieser Beziehungen und die Entscheidung daraus resultierender Konflikte sind nicht Gegenstand der Grundrechte, weil der unmittelbare
Bezug zum Menschen fehlt.
Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat das BVerfG für solche juristische Personen des öffentlichen Rechts oder ihre Teilgliederungen
anerkannt, die von den ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte
geschützten Lebensbereich zugeordnet sind, wie z.B. Universitäten und Rundfunkanstalten, oder die kraft ihrer Eigenart - wie
z.B. Kirchen - ihm von vornherein zugehören (BVerfGE 68, 193 m.w.N.).
bb) Die klagenden Innungen können sich hiernach gegenüber den von ihnen angegriffenen Festbetragsfestsetzungen nicht auf die
als verletzt gerügten Grundrechte berufen.
Handwerksinnungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht auf Selbstverwaltung (§ 53 HwO) und aufgrund der gesetzlich durch die HwO ihnen zugewiesenen (Pflicht-)Aufgaben einerseits Teil der (im weiteren Sinne) staatlichen Verwaltung; andererseits nehmen
sie die gemeinsamen berufständischen und wirtschaftlichen Interessen der in ihnen zusammengeschlossenen Handwerker wahr. Indem
der Gesetzgeber durch §
127 Abs.
1 und
2 SGB V aF u.a. den Innungen und Innungsverbänden des Orthopädietechniker- und Bandagistenhandwerks die Vertragsabschlußkompetenz
übertragen hat, sind die Innungen Vertragspartner öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen auf Grund staatlicher Kompetenzzuweisung
und nach Maßgabe gesetzlicher Regelung geworden. Diese zusätzliche Aufgabe ist materiell dem Bereich öffentlicher Verwaltung,
also nicht dem Bereich der Interessenvertretung, zuzuordnen. Die von den klagenden Innungen angegriffenen Festbetragsfestsetzungen
betreffen ausschließlich ihren öffentlich-rechtlichen Funktionsbereich.
Die klagenden Innungen erfüllen auch nicht die Voraussetzungen, unter denen juristischen Personen des öffentlichen Rechts
partiell Grundrechtsfähigkeit zukommt. Denn ihre hier in Frage stehende Tätigkeit ist nicht einem durch bestimmte Grundrechte
geschützten Lebensbereich ähnlich wie dem der Wissenschaft oder des Rundfunks (Art.
5 Abs.
1 Satz 2 und Abs.
3 GG) zugeordnet. Die Mitwirkung an Vereinbarungen gemäß §
127 SGB V aF ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Ausübung einer grundrechtlichen Freiheit; sie ist ausschließlich hoheitlicher
Kompetenzvollzug. Hoheitliche Funktionen können aber nicht Gegenstand des Grundrechtsschutzes sein.
cc) Der Kläger zu 1) ist, soweit er durch §
127 Abs.
1 und
2 SGB V aF zum Vertragabschluss im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ermächtigt ist, ebenso wenig Träger von Grundrechten
wie die Innungen.
Ein Bundesinnungsverband ist der freiwillige Zusammenschluss von Landesinnungsverbänden des gleichen Handwerks oder sich fachlich
oder wirtschaftlich nahestehender Handwerke im Bundesgebiet (§ 85 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 HwO). Wie die Handwerksinnungen ist er Teil der staatlich geregelten Organisation des Handwerks und nimmt auf Grund gesetzlicher
Ermächtigung gleiche öffentliche Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wahr wie die Innungen. Deshalb kann
für seine Grundrechtsfähigkeit in diesem Wirkungsbereich nichts anderes gelten als für die Innungen. Die Organisation der
Innungsverbände als juristische Person des Privatrechts vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
3) Die Geltendmachung fremder Rechte durch die Kläger ist nur im Rahmen einer gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft
möglich. Deren Voraussetzungen liegen nur vor, soweit die Klägerinnen zu 2) bis 6) die Rechte der ihnen angehörenden zugelassenen
Leistungserbringer verfolgen.
a) Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24. November 2004, Az.: B 3 KR 16/03 R, veröffentlicht in Juris) haben die Handwerksinnungen u.a. die Aufgabe, die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder
zu fördern (§ 54 Abs 1 Satz 1 HwO), und sind daher berechtigt, diese Interessen auch im gerichtlichen Verfahren im Wege der (gesetzlichen) Prozessstandschaft
zu verfolgen. Sie können neben ihren eigenen subjektiven Rechten auch die subjektiven Rechte ihrer Mitglieder, also der als
Hilfsmittelerbringer zugelassenen natürlichen und juristischen Personen (§
126 SGB V), im Wege einer Anfechtungs- und einer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt geltend machen.
Danach sind die Kläger zu 2) bis 6) aufgrund gesetzlicher Prozessstandschaft berechtigt, die aus Art.
12 GG ableitbaren Rechte ihrer nach §
126 SGB V aF zugelassenen Mitgliedsbetriebe in den hiesigen Verfahren geltend zu machen.
b) Dieses Ergebnis kann allerdings auf eine Prozessstandschaft durch Landesinnungsverbände bzw. einen Bundesinnungsverband
nicht übertragen werden. Denn die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der den Handwerksinnungen angehörenden
Mitglieder ist diesen Verbänden nach § 82 Satz 1 HwO bzw. § 85 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 82 Satz 1 HwO nur als fakultative Aufgabe übertragen, sodass eine gesetzliche Prozessstandschaft ausscheidet. Eine gewillkürte Prozessstandschaft
wird zwar nach allgemeiner Auffassung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
Sozialgerichtsgesetz, 9.A., §
54 Rd. 11a; Böttiger, in: Breitkreuz/Fichte
Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, §
54 Rd. 54, jeweils m.w.N.) auch im sozialgerichtlichen Verfahren zur zulässig erachtet. Voraussetzung ist jedoch u.a., dass
der Kläger durch Rechtsgeschäft ermächtigt wird, fremde Rechte im eigenen Namen geltend zu machen (Böttiger aaO.). Hieran
fehlt es (bislang) im vorliegenden Fall. Eine von jedem jeweiligen Verbandsmitglied abgegebene, auf einen konkreten Rechtsstreit
bezogene Erklärung ist von der Klägerseite weder behauptet noch nachgewiesen worden. Offen bleiben kann damit, ob die Kläger
auch über das stets zusätzlich erforderliche eigene Rechtsschutzinteresse (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO.) verfügen.
II) Die Klage vom 10. Januar 2005 ist weitgehend unbegründet, denn die Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 ist nur
insoweit rechtswidrig, als sie die Abrechenbarkeit maßangefertigter Hilfsmittel zur Kompressionstherapie von der Angabe der
Körpermaße des Versicherten auf Basis eines Maßschemas oder einer Maßtabelle abhängig macht (hierzu unter 5). Im übrigen (hierzu
unter 1 bis 4) erweist sich dieser Beschluss als rechtmäßig; die hierauf bezogenen Einwände der Kläger sind unzutreffend.
Bezüglich dieser Punkte bedarf es keiner Entscheidung, ob die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen eine Regelung i.S.v.
§ 31 SGB X getroffen haben. Denn diese möglichen Regelungen sind in der Sache nicht zu beanstanden.
1) Entgegen der klägerischen Auffassung haben die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen in ihrem Beschluss vom 01.
Dezember 2004 keine Abgabehöchstpreise, sondern lediglich Festbeträge im Sinne von §
36 Abs.
2 SGB V aF festgesetzt.
Nach §
33 Abs.
2 Sätze 1 und 2
SGB V aF trug die Krankenkasse die Kosten eines Hilfsmittels, für das ein Festbetrag nach §
36 SGB V festgesetzt war, bis zur Höhe dieses Betrages, während sie für andere Hilfsmittel die jeweils vertraglich vereinbarten Preise
gemäß §
127 Abs.
1 Satz 1
SGB V aF übernahm; mit dem Festbetrag erfüllte die Krankenkasse in diesen Fällen ihre Leistungspflicht (§
12 Abs.
2 SGB V). Nach §
36 Absätze 1 und 2
SGB V aF bestimmten die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt
wurden (sog. Festbetragsgruppen). Des Weiteren setzten sie gemeinsam und einheitlich erstmals bis zum 31. Dezember 2004 für
die nach Abs. 1 bestimmten Hilfsmittel einheitliche Festbeträge fest (§
36 Abs.
2 Satz 1
SGB V aF).
Diesem gesetzlichen Auftrag sind die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen mit ihrem Beschluss vom 01. Dezember 2004
nachgekommen. Insbesondere haben sie sich auf die Festsetzung von Festbeträgen beschränkt und keine allgemeinen Abgabehöchstpreise
bestimmt. Zwar haben sie vereinzelt die Begriffe "Bruttopreise", "Paarpreise" und "Stückpreise" verwendet. Dies allein führt
jedoch entgegen der klägerischen Auffassung nicht zur Regelung allgemeiner Abgabehöchstpreise, wie eine Auslegung des Beschlusses
vom 01. Dezember 2004 ergibt. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes - auch in der Form einer Allgemeinverfügung nach § 31 Satz 2 SGB X - richtet sich nach den für Willenserklärung maßgebenden Auslegungsgrundsätzen. Maßgeblich ist hierbei der Empfängerhorizont
eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar
in die Entscheidung einbezogen hat (Krasney, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 31 SGB X, RdNr. 11 m.w.N.). Eine hieran orientierte Auslegung hat im vorliegenden Fall daher zu berücksichtigen, dass die ehemaligen
Spitzenverbände der Krankenkassen nicht nur ganz überwiegend den Begriff "Festbetrag" anstelle von "Preis" verwandten, sondern
nach ihrer einleitenden Bemerkung mit ihrem Beschluss ausdrücklich die Umsetzung der ihnen in §
36 SGB V aF auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen, d.h. die Festsetzung von Festbeträgen, beabsichtigten. Es ist abgesehen von
der dreimaligen Verwendung des Begriffs "Preis" in keiner Weise erkennbar, dass die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen
mit ihrem Beschluss vom 01. Dezember 2004 über die ihnen gesetzlich übertragene Aufgabe hinaus allgemeine Abgabehöchstpreise
festlegen wollten, die nicht nur den Umfang des Sachleistungsanspruchs gesetzlich Krankenversicherter gegenüber ihrer Krankenkasse
begrenzen, sondern - weit darüber hinausgehend - im Sinne einer staatlichen Gebührenordnung, wie z.B. der für Rechtsanwälte
oder Ärzte, einen Höchstpreis für alle Fälle bestimmen wollten, in denen zugelassene Leistungserbringer Hilfsmittel an Käufer
aller Art, z. B. auch Privat- oder Nichtversicherte, abgeben.
2) Die Spitzenverbände der Krankenkassen waren auch befugt, im Rahmen der Festbetragsfestsetzung Regelungen zu treffen, welche
sächlichen und Dienstleistungen mit dem Festbetrag abgegolten seien sollten.
Im Rahmen der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln durch nach §
126 SGB V aF zugelassene Leistungserbringer ist vielfach nicht nur die bloße Übereignung eines Hilfsmittels erforderlich, sondern es
sind auch vorbereitende, begleitende und nachgehende Dienstleistungen unerlässlich, die ihrerseits mit Materialverbrauch und
somit zusätzlichen Sachkosten verbunden sind. Beispielhaft sei für die hier einschlägigen Produktgruppen auf die Anfertigung
eines Fußabdrucks für die Herstellung einer Einlage, auf die Einweisung in die Handhabung und Pflege eines Kompressionsstrumpfes
sowie die ggf. nachträglich erforderliche Anpassung eines maßgefertigten Hilfsmittels verwiesen. Bei der Festsetzung von Festbeträgen
für Hilfsmittel ist daher zwangsläufig eine Regelung erforderlich, welche der erforderlichen Begleitleistungen vom Festbetrag
mit umfasst sein und den Sachleistungsanspruch des Versicherten begrenzen soll. Die Einbeziehung solcher Begleitleistungen
ist originärer Bestandteil einer Festbetragsfestsetzung (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juni 1995, Az. 3 RK 23/94 - Vorlagebeschluss -, veröffentlicht in juris). Die Kosten für die Anfertigung eines Trittspurabdruckes, für die Einweisung
in die Handhabung von Hilfsmitteln oder für bestimmte Hilfsmittelzusätze (z.B. integrierte Filter bei geschlossenen Beuteln
und Stoma-Kappen) sind demzufolge nicht unzulässig, sondern erforderlicher Bestandteil einer Festbetragsfestsetzung im Hilfsmittelbereich.
3) Es verstößt auch nicht gegen geltendes Recht, dass nach dem Beschluss vom 01. Dezember 2004 bei der Abgabe von Kopieeinlagen
(Positionsnummer 08.03.01) anstelle eines Gipsabdruckes ein Trittspurabdruck für erforderlich gehalten wird.
Diese Regelung ist Ausprägung des das gesamte Recht der gesetzlichen Krankenversicherung prägenden Wirtschaftlichkeitsgebot
(§
2 Abs.
4, §
12 SGB V), wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des notwendigen nicht überschreiten
dürfen. Die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen haben durch die o.g. Passage darauf hingewiesen, dass die mit der
Herstellung eines Gipsabdrucks zur Anfertigung einer Kopieeinlage verbundenen Kosten nicht erforderlich und somit unwirtschaftlich
sind. Auch eine solche Regelung ist im Zusammenhang mit der Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel zulässig, da sie
den von einer Festbetragsfestsetzung in erster Linie betroffenen Versicherten vor Augen führt, dass sie, wenn sie die Herstellung
einer Kopieeinlage auf der Grundlage eines Gipsabdruckes wünschen, die hierfür erforderlichen Mehrkosten im Vergleich zu einer
Kopieeinlage auf der Grundlage eines Trittspurabdrucks selbst zu tragen haben. Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass es grundsätzlich
ihnen überlassen bleibt, in welcher Weise sie ein Hilfsmittel anfertigen. Gibt es jedoch bezüglich Herstellungsablauf und
verwendetem Material mehrere Möglichkeiten zur Anfertigung eines Hilfsmittels und finden die unterschiedlich hohen Herstellungskosten
Ausdruck in unterschiedlich hohen Abgabepreisen der Leistungser-bringer, darf im Rahmen einer Festbetragsfestsetzung auch
geregelt werden, dass bestimmt Herstellungswege dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entsprechen und daher von einem Festbetrag
nicht umfasst sind. Dementsprechend sahen die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V erlassenen Hilfsmittel-Richtlinien (Himi-RL) in ihren bis zum 6. Februar 2009 geltenden Fassungen (aF) in Ziffer 14 jeweils
vor, dass "von gleichartig wirkenden Hilfsmitteln [...] im Rahmen der Indikationsstellung das nach Art und Umfang dem Gebot
der Wirtschaftlichkeit entsprechende zu verordnen" sei.
4) Rechtmäßig ist der Beschluss vom 01. Dezember 2004 auch insoweit, als er die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen von
einer gesonderten ärztlichen Verordnung abhängig machte. Denn insoweit wird lediglich Ziff. 25 Himi-RL aF umgesetzt, welche
folgende Bestimmungen enthielt:
"In der Verordnung ist das Hilfsmittel so eindeutig wie möglich zu bezeichnen, ferner sind alle für die individuelle Versorgung
oder Therapie erforderlichen Einzelangaben zu machen. Der Kassenarzt soll deshalb unter Nennung der Diagnose und des Datums
insbesondere angeben:
25.4 bei Hilfsmitteln
- Anzahl
- Bezeichnung des Hilfsmittels nach Maßgabe der Arztinformation (s. Nr. 8.2)
- Art der Herstellung (Konfektion, Maßkonfektion, Anfertigung nach Maß).
Hinweise (z. B. über Zweckbestimmung, Material, Abmessungen), die eine funktionsgerechte Anfertigung, Zurichtung oder Abänderung
durch den Lieferanten gewährleisten. Ggf. sind die notwendigen Angaben der Verordnung gesondert beizufügen."
Die Festbetragsfestsetzung traf demzufolge insoweit keine eigenständige Regelung, sondern machte ihre Adressaten lediglich
darauf aufmerksam, dass für bestimmt Zusätze oder Zusatzleistungen eine ausdrückliche ärztliche Verordnung erforderlich war.
5) Vom gesetzlichen Auftrag in §
36 SGB V aF nicht mehr abgedeckt und somit rechtswidrig war es jedoch, dass die Abrechenbarkeit maßangefertigter Hilfsmittel zur Kompressionstherapie
von der Angabe der Körpermaße des Versicherten auf der Basis eines Maßschemas oder einer Maßtabelle abhängig gemacht wurde.
Ein Zusammenhang mit der Höhe eines Festbetrages bzw. der von einem Festbetrag umfassten Leistungen im Einzelnen ist insoweit
nicht mehr erkennbar. Die Frage, welche Angaben eine Krankenkasse von einem Leistungserbringer benötigt, um dessen Vergütungsantrag
entsprechen zu können, betraf - entgegen der Darstellung der Beklagtenseite - nicht "die Konkretisierung des jeweiligen Festbetrages",
sondern war typischerweise Gegenstand der Verträge nach §
127 Abs.
1 SGB V aF. Satz 2 dieser Vorschrift sah daher ausdrücklich vor, dass die Vertragspartner nach Satz 1, d.h. die Landesverbände der
Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen einerseits sowie die Verbände der Leistungserbringer andererseits, "die Abrechnung
der Festbeträge" regeln. Das ist systemkonform, denn diese Frage tangiert den Sachleistungsanspruch des Versicherten gegenüber
seiner Krankenkasse und dessen Begrenzung durch einen Festbetrag in keiner Weise.
Irrelevant ist demgegenüber, ob diese Abrechnungsbestimmungen schon in früheren Festbetragsgruppensystemen enthalten waren.
Zum einen war die erstmalig zum 31. Dezember 2004 zu erfolgende Festsetzung von Festbeträgen durch die ehemaligen Spitzenverbände
der Krankenkassen keine bloße Fortschreibung der bisher auf Landesebene geltenden Festbeträge, da die Neuregelung die Vereinheitlichung
der Festbeträge auf Bundesebene zur Schaffung höherer Transparenz beabsichtigte. Auch wenn die Festbeträge auf Landesebene
bis zur Festsetzung von Festbeträgen auf Bundesebene fortgelten sollten, stellten letztere doch eine völlige Neuregelung dar.
Zum anderen sind die Kläger nicht wegen der Hinnahme früherer gleichlautender Regelungen mit irgendwelchen Einwänden präkludiert.
Auf eine nach Auffassung der Krankenkassen gleichlautende Textpassage im Festbetragsgruppensystem kann es schon deshalb nicht
ankommen, weil dieses - soweit ersichtlich - nicht gesondert veröffentlicht wurde; als mögliche Regelung i.S.v. § 31 SGB X wurde es entgegen § 37 SGB X nicht bekannt gegeben und konnte daher keine gesonderte rechtliche Wirkung entfalten.
Die o.g. Abrechnungsbestimmung stellt eine Regelung mit Außenwirkung für Dritte i.S.v. § 31 SGB X dar. Durch den Verstoß gegen §
127 Abs.
1 SGB V aF werden alle Kläger in eigenen Rechten verletzt.
D) Die gegen die Festbetragsfestsetzung vom 23. Oktober 2006 gerichtete Klage vom 18. Dezember 2006 hat ebenfalls nur teilweise
Erfolg.
I) Soweit sich die Klage gegen die Festbetragsfestsetzungen für Inkontinenzhilfen und Stomaartikel wendet, bleibt sie ohne
Erfolg.
1) Statthafte Klageart ist insoweit die Anfechtungsklage. Denn bezüglich dieser beiden Hilfsmittelgruppen gelten die am 23.
Oktober 2006 festgesetzten Festbeträge bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat fort. Diese Anfechtungsklage ist mit den
unter C) I) 2) und 3) genannten Einschränkungen zulässig, d.h. nur sofern einerseits die Kläger eine Verletzung ihrer aus
§
127 SGB V aF herrührenden Vertragsabschlusskompetenz als eigenes Recht und sofern andererseits die Kläger zu 2.) bis 6.) aufgrund gesetzlicher
Prozessstandschaft die aus Art.
12 GG ableitbaren Rechte ihrer nach §
126 SGB V aF zugelassenen Mitgliedsbetriebe geltend machen.
2) Die Anfechtungsklage ist allerdings in vollem Umfang unbegründet. Insofern kann grundsätzlich auf die Ausführungen des
Senats unter C) II) verwiesen werden. Abweichend von der Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 haben die ehemaligen
Spitzenverbände der Krankenkassen in den allgemeinen Erläuterungen auf die Verwendung des Wortteils "preis" fast durchgängig
verzichtet. Von einer Festsetzung von Festpreisen kann demzufolge erst recht keine Rede sein.
II) Im Übrigen richtet sich die Klage gegen die Festsetzung von Einlage bzw. Hilfsmitteln zur Kompressionstherapie.
1) Im Hinblick auf diese (Teil-)Streitgegenstände ist auch sie im selben Umfang, wie für die Klage vom 10. Januar 2005 unter
C) I) 2) und 3) ausgeführt, zulässig, Insoweit ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Denn bezüglich
der Einlagen und der Hilfsmittel zur Kompressionstherapie entfaltet der Beschluss vom 23. Oktober 2006 für die aktuelle Versorgung
von Versicherten keine rechtlichen Wirkungen mehr.
2) Auch die Klage vom 18. Dezember 2006 ist nur insoweit begründet, als sich die Kläger gegen die die Angabe von Körpermaßen
der Versicherten betreffende Abrechnungsbestimmung für Hilfsmittel zur Kompressionstherapie wenden. Insoweit kann grundsätzlich
auf die Ausführungen des Senats unter C) II) verwiesen werden.
Abweichend von der Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 haben die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen - wie
bereits erwähnt - in den allgemeinen Erläuterungen auf die Verwendung des Wortteils "preis" fast durchgängig verzichtet. Lediglich
in den allgemeinen Erläuterungen zu Hilfen zur Kompressionstherapie ist an einer Stelle (im 3. Absatz) noch von "Bruttopreisen"
die Rede. Dennoch kann auch hier von einer Festsetzung von Festpreisen nicht die Rede sein.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nach §
160 Abs.
2 SGG nicht ersichtlich sind.