Gründe:
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) wendet sich gegen die Entziehung zuvor bewilligter
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit Wirkung zum 01.12.2010.
Der Antragsteller stand bereits seit dem Jahr 2005 bis 31.07.2008 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Antragsgegner
und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner). Im Sommer 2008 erhielt der Antragsteller aus dem Verkauf eines Hausgrundstücks
durch seine geschiedene Frau einen Geldbetrag, dessen Höhe der Antragsgegner aufgrund eines anonymen Hinweises mit ca. 70.000,00
EUR vermutet. Der Versuch, vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, welcher mit der Abwicklung betraut war, Auskunft
über den Verkaufserlös zu erhalten, blieb erfolglos (SächsLSG, Urteil vom 25.03.2010 - L 2 AS 391/09).
Auf seinen neuen Antrag vom 29.03.2010 hin bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig mit Bescheid vom 07.06.2010
Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum April bis September 2010. Es sei ein Nachweis vorzulegen, aus dem der Zufluss
des Verkaufserlöses aus der Hausveräußerung ersichtlich sei.
Bei Antragstellung hatte der Antragsteller angegeben, lediglich über Vermögen in Höhe von 7.500,00 EUR sowie einen PKW Baujahr
1993 zu verfügen. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 30.08.2010 hin bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 24.09.2010
Leistungen für den Zeitraum 01.10.2010 bis 28.02.2011. Die Bewilligung erfolgte wiederum vorläufig. Es sei ein Nachweis vorzulegen,
aus dem der Zufluss des Verkaufserlöses aus der Hausveräußerung ersichtlich sei. Der Nachweis sei bis spätestens 10.10.2010
vorzulegen. Die Mitwirkungspflicht ergebe sich aus §
60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I). Sollte der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht vollumfänglich nachkommen, könnten die Leistungen entzogen werden,
§
66 SGB I.
Mit Versagungs-/Entziehungsbescheid vom 23.11.2010 verfügte der Antragsgegner, die o.a. Leistungen würden ab 01.12.2010 ganz
entzogen. Die Nachweise über den Zufluss des anteiligen Verkaufserlöses, die für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen
zwingend benötigt würden, seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vollständig vorgelegt worden. Dadurch sei der
Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert.
Über den dagegen eingelegten Widerspruch vom 07.12.2010 hat der Antragsgegner nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Am 07.12.2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Dresden (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und dabei angegeben, er verfüge nur noch über 650,00 EUR. Das SG hat das Begehren sachgemäß als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.11.2010
ausgelegt und mit der Begründung abgewiesen, der Bescheid des Antragsgegners vom 23.11.2010 erweise sich nach Aktenlage als
rechtmäßig, da der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Nur durch die Angabe, wie viel Geld im
Jahre 2008 nach der Hausveräußerung durch die Ex-Frau an ihn geflossen sei und durch substantiierten Vortrag, wann dieses
Geld für welche Zwecke im Einzelnen verbraucht worden sei, könne der Antragsgegner die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers
beurteilen. Pauschale Behauptungen reichten hierfür nicht aus.
Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 20.12.2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.12.2010 eingegangene
Beschwerde, mit welcher der Antragsteller seinen eidesstattlich versicherten Vortrag wiederholt und vertieft. Das Haus, das
veräußert wurde, habe der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers gehört. Diese habe es im Jahre 2008 veräußert. Da der Antragsteller
einen vertraglichen Anspruch auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch zur Sicherung eines Rückauflassungsanspruches
gehabt habe, habe die Ehefrau dem Antragsteller das Recht vor Veräußerung des Hausgrundstückes abgekauft. Die Geldzahlung
habe er zur Schuldentilgung verwandt. Die Zahlung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem keine Leistungen beantragt waren
oder gewährt worden seien. In den Besitz des Geldes sei er nicht gekommen. Eine Verfügungsbefugnis hierüber habe er nicht
erlangt. Seit Juli 2010 sei der Betrag verbraucht.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 17.12.2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 07.12.2010
gegen den Versagungs- und Entziehungsbescheid vom 23.11.2010 festzustellen, hilfsweise anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses des SG. Auch unter Berücksichtigung des Hinweises des Senats vom 18.01.2011, wonach von der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gegen den Versagungs-/Entziehungsbescheid auszugehen sei, werde daran festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten
Behördenvorgänge des Antragsgegners.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Widerspruch des Antragstellers vom 07.12.2010 gegen den Versagungs-/Entziehungsbescheid des Antragsgegners vom 23.11.2010
hat aufschiebende Wirkung, da keiner der Ausnahmefälle des §
86a Abs.
2 SGG gegeben ist. Insbesondere liegt nicht, wie der Antragsgegner offenbar meint, der Fall des §
86a Abs.
2 Nr.
4 SGG vor, wonach die aufschiebende Wirkung in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen entfällt. Denn § 39 Nr. 1 SGB
II (in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008,
BGBl. I, Seite 2917) ist nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage lediglich gegen Verwaltungsakte, die
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder herabsetzen oder Leistungen zur Eingliederung
in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regeln, keine aufschiebende Wirkung.
Die Versagung oder Entziehung von Leistungen nach §
66 SGB I wird mithin von den in §
39 Nr. 1 SGB II bezüglich einer Leistungsverweigerung abschließend aufgeführten Fallvarianten nach dem eindeutigen Wortlaut
der Norm nicht erfasst (vgl. auch Groth in GK-SGB II, § 39 RdNr. 25, Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 RdNr. 75,
ferner Coseriu/Holzhey in Linhart/Adolph, SGB II, § 39 RdNr. 10). Die Vorschrift stellt eine Beschränkung des Rechtsschutzes
dar und darf daher nicht erweiternd ausgelegt werden (Conradis in LPK, SGB II, §
39 RdNr. 11). Bei der Versagung und Entziehung nach §
66 SGB I handelt es sich auch um etwas grundsätzlich anderes als die in §
39 Nr. 1 SGB II angesprochenen Fallgestaltungen, denn im Unterschied zu den dort angesprochenen Alternativen wird in einem Verfahren
nach §
66 SGB I über die Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen gerade nicht entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.1986, 7 RAR 91/84,
Bundesverwaltungsgericht, BVerwGE 71, 8, 10 f., LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2010 - L 7 AS 304/10 ER-B).
Da der Antragsgegner die aufschiebende Wirkung des rechtzeitig eingelegten Widerspruchs des Antragstellers missachtet und
seit 01.12.2010 die mit Bescheid vom 24.09.2010 für den aktuellen Bewilligungszeitraum Oktober 2010 bis Februar 2011 bewilligten
Leistungen nicht auszahlt, hält es der Senat in entsprechender Anwendung des §
86b Abs.
1 SGG für geboten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs festzustellen (vgl. hierzu SächsLSG, Beschluss vom 03.07.2009 - L
7 B 243/08 AY-ER, RdNr. 20, 21 m.w.N. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.07.2004, L 13 RJ 2467/04 ER-B, Beschluss vom 08.04.2010 - L 7 AS 304/10 ER-B, Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, §
86b RdNr. 15
SGG, 9. Aufl. 2008).
Dabei geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner sich entsprechend seiner sich aus Artikel
20 Abs.
3 Grundgesetz ergebenden Bindung an Gesetz und Recht verhalten wird und unter Beachtung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs die
Auszahlung der Leistungen für Dezember 2010, Januar 2011 und demnächst Februar 2011 vornehmen wird, so dass es keiner einstweiligen
Anordnung nach §
86b Abs.
1 Satz 2
SGG bedarf.
Selbst für den Fall, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hätte, wäre vorliegend im Übrigen die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung durch den Senat gemäß §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG erfolgt. Denn es spricht Überwiegendes für die Rechtswidrigkeit des Versagungs-/Entziehungsbescheides vom 23.11.2010, weil
die Tatbestandsvoraussetzungen des §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I nicht vorliegen. Soweit der Antragsgegner vom Antragsteller gemäß §
60 Abs.
1 Nr.
1 SGB I verlangt hat, Nachweise über den Zufluss seines anteiligen Verkaufserlöses für das Grundstück Z St 26 in P vorzulegen, handelt
es sich dabei um keine Tatsache, die für die Leistung erheblich ist. Denn erheblich für den Leistungsanspruch des Antragstellers
nach dem SGB II sind dessen aktuelle Vermögensverhältnisse und nicht die Vermögensverhältnisse, die möglicherweise vor zwei
Jahren bestanden haben. Seine aktuellen Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller im Leistungsantrag vom 29.03.2010 erklärt.
Solange der Antragsgegner keine greifbaren Anhaltspunkte dafür hat, dass diese aktuell erklärten Vermögensverhältnisse nicht
den Tatsachen entsprechen, handelt es sich bei der streitigen Mitwirkungsverpflichtung um eine solche, die gemäß §
65 Abs.
1 Nr.
1 SGB I nicht besteht, weil ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung steht.
Mangels Bestehen dieser konkreten Mitwirkungsverpflichtung kann die Versagung/Entziehung nach §
66 Abs.
1 SGB I auch nicht auf eine Verletzung dieser Mitwirkungspflicht gestützt werden, weshalb der Bescheid rechtswidrig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Diese Entscheidung ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.