Sanktionierung des Grundsicherungsberechtigten bei Verweigerung einer zumutbaren Eingliederungsmaßnahme in Arbeit bzw. bei
Verletzung der in einem Eingliederungsverwaltungsakt festgelegten Pflichten
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Leistungsminderungen und deren Umsetzung.
Der 1956 geborene, im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Am 14. Januar 2016 erließ der Beklagte einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt mit Geltungszeitraum
vom 14. Januar 2016 bis zum 13. Juli 2016 „soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt wird“. In diesem war die Teilnahme
des Klägers an einer Eingliederungsmaßnahme bei der B. GmbH (im Folgenden: B.) im Zeitraum vom 3. Februar 2016 bis zum 2.
August 2016 vorgesehen. Mit Schreiben vom 5. Februar 2016 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erstattung seiner Fahrkosten
zur Auftaktveranstaltung bei der B. und schilderte, dass die B. nur eine gesammelte Erstattung mehrerer Fahrscheine vornehmen
wolle und nicht von Einzelfahrscheinen. Er sei jedoch nicht in der Lage, die Fahrkosten zur Maßnahme zu verauslagen, seiner
Auffassung nach müssten die Kosten vom Beklagten oder der B. im Voraus erstattet werden. Aus diesen Gründen verweigere er
die weitere Teilnahme an der Maßnahme. Am 18. März 2016 erließ der Beklagte einen Sanktionsbescheid, mit dem er für den Zeitraum
vom 1. April 2016 bis zum 30. Juni 2016 eine Minderung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengelds II (Alg II) um 30 %, d.h.
121,20 Euro monatlich, feststellte. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten aus der Eingliederungsvereinbarung vom 14.
Januar 2016 verletzt, indem er am 5., 12. und 19. Februar 2016 der Maßnahme der B. ohne Angabe von Gründen ferngeblieben sei.
Ein Antrag des Klägers zum Sozialgericht Hamburg auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid
(S 57 AS 1173/16 ER) blieb erfolglos (Beschluss vom 12. April 2016). Der Widerspruch des Klägers gegen den Sanktionsbescheid vom 18. März
2016 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wies der Beklagte unter anderem darauf
hin, dass der Träger B. dem Kläger durchaus angeboten habe, Fahrkosten jeweils für den nächsten Tag im Voraus zu gewähren.
Mit Bescheid vom 12. April 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 31.
Oktober 2016, wobei er die Minderung aus dem Bescheid vom 18. März 2016 berücksichtigte.
Mit Schreiben vom 20. April 2016 kündigte der Beklagte den Eingliederungsbescheid vom 14. Januar 2016 mit Wirkung zum 26.
April 2016. Nachdem eine Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten erneut nicht zustande gekommen war,
erließ der Beklagte am 26. April 2016 wiederum einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt, der für den
Zeitraum vom 26. April 2016 bis zum 21. November 2016 gelten sollte. Zur Unterstützung des Klägers bei dessen Bewerbungsaktivitäten
verpflichtete der Beklagte sich danach, die B. für den Zeitraum vom 11. Mai 2016 bis zum 10. November 2016 einzuschalten.
Als Bemühungen des Klägers war u.a. die „interessierte und motivierte Teilnahme an der Vermittlung durch den beauftragten
Dritten B. GmbH“ vorgesehen, was näher spezifiziert wurde. Die Rechtsfolgenbelehrung des Eingliederungsverwaltungsaktes lautete
wie folgt:
„Die §§ 31 bis 31b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sehen bei Verstößen gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten Leistungsminderungen vor. Das Arbeitslosengeld
II kann danach – auch mehrfach hintereinander – gemindert werden, oder vollständig entfallen.
Bei einem erstmaligen Verstoß gegen die vereinbarten Eingliederungsvereinbarungen wird das Arbeitslosengeld II um einen Betrag
in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II gemindert. Bei einem wiederholten Pflichtverstoß wird das Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 60 % des maßgebenden
Regelbedarfs gemindert, bei weiteren wiederholten Pflichtverstößen entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig.
Ihr Arbeitslosengeld II wurde bereits einmal aufgrund eines Pflichtenverstoßes gemindert (vgl. Bescheid vom 18.03.2016). Ein
wiederholter Pflichtverstoß (Verstoß gegen eine der unter Nr. 2 mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen) wird daher
eine Minderung des Ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes II um einen Betrag in Höhe von 60 % des für Sie maßgebenden Regelbedarfs
zur Folge haben. Die Kosten für die Unterkunft und Heizung werden dann in der Regel direkt an Ihren Vermieter oder einen sonstigen
Empfangsberechtigten gezahlt.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass weitere wiederholte Pflichtverstößen [sic] den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes
II zur Folge haben.
Die Minderung dauert drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnt mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides.
Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe).
Ein wiederholter Pflichtverstoß liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr
zurückliegt (Ablauf der Jahresfrist am 31.03.2017).
Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn Sie für Ihr Verhalten einen wichtigen Grund darlegen und nachweisen. Ein nach
Ihrer Auffassung wichtiger Grund, der jedoch nach objektiven Maßstäben nicht als solcher anerkannt werden kann, verhindert
nicht den Eintritt der Leistungsminderung.“
Mit weiterem Bescheid vom 26. April 2016 wurde der Kläger gem. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §
45 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1,
2 und
4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) der Maßnahme „G. (G.)“ der B. für den Zeitraum 11. Mai 2016 bis 10. November 2016 zugewiesen. Dieser Zuweisungsbescheid
enthielt keine gesonderte Rechtsfolgenbelehrung.
Nachdem der Kläger zu der Maßnahme nicht erschienen war, hörte der Beklagte ihn unter dem 12. Mai 2016 zum möglichen Eintritt
einer Sanktion an. Der Kläger reagierte hierauf nicht. Der Beklagte erließ sodann am 3. Juni 2016 einen Sanktionsbescheid,
mit dem er eine Minderung des Alg II für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. September 2016 in Höhe von 60 % des maßgebenden
Regelbedarfs, d.h. 242,60 Euro monatlich, feststellte und den Bewilligungsbescheid vom 13. April 2016 insoweit für den genannten
Zeitraum aufhob. Ferner hieß es in dem Bescheid, für den genannten Zeitraum würden dem Kläger Gutscheine mit einem Wert von
61,- Euro monatlich gewährt. Der Kläger sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen seinen Pflichten aus dem Bescheid
vom 26. April 2016 nicht nachgekommen, da er die Maßnahme „G.“ nicht angetreten habe. Da es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung
handele, mindere sich das Alg II um 60 % des maßgebenden Regelbedarfs.
Am 4. Juli 2016 legte der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 3. Juni 2016 ein und führte zur Begründung aus,
die Maßnahme sei nicht zweckmäßig gewesen. Er habe eine entsprechende Maßnahme bereits im Jahr 2008 besucht und sei durch
sie schlichtweg unterfordert. Anderweitige Fortbildungen im Bereich EDV seien zielführender.
Am 5. Juli 2016 stellte der Kläger beim Sozialgericht Hamburg einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
des Widerspruchs vom 4. Juli 2016 (Az S 57 AS 2529/16 ER = L 4 AS 320/16 B ER). Das Sozialgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 2. August 2016 ab und führte aus, der Sanktionsbescheid vom
3. Juni 2016 erscheine rechtmäßig. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers verwarf der Senat mit Beschluss vom 16.
November 2016 als unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht werde.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2016 kündigte der Beklagte den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Eingliederungsverwaltungsakt
betreffend die Teilnahme des Klägers an der Eingliederungsmaßnahme „G.“. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe seine
Verpflichtungen nicht erfüllt und die Teilnahme an der Maßnahme „G.“ verweigert. Weitere Pflichten seien nicht festgesetzt
worden, sodass ein Aufrechterhalten des Verwaltungsakts nicht zielführend sei.
Am 5. Juli 2016 erließ der Beklagte wiederum einen Verwaltungsakt als Ersatz einer Eingliederungsvereinbarung für den Zeitraum
vom 5. Juli 2016 bis zum 4. Januar 2017. Als Ziel wurde genannt: „Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit für Tätigkeiten im
öffentlichen Interesse“. Unter „Unterstützung durch Jobcenter team.arbeit.hamburg“ heißt es: „Das Jobcenter verpflichtet Sie
zu folgenden Arbeitsgelegenheit (AGH) gemäß § 16d SGB II an. Einsatzstelle N. e.V. W.; Art der Tätigkeit: PC-Werkstatt, die genaue Tätigkeitsbeschreibung kann dem Zuweisungsschreiben
entnommen werden, das diesem Scheiben beiliegt. Arbeitsort: W..; zeitlicher Umfang: 30 Wochenstunden in Absprache mit dem
Träger N. e.V.; Lage und Verteilung der Arbeitszeit: Arbeitzeitrahmen: Mo. – Fr. zwischen 7 Uhr und 15.15 Uhr, in der Zeit
vom 18.07.2016 bis 31.01.2017, Höhe der Mehraufwandsentschädigung pro Stunde: 1,60 Euro; individuell verfolgtes Maßnahmeziel:
Heranführung an den 1. Arbeitsmarkt, Verbesserung der Tagesstruktur.“ Unter „Bemühungen von Herrn H.R.“ war die Teilnahme
an der oben genannten Arbeitsgelegenheit aufgeführt. Der Bescheid enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, die wie folgt lautete:
„Die §§ 31 bis 31b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sehen bei Verstößen gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten Leistungsminderungen vor. Das Arbeitslosengeld
II kann danach – auch mehrfach hintereinander – gemindert werden oder vollständig entfallen.
Bei einem erstmaligen Verstoß gegen die festgelegten Eingliederungsbemühungen wird das Arbeitslosengeld II um einen Betrag
in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II gemindert. Bei einem wiederholten Pflichtverstoß wird das Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 60 % des maßgebenden
Regelbedarfs gemindert, bei weiteren wiederholten Pflichtverstößen entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig.
Ihr Arbeitslosengeld II wurde zuletzt aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtenverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60
% der maßgebenden Regelleistung abgesenkt (vgl. Bescheid vom 03.06.2016). Jeder weitere Pflichtverstoß (Verstoß gegen die
unter Nr. 2 festgelegten Eingliederungsbemühungen) wird daher den vollständigen Wegfall des Ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes
II zur Folge haben. In diesem Fall werden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Der Versicherungsschutz
beleibt dennoch erhalten, anfallende Beiträge müssen Sie jedoch selbst zahlen. Sind Sie hierzu nicht in der Lage, entstehen
Beitragsrückstände, die jedoch für die Dauer der Hilfebedürftigkeit keine negativen Auswirkungen hinsichtlich der Leistungen
durch die gesetzliche Kranken-/Pflegeversicherung haben.
Der Wegfall dauert drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnt mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides.
Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe).
Ein wiederholter Pflichtverstoß liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr
zurückliegt (Ablauf der Jahresfrist am 30.06.2017)
Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn Sie für Ihr Verhalten einen wichtigen Grund darlegen und nachweisen. Folglich
tritt keine Leistungsminderung ein. Ein nach Ihrer Auffassung wichtiger Grund, der jedoch nach objektiven Maßstäben nicht
als solcher anerkannt werden kann, verhindert nicht den Eintritt der Leistungsminderung.“
Mit weiterem Bescheid vom 5. Juli 2016 wurde der Kläger nach § 16d SGB II einer Arbeitsgelegenheit als Helfer/in Elektro, Helfer PC-Werkstatt bei N. e.V. zugewiesen. Der Zuweisungsbescheid enthielt
nähere Angaben zur Tätigkeit, zur Dauer und zeitlichem Umfang sowie zur Mehraufwandsentschädigung. Die Rechtsfolgenbelehrung
des Zuweisungsbescheides lautete wie folgt:
„Nach dem Grundsatz des Forderns (§ 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II) sind Sie verpflichtet, in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten – insbesondere den Einsatz Ihrer Arbeitskraft – zu nutzen,
um Ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften sicherzustellen.
Die §§ 31 bis 31b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sehen bei einer Weigerung eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder mit einem Beschäftigungszuschuss geförderten
Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen Leistungsminderungen vor. Das Arbeitslosengeld II kann danach – auch mehrfach hintereinander
– gemindert werden, oder vollständig entfallen.
Bei einem erstmaligen Verstoß gegen die vereinbarten Eingliederungsvereinbarungen wird das Arbeitslosengeld II um einen Betrag
in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II gemindert. Bei einem wiederholten Pflichtverstoß wird das Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 60 % des maßgebenden
Regelbedarfs gemindert, bei weiteren wiederholten Pflichtverstößen entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig.
Ihr Arbeitslosengeld II wurde zuletzt aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtenverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60
% der maßgebenden Regelleistung abgesenkt (vgl. Bescheid vom 03.06.2016). Weigern Sie sich, die Ihnen mit dieser Zuweisung
angebotene Arbeitsgelegenheit als Helfer/in - Elektro (26301-111) bei N., W. aufzunehmen oder fortzuführen, entfällt das Ihnen
zustehende Arbeitslosengeld II vollständig. Für die Dauer des Leistungswegfalls werden dann keine Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung gezahlt.
Ein weiterer wiederholter Pflichtverstoß liegt auch vor, wenn die Aufnahme in die zugewiesene Arbeitsgelegenheit als Helfer/in
- Elektro (26301-111) beim N., W. durch negatives Bewerbungsverhalten vereiteln oder nach der Aufnahme die Arbeitsgelegenheit
abbrechen.
Ein wiederholter Pflichtverstoß (Verstoß gegen eine der unter Nr. 2 mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen) wird
daher eine Minderung des Ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes II um einen Betrag in Höhe von 60 % des für Sie maßgebenden
Regelbedarfs zur Folge haben. Die Kosten für die Unterkunft und Heizung werden dann in der Regel direkt an Ihren Vermieter
oder einen sonstigen Empfangsberechtigten gezahlt.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass weitere wiederholte Pflichtverstößen [sic] den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes
II zur Folge haben.
Leistungsminderungen treten nicht ein, wenn Sie einen wichtigen Grund für den Pflichtenverstoß darlegen und nachweisen können.
Ein nach Ihrer Auffassung wichtiger Grund, der jedoch nach objektiven Maßstäben nicht als solcher anerkannt werden kann, verhindert
nicht den Eintritt der Leistungsminderung.“
Die Minderung dauert drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnt mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides.
Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe).“
Unter „Wichtige Hinweise“ wurde u.a. ausführt, dass bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 % des maßgebenden Regelbedarfs
auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht würden.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 teilte der Kläger mit, dass er die Arbeitsgelegenheit nicht antreten werde. Die vorgesehene
Maßnahme sei nicht zielführend. Es ergebe wenig Sinn, ihn im 61. Lebensjahr als Handwerker qualifizieren zu wollen; er sei
gelernter Kaufmann und nie im handwerklichen Bereich tätig gewesen.
Nach vorheriger Anhörung des Klägers (Schreiben vom 19. Juli 2016) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 2. September 2016
für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember 2016 einen vollständigen Wegfall des dem Kläger bewilligten Alg
II fest und hob den vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 13. April 2016 insoweit für den Monat Oktober 2016 ganz auf.
Zur Begründung hieß es, der Kläger habe sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, die zumutbare
Arbeitsgelegenheit als Helfer PC-Werkstatt bei N. e.V. aufzunehmen. Da der Kläger mehrfach seinen Pflichten nicht nachgekommen
sei, falle das Alg II für den Minderungszeitraum vollständig weg. Da der Kläger bisher keine Gutscheine oder geldwerten Leistungen
beantragt habe, würden im zunächst keine gewährt, er könne aber einen entsprechenden Antrag stellen.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 11. September 2016 Widerspruch und führte zur Begründung aus, die Eingliederungsvereinbarung
vom 5. Juli 2016 sei ungültig, weil schon am 26. April 2016 eine Eingliederungsvereinbarung erlassen worden sei, die noch
vom Sozialgericht Hamburg geprüft werde, und ihm eine Kündigung derselben nicht vorliege. Ferner würde sich aus der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergeben, dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum unter keinen
Umständen eingeschränkt werden könne. Sanktionen seien daher nicht zulässig.
Am 22. September 2016 stellte der Kläger einen Antrag auf Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Hamburg und beantragte die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 2. September 2016 (S 57 AS 3453/16 ER). Das Verfahren endete mit einem den Antrag ablehnenden Beschluss vom 21. Oktober 2016. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids
bleibe kein Raum mehr für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, der Kläger habe Klage erhoben und könne
ggf. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Sanktionsbescheid
vom 3. Juni 2016 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Sanktion stütze sich auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Der Kläger habe sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit
anzutreten, ohne hierfür einen wichtigen Grund darlegen zu können. Er sei aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes vom
26. April 2016 zur Teilnahme an einer Maßnahme verpflichtet gewesen, die ihm nach seiner Leistungsfähigkeit und seinen persönlichen
Verhältnissen zumutbar gewesen sei. Der Kläger sei seit 2005 ohne jede Beschäftigung, auch eine Förderung der beruflichen
Weiterbildung „M.“ im Jahr 2006 habe nicht dazu geführt, dass der Kläger an seine frühere berufliche Tätigkeit habe anknüpfen
können. Die vorherige Teilnahme an einer G.-Maßnahme liege inzwischen 8 Jahre zurück. Seitdem habe es beträchtliche Entwicklungen
auf dem Gebiet der Bewerbungen und der EDV gegeben. Der Kläger selbst habe im Rahmen eines Beratungsgesprächs in der Arbeitsvermittlung
berichtet, dass er kaum noch zu Bewerbungsgesprächen in der EDV-Branche eingeladen werde, weshalb eine berufliche Neuorientierung
anzustreben sei.
Den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 2. September 2016 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. September
2016 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Maßnahme sei dem Kläger zumutbar gewesen. Soweit der Kläger
sich darauf berufe, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 26. April 2016 noch vom Sozialgericht Hamburg geprüft werde,
könne er damit nicht durchdringen. Zum einen habe das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
nicht angeordnet. Zum anderen sei der Eingliederungsverwaltungsakt vom 26. April 2016 mit Schreiben vom 30. Juni 2016 wirksam
gekündigt worden. Die Sanktionsregelungen im SGB II seien verfassungskonform.
Mit Bescheid vom 29. September 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 1. November 2016 bis zum
31. Oktober 2017, wobei infolge der Sanktion für die Monate November und Dezember 2016 keine Leistungen gewährt wurden.
Am 13. Oktober 2016 hat der Kläger gegen die Sanktionsbescheide vom 3. Juni 2016 und vom 2. September 2016 Klage zum Sozialgericht
Hamburg erhoben.
Das Sozialgericht hat am 5. Dezember 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt und am 24. September 2020 den Rechtsstreit
mündlich verhandelt. Mit Urteil vom 24. September 2020 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und sowohl den Sanktionsbescheid
vom 3. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2016 als auch den Sanktionsbescheid vom 2. September
2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2016 aufgehoben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Sanktionsbescheide seien nach der Entscheidung des BVerfG vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) aufzuheben, soweit sie über eine Minderung in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelsatzes hinausgingen. Eine Umdeutung in
Leistungsminderungen in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelsatzes scheide aus, weil es an ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrungen
fehle. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II setze eine Pflichtverletzung stets eine vorherige schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis durch
den Leistungsberechtigten voraus. An die Rechtsfolgenbelehrung seien in Hinblick auf die gravierenden Folgen einer Pflichtverletzung
im Bereich existenzsichernder Leistungen hohe Anforderungen zu stellen. Die Rechtsfolgenbelehrungen vom 26. April 2016 und
5. Juli 2016 würden diesen Anforderungen nicht gerecht, weil sie mit den grundgesetzlichen Vorgaben nach Maßgabe der Entscheidung
des BVerfG vom 5. November 2019 nicht in Einklang zu bringen seien. Das BVerfG habe in diesem Urteil u.a. befunden, dass eine
Leistungsminderung in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs nur dann zumutbar sei, wenn in einem Fall außergewöhnlicher
Härte von der Sanktion abgesehen werden könne und die Minderung nicht unabhängig von der Mitwirkung der Betroffenen starr
andauere. Die Rechtsfolgenbelehrung vom 26. April 2016 und 5. Juli 2016 wiesen nicht darauf hin, dass die Minderung durch
eigenes zumutbares Verhalten abgewendet und existenzsichernde Leistungen wiedererlangt werden können, sondern gäben die Dauer
der Minderung als starr und unabhängig vom Verhalten des Betroffenen an. Ferner ergebe sich aus den Rechtsfolgenbelehrungen
nicht, dass im Fall einer außergewöhnlichen Härte von der Minderung hätte abgesehen werden können. Auch deshalb seien sie
unvollständig und unrichtig.
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine richtige und vollständige Rechtsfolgenbelehrung seien auch bei nicht bestandskräftigen
Sanktionsbescheiden, die vor der Verkündung des Urteils des BVerfG erlassen wurden, zu berücksichtigen. Das BVerfG habe §
31a Abs. 1 SGB II und § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht für nichtig, sondern „nur“ für mit dem
Grundgesetz unvereinbar erklärt. Es habe zudem die Weitergeltung dieser Vorschriften angeordnet und mit inhaltlichen Maßgaben verknüpft.
Die in Nr. 2a (Härtefälle) und Nr. 2c (Dauer der Minderung) des Tenors geregelten Maßgaben für die Weitergeltung seien auch
bei nicht bestandskräftigen Sanktionsbescheiden, die vor der Urteilsverkündung festgestellt worden seien, zu berücksichtigen.
Gegenteiliges folge zunächst nicht aus dem Hinweis des BVerfG, wonach solche Bescheide wirksam bleiben. Die Frage nach der
Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes sei nicht gleichzusetzen mit der Frage seiner Rechtmäßigkeit, diese sei weiterhin zu prüfen.
Das BVerfG habe keine Veranlassung gehabt, eine Verpflichtung zur (teilweisen) Aufhebung der Sanktionsbescheide in laufenden
Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren auszusprechen. Eine solche Verpflichtung habe es in Nr. 2b des Tenors in Hinblick auf
die Sanktionshöhe ausgesprochen. Im Unterschied hierzu erweise sich aber die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide unter
Berücksichtigung der Maßgaben in Nr. 2a und Nr. 2c des Tenors als ergebnisoffen. So könnten die Bescheide auch aus Gründen
rechtswidrig sein, die – wie zB die Frage einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung im jeweiligen Einzelfall – nicht Prüfgegenstand
des konkreten Normenkontrollverfahrens vor dem BVerfG gewesen seien. Vor diesem Hintergrund zeige auch ein Vergleich der Weitergeltungsanordnungen
in Nr. 2a und 2c des Tenors mit derjenigen in Nr. 2b des Tenors, dass die inhaltlichen Maßgaben zur weiteren Anwendung der
Sanktionsnormen rückwirkend zu berücksichtigen seien. Würden die Maßgaben der Nr. 2b des Tenors hinsichtlich der Sanktionshöhe
erst ab dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung gelten, so hätte das BVerfG keine Veranlassung gehabt, eine Verpflichtung zur
teilweisen Aufhebung der bereits festgestellten nicht bestandskräftigen Sanktionsbescheide auszusprechen. Der Weitergeltungsanordnung
nach Nr. 2b des Tenors komme also keine rückwirkende Legalisierungswirkung zu. Auch für die Weitergeltungsanordnungen in Nr.
2a und Nr. 2c des Tenors könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese in zeitlicher Hinsicht einen anderen Anwendungsbereich
hätten. Auch im Übrigen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass den Nr. 2a und 2c des Tenors eine rückwirkende Legalisierungswirkung
für nicht bestandskräftige Sanktionsbescheide zukommen habe sollen.
Seien daher die Feststellungen der Leistungsminderungen rechtswidrig, so folge daraus auch die Rechtswidrigkeit der teilweisen
Aufhebung der Bewilligung für die Monate Juli bis September 2016 (Sanktionsbescheid vom 3. Juni 2016) und der vollständigen
Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat Oktober 2016 (Sanktionsbescheid vom 2. September 2016). Die Umsetzung des
Sanktionsbescheids vom 2. September 2016 für die Monate November und Dezember 2016 sei nicht Streitgegenstand, weil sie erst
durch zeitlich nachfolgende Bewilligungsbescheide erfolgt sei, die nicht Gegenstand des Verfahrens geworden seien.
Das Urteil enthielt eine Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass es mit der Berufung angefochten werden könne. Das Urteil
ist dem Beklagten am 12. November 2020 zugestellt worden.
Am 14. Dezember 2020, einem Montag, hat der Beklagte Berufung zum Landessozialgericht erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen
L 4 AS 361/20 geführt wurde. In der Berufungsschrift hat der Beklagte mitgeteilt, die Begründung und Anträge würden in Kürze nachgereicht.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2021 hat der Beklagte die Berufung begründet und ausgeführt, die streitgegenständlichen Sanktionsbescheide
seien unstreitig aufzuheben, soweit sie über eine Minderung in Höhe von 30 % des maßgeblichen Regelbedarfs hinausgingen. Entgegen
der Auffassung des Sozialgerichts seien sie jedoch in Minderungen in Höhe von 30 % umzudeuten. Der Umdeutung stehe das Fehlen
einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung nicht entgegen. Das BVerfG habe in seinem Urteil vom 5. November 2019 ausdrücklich
befunden, dass nicht bestandskräftige Bescheide über Leistungsminderungen, die vor der Urteilsverkündung festgestellt worden
seien, wirksam bleiben. Nach einem Hinweis des Senats, dass die Berufung wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts unzulässig,
die Nichtzulassungsbeschwerde hingegen zulässig und wegen des fehlenden Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung auch nicht
verfristet sein dürfte, hat der Beklagte die Berufung zurückgenommen und mit Schreiben vom 13. Juli 2021 Nichtzulassungsbeschwerde
erhoben (L 4 AS 212/21 NZB). Mit Beschluss vom 10. September 2021 hat der Senat die Berufung zugelassen, die seitdem unter dem Aktenzeichen L 4 AS 266/21 geführt wird.
Der Kläger tritt der Berufung entgegen. Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Februar 2022 hat der Beklagte erklärt, er ändere den Sanktionsbescheid
vom 3. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2016 und den Sanktionsbescheid vom 2. September
2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2016 dahingehend ab, dass jeweils nur eine monatliche Leistungsminderung
in Höhe von 30% des maßgebenden Regelsatzes, mithin 121,20 Euro, festgestellt werde. Der Kläger hat dies als Teilanerkenntnis
angenommen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. September 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Gegenstand des Verfahrens sind die Sanktionsbescheide vom 3. Juni 2016 und 2. September 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 26. September 2016 und 29. September 2016 sowie des Teilanerkenntnisses vom 24. Februar 2022.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage gegen die Sanktionsbescheide ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisses nicht
begründet. In der Gestalt des Teilanerkenntnisses sind die Bescheide rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
1.
Der Bescheid vom 3. Juni 2016 findet seine Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 1 i.V.m. § 31a und § 31b SGB II.
a.
Indem er nicht zu der Maßnahme G. bei dem Träger B. erschienen ist, hat der Kläger seine Pflichten im Sinne von § 31 Abs. 1 SGB II verletzt. Er hat eine Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht angetreten (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) und sich zugleich geweigert, die in dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 26. April 2016 festgelegten Pflichten zu erfüllen
(§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II).
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die vorgesehene Maßnahme für den Kläger zumutbar war. Der Kläger war seit über 10
Jahren nicht mehr berufstätig gewesen. Auch in dem von ihm präferierten Bereich EDV hatte er nicht wieder Fuß fassen können.
Vor diesem Hintergrund durfte die Teilnahme an einer allgemeineren Eingliederungsmaßnahme durchaus als zielführend angesehen
werden. Eine Fahrkostenerstattung war dem Kläger zugesagt worden, nach dem vorhergegangen Streit um dieselbe war auch davon
auszugehen, dass der Kläger die Fahrkosten im Voraus würde erhalten können.
b.
Einen wichtigen Grund für den Nichtantritt der Maßnahme hat der Kläger nicht dargelegt; ein solcher ist auch sonst nicht erkennbar.
c.
Der Kläger war über die Folgen des Nichtantritts in dem Eingliederungsverwaltungsakt hinreichend belehrt worden (grundsächlich
zu den Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung BSG, Urteil vom 18. 2.2010 – B 14 AS 543/08 R, Rn. 22). Er wurde darauf hingewiesen, dass bei einem Verstoß gegen die vereinbarten Eingliederungsbemühungen Sanktionen
drohen. Die Höhe der zu erwartenden Sanktionen sind ebenso benannt wie die Dauer der Minderung, der Ausschluss eines Anspruchs
auf Sozialhilfe und die Möglichkeit eines Antrags auf ergänzende Sachleistungen bzw. geldwerte Leistungen.
Der Auffassung des Sozialgerichts, die Rechtsfolgenbelehrung sei deshalb unrichtig bzw. unvollständig, weil sie die Vorgaben
des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) nicht beachte und insbesondere nicht darauf hinweise, dass im Fall einer außergewöhnlichen Härte von der Minderung abgesehen
werden könne bzw. die Minderung durch eigenes Verhalten abgewendet/verkürzt werden könne, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Sie lässt außer Acht, dass das BVerfG in dem genannten Urteil explizit ausgeführt hat, der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet,
rückwirkend Leistungen ohne Minderungen nach § 31a SGB II festzusetzen (Rn. 219) und befunden hat: „Nicht bestandskräftige Bescheide über Leistungsminderungen nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II, die vor der Urteilsverkündung festgestellt worden sind, bleiben wirksam“ (Rn. 221). Bescheide seien (lediglich) aufzuheben,
soweit sie über eine Minderung in Höhe von 30 % des maßgebenden Regebedarfs hinausgehen. Dem würde es widersprechen, würde
man auch für Sanktionsbescheide, die – wie hier – vor dem Urteil des BVerfG ergangen sind, eine Belehrung über die vom BVerfG
aufgestellten Maßgaben verlangen.
Nichts Anderes folgt aus der – zutreffenden – Feststellung des Sozialgerichts, das BVerfG habe zwar befunden, dass nicht bestandskräftige
Sanktionsbescheide, die vor der Urteilsverkündung festgestellt worden sind, wirksam bleiben, hiervon sei jedoch die Frage
der Rechtswidrigkeit zu unterscheiden. Selbstverständlich sind diese Sanktionsbescheide weiterhin auf ihre Rechtmäßigkeit
zu überprüfen, z.B. hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Maßnahme oder des Vorliegens eines wichtigen Grundes. Eine Rechtsfolgenbelehrung,
die im Jahr 2016 erging und die der zu dieser Zeit geltenden Rechtslage entspricht, führt hingegen nicht bereits deshalb zur
Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids, weil sie die vom BVerfG im Urteil vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) formulierten Maßgaben nicht umfasst (vgl. hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 12.11.2021 – L 6 AS 147/21 und LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.1.2021 – L 2 AS 24/21 B ER; vgl. im Übrigen auch Weber, jurisPK-SGB II, § 31, Stand: 23.2.2021, Rn. 138_1 dazu, dass eine Rechtsfolgenbelehrung sich stets nur auf die im Zeitpunkt der Belehrung bestehende
Rechtslage beziehen kann).
d.
Die Höhe der Sanktion war mit 60 % des maßgebenden Regelsatzes im Bescheid vom 3. Juni 2016 zunächst zu hoch festgestellt.
Der Beklagte hat jedoch im Laufe des Berufungsverfahrens eine Reduzierung auf 30 % des maßgebenden Regelsatzes vorgenommen.
In dieser Ausgestaltung entspricht die Höhe der Sanktion den Vorgaben des BVerfG in dem genannten Urteil vom 5. November 2019
(1 BvL 7/16) und begegnet keinen Bedenken.
e.
Beginn und Dauer der Sanktion sind entsprechend den Vorgaben des § 31b Abs. 1 SGB II zutreffend festgestellt worden. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) in Ziffer 2. c) des Tenors befunden, § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II sei mit der Maßgabe anzuwenden, dass die zuständige Behörde die Sanktion verkürzen könne, wenn die Mitwirkungspflicht nachträglich
erfüllt wird oder der Betroffene sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig bereiterkläre, seinen Pflichten nachzukommen.
Dahingestellt bleiben kann, ob dies bei Sanktionen, deren Zeitraum bereits verstrichen ist, überhaupt geprüft werden muss
(dagegen: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.6.2020 – L 4 AS 709/15; SG München, Urteil vom 31.1.2020 – S 46 AS 536/18 und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.10.2020 – L 32 AS 2354/15, Rn. 96). Denn jedenfalls gibt es im Fall des Klägers keine Anhaltspunkte hierfür: Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt die
geforderte Teilnahme an der Eingliederungsmaßnahme nachgeholt oder seine Bereitschaft dazu zum Ausdruck gebracht.
f.
Ferner hat das BVerfG in Ziffer 2. a) des Tenors seines Urteils vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) befunden, § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II sei mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Leistungsminderung nicht erfolgen müsse, wenn dies im konkreten Einzelfall unter
Berücksichtigung aller Umstände zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde. Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers
Gründe für die Annahme einer außergewöhnlichen Härte gegeben sein könnten, liegen jedoch nicht vor und solche Gründe sind
vom Kläger auch nicht vorgetragen worden.
g.
Soweit der Kläger unter Berufung auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 26. November 2019 (L 29 AS 2004/19 B ER) vorträgt, eine Umdeutung eines Sanktionsbescheides in eine 30 %-Sanktion sei rechtswidrig, wenn die Umwandlungsentscheidung
keinerlei Ermessensausführungen zur außergewöhnlichen Härte oder Verkürzung der Sanktion entsprechend den Vorgaben des BVerfG
enthalte, ergibt sich daraus keine für ihn günstigere Entscheidung. Wie oben bereits dargelegt, gibt es im Fall des Klägers
weder Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte noch dafür, dass er nachträglich bereit gewesen wäre, seine Mitwirkungspflichten
zu erfüllen. Bei dieser Sachlage musste der Beklagte sich nicht veranlasst sehen, hierauf einzugehen. Der dem Beschluss des
LSG Berlin-Brandenburg zugrundeliegende Fall – dessen Sachverhalt sich aus dem sehr knapp gehaltenen Beschluss nicht entnehmen
lässt – unterscheidet sich von demjenigen des Klägers insofern, als dass dort der Sanktionszeitrum zum Zeitpunkt der Reduzierung
der Sanktion und der Entscheidung des Landessozialgerichts noch andauerte, also eine nachträgliche Mitwirkung durchaus noch
möglich war. Zur Frage der außergewöhnlichen Härte äußert sich der Beschluss nicht.
2.
Der Bescheid vom 2. September 2016 findet seine Rechtsgrundlage ebenfalls in § 31 Abs. 1 i.V.m. § 31a und § 31b SGB II.
a.
Der Kläger hat die ihm zugewiesene Arbeitsgelegenheit gem. § 16d SGB II bei dem Verein N. nicht angetreten und mit Schreiben vom 7. Juli 2016 ausdrücklich mitgeteilt, dass er dies nicht tun werde.
Damit hat er sich geweigert, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit aufzunehmen, § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Zuweisung in diese Arbeitsgelegenheit rechtmäßig war. In dem Zuweisungsbescheid
vom 5. Juli 2016 war die Arbeitsgelegenheit nach ihrer Art, Dauer, zeitlichem Umfang etc. näher beschrieben. Sie hielt sich
mit 30 Stunden pro Woche im Rahmen dessen, was als zulässig für Arbeitsgelegenheiten angesehen wird (vgl. hierzu Weber, in:
juris-PK SGB II, § 31 Rn. 71 m.w.N.). Die Arbeitsgelegenheit bei N. e.V. entsprach auch den Anforderungen des § 16d SGB II, sie war insbesondere zusätzlich und wettbewerbsneutral und lag im öffentlichen Interesse. Es ging um eine Tätigkeit als
Helfer in der PC-Werkstatt, in der gespendete PCs und Handys wieder aufbereitet wurden. Die wieder funktionsfähigen Geräte
wurden an Menschen mit geringem Einkommen zu einem niedrigen Preis abgegeben. Diese Arbeitsgelegenheit war für den Kläger
auch zumutbar. Die Einwände des Klägers, die Maßnahme sei nicht zielführend und es ergebe wenig Sinn, ihn als gelernten Kaufmann
im 61. Lebensjahr als Handwerker qualifizieren zu wollen, stehen dem nicht entgegen. Ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung
umfasst die Tätigkeit als Helfer in der PC-Werkstatt folgendes: „Fachgerechtes Zerlegen der PC- und/oder Handy-Spenden, Neumontage,
Installieren von Software, Prüfung der Funktionalität, Fehlerbehebung, Dokumentation, Vorbereitung zur Vergabe gespendeter
Ware, Internetrecherche“. Allein das Zerlegen und die Neumontage kann als „handwerkliche“ Tätigkeit angesehen werden, wobei
auch hier nicht erkennbar ist, wieso der Kläger dies nicht lernen können sollte. Die übrigen Tätigkeiten befassen sich mit
Software, Prüfungs- und Dokumentationsarbeiten sowie Recherche und Vergabevorbereitung. Der Kläger sollte zudem als „Helfer“
eingesetzt werden. Es ist davon auszugehen, dass er entsprechend angelernt worden wäre. Der Kläger hat durchaus eine Ausbildung
und Kenntnisse im EDV-Bereich, er selbst hat auch immer wieder Fortbildungen im Software-Bereich gefordert. Angesichts dessen
ist nicht erkennbar, dass hier vom Kläger Unzumutbares gefordert wurde.
b.
Einen wichtigen Grund für den Nichtantritt der Maßnahme hat der Kläger nicht dargelegt; ein solcher ist auch sonst nicht erkennbar.
c.
Der Kläger war in dem Zuweisungsbescheid vom 5. Juli 2016 über die Folgen des Nichtantritts der Arbeitsgelegenheit belehrt
worden. Die Rechtsfolgenbelehrung genügt den an sie zu stellenden Anforderungen, insoweit wird auf die Ausführungen oben unter
1. c. verwiesen.
d.
Die Höhe der Sanktion war mit dem vollständigen Wegfall des Arbeitslosengelds II in dem Bescheid vom 2. September 2016 zunächst
zu hoch festgestellt. Der Beklagte hat jedoch im Laufe des Berufungsverfahrens eine Reduzierung auf 30 % des maßgebenden Regelsatzes
vorgenommen. In dieser Ausgestaltung entspricht die Höhe der Sanktion den Vorgaben des BVerfG in dem Urteil vom 5. November
2019 (1 BvL 7/16) und begegnet keinen Bedenken.
e.
Beginn und Dauer der Sanktion sind entsprechend den Vorgaben des § 31b Abs. 1 SGB II zutreffend festgestellt worden. Auch bezüglich des Sanktionsbescheids vom 2. September 2016 gibt es keine Anhaltspunkte dafür,
dass eine Verkürzung der Sanktion wegen der nachträglichen Erfüllung der Mitwirkungspflichten bzw. Bereitschaft hierzu in
Betracht käme. Zum Fehlen von Anhaltspunkten für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte siehe oben unter 1. f.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte erst im Laufe des Berufungsverfahrens eine Reduzierung der Sanktionen auf
30 % vorgenommen hat. Angesichts dessen erscheint es angemessen, dass er 3/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des
Klägers trägt.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.