Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, Aufrechnung einer darlehensweise gewährten Mietkaution
Gründe:
I. Die Antragsteller wenden sich gegen eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 75 EUR wegen einer von der Antragsgegnerin
in Höhe von 900 EUR darlehensweise gewährten Mietkaution.
Die Antragsteller stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin. Der Antragsteller zur
1. war vormals Eigentümer eines Anwesens in A Stadt, welches er in Abstimmung mit der Antragsgegnerin am 5. Juli 2007 veräußerte.
Zum 1. Juli 2007 mieteten die Antragsteller die im Rubrum bezeichnete Wohnung an. Am 29. Juni 2007 beantragten die Antragsteller
bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Mietkaution in Höhe von 900 EUR als rückzahlbares Darlehen und baten zugleich um
monatliche Verrechnung in Höhe von 75 EUR. Daneben beantragten sie die Kostenübernahme für den Umzug. In dem Antrag nahmen
die Antragsteller Bezug auf ein mit Herrn N. am 22. Juni 2007 geführtes Gespräch. Mit Bescheid vom 5. Juli 2007 bewilligte
die Antragsgegnerin die Zahlung für die Mietkaution in Höhe von 900 EUR "als Darlehen gemäß § 23 Abs. 1 SGB II". Zugleich
führte sie in dem Bescheid wie folgt aus: "... die Ihnen zustehende Regelleistung wird unter Berücksichtigung der oben genannten
Rechtsvorschrift ab dem 01.08.2007 in Höhe von derzeit 75 EUR gegen die laufenden Leistungen monatlich aufgerechnet." Weiterhin
führte die Antragsgegnerin in diesem Bescheid aus, dass sich spätere Änderungen der Regelleistungen auch auf die Höhe der
Tilgungsrate auswirkten. Unter Berücksichtigung des ihr obliegenden Ermessens und unter Abwägung des öffentlichen Interesses
ergäben sich keine Anhaltspunkte, die gegen eine Aufrechnung sprechen würden. Auch die Höhe von 75 EUR sei angemessen. Anhaltspunkte,
auch nur teilweise von der Aufrechnung abzusehen, lägen nicht vor. Sie versah den Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung.
Die Antragsteller legten dagegen keinen Widerspruch ein.
Auf den am 11. Juli 2007 gestellten Folgeantrag hin bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12. Juli 2007 für die
Antragsteller für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008 monatliche Leistungen in Höhe von 1235,96 EUR, wobei
der Bewilligung Regelleistungen unter Berücksichtigung des bei dem Antragsteller zu 3. berücksichtigten Kindergeldes von insgesamt
748 EUR zu Grunde lagen, ein Mehrbedarf für den Antragsteller zu 1. in Höhe von 25,56 EUR, sowie jeweils anteilige Unterkunftskosten
und Heizkosten in Höhe von 154,14 EUR pro Person. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller mit Schreiben vom 20. Juli
2007 Widerspruch ein und wandten sich gegen die Höhe der berechneten Leistungen für die Unterkunft und Heizung. Ausweislich
der in der Akte befindlichen Zahlungsübersichten behielt die Antragsgegnerin von den bewilligten Regelleistungen in Höhe von
748 EUR 75 EUR monatlich ein und zahlte insoweit neben den sonstigen bewilligten Leistungen lediglich 673 EUR monatlich aus.
Mit einem Schreiben vom 17. September 2007, welches die Antragsgegnerin nach ihren Angaben erst im Zusammenhang mit der Übersendung
des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 1. Oktober als Anlage vom Sozialgericht in Wiesbaden erhielt, wandten
sich die Antragsteller an die Antragsgegnerin und verwiesen darauf, dass nunmehr nach einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts
eine Mietkaution nicht mit Grundsicherungsleistungen verrechnet werden dürfe. Sie beantragten daher die ungekürzte Auszahlung
der laufenden Grundsicherungsleistungen. Weiterhin beantragten sie die Rückzahlung der bisher bereits einbehaltenen zwei Raten
für die Mietkaution.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2007, Eingang beim Sozialgericht in ZK. am 2. Oktober 2007, haben die Antragsteller beim Sozialgericht
Wiesbaden den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Darin haben sie zum einen die ungekürzte Auszahlung der laufenden
Grundsicherungsleistungen sowie die Auszahlung der bereits ab August einbehaltenen Beträge und die teilweise Aufhebung des
Bescheides vom 5. Juli 2007 begehrt. Zur Begründung haben die Antragsteller ausgeführt, dass aufgrund der Veräußerung des
Hauses der Umzug, die Auswahl der Wohnung sowie die Kaution mit der Antragsgegnerin abgestimmt worden seien. Bei dieser Absprache
mit Herrn N. habe dieser mitgeteilt, dass die Kaution in Höhe von 900 EUR nur als Darlehen übernommen werden könne, es jedoch
in 10 bis 12 Monatsraten zurückgezahlt werden müsse. Aufgrund dieser Belehrung durch die Antragsgegnerin hätten sie damals
den Antrag vom 29. Juni 2007 in genau dieser Weise gestellt. Die Antragsgegnerin habe sie falsch belehrt und nur deshalb habe
man den Antrag in dieser Weise gestellt. Nunmehr habe man Kenntnis von der Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts
erhalten, wonach die Kaution nicht mit den Grundsicherungsleistungen verrechnet werden dürfe. Ihrer Bitte, die Kaution nicht
zu verrechnen und bereits einbehaltene Beträge zurückzuzahlen, habe die Antragsgegnerin nicht entsprochen, wie sie bei der
Auszahlung der Leistungen für Oktober haben feststellen können. Die Rückzahlung der Kaution innerhalb eines Jahres sei nicht
rechtmäßig.
Mit Beschluss vom 12. November 2007 hat das Sozialgericht in Wiesbaden den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag gemäß §
86b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - nur teilweise zulässig sei. Das mit dem Antrag bezeichnete Anfechtungsbegehren hinsichtlich des Bescheides vom 5. Juli
2007 sei unzulässig, weil insoweit vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage gewährt werden könne. Der Bescheid vom 5. Juli 2007 sei jedoch bestandskräftig
geworden, denn Widerspruch sei nicht erhoben worden. Aus diesem Grunde scheide auch eine Umdeutung des Eilantrages in einen
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches aus. Zulässig sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung allerdings zur Sicherung des Überprüfungsantrages vom 17. September 2007. Mit diesem Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 5. Juli 2007 entstehe ein streitiges Rechtsverhältnis, das der Regelung
eines vorläufigen Zustandes im Sinne von §
86b Abs.
2 S. 2
SGG zugänglich sei. Der insoweit zulässige Antrag sei jedoch unbegründet. Zwar spreche Einiges dafür, dass die Aufrechnung im
Bescheid vom 5. Juli 2007 ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei und der Überprüfungsantrag zum Erfolg führe. Dies deshalb, weil
entgegen der Bescheidbegründung das Darlehen zur Abdeckung einer Mietkaution nicht auf § 23 Abs. 1 SGB II gestützt werden
könne, sondern § 22 Abs. 3 SGB II insoweit lex specialis sei, mit der Folge, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für die
von der Antragsgegnerin durchgeführte Aufrechnung fehle. Allerdings sei im vorliegenden Fall ein Anordnungsgrund nicht erkennbar,
denn die Antragsteller seien insgesamt durch die Aufrechnung nur mit ca. 8 % der Regelsätze in Höhe von insgesamt 972 EUR
belastet. Darüber hinaus habe die Beeinträchtigung auch subjektiv nicht von hohem Gewicht sein können, da der Antragsteller
zu 1. die Aufrechnung zunächst hingenommen habe und erst nach Bekanntwerden der Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts
den Überprüfungsantrag und den Eilantrag gestellt habe. Hier sei auf Seiten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass der
Bescheid vom 5. Juli 2007 nicht nur eine möglicherweise rechtswidrige Aufrechnungsregelung enthalte, sondern konkludent auch
eine Regelung der Fälligkeit der Tilgungsverpflichtung. Es spreche daher Einiges dafür, dass den Antragstellern auch im Fall
der Rechtswidrigkeit der Aufrechnung für die Vergangenheit kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zur Seite stehe,
wenn die Antragsgegnerin einen fälligen Anspruch habe. Jedenfalls aber wäre ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
einredebehaftet.
Gegen den am 14. November 2007 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller mit Schreiben vom 4. Dezember 2007, eingegangen
am 6. Dezember 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht mit Vermerk vom 14. Dezember 2007 nicht abgeholfen hat.
Sie machen geltend, dass die Entscheidung die existenzielle Notlage nicht hinreichend berücksichtigt habe. Dies deshalb, weil
unter anderem die Antragsgegnerin von den tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 580 EUR nur 462,40 EUR anerkannt habe
und somit bereits eine Unterdeckung gegeben sei. Dagegen sei beim Sozialgericht Klage erhoben worden. Der Antragsteller zu
3. besuche das Gymnasium in W-Stadt und werde dort im Sommer 2008 sein Abitur ablegen. Hierfür benötige er monatlich 78 EUR
Fahrtkosten, die das Sozialgericht Wiesbaden abgelehnt habe. Sie seien mit monatlich 75 EUR durch die Aufrechnung belastet.
Unter Berücksichtigung der weiteren Belastungen ergäbe sich eine Beeinträchtigung des Regelsatzes in weit größerer Höhe. Die
Deckung des Lebensunterhaltes sei nicht mehr gegeben. Sie begehrten die Einstellung der Mietkautionsrückzahlungen sowie die
Rückerstattung der bisher einbehaltenen Kaution in Höhe von 375 EUR.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. November 2007 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, die laufenden Grundsicherungsleistungen ungekürzt auszuzahlen und bereits einbehaltene Beträge
in Höhe von 375 EUR zu erstatten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf den angefochtenen Beschluss führt sie aus, dass ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei. Durch die laufende
monatliche Einbehaltung von 75 EUR würden die Antragsteller nicht derart in ihrer Lebensführung eingeschränkt, dass eine Gefährdung
ihrer Lebensgrundlage erkennbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und einen Hefter der Antragsgegnerin
Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet.
Die Beschwerde war sinngemäß dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. November 2007 den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der ungekürzten Auszahlung
der mit Bewilligungsbescheid vom 12. Juli 2007 den Antragstellern zugebilligten Leistungen ohne Einbehalt von Beträgen in
Höhe von 75 EUR monatlich für das Mietkautionsdarlehen ab Anfang August 2007 begehren. Letzterer Zeitpunkt ergibt sich daraus,
dass die Antragsteller mit der Beschwerde die Rückzahlung von 375 EUR bereits einbehaltener Beträge für das Mietkautionsdarlehen
fordern, wobei sich dieser am 4. Dezember 2007 in der Beschwerdeschrift erwähnte Betrag nur aus den ab 1. August 2007 genannten
fünf Teilbeträgen zu je 75 EUR zusammensetzen kann. Darüber hinaus haben die Antragsteller bereits schriftsätzlich gegenüber
dem Sozialgericht Wiesbaden mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 hinreichend deutlich gemacht, dass sie bereits zu diesen Zeitpunkten
auch das damals im August und September einbehaltene Geld im Wege der einstweiligen Anordnung ausgekehrt haben wollten.
Zutreffend hat das Sozialgericht Wiesbaden zunächst festgestellt, dass der mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 auf Aufhebung
des Bescheides vom 5. Juli 2007 gerichtete Eilantrag, soweit dort die Aufrechnung ab 1. August 2007 in Höhe von monatlich
75 EUR erwähnt ist, bereits unzulässig ist, da gegen diesen Bescheid Widerspruch nicht erhoben wurde und eine Umdeutung des
Antrags vom 1. Oktober 2007 in einen etwaigen Widerspruch deshalb nicht in Betracht kommt, weil insoweit die Widerspruchsfrist
nicht gewahrt ist. Entsprechendes gilt für den mit Datum vom 17. September 2007 gestellten Überprüfungsantrag hinsichtlich
des Bescheides vom 5. Juli 2007. Eine Umdeutung in einen fristgerecht eingelegten Widerspruch kommt, insoweit ungeachtet des
Umstandes, ob die Antragsgegnerin dieses Schreiben erst mit der Antragsschrift erhielt oder gegebenenfalls auch bereits früher,
bereits deshalb nicht in Betracht, weil auch zum Zeitpunkt des frühest denkbaren Zugangs am 17. September 2007 die Widerspruchsfrist
nicht gewahrt gewesen wäre. Es bedarf insoweit auch keiner weiteren Ausführungen des Senats zu der Frage, ob die im Bescheid
von den Antragstellern angegriffene Aufrechnung zur Tilgung des Mietkautionsdarlehens etwa ein Verwaltungsakt ist und insofern
mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 5. Juli 2007 einstweiliger Rechtsschutz lediglich
nach §
86b Abs.
1 SGG in Form eines Antrags gerichtet auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs zulässig ist, oder ob in Ermangelung
einer Verwaltungsaktqualität der im Bescheid vom 5. Juli 2007 angesprochenen Aufrechnung einstweiliger Rechtsschutz nur im
Wege der einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 SGG in Betracht kommt (zur Rechtsqualität einer Aufrechnung ausführlich: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. Januar
2008 - L 9 SO 121/07 ER -).
Vorliegend kommt einstweiliger Rechtsschutz bereits deshalb nur nach §
86b Abs.
2 SGG in Form des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht, weil die Antragsteller mit Schreiben vom 17. September
2007 hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheides vom 5. Juli 2007 einen Überprüfungsantrag gestellt haben, über den nach
telefonischer Mitteilung der Antragsgegnerin gegenüber der Berichterstatterin noch nicht entschieden ist, der jedoch zwischen
den Beteiligten ein streitiges Rechtsverhältnis entstehen lässt, das einer vorläufigen Regelungen im Sinne von §
86b Abs.
2 SGG zugänglich ist.
Nach §
86 b Abs.
2 S. 2
SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen
werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden
Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§
86b Abs.
2 S. 3
SGG in Verbindung mit §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO -).
Die Antragsteller haben zunächst einen Anordnungsanspruch, wie zutreffend auch das Sozialgericht ausgeführt hat, glaubhaft
gemacht.
Die von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 5. Juli 2007 erklärte Aufrechnung als auch die laufenden monatlichen Einbehalte
in Höhe von 75 EUR von den monatlich bewilligten Regelleistungen sind nicht wirksam, so dass die Antragsteller Anspruch auf
Auszahlung ungekürzter Leistungen ohne Berücksichtigung eines monatlichen Einbehalts in Höhe von 75 EUR haben. Die bewilligten
Beträge sind nämlich nicht in Höhe von monatlich 75 EUR durch die Aufrechnung erloschen, so dass die Antragsteller Anspruch
auf die ungekürzte Auszahlung der ihnen bewilligten Leistungen haben.
Grundsätzlich beurteilen sich die Voraussetzungen und die Wirkungen der Aufrechnung nach §
51 SGB I in Verbindung mit §§
387 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -. Soweit allerdings im SGB II Sonderregelungen über die Aufrechnung geregelt sind, sind vorrangig diese zu prüfen.
Die Antragsgegnerin kann indessen die Einbehaltung einer monatlichen Darlehensrückzahlungsrate in Höhe von 75 EUR nicht auf
§ 23 Abs. 1 SGB II stützen. Dies im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht, weil bereits die Bewilligung des Darlehens für
die Mietkaution, die ausdrücklich auf § 23 Abs. 1 SGB II gestützt wird, auf einer diesen Anspruch nicht umfassenden Rechtsgrundlage
im SGB II fußt. § 23 Abs. 1 SGB II ermöglicht es den Leistungsträgern, auf Antrag ein Darlehen zu bewilligen, wenn im Einzelfall
ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder
durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Die hier in Streit stehende Mietkaution ist allerdings keine Regelleistung
im Sinne von § 20 SGB II, sondern sie gehört zu den in § 22 SGB II geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung. Ausdrücklich
heißt es dort in § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II, dass eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung übernommen werden kann und gemäß
§ 22 Abs. 3 S. 3 SGB II als Darlehen erbracht werden soll. Es unterliegt daher überhaupt keinem Zweifel, dass der durch eine
Mietkaution für einen Hilfeempfänger entstehende Bedarf gerade nicht von der Regelleistung abgedeckt wird, sondern ein Bedarf
der Kosten der Unterkunft ist (so Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 5. September 2007 - L 6 AS 145/07 ER -; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. Januar 2008 - L 9 SO 121/07 ER - für Mietkaution und Umzugskosten
im Bereich des SGB XII).
Demzufolge ist sowohl für die Bewilligung des Darlehens, die hier allerdings als solche nicht im Streit steht, als auch für
die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung auf § 22 SGB II abzustellen. Diese Vorschrift enthält keine § 23 Abs. 1 SGB II
entsprechende Regelung über die Aufrechnung. Somit kann sich die Antragsgegnerin in Ermangelung einer entsprechenden Rechtsgrundlage
für die Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens weder auf § 23 Abs. 1 SGB II noch auf § 22 Abs. 3 SGB II berufen. Der Senat
hat in seiner Entscheidung vom 16. Januar 2008 bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber im Bereich des SGB XII dort
eine Aufrechnung nur in den Fällen bestimmt hat, denen regelmäßig ein pflichtwidriges Handeln des Hilfeempfängers zugrunde
liegt. Im SGB II verhält es sich genauso. § 43 SGB II sieht zum Beispiel die Aufrechnung in den Fällen vor, in denen es sich
um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadensersatz handelt, die ein Hilfebedürftiger vorsätzlich oder grob fahrlässig durch
unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Entsprechendes gilt für § 65e SGB II, wonach Ansprüche des Trägers
der Sozialhilfe mit Geldleistungen nach dem SGB II nur unter den Voraussetzungen des § 43 SGB II, und damit nur in solchen
Fällen, denen ein pflichtwidriges Verhalten zugrunde liegt, aufgerechnet werden können. Ein ähnlicher Gedanke liegt auch §
23 Abs. 1 SGB II zu Grunde, denn im Regelfall dürfte ein solches Darlehen nur dann erforderlich werden, wenn ein Hilfebedürftiger
mit den gesetzlich vorgesehenen und bewilligten Regelleistungen nicht entsprechend gewirtschaftet hat und deshalb nicht in
der Lage ist, einen üblicherweise von den Regelleistungen umfassten Bedarf zum Beispiel aus den entsprechenden Ansparleistungen
zu einem gewissen Zeitpunkt abzudecken. Dies trifft aber nicht auf diejenigen Hilfeempfänger zu, die eine Mietkaution aufzuwenden
haben, die üblicherweise von Vermietern verlangt werden (vergleiche Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. Januar
2008 - L 9 SO 121/07 ER -).
Unzweifelhaft liegen auch die Voraussetzungen von § 43 SGB II nicht vor, denn der Einbehalt der monatlichen Leistungen für
die Rückzahlung des Mietkautionsdarlehens betrifft keinen dort geregelten Fall, da es sich nicht um einen Anspruch auf Erstattung
oder auf Schadenersatz handelt.
Die Antragsgegnerin kann sich hinsichtlich der aufgrund der Aufrechnung einbehaltenen Beträge auch nicht auf §
51 Abs.
1 SGB I berufen, denn die insoweit normierten Voraussetzungen liegen nicht vor. Danach ist nämlich eine Aufrechnung nur dann möglich,
soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach §
54 Abs.
2 und
4 SGB I pfändbar sind. Mithin ist der für ein Arbeitseinkommen nach den §§
850 ff.
ZPO geltende Pfändungsschutz zu beachten, wobei nach §
850c Abs.
1 S. 1
ZPO das Arbeitseinkommen unpfändbar ist, wenn es für den Schuldner nicht mehr als 930 EUR monatlich beträgt. Entsprechend dem
Gedanken von §
850c Abs.
1 S. 2
ZPO erhöht sich der Betrag bei der aus drei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft unter Berücksichtigung der dort erwähnten
Beträge auf einen pfändungsfreien Betrag von 1475 EUR bestehend aus 930 EUR für den Antragsteller zu 1. sowie weiteren mit
350 EUR und 195 EUR monatlich für die Antragstellerin zu 2. und den Antragsteller zu 3. (vgl. dazu bereits: Hessisches Landessozialgericht,
Beschluss vom 6. September 2007 - L 6 AS 145/07 ER -). Daraus folgt, dass auch eine Aufrechnung nach §
51 SGB I nicht möglich ist, denn die bewilligten Beträge liegen unter diesem Betrag.
Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht auf §
51 Abs.
2 SGB I beziehen, da die dort genannten Voraussetzungen ebenfalls nicht vorliegen, denn es handelt sich nicht um einen Fall von zu
Unrecht erbrachten Sozialleistungen.
Fehlt es damit aber an einer Rechtsgrundlage für die Aufrechnung, so ergibt sich zwangsläufig, dass die Antragsteller einen
Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der ihnen bewilligten Leistungen ohne Berücksichtigung eines Rückforderungsanspruchs in
Höhe von 75 EUR monatlich haben und damit auch vorliegend einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben.
Ob im Rahmen des gestellten Überprüfungsantrages vom 17. September 2007 zu prüfen ist, ob lediglich die Aufrechnung im Bescheid
vom 5. Juli 2007 unzulässig ist, oder ob gegebenenfalls die Kaution auch als Zuschuss zu bewilligen sein könnte, mag die Antragsgegnerin
im Verfahren nach § 44 SGB X entscheiden. Diese Frage steht nicht zur Entscheidung des Senats. Der Senat weist lediglich darauf hin, dass ausweislich
§ 22 Abs. 3 S. 3 SGB II regelmäßig ein Darlehen für die Mietkaution ("soll") gewährt werden soll. Dies sicherlich deshalb,
weil es im Regelfall vom Vermieter an den Mieter zurückfließen dürfte und es deshalb nicht gerechtfertigt sein könnte, es
den Hilfeempfängern als Zuschuss dauerhaft zu belassen. Ob und wie solche Darlehen zur Rückzahlung fällig werden, braucht
hier nicht entschieden zu werden und ist der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund für die ungekürzte Auszahlung ab Antragseingang bei Gericht glaubhaft gemacht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche
Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats - vgl. Beschlüsse
vom 22. September 2005 - L 9 AS 47/05 ER -, vom 7. Juni 2006 - L 9 AS 85/06 ER - und vom 30. August 2006 - L 9 AS 115/06 ER -; zuletzt Beschluss vom 27. November 2007 - L 9 AS 358/07 ER -; Conradis in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der
Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl. 2005, §
86b Rdnr. 28). Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist eine solche Notlage unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls
hier zu bejahen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, aus welchen Mitteln die Antragsteller den sonst nicht gedeckten Bedarf
bestreiten sollen. Die Antragsteller verfügen lediglich über die Leistungen nach dem SGB II, wobei ausweislich des Bescheides
vom 12. Juli 2007 unter Einschluss des Kindergeldes ein Familieneinkommen ohne Berücksichtigung des Mehrbedarfs für den Antragsteller
zu 1. in Höhe von 25,56 EUR von 902 EUR monatlich vorliegt und nicht in Höhe von 972 EUR, wie das Sozialgericht offensichtlich
unter Berücksichtigung von zwei Regelsätzen zu je 347 EUR und 278 EUR für den Antragsteller zu 3. berechnet hat. Unabhängig
von einer prozentualen Bewertung des insgesamt einbehaltenen Betrages zum Gesamtfamilieneinkommen ohne Unterkunftskosten und
Heizkosten führt jedoch der monatliche Einbehalt von je 25 EUR pro Mitglied der hier betroffenen Bedarfsgemeinschaft dazu,
dass der notwendige Bedarf nicht mehr hinreichend sichergestellt ist. Denn der hier in Rede stehende Betrag von 25 EUR monatlich
pro Person ist zur Überzeugung des Senats kein Bagatellbetrag mehr, bei dem der Anordnungsgrund ohne weiteres zu verneinen
ist und dem Hilfesuchenden das Abwarten der Hauptsacheentscheidung zugemutet werden kann (anders für einen Betrag von 1,38
EUR monatlich: Beschluss des Senats vom 7. November 2005 - L 9 AS 66/05 -; für einen Betrag von 5,60 EUR monatlich: Beschluss des Senats vom 19. September 2007 - L 9 B 153/06 AS -; für einen Betrag von 6,95 EUR monatlich: Beschluss des Senats vom 4. April 2006 - L 9 AS 17/06 ER -; für 8,10 EUR monatlich: Beschluss des Senats vom 2. Januar 2008 - L 9 AS 395/07 ER -). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsteller die Aufrechnung zunächst hingenommen haben und erst nach
Kenntnis der Entscheidung des 6. Senats des Hessischen Landessozialgerichts den Überprüfungsantrag und den vorliegenden Eilantrag
gestellt haben.
Soweit die Antragsteller allerdings auch mit der Beschwerde noch die ungekürzten Leistungen auch für Zeiträume vor Antragseingang
bei Gericht (2. Oktober 2007), mithin quasi die Rückzahlung der im August bis Oktober einbehaltenen monatlichen 75 EUR begehren,
so fehlt es allerdings an einem Anordnungsgrund, denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung dient im Regelfall der Abwendung
einer unmittelbar drohenden oder gegenwärtigen Notlage. Grundsätzlich kann sich eine solche daher regelmäßig erst auf Zeiträume
ab Antragseingang bei Gericht und damit auf einen aktuellen Bedarf beziehen, es sei denn, ein Nachholbedarf für eine rückwirkende
Bewilligung für Zeiträume vor Antragseingang ist hinreichend plausibel und glaubhaft gemacht (vgl. Beschluss des Senats vom
24. April 2006 - L 9 AS 39/06 ER -). Die Antragsteller haben nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Auszahlung der im August und September sowie
Oktober zu Unrecht einbehaltenen Beträge zur Vermeidung einer existenziellen Notlage zwingend erforderlich ist und ein Fortwirken
einer etwaigen in diesen Zeiträumen entstandenen Notlage in die Gegenwart hineinreicht. Dies ergibt sich weder substantiiert
aus ihrem Vortrag noch aus dem sonstigen Inhalt der Akten. Auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung und des Umstandes,
dass nach dem Vortrag der Antragsteller hinsichtlich der Unterkunftskosten eine Unterdeckung von 117 EUR monatlich gegeben
sein soll und im übrigen für den Antragsteller zu 3. noch eine Monatskarte der Deutschen Bahn für 78 EUR monatlich für den
Besuch des Gymnasiums in W-Stadt zu bestreiten ist, ergibt sich keine solche existenzielle Notlage, die es rechtfertigen würde,
eine einstweilige Anordnung auch für Zeiträume vor Beantragung bei Gericht zu erlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG, wobei der Senat das Unterliegen des Antragstellers im Hinblick auf die Monate vor Antragseingang bei Gericht als geringfügig
im Verhältnis zum Obsiegen angesehen hat und es deshalb für gerechtfertigt erachtet, dass die Antragsgegnerin die gesamten
außergerichtlichen notwendigen Auslagen der Antragsteller trägt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).