Tatbestand
Streitig ist die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 33.648,99 EUR für die Implantation eines
Herzklappenersatzes mit Hilfe einer Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI).
Die 1925 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte G. B. (nachfolgend: Versicherte) befand sich vom 18. bis 22. August
2011 und vom 05. bis 13. September 2011 unter der Diagnose einer mittel- bis hochgradigen Aortenklappenstenose bei multiplen
Begleiterkrankungen (vorbekannt waren: eine Koronarsklerose, eine pulmonale Hypertonie, postkapillär, eine COPD Stadium III
nach Gold, eine chronische Niereninsuffizienz, Stadium III nach NKS mit Zeichen eines Nierenparenchym beidseits in der Sonographie,
eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern, ein arterieller Hypertonus mit hypertensiver Herzerkrankung) in vollstationärer
Behandlung der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin der A.. Nach Auswertung der Befunde sowie des Risikoprofils der Versicherten
wurde die Entscheidung gegen eine offen-chirurgische Versorgung und für die Durchführung einer TAVI getroffen. Da der Eingriff,
der zunächst für den Zeitraum ab dem 18. August 2011 geplant gewesen war, aus kapazitiven Gründen nicht erfolgen konnte, wurde
die Versicherte am 05. September 2011 erneut aufgenommen und bei ihr am 06. September 2011 eine TAVI in Kooperation mit der
Herzchirurgie des Klinikums Karlsburg durchgeführt.
Die Klägerin berechnete der Beklagten hierfür nach einer Fallzusammenführung mit Endabrechnung vom 21. Oktober 2011 auf der
Grundlage der Fallpauschale DRG F98Z (Endovaskuläre Implantation eines Herzklappenersatzes oder transapikaler Aortenklappenersatz)
einen Gesamtbetrag von 33.648,99 EUR. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit der Begründung ab, dass die Leistung nicht vertraglich
vereinbart gewesen sei.
Die Klägerin hat am 29. Dezember 2014 Klage zum Sozialgericht Stralsund erhoben und Folgendes geltend gemacht:
Maßgeblich für das Entstehen eines Vergütungsanspruches nach §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V in Verbindung mit §
7 Satz 1 Nummer
1 KHEntgG sei der bestehende Versorgungsauftrag. Dieser ergebe sich bei einem Plankrankenhaus gemäß §
108 Nr. 2
SGB V aus den Festlegungen des Krankenhausplanes in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach §
109 Abs.
1 Satz 4
SGB V (§
8 Abs.
1 Satz 4 Nummer
1 KHEntgG). Bei einer Hochschulklinik gemäß §
108 Nummer
1 SGB V ergebe sich der Versorgungsauftrag aus der Anerkennung nach den landesrechtlichen Vorschriften, dem Krankenhausplan nach
§ 6 Abs. 1 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach §
109 Abs.
1 Satz 4
SGB V. Die A. sei gemäß des 4. Krankenhausplanes in Verbindung mit dem aktuell gültigen Feststellungsbescheid vom 10. Juni 2011
unter anderem mit dem Fachgebiet Innere Medizin/Kardiologie ausgewiesen. Wie dem Feststellungsbescheid zu entnehmen sei, sei
das Krankenhaus zum maßgeblichen Zeitpunkt mit 194 Betten für Innere Medizin in den Krankenhausplan des Landes M-V aufgenommen
gewesen. Der damit erteilte Versorgungsauftrag sei hinreichende Grundlage für die Erbringung der streitigen Leistung als minimalinvasive
Implantation einer Aortenklappe mittels TAVI.
Das Verfahren werde seit etwa 10 Jahren auch in Deutschland durchgeführt und stelle adaptiert an die Risikoeinstufung des
jeweiligen Patienten eine Alternative für das Erkrankungsbild einer hochgradigen Aortenklappenstenose dar, insbesondere wenn
ein hohes Risiko für die konventionelle offen-chirurgische Operation bestehe. Die kathetergestützte Implantation eines Aortenklappenersatzes
führe seit dem Jahre 2011 regelhaft zur Fallpauschale DRG F98Z. Die TAVI zähle zum Versorgungsauftrag des Fachgebietes Innere
Medizin/Kardiologie. Der entsprechende Krankenhausplan für das Land M-V enthalte bezüglich der Orientierung der Inhalte der
einzelnen Fachgebiete den expliziten Planungsgrundsatz, dass sich die Planung an der maßgeblichen Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer ausrichte. Die hierfür maßgebliche Weiterbildungsordnung der Ärztekammer M-V vom 20. Juni 2005 in der Fassung vom 16. August 2012 enthalte unter dem Punkt 13.7 – Facharzt/Fachärztin
für Innere Medizin und Kardiologie - unter anderem den Weiterbildungsinhalt: „Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten
in der ... interventionellen Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens“. Die vorliegend erbrachte
Leistung gehöre als interventionelle Behandlung einer Herzerkrankung somit zweifelsohne zum Versorgungsauftrag einer Fachabteilung
für Innere Medizin/Kardiologie.
Minimal-invasive Verfahren zur interventionellen Behandlung von Erkrankungen des Herzens, mithin auch kathetergestützte Verfahren
der Aortenklappenintervention, würden bundesweit nahezu ausnahmslos durch Kardiologen durchgeführt. Dieses Verfahren stelle
insbesondere bei der Behandlung älterer, multimorbider Patienten bereits seit Jahren in Deutschland den Goldstandard dar.
Die Komplikationsrate aller Fälle mit transarterieller TAVI belaufe sich auf lediglich 0,6 % der Patienten. 86-jährige Patientinnen,
wie vorliegend die Versicherte, würden in keiner Klinik in Deutschland offen-herzchirurgisch operiert, da sie einen solchen
Eingriff mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht überleben würden. Sofern bei einem älteren, multimorbiden Patienten
ein TAVI-Eingriff durchgeführt werde und es zu einer höchst seltenen Komplikation komme, seien im Übrigen nur Komplikationen
denkbar, die durch den Kardiologen selbst beherrschbar seien, und die keinen offen-herzchirurgischen Notfalleingriff erforderten,
bei welchem die Überlebenswahrscheinlichkeit älterer, multimorbiden Patienten gleich null sei. Theoretisch seien drei Komplikationen
denkbar, die an den Behandlungslokus, also hier an die Herzklappe geknüpft seien. Wenn sich die Klappe infiziere, ziehe dies
allenfalls einen späteren elektiven herzchirurgischen Eingriff nach sich. Zuvor werde bei dem Patienten eine konservative
Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Bilde sich an der Klappe ein Blutgerinnsel, sei allenfalls ein elektiver chirurgischer
Eingriff denkbar. Schließlich sei vorstellbar, dass die Klappe einen mechanischen Defekt erleide. Das diese Komplikation zum
Zeitpunkt der Implantation nicht bemerkt werde, sei unmöglich. In seltenen Fällen bestehe eine Undichtigkeit der Klappe, die
während des Eingriffs nicht erkannt werde. In einem solchen Fall werde die Komplikation ebenfalls durch den Kardiologen beherrscht,
der eine erneute perkutane Klappenimplantation durchführe. Darüber hinaus seien systemische Komplikationen denkbar, etwa Herzrhythmusstörungen
und Komplikationen wie z.B. Magenbluten unter Aspirin, oder eine Beinvenenthrombose durch Bettlägerigkeit oder Komplikationen,
die mit der Narkose oder der Lagerung während der OP zusammenhingen. Sämtliche dieser Komplikationen zögen jedoch ebenfalls
keinen sofortigen herzchirurgischen Eingriff nach sich, sondern seien vielmehr durch den Internisten/Kardiologen oder Ärzte
anderer Fachrichtungen beherrschbar.
Weiter hat die Klägerin auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juni 1990 (1 BvR 355/86) verwiesen, dessen Leitsatz 2 wie folgt laute: Soweit es dann auf die Leistungsfähigkeit einer Klinik ankommt, ist der aktuelle
Standard des Krankenhauswesens maßgebend. Werden gesundheitspolitische Fernziele, die diesen Standard weit übersteigen, als
Maßstab gewählt, so verstößt das gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verletzt die Berufsfreiheit der betroffenen
Krankenhausträger.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie für die stationäre Behandlung der Patientin G. (Fall-Nr.: 201....) 33.648,99 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. November 2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, dass die streitige Fallpauschale DRG F98Z nicht zum Leistungsspektrum der Klägerin gehöre. Diese
Fallpauschale stelle entgegen den Ausführungen der Klägerin eine herzchirurgische Leistung dar. Kathetergestützte Aortenklappeninterventionen
seien nach aktuell anerkanntem medizinischen Stand interdisziplinäre Leistungen unter zwingender Beteiligung von Kardiologen
und Herzchirurgen. Es handele sich um ein Verfahren mit einer technischen Komplexität, das den Einsatz eines interdisziplinären
Teams erfordere. Im Jahr 2002 sei weltweit die erste kathetergestützte Aortenklappenintervention bei einem Menschen erfolgt.
In Deutschland werde diese neue Therapieform erst seit 2005 eingesetzt, weshalb bislang - insbesondere in dem Jahr der streitigen
Behandlung 2011 - Langzeiterfahrungen mit dieser Behandlungsmethode noch fehlten.
Die Beklagte hat Bezug genommen auf ein „Positionspapier zur kathedergeführten Aortenklappenintervention“ der Deutschen Gesellschaft
für Kardiologie-, Herz- und Kreislaufforschung aus dem Jahr 2009, welches zusammenfassend Folgendes ausführe:
„... Die Anwendung der kathetergeführten Aortenklappenintervention ist aber gegenwärtig mit einem im Vergleich zu anderen
perkutaner Interventionen hohen Risiko verbunden, sodass eine sorgfältige Patientenauswahl notwendig ist, um nur solche Patienten
diesem Verfahren zuzuführen, die in der Einschätzung der Herzchirurgen und Kardiologen ein hohes Operationsrisiko erwarten
lassen.
Die Indikationsstellung und Durchführung des Eingriffes einschließlich der Geräteausstattung erfordern eine enge Zusammenarbeit
zwischen Kardiologen und Herzchirurgen, die Durchführung und Indikationsstellung ohne die beteiligten Partner ist nicht im
Interesse der Patientensicherheit.“
Für den vorliegenden Fall werde bestritten, dass die Indikationsstellung in einer gemeinsamen Konferenz von Kardiologen und
Herzchirurgen erfolgt sei.
Darüber hinaus hat die Beklagte auf ein Schreiben des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales vom 30. November
und 05. Dezember 2011 verwiesen, wonach die streitgegenständliche Leistung nicht allein einen kardiologischen Versorgungsauftrag
voraussetze.
Weiter hat sich die Beklagte auf das Protokoll des Deutschen Konvents der Kardiologischen und Herzchirurgischen Ordinarien
zum Thema „interventionelle Klappentherapie“ vom Januar 2010 berufen, wo unter Punkt 3 Folgendes festgestellt worden sei:
„Herzklappeninterventionen sollen nur an einem Zentrum vorgenommen werden, an welchem sowohl die interventionelle Kardiologie
als auch die Herzchirurgie als Kliniken vorhanden und etabliert sind. .... „Unter Umständen auftretende Komplikationen müssen
direkt vor Ort versorgt werden können, ohne dass dafür ein Transport des Patienten notwendig ist.“
Es möge zwar sein, dass der eigentliche Eingriff ein solcher sei, der seinen Schwerpunkt in der Kardiologie habe; bei eintretenden
Komplikationen wandele sich dieser jedoch schlagartig in einen herzchirurgischen Eingriff um. Der Eingriff selbst werde in
herzchirurgischen Bereitschaft der extrakorporalen Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine) durchgeführt und erfordere in allen
Behandlungsschritten sowohl das Vorhandensein einer Fachabteilung für Kardiologie als auch einer Fachabteilung für Herzchirurgie.
Bereits bei der Indikationsstellung sei eine herzchirurgische Fachabteilung unbedingt einzubeziehen, um sicherzustellen, dass
eine objektive Abwägung der verschiedenen infrage kommenden Therapieoptionen stattfinde. Dabei sei auch die Indikationsstellung
zum Klappenersatz vor dem Hintergrund möglicher Komplikationen außerordentlich wichtig. Die Entscheidung zur Therapie müsse
unter Berücksichtigung der Prognose für jeden Patienten individuell getroffen werden. Des Weiteren sei herzchirurgisches Facharztwissen
notwendig, um den Patienten nicht den Goldstandard in der Therapie der Aortenklappenstenose, nämlich den herzchirurgischen
Klappenersatz, vorzuenthalten. Während des Eingriffs selbst stelle die Fachabteilung für Herzchirurgie das herzchirurgische
Stand-By sicher, da einige Komplikationen, wie zum Beispiel schwere Blutungen und Gefäßkomplikationen, unter Umständen sofort
über eine Eröffnung des Brustkorbs unter Anwendung einer Herz-Lungen-Maschine herzchirurgisch behandelt werden müssten, um
das Überleben der betroffenen Versicherten zu retten. Die Herzchirurgie sei auch im postoperativen Verlauf unverzichtbar,
da sich Komplikationen auch erst nach Abschluss der Intervention ereignen könnten und dann ein unverzügliches Eingreifen erforderten.
Für die medizinisch sachgerechte Leistungserbringung einer kathetergeführten Aortenklappenintervention sei daher nach allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Vorhaltung sowohl einer Kardiologie als auch einer Herzchirurgie zwingend
erforderlich. Es sei unstreitig, dass diese Voraussetzungen von der Klägerin ausweislich des Krankenhausplans nicht erfüllt
würden. Herzchirurgische Leistungen seinen kein Bestandteil des Versorgungsauftrages der Klägerin. Anders verhalte es sich
mit der Universitätsklinik Rostock sowie dem Klinikum Karlsburg, deren Versorgungsauftrag sowohl die Kardiologie als auch
die Herzchirurgie umfasse. Die Klägerin sei nicht befugt, ihren Versorgungsauftrag durch eine wie auch immer geartete Kooperation
zu erweitern, um so Leistungen vereinbarungswidrig und entgegen des eigenen Versorgungsauftrages zu erbringen. Sie habe im
Ergebnis eine Leistung erbracht, welche nicht vom Versorgungsauftrag umfasst gewesen sei.
Die Klägerin hat in ihrer Replik geltend gemacht, dass zum Zeitpunkt der Leistungserbringung hinsichtlich der Erbringung einer
Aortenklappenimplantation mittels TAVI weder Richtlinienbeschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses noch besondere Abrechnungsvorschriften
existiert hätten. Bei dem seitens der Beklagten ins Feld geführten Schreiben des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und
Soziales des Landes M-V an die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen, handele es sich lediglich um Meinungskundgebungen,
denen keine rechtliche Relevanz zukomme. Die nur exemplarisch durch die Beklagte beigefügten „Fachartikel“ spiegelten den
Meinungsbildungsprozess innerhalb der tangierten Fachgesellschaften wider, änderten jedoch an der Reichweite des Versorgungsauftrags
nichts. Die von der Beklagten zitierten Positionspapiere setzten keine rechtsverbindlichen Standards. Diesen sei unter Zugrundelegung
allgemein wissenschaftlicher Kriterien keine Bedeutung zuzumessen.
Sämtliche und weitere dieser Fachbeiträge und der zugrundeliegenden Studien seien bekannt und ein Ausdruck des jeweils vorhandenen
Meinungsspektrums, gewünschter Qualitätskriterien und nicht zuletzt vorherrschender Interessenlagen der tangierten Fachdisziplinen.
Der durch die Beklagte dargestellte Ausschnitt aus einer Vielzahl von Stellungnahmen bei auch in den nachfolgenden Jahren
sich noch weiter entwickelnder Studienlage habe letztlich Veranlassung zur Beauftragung des gemeinsamen Bundesausschusses
auf der Grundlage des §
137 Abs.
1 Nummer
2 SGB V gegeben, um evaluierte und belastbare Anforderungen an die gebotene Struktur- und Prozessqualität der minimalinvasiven Eingriffe
an der Herzklappe verbindlich festzulegen. Dass die vorliegend umstrittene Leistung danach als herzchirurgischen Leistung
zu qualifizieren sei, ergebe sich hingegen noch nicht einmal aus dem diesbezüglichen Entwurf des gemeinsamen Bundesausschusses.
Der Gemeinsame Bundesausschuss selbst habe seinen Entwurf einer Richtlinie (vom Februar 2015) bereits im April 2015 aufgrund
erheblicher Bedenken gegen die Begründetheit einer Forderung nach einer eigenständigen Herzchirurgie bei den Leistungserbringern
überarbeitet. Hierbei habe sie entgegen der Unterstellung der Beklagten auch für die Zukunft eine Kooperation innerhalb einer
gemeinsamen Einrichtung für die Durchführung von TAVI‘s in struktureller Hinsicht genügen lassen. Zugleich sei damit einer
zwingenden Vorhaltung einer Herzchirurgie zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Patienten eine Absage
erteilt worden. Auch sei dem Beschlusstext zu entnehmen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine Übergangsregelung für Einrichtungen
vorgesehen habe, die in der Vergangenheit bereits Eingriffe diese Art erbracht haben. Hierdurch sei evident, dass in tatsächlicher
Hinsicht bisher noch nicht einmal die (für die Zukunft vorgesehene) Kooperation zwischen interventioneller Kardiologie und
Herzchirurgie zwingendes Erfordernis für die Leistungserbringung gewesen sei. Soweit nunmehr durch einen diesbezüglichen Beschluss
des gemeinsamen Bundesausschusses über eine Richtlinie zur minimalinvasiven Herzklappeninterventionen (Erstfassung vom 22.
Januar 2015) eine taugliche untergesetzliche Norm zur Einschränkung des Leistungsspektrums vorliege, könne diese eine Rückwirkung
auf bereits erbrachte Leistungen erkennbar nicht entfalten.
Zum Evidenzgrad potentiell vorliegender Studien und Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften im Kalenderjahr 2010/ 2011
bezieht sich die Klägerin auf die im Jahre 2011 publizierte PARTNER-Studie (erste randomisierte klinische Studie in Form eines
Kopf-an-Kopf-Vergleiches von TAVI gegenüber chirurgischer (Kohorte A) und medikamentöser (Kohorte B) Standardbehandlung),
auf das von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
gemeinsam im Jahr 2010 eingeführten Aortenklappenregister (GARY), ein Positionspapier (Kardiologie 2009-3, S. 199 ff) zur
kathetergestützten Aortenklappenintervention im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Zusammenarbeit mit der
Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, eine Beschlussfassung des Deutschen Konvents der Kardiologischen
und Herzchirurgischen Ordinarien im Januar 2011 zum Thema „Interventionelle Klappentherapie“ sowie ein Positionspapier der
Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte aus dem Jahr 2011 (Kardiologie -5 S. 366 ff). Hiernach sei
folgendes Fazit zu ziehen: Erst im Jahre 2011 hätten randomisierte Studienergebnisse vorgelegen, die bei inoperablen Patienten
einen signifikanten Überlebensvorteil der TAVI gegenüber dem konservativen Vorgehen aufgezeigt hätten. Bei Hochrisiko-Patienten
sei die TAVI zumindest ebenbürtig gewesen. Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie und der Europäischen Herzchirurgischen
Gesellschaft existierten für die TAVI erst seit 2012.
Die Beklagte ist nochmals dem Argument der Klägerin entgegengetreten, der Gemeinsame Bundesausschuss gehe in seinem Beschluss
vom 22. Januar 2015 davon aus, dass eine qualitative Erbringung der Leistung auch ohne herzchirurgischen Fachabteilung gewährleistet
sei. Vielmehr beruhe der Beschluss auf der Erkenntnis, dass die erforderliche qualitative Leistungserbringung nur erfolgen
könne, wenn sowohl eine Fachabteilung Kardiologie als eine Fachabteilung Herzchirurgie am selben Haus vorhanden sei. Insoweit
werde auf die tragenden Gründe zum Beschluss zur minimalinvasiven Herzklappenintervention in der Erstfassung vom 22. Januar
2015 verwiesen. Die Übergangsregelung sei nur geschaffen worden, um den Krankenhäusern Gelegenheit zu geben, sich auf die
Mindestvorgaben einzustellen und die erforderlichen Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Nach der vom gemeinsamen Bundesausschuss
vertretenen Auffassung erziele diese Übergangsregelung jedoch gerade nicht die Qualität, die durch die zwei erforderlichen
Fachabteilungen sichergestellt werde. Aus diesem Grunde sei eine Übergangsregelung nur für einen eng begrenzten Übergangszeitraum
geschaffen worden. Um von dieser Übergangsregelung Gebrauch machen zu können, seien von den jeweiligen Krankenhäusern jedoch
besondere Voraussetzungen zu erfüllen. Die Inanspruchnahme der Übergangsregelung setze voraus, dass die derzeit nicht erfolgende
Erfüllung der als Mindestvorgabe angesehenen Anforderungen weitestgehend kompensiert werde. Bei Kooperationsvereinbarungen
mit externen Fachabteilungen sei - auch nach Auffassung des gemeinsamen Bundesausschusses - sicherzustellen, dass zusammen
mit dem kooperierenden Krankenhaus die Anforderungen der Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses erfüllt werden. Die
Klägerin habe jedoch nicht zum Vorliegen dieser Voraussetzungen, insbesondere zu Einzelheiten eines Kooperationsmodells, vorgetragen.
Soweit der Gemeinsame Bundesausschuss eine zeitlich begrenzte Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf den Fortbestand einer (stillschweigenden)
Billigung der Aufsichtsbehörden für die in der Vergangenheit erfolgte Erbringung von TAVI-Leistungen angenommen habe, könne
sich die Klägerin auf einen etwaigen Vertrauensschutz nicht berufen, zumal das zuständige Ministerium für Arbeit, Gleichstellung
und Soziales mit den Schreiben vom 30. November 2011 und 05. Dezember 2011 gerade klargestellt habe, dass es herzchirurgischen
Leistungen für nicht vereinbarungs- und auch vergütungsfähig halte.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2017 hat die Klägerin nähere Ausführungen zur Kooperation mit dem Klinikum
Karlsburg gemacht. Die Indikation sei gemeinschaftlich mit den Herzchirurgen gestellt worden. Die Operation habe in einem
OP-Saal mit Hybridausstattung stattgefunden. An der Operation habe ein herzchirurgisch erfahrener Anästhesist mitgewirkt.
Eine Herz-Lungen-Maschine habe in Bereitschaft gestanden. An der Operation habe auch ein Herzchirurg des Klinikum Karlsburg
teilgenommen. Es sei jederzeit möglich gewesen, am Ort in eine offenchirurgische Operation umzusteigen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2017 abgewiesen und zur Begründung insbesondere Folgendes ausgeführt:
Zwar habe die Aufnahme in den Krankenhausplan gemäß §
109 Abs.
1 S. 2 Halbs. 2
SGB V grundsätzlich die Fiktion des Abschlusses eines Versorgungsvertrages zur Folge. Gemäß §
109 Abs.
4 S. 1
SGB V werde das Krankenhaus mit einem Versorgungsvertrag jedoch nur für die Dauer des Vertrages und nur im Umfang des dort zugebilligten
Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung zugelassen. Dementsprechend sei ein Kostenerstattungsanspruch Versicherter
für stationäre Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus außerhalb der gesetzlich geregelten Ausnahmefälle ausgeschlossen
und erst recht wie das Bundessozialgericht zuletzt mit Urteil vom 23. Juni 2015 (B 1 KR 20/14 R = SozR 4-2500 § 108 Nr. 4, Rn. 11) entschieden habe - abgesehen von Notfällen – auch ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses
für Behandlungen außerhalb des Geltungsbereichs des erteilten Versorgungsauftrages. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch
rechtfertige sich deshalb nur, wenn es sich um eine Behandlung im Rahmen des der Klägerin zugewiesenen Versorgungsauftrags
gehandelt habe. Dies sei hier nicht der Fall.
Das Sozialgericht hat sodann näher ausgeführt, dass es sich bei der TAVI zum maßgeblichen Zeitpunkt um einen im Rahmen einer
interdisziplinären Zusammenarbeit von Kardiologen und Herzchirurgen durchzuführenden Eingriff gehandelt habe und dieser daher
nicht vom dem lediglich für das Fachgebiet der Kardiologie erteilten Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt gewesen sei.
Dies gelte selbst dann, wenn man mit der Klägerin davon ausgehe, dass eine minimal-intensive Herzklappenintervention (auch)
zu dem Weiterbildungsinhalt für die Facharztbezeichnung FA/FÄ für Innere Medizin und Kardiologie zählte, weil dieser Eingriff,
um dem damals geltenden Qualitätsgebots im Sinne des §
2 Abs.
1 S. 3
SGB V zu genügen, gleichzeitig vor Ort die Vorhaltung herzchirurgischer Leistungen für den Fall von Komplikationen vor, während
und nach dem Eingriff erfordert habe. In Übereinstimmung mit dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des SG Wiesbaden vom
26. Oktober 2016 vertrete die Kammer die Auffassung, dass die von der Klägerin behauptete und in der mündlichen Verhandlung
näher erläuterte Kooperation mit dem Klinikum Karlsburg, welches zum maßgeblichen Zeitpunkt neben dem Universitätsklinikum
Rostock einen Versorgungsauftrag für die beiden vorgenannten Fachgebiete besessen habe, zu keiner Erweiterung des auf die
Erbringung von Leistungen auf dem Fachgebiet der Inneren Medizin und Kardiologie beschränkten Versorgungsauftrags führe, weil
die Kooperation im Ergebnis eine wesentliche Änderung der dem Feststellungsbescheid vom Juni 2011 und dem Vierten Krankenhausplan
zugrunde liegenden Leistungsstruktur zur Folge habe. Denn aufgrund steigender Fallzahlen bei der kathetergestützten Aortenklappenimplantation
sei zu erwarten gewesen, dass die Fallzahlen in der Herzchirurgie zurückgingen. Der Krankenhausplan als Instrument des bedarfsorientierten
Krankenhausplanungsrechts (BSG, Urteil vom 27. November 2014, B 3 KR 1/13 R, a. a. O., Rn. 18) könne nicht von dem jeweiligen Krankenhaus durch eine Kooperationsvereinbarung außer Kraft gesetzt werden.
Denn die Vorschriften über die Zulassung zur Krankenhausversorgung seien von dem Ziel geleitet, die begrenzten finanziellen
Mittel zur Krankenhausversorgung und zur Gewährung der laufenden Versorgung sparsam einzusetzen, was bei Überkapazitäten gefährdet
wäre (BSG, a. a. O., Rn. 14).
Die Klägerin hat gegen das am 29. Dezember 2017 zugestellte Urteil am 05. Januar 2018 Berufung eingelegt. Sie führt unter
Wiederholung ihres bisherigen Vorbringen insbesondere nochmals aus, dass interventionelle kathetergestützte Verfahren zur
Behandlung des Herzens und der herznahen Gefäße zum Fachgebiet der Kardiologie gehörten und ausschließlich von Kardiologen
vorgenommen würden. Ein darüber hinaus gehender Versorgungsauftrag für Chirurgie sei für den Eingriff nach dem Wortlaut von
§ 8 Abs. 1 S. 3 Krankenhausentgeltgesetz nicht erforderlich gewesen. Die vom Sozialgericht aufgestellte Forderung nach einer herzchirurgischen Abteilung am TAVI-Implantationsort
sei weder klinisch begründbar, noch gebe es dazu unterstützende klinische Daten. Die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes eines
Herzchirurgen nach einem TAVI-Eingriff gehe gegen null, die Überlebenschance eines Patienten für diesen Seltenheitsfall ebenso.
Es habe im Kalenderjahr 2011 kein allgemeiner medizinischer Standard bestanden oder auch nur valide erhobene Daten vorgelegen,
auf deren Grundlage sich überhaupt die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Herzchirurgen zum Eingriff oder der Durchführung
einer Hybrid-OP habe ableiten lassen. Auch nach der am 25. Juli 2015 in Kraft getretenen Qualitätssicherungsrichtlinie des
Gemeinsamen Bundesausschusses hätten Kliniken wie die Klägerin, die die TAVI bereits im Zeitraum vom 01. Januar 2013 bis 30.
Juni 2014 erbracht hätten, noch bis zum 30. Juni 2016 ohne eigene Abteilung für Herzchirurgie erbringen können und könnten
dies unter den Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 der Richtlinie auch darüber hinaus. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass
die Beklagte zu keinem Zeitpunkt behauptet habe, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Leistungserbringung geltende rechtsverbindliche
Qualitätskriterien nicht eingehalten habe. Hätten insoweit Zweifel vorgelegen, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, den
MDK mit einer entsprechenden Prüfung zu beauftragen. Da die Fristen hierfür abgelaufen seien, sei die Beklagte mit potentiellen
Einwendungen auf die auf erster Stufe der Sachverhaltserhebung (§ 301-Daten) gewonnenen Erkenntnisse beschränkt.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 15. Dezember 2017 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin
33.648,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. November 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf dessen Gründe sowie ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend
Folgendes aus: Es habe keiner der in §
275 Abs.
1 S. 1
SGB V aufgeführten Begutachtungsanlässe vorgelegen, da die Vergütungsforderung bereits mangels erteilten Versorgungsauftrages zurückzuweisen
gewesen sei und es sich nicht um eine medizinische Sachfrage des konkreten Einzelfalls gehandelt habe, zu deren Klärung eine
Einschaltung des MDK erforderlich gewesen sei. Sollte es dennoch auf die Fragestellung ankommen, ob die erbrachte Leistung
ausreichend, erforderlich und nach dem gemäß §
2 Abs.
1 SGB V maßgeblichen Stand der Wissenschaft durchgeführt wurde, behalte sich die Beklagte vor, Einsicht in die Patientenunterlagen
zu nehmen und diese ggf. zur sozialmedizinischen Stellungnahme an den MDK weiterzuleiten. Im Übrigen sei nach wie vor nicht
erkennbar, wie die Indikationsstellung erfolgt sei und welche Herzchirurgen beim Eingriff zugegen gewesen seien. Diesbezüglich
sei auch dem Sitzungsprotokoll vom 15. Dezember 2017 nichts zu entnehmen. Auch sei bis heute keine Kooperationsvereinbarung
vorgelegt worden.
Nach Hinweis des Senates auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. August 2021 (B 1 KR 18/20)
hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich das BSG an die Feststellungen des Hessischen LSG zur Evidenzlage gebunden gesehen habe. Diese seien jedoch nachweislich unzutreffend.
Bereits ab dem Kalenderjahr 2011 habe die hier streitgegenständliche Behandlung den Qualitätskriterien des §
2 Abs.
1 S. 3
SGB V entsprochen, da die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute die streitgegenständliche Behandlungsmethode befürwortet habe.
Es hätten bereits zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zu Qualität und Wirksamkeit der Methode vorgelegen.
Hierzu wurden nochmals Auszüge aus der erstinstanzlich diskutierten Literatur zitiert. Der nach dem Krankenhausplan Mecklenburg-Vorpommern
bestehende Versorgungsauftrag der Klägerin für die vorliegend zu beurteilende Leistung der Erbringung der TAVI sei weder durch
eine spezifische Schwerpunktplanung, noch durch eine spezifische ausdrückliche Einschränkung innerhalb des maßgeblichen Feststellungsbescheides,
noch durch Qualitätssicherungsrichtlinien des GBA eingeschränkt gewesen.
Eine Äußerung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, wonach die streitgegenständliche Leistung
ausschließlich in Kliniken, die über eine eigene Abteilung für Herzchirurgie verfügten, erbracht werden sollten, habe zum
Zeitpunkt der Leistungserbringung ebenso wenig existiert, wie die europäische ESC-Leitlinie, die erst im Kalenderjahr 2012
veröffentlicht worden sei. Vielmehr habe es dem medizinischen Standard am 06. September 2011 entsprochen, dass die Leistung
auch in Kooperation mit einer externen Abteilung für Herzchirurgie, wie vorliegend erfolgt, durchgeführt werden durfte.
Zu diesem Zeitpunkt habe kein Dissens hinsichtlich der Erbringung der TAVI in Kooperation einer Kardiologie mit einer Herzchirurgie
bestanden. Die Leistungserbringung durch eine In-house-Kardiologie und Herzchirurgie sei damals von keiner Fachgesellschaft
gefordert worden. So heiße es in dem gemeinsamen Positionspapier zu kathetergeführten Aortenklappeninterventionen der Deutschen
Gesellschaft für Kardiologie sowie der Deutschen Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, veröffentlicht in „Der
Kardiologe 3/2009“, zur Durchführung der TAVI übereinstimmend wie folgt: „Der Eingriff sollte in Zusammenarbeit von Kardiologen
und Herzchirurgen nach einem ausreichenden Training durchgeführt werden im Bereich einer Herzkatheteranlage oder in einem
Hybrid-OP, da das Management von Komplikationen die sofortige fachliche Kompetenz beider Disziplinen erfordert.“ Weiter bestätige
auch das Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte (ALKK) e.V. in „Der Kardiologe
5/2011“, dass das gemeinsame Positionspapier der DGK und der DGTHG zum Zeitpunkt der Leistungserbringung unverändert die einzige
auf einem Konsens beruhende Arbeitsgrundlage für die in einem TAVI-Programm involvierten Ärzte darstelle (so die wörtliche
Zusammenfassung auf Seite 370). Die Leistungserbringung habe daher zum damaligen Zeitpunkt dem medizinischen Standard entsprochen.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2022 hat der Klägervertreter beantragt, Beweis zu erheben durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens, zu der Frage welcher wissenschaftlicher Erkenntnisstand im Zeitpunkt des hier maßgeblichen Eingriffes
am 05. September 2011 zu der Frage vorlag, ob und welche Kooperationsvereinbarung mit einer externen Herzchirurgie als qualitätsanforderungserfüllend
anzusehen war.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Senat folgt insoweit dem Urteil des BSG vom 16. August 2021 (B 1 KR 18/20), in welchem dieses den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse für einen im Jahr 2013
erfolgten Behandlungsfall festgestellt hat. Das BSG hat hierzu unter Randnummer 28 ff. insbesondere ausgeführt, dass das Landessozialgericht sich für die Beurteilung des Standes
der wissenschaftlichen Erkenntnisse zutreffend auf die tragenden Gründe zum Beschluss des GBA vom 22. Januar 2015 zu der MHI-RL
gestützt habe. Die dort dargestellte Studienlage zeige aus Sicht des GBA, dass ein internationaler fachlicher Konsens hinsichtlich
der Notwendigkeit der unmittelbaren Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Herzchirurgen bestehe, die durch ein interdisziplinäres
Herzteam und das Vorhandensein beider Fachabteilungen in einem Krankenhaus gewährleistet sein sollte.
Entgegen der Argumentation der Klägerin beruht diese Entscheidung nicht darauf, dass das BSG sich an die Feststellungen des Hessischen LSG gebunden gesehen hätte. Denn unter Randnummer 31 hat das BSG ausdrücklich aufgeführt, dass es auch für den Fall, dass eine Bindungswirkung nicht bestehe, keinen Zweifel daran habe, dass
die im Einklang mit der Einschätzung des GBA stehenden Feststellungen richtig seien. Die Behauptung der Klägerin, es lasse
sich ein Übergewicht derjenigen Stimmen feststellen, die eine herzchirurgische Abteilung für entbehrlich hielten, sei zumindest
bei der erforderlichen Einbeziehung der europäischen und internationalen Publikationen nicht nachvollziehbar.
Jedenfalls habe im Jahr 2013 mit Blick auf die abweichenden Ansichten der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
und der europäischen und internationalen Fachgesellschaften kein (international) breiter fachlicher Konsens darüber bestanden,
dass TAVI-Leistungen auch in Krankenhäusern ohne herzchirurgische Fachabteilung erbracht werden konnten. Hinzu komme, dass
es sich bei der TAVI im Jahr 2013 noch um eine relativ neue und hochkomplexe Behandlungsmethode handelte, die auch nach den
von der Klägerin angeführten Publikationen besondere Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität stelle. Auch aus diesem
Grund sei es geboten gewesen, im Interesse des Versichertenschutzes den "sicheren" Weg zu wählen und die TAVI-Behandlung spezialisierten
Krankenhäusern vorzubehalten, in denen beide Fachabteilungen vorhanden sind.
Für den vorliegend relevanten Zeitpunkt der Leistungserbringung im September 2011 gilt nichts Anderes. Ein breiter fachlicher
Konsens lässt sich bereits dann nicht mehr feststellen, wenn auch nur einzelne namhafte Stimmen eine abweichende Meinung vertreten.
Eine derartige Meinungsäußerung, die im Widerspruch zu der Behauptung der Klägerin steht, es habe im Jahr 2011 Konsens geherrscht,
dass eine TAVI auch im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit einer Klinik an einem anderen Ort erbracht werden könne,
stellt das Protokoll des Deutschen Konvents der Kardiologischen und Herzchirurgischen Ordinarien zum Thema „interventionelle
Klappentherapie“ vom Januar 2010 dar. Denn hierin wurde explizit festgehalten, dass Herzklappeninterventionen nur an einem
Zentrum vorgenommen werden sollen, an welchem sowohl die interventionelle Kardiologie als auch die Herzchirurgie als Kliniken
vorhanden und etabliert sind, so dass ein Transport im Falle von Komplikationen nicht erforderlich ist.
Die von der Klägerin begehrte Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes
im Zeitpunkt des hier maßgeblichen Eingriffes ist nicht geeignet, insoweit eine weitere Sachaufklärung zu leisten. Denn selbst
bei unterstellter gutachterlicher Feststellung einer überwiegenden Ansicht in der medizinischen Literatur, die das Vorhandensein
einer Herzchirurgie am gleichen Ort für entbehrlich hält, hindert allein die Meinungsäußerung im vorgenannten Protokoll die
Annahme eines breiten fachlichen Konsenses. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die einer Beurteilung durch Sachverständigenbeweis
nicht zugänglich ist.
Der Senat folgt der Entscheidung des BSG vom 16. August 2021 auch insoweit, dass die Übergangsregelung des § 9 Satz 1 MHI-RL auf vor Inkrafttreten erfolgte Leistungserbringungen nicht anwendbar ist. Das BSG hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass die Leistungserbringung vom 01. Januar 2013 bis 30. Juni 2014 durch die Regelung
nicht habe legitimiert werden sollen, sondern vielmehr Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Übergangsregelung sei. Es bestehe
auch kein Bedürfnis für die Einräumung eines Vertrauensschutzes, zumal die Krankenhäuser die Möglichkeit gehabt hätten, ihre
Berechtigung zur Leistungserbringung im jeweiligen Einzelfall durch die KK vorab verbindlich klären zu lassen.