Übernahme von Kosten für eine Bestattung
Nachrangig Verpflichteter
Getrenntlebende Eheleute
Tatbestandsmerkmal der "Zumutbarkeit"
Tatbestand
Im Streit steht die Übernahme von Kosten für die Bestattung des Ehemannes der Klägerin.
Der Ehemann der am …1957 geborenen Klägerin verstarb am …2015. Die Eheleute lebten seit zwei Jahren getrennt. Zum Zeitpunkt
des Todes bezogen sowohl die Klägerin als auch der Verstorbene Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin und ihre Tochter schlugen das Erbe aus.
Am 3. Februar 2015 beantragte die Klägerin in Begleitung ihrer Tochter bei dem Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten
nach § 74 SGB XII.
Der Sohn der Klägerin, A., nahm aus der Wohnung des Verstorbenen Gegenstände an sich, darunter einen Fernseher und eine Couch.
In einem Telefonat vom 22. April 2015 der Klägerin mit der Sachbearbeiterin des Beklagten fragte diese, ob der Sohn im Falle
der Nichtausschlagung des Erbes einen Antrag auf Kostenübernahme stellen könne. In diesem Gespräch wurde zunächst die Auskunft
gegeben, eine Kostenübernahme komme dann nicht in Betracht. Im weiteren Fortgang händigte der Beklagte allerdings dem Herrn
A. persönlich ein Hinweisschreiben vom 12. Mai 2015 nebst Antragsformularen aus. Letztlich wurde Herr A. Erbe des Verstorbenen
gemäß Erbschein vom 16. März 2015.
Die Klägerin gab die Bestattung in Auftrag, die am 10. Februar 2015 stattfand. Hierfür stellte ihr das Bestattungshaus H.
in A-Stadt mit Rechnung vom 23. Februar 2015 (zahlbar innerhalb 14 Tagen) insgesamt 1.511,45 Euro in Rechnung. Die Stadt A-Stadt
setzte mit Gebührenbescheid vom 25. Februar 2015 Gebühren in Höhe von 720,25 Euro für ein Urnengemeinschaftsgrab, zahlbar
bis zum 14. März 2015, in Rechnung. Für die Einäscherung forderte die M. mbH mit Rechnung vom 18. Februar 2015, zahlbar bis
zum 4. März 2015, 271,52 Euro von der Klägerin. Für eine Trauerrede wurden durch die Firma K. mit Rechnung vom 15. Februar
2015 220,00 Euro in Rechnung gestellt.
Mit Rentenbescheid vom 6. März 2015 bewilligte die deutsche Rentenversicherung Nord der Klägerin eine große Witwenrente in
Höhe von 237,44 Euro für die Zeit ab 1. Mai 2015 (Sterbevierteljahr vom 30.01.2015 bis 30. April 2015: eine Nachzahlung in
Höhe von 1.212,69 Euro wurde vorläufig nicht ausgezahlt).
Mit Bescheid vom 17. April 2015 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme ab. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass
der Sohn A. aufgrund der Annahme des Erbes gemäß §
1968 BGB zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet sei. Da sie kein Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII sei, könnten für sie keine Kosten übernommen werden. Des Weiteren wies der Beklagte darauf hin, dass von insgesamt geltend
gemachten Bestattungskosten in Höhe von 2.723,22 Euro nur 2.106,07 Euro angemessen seien. Abzusetzen wäre davon ein Betrag
in Höhe von 50,00 Euro, da nach dem Tod noch vom Konto des Verstorbenen eine Verfügung in Höhe von 50,00 Euro vorgenommen
worden sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 29. April 2015 Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, sie sei grundsätzlich anspruchsberechtigt,
da sie als Erstverpflichtete nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 Bestattungsgesetz M-V für die Bestattungskosten in Anspruch genommen werde. Die Kostentragung sei ihr unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen
Verhältnisse und der Fälligkeit der weiteren offenen Rechnungen nicht zuzumuten. Zwar sei der Sohn als Erbe verpflichtet,
die Bestattungskosten zu tragen und Mittel aus dem Nachlass einzusetzen. Auch der Sohn könne jedoch die Bestattungskosten
nicht aufbringen. Hier hätte die Widerspruchsführerin darauf hingewiesen werden müssen, dass auch der Sohn einen Antrag auf
Übernahme der Bestattungskosten stellen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es wurde ausgeführt,
dass es im Hinblick auf die Prüfung des Anspruchs nach § 74 SGB XII nicht darauf ankomme, wer die Bestattung veranlasst bzw. in Auftrag gegeben habe. Entscheidend sei vielmehr die Kostentragungspflicht.
Zur Tragung der Bestattungskosten seien in folgender Reihenfolge verpflichtet 1. die Vertragspartner des Verstorbenen, 2.
die Erben, 3. der Unterhaltspflichtige, 4. der in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht Verpflichtete.
Vertragspartner existierten nicht. Erbe sei allein Herr A., damit sei er auch nur Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII. Die Widerspruchsführerin sei in Telefonaten vom 18. und 25. Februar 2015 über die Möglichkeiten der Erbannahme und Erbausschlagung
und deren Folgen für sich und ihre Familienmitglieder informiert und aufgeklärt worden. Sie habe auch eindeutig erklärt, die
Problematik mit ihrem Sohn besprochen zu haben, dass dieser jedoch das Erbe auf keinen Fall ausschlagen wollte, da er aus
dem Erbe einen Fernseher, die Couch und Küchenmöbel begehrt habe. Bis dato habe er selbst keinen Antrag nach § 74 SGB XII gestellt, obwohl ihm dazu am 12. Mai 2015 die entsprechenden Antragsunterlagen persönlich im Sozialamt ausgehändigt worden
seien. Der Argumentation, Herr A. könne wegen Mittellosigkeit nicht in Anspruch genommen werden, werde nicht gefolgt. Zwar
sei er unstreitig Empfänger von SGB II-Leistungen, gleichwohl könnte dieser gegenüber Empfängern von SGB XII-Leistungen größeres Schonvermögen ansparen. Er selbst habe sich weder beim Sozialhilfeträger beraten lassen noch in irgendeiner
Weise in das Verfahren eingebracht, um die Widerspruchsführerin bezüglich der Kostentragung zu entlasten.
Mit der am 12. November 2015 beim Sozialgericht (SG) Neubrandenburg erhobenen Klage hat die Klägerin die Zahlung von Bestattungskosten in Höhe von 2.106,07 Euro durch den Beklagten
begehrt. Zur Begründung trägt sie vor, als Ehefrau des Verstorbenen gemäß den landesrechtlichen Bestattungsregelungen Verpflichtete
im Sinne des § 74 SGB XII zu sein. Damit sei ihr Sohn nicht der einzig Verpflichtete. Es sei ihr nicht zumutbar, sie auf eine Inanspruchnahme ihres
Sohnes zu verweisen. Dieser sei mittellos. Der Nachlass sei verschuldet gewesen. Ein Verbraucherinsolvenzverfahren für den
Sohn werde vorbereitet. Sie habe auch mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten ihren Sohn unter dem 18. November 2015 zur
Begleichung der Beerdigungskosten bis zum 30. November 2015 fruchtlos aufgefordert, worauf dieser nicht reagiert habe. Ein
langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang könne ihr nicht zugemutet werden, wenn der Sohn bereits vorgerichtliche Zahlungsaufforderungen
ignoriere und die Möglichkeit besitze, seine Haftung auf einen nicht verwertbaren Nachlass zu beschränken. Der Beklagte verkenne
auch, dass für ihn die Möglichkeit bestehe, sich den gegebenenfalls bestehenden Ausgleichsanspruch der Mutter gegen den Sohn
gemäß § 93 SGB XII abtreten zu lassen. Dies stelle für den Beklagten keinen unverhältnismäßigen Nachteil dar, während ihr das Prozessrisiko
nicht auferlegt werden könne. Hierzu hat die Klägerin auf ein Urteil des BSG vom 29. September 2009, B 8 SO 23/08 R verwiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 17. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2015
zu verpflichten, an sie einen Betrag in Höhe von 2.106,07 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat dargelegt, dass die Klägerin in mehreren Telefonaten umfassend beraten worden sei. Gleichwohl habe der Sohn
der Klägerin das Erbe angenommen und auch selbst keinen Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Er hat des Weiteren nochmals
auf eine Rangfolge bei der Prüfung der Bestattungspflicht hingewiesen, wonach Herr A. als Erbe Verpflichteter geworden sei.
Anzuerkennen wären aus seiner Sicht im Leistungsfall Kosten in Höhe von nur 2.056,07 Euro. Der Nachlass sei auch nicht vollumfänglich
verschuldet gewesen, der Sohn habe die Gegenstände (Fernseher, Couch, diverse Küchenmöbel) veräußern können und für die Aufwendungen
der Bestattung seines Vaters einsetzen können.
Die Klägerin hat vertiefend vorgetragen, dass sie zum Zeitpunkt der Beauftragung des Bestattungsunternehmens sich als Ehefrau
zur Auftragserteilung verpflichtet gesehen habe. Ihr sei insbesondere nicht bekannt gewesen, ob der Sohn das Erbe auch ausschlagen
werde. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen, die für den Sohn bestehende Entscheidungsfrist bezüglich der Erbausschlagung abzuwarten.
Sie habe zum Zeitpunkt der Beauftragung des Bestattungsunternehmens davon ausgehen müssen, aus rechtlicher Verpflichtung (Ehefrau)
heraus die Kosten der Bestattung tragen zu müssen. Schließlich sei der Erbschein erst unter dem 16. März 2015 ausgestellt
worden.
Mit Urteil vom 29. März 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei unbegründet. Die Klageforderung setze sich aus vier Positionen zusammen, und zwar der Rechnung
des Bestatters in der von den Beteiligten als erforderlich erachteten Höhe (1.068,30 Euro), der Trauerrednerrechnung in Höhe
von 220,00 Euro, der Krematoriumsrechnung in Höhe von 271,52 Euro und dem Gebührenbescheid in der von den Beteiligten als
erforderlich erachteten Höhe in Höhe von 546,25 Euro. Letzterer sei storniert worden und durch einen an den Sohn gerichteten
Bescheid vom 27. April 2015 ersetzt worden. Die Trauer- und die Krematoriumsrechnung seien inzwischen vollständig beglichen.
Hingegen sei die Bestattungsrechnung wegen weiterer Mahn-/Vollstreckungskosten gemäß fernmündlicher Auskunft der T. GmbH vom
14. März 2019 auf 2.328,88 Euro angestiegen.
Die Kostentragungspflicht gemäß § 74 SGB XII treffe nicht primär die Klägerin, sondern ihren Sohn. Daran ändere auch das von der Klägerin zitierte BSG-Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – nichts. Ein Ausgleichsanspruch gegenüber Dritten dürfte dem Anspruchsteller
nur dann nicht entgegengehalten werden, wenn dieser als solcher zweifelhaft sei. Es komme also allein auf das Erkenntnisverfahren,
nicht aber auf das Vollstreckungsverfahren an. Im Hinblick auf das Erkenntnisverfahren sei die Rechtslage eindeutig. Mit der
Beauftragung des Bestattungshauses habe die Klägerin zugleich ein Geschäft für den Sohn besorgt, dem nämlich die Durchführung
der gesetzlichen Bestattungspflicht obliegen habe. Zwar habe sie damit zugleich eine eigene öffentlich-rechtliche Aufgabe
erfüllt als primär Verpflichtete im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 1 Bestattungsgesetz M-V. Dies stehe aber dem sogenannten Fremdgeschäftsführungswillen nicht entgegen, wenn der Geschäftsführer – wie hier – auch
im fremden Interesse handele. Letztendlich könne die Klägerin von dem Sohn den Ersatz der Bestattungsaufwendungen nach §
683 BGB verlangen. Etwaig fehlendes Vermögen bei dem Sohn sei für die Wirksamkeit eines gegen ihn gerichteten Ersatzanspruches unerheblich.
Hier stehe eine bloße Zahlungsunwilligkeit des Sohnes im Raum, die für sich genommen einen Verweis auf Ausgleichsansprüche
nicht unzumutbar mache. Eine solche Auslegung, die maßgeblich nur Probleme im Erkenntnisverfahren, nicht aber im inländischen
Vollstreckungsverfahren berücksichtige, sei auch aus systematischen Gründen geboten. Bei der Anwendung des Nachranggrundsatzes
könne generell weder auf Pietätsgesichtspunkte noch auf sonstige innerfamiliäre Umstände Rücksicht genommen werden. Konsequenterweise
sei hier auch im anwaltlichen Schriftsatz vom 18. November 2015 die gerichtliche Durchsetzung der klägerischen Ansprüche angedroht
worden. Schließlich hätte der Sohn gegebenenfalls einen Kostenübernahmeanspruch gegenüber dem Beklagten nach § 74 SGB XII gehabt. Diesen habe er nicht geltend gemacht, obgleich ihm die Unterlagen persönlich im Mai 2015 ausgehändigt worden seien.
Auch in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 18. November 2015 sei auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, gleichwohl habe der
Sohn hierauf nicht reagiert. Mittlerweile sei der Ausgleichsanspruch nach §
683 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2018 verjährt (§§
195,
199 Abs.
1 BGB). Die damit für den Sohn verbundene Leistungsverweigerungseinrede (§
214 Abs.
1 BGB) würde über § 2 Abs. 1 SGB XII gegen ihn wirken, sofern er jetzt noch einen Übernahmeantrag nach § 74 SGB XII stellen würde. Zudem habe das Girokonto des Verstorbenen am 30. Januar 2015 abzüglich der an diesem Tag abgehobenen 50,00
Euro noch einen Stand von immerhin 641,59 Euro aufgewiesen. Auch sei die Privatinsolvenz gegen Herrn A. erst fast eineinhalb
Jahre nach dem Tod des Vaters eröffnet worden (Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 21. Juli 2016). Schließlich seien
die Voraussetzungen für eine Überleitung nach § 93 SGB XII nicht erfüllt. Die Klägerin habe das Erbe ausgeschlagen und sei damit weder verpflichtet im Sinne des § 74 SGB XII noch hieran anknüpfend leistungsberechtigt im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gewesen. Es gebe auch keine Beratungsfehler des Beklagten gegenüber der Klägerin, die gegebenenfalls einen sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch auslösen würden. Zwar sei die telefonische Auskunft vom 22. April 2015 fehlerhaft gewesen, wonach der
Sohn wegen der unterbliebenen Erbausschlagung keinen Kostenübernahmeantrag stellen könne. Dieser Fehler sei aber rechtzeitig
durch Übergabe des Hinweisschreibens nebst Antragsunterlagen am 12. Mai 2015 korrigiert worden.
Die Klägerin hat gegen das am 29. April 2019 zugestellte Urteil am 15. Mai 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung wurde nochmals
dargelegt, der Klägerin könne aufgrund ihrer Mittellosigkeit nicht ein aussichtsloser Prozess gegen den Erben, ihren Sohn,
zugemutet werden. Der Sohn sei mittellos. Ein gerichtliches Verfahren gegen ihn, der zudem seine Haftung auf den Nachlass
beschränken könnte, sei nicht erfolgversprechend. Auch sei die familiäre Verbindung zwischen der Klägerin und ihrem Sohn zu
berücksichtigen. Gleichwohl sei es dem Beklagten zumutbar, sich einen Anspruch gegebenenfalls abtreten zu lassen, ein entsprechendes
Prozessrisiko zu tragen und einen etwaigen Anspruch gegen den Erben geltend zu machen. Die von der Klägerin zitierte erstinstanzliche
BSG-Rechtsprechung sei hier entsprechend auf die vorliegende Konstellation anzuwenden.
Hinsichtlich der geltend gemachten Klageforderung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie die
Bestattungskosten in Höhe von 1.068,30 Euro zuzüglich Mahn- und Verzugskosten begehre. Insoweit sei mit dem Bestattungsinstitut
ein Vergleich geschlossen worden, wonach der Betrag gedeckelt worden sei und sie hierauf weiterhin Raten zahle. Die Kosten
des Gebührenbescheides der Stadt A-Stadt über 720,25 Euro seien inzwischen aufgehoben worden, weswegen diese Kosten nicht
mehr geltend gemacht werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Neubrandenburg vom 29. März 2019 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. April 2015 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen an sie einen Betrag von 1.068,30
€ zuzüglich inzwischen angefallener Mahn- und Verzugskosten sowie 271,52 € aus der Rechnung der XXX-gesellschaft sowie einen
Betrag von 220,00 € auf die Rechnung vom 15. Februar 2015 für die Trauerrede zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung sowie seinen Widerspruchsbescheid. Er
hält an seiner Auffassung fest, dass die Klägerin nicht Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII sei.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 29. März 2019 war aufzuheben. Der Bescheid des Beklagten vom 17. April 2015
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die
Klägerin macht zu Recht im Rahmen der von ihr erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
4, §
56 SGG einen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Bestattungskosten für ihren verstorbenen Ehemann geltend. Hinsichtlich der
zusätzlich geltend gemachten Mahn-und Verzugskosten liegt eine zulässige Klageerweiterung vor, vgl. §
99 Absatz
3 Nr.
2 SGG.
Rechtsgrundlage ist § 74 SGB XII. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden
kann, die Kosten zu tragen. Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich der im März 2015 fällig gewordenen Zahlungsverpflichtungen
vor. Die Klägerin ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten Verpflichtete i. S. des § 74 SGB XII (vgl. dazu unter 1.) und ihr ist das Tragen der erforderlichen Kosten der Bestattung des Verstorbenen nicht zumutbar (2.).
Die Kosten sind auch in der beantragten Höhe vom Beklagten zu leisten (3.)
1.
Die Klägerin ist Verpflichtete i. S. des § 74 SGB XII. Das Gesetz selbst – auch nicht der frühere inhaltsgleiche § 15 Bundessozialhilfegesetz – definiert nicht, wer Verpflichteter im Sinne der Norm ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat als Verpflichteten denjenigen
angesehen, „der der Kostentragungspflicht von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft“ (Urteil
vom 30. Mai 2002 – 5 C 14.01 - Juris, Rdnr. 13). Konsens ist in Rechtsprechung und Literatur weitgehend, dass es sich um eine rechtliche Verpflichtung
zur Tragung der Kosten handeln muss. Es genügt nicht eine übernommene Besorgung und Finanzierung einer Bestattung aus einem
Pietätsgefühl oder einem Gefühl der persönlichen Nähe hinaus (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. März 2003 - 5 C 2/02; LSG Saarland, Urteil vom 18. Juli 2020 - L 11 SO 9/18 mit Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2016
– L 7 SO 3057/12) oder die rein zivilrechtliche Kostenverpflichtung aus einem mit einem Bestattungsunternehmen abgeschlossenen
Bestattungsvertrag (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 2011 – B 8 SO 20/11; Siefert, in: juris-PK, § 74 Rz. 24; Deckers, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 7. Auflage 2020, § 74 Rn. 11f.). Die Verpflichtung kann aus erbrechtlichen, unterhaltsrechtlichen oder landesrechtlichen Bestattungspflichten hergeleitet
werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R; so bereits Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Februar 2001 – 5 C 8/00; Siefert, juris-PK, a. a. O. § 74 Rn. 21 ff.). Hieran gemessen ist die Klägerin Verpflichtete.
Ihre Verpflichtung ergibt sich mangels Leistungsfähigkeit nicht aus unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Sie folgt auch nicht
aus erbrechtlichen Vorschriften, denn die Klägerin hat das Erbe wirksam ausgeschlagen. Sie ist allerdings, was auch zwischen
den Beteiligten unstreitig ist, als Ehefrau des Verstorbenen nach § 9 Abs. 2 des Bestattungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern für die Besorgung der Bestattung vorrangig verpflichtet gewesen, während ihr Sohn bzw. die Tochter
als Kinder nachrangig verpflichtet sind. Diese öffentlich-rechtliche bzw. ordnungsrechtliche Pflicht zur Besorgung der Bestattung
ist allerdings zu unterscheiden von der Kostentragungspflicht aus Unterhalts- und Erbrecht. Insoweit hat der Beklagte recht,
dass eine Kostentragungspflicht aus Unterhalts- bzw. Erbrecht der ordnungsrechtlichen Verpflichtung, als Bestattungspflichtiger
für die Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkommen zu müssen, grundsätzlich vorgeht.
In der Rechtsprechung und Literatur ist streitig, wie das Tatbestandsmerkmal „Verpflichteter“ auszulegen ist. Eine Auffassung
sieht nur den vorrangig Verpflichteten als Verpflichteten im Sinne der Norm an (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April
2013 – L 7 SO 5656/11; Siefert, aaO, § 74 SGB XII, Rz. 21). Mehrere Anspruchsinhaber wären dann nur denkbar bei einer Gleichrangigkeit, so insbesondere bei Miterben. Zum anderen
wird auch vereinzelt vertreten, dass nur dann einem ordnungsrechtlich Bestattungspflichtigen der Anspruch nach § 74 SGB XII zusteht, wenn tatsächlich niemand vorrangig zur Kostentragung endgültig verpflichtet sei, also wenn der Erbe die Erbschaft
ausgeschlagen habe und der Fiskus gesetzlicher Erbe sei, der nach allgemeiner Auffassung keinen Anspruch nach § 74 SGB XII hat, oder wenn der Erbe unbekannt sei (vgl. Deckers, aaO, § 74 Rz. 24). Nach der gewichtigen Gegenauffassung soll ein nachrangig
Verpflichteter möglicherweise Anspruch auf Kostenübernahme haben, obgleich noch andere Personen als vorrangig Verpflichtete
vorhanden sind. Die Prüfung vorrangiger Ansprüche erfolgt dann im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der „Zumutbarkeit“
(so Hauck/Noftz, § 74 Rz. 11 f.; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. September 2019 - L 9 SO 8/16 und Gotzen, Die Entwicklung
der Rechtsprechung zu § 74 SGB XII, ZfF 2020, 223, 224).
Der Senat vertritt die Rechtsauffassung, dass eine potenziell vorrangige Verpflichtung anderer Personen nicht gegen eine Verpflichtung
dem Grunde nach i. S. des § 74 SGB XII spricht. Anders formuliert ist der Senat der Überzeugung, dass die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach nicht bereits unter
Verweis auf vorrangig Verpflichtete ausgeschlossen werden kann. Ob einem (nachrangig) Verpflichteter im Ergebnis ein Anspruch
nach § 74 SGB XII zusteht oder er auf vorrangige Ansprüche verwiesen werden kann, ist eine Frage der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der „Zumutbarkeit“.
Der Senat entnimmt dem Wortlaut des § 74 SGB XII keine Beschränkung dahingehend, dass Verpflichteter nur der endgültig Verpflichtete sei. Auch vom Sinn und Zweck der Anspruchsnorm
ist es weder zwingend noch zweckmäßig, dass nachrangig Verpflichtete von einem Anspruch auf Kostenübernahme ausnahmslos ausgeschlossen
sein sollen. Denn nach der Vorschrift und den allgemeinen Strukturprinzipien des Sozialhilferechts soll eine würdige Bestattung
des Verstorbenen gewährleistet werden (BT-Drucksache 3/2673 Seite 4; Bundesverwaltungsgericht; Urteil vom 29. Januar 2004
– 5 C 2/03). Insoweit verweist das LSG Schleswig-Holstein in seiner bereits genannten Entscheidung vom 25. September 2019, a. a. O.,
zu Recht darauf, dass dieser Zweck verfehlt wäre, wenn Hinterbliebene nicht bei Beauftragung sicher abschätzen könnten, ob
sie letztlich den sozialhilferechtlichen Anspruch geltend machen können. Diese sollten gerade darin bestärkt werden, sich
um eine Bestattung zu kümmern, auch wenn sie eigentlich wissen, dass sie die Kosten endgültig nicht werden tragen können.
Dies sichert zum einen eine würdige Bestattung im Interesse des Verstorbenen, zum anderen wird auch die Verwaltung entlastet,
die anderenfalls im Wege der Gefahrenabwehr ordnungsrechtlich tätig werden müsste.
So wusste auch hier die Klägerin zum Zeitpunkt der Beauftragung der Bestattung nicht mit Sicherheit, ob letztlich ihr Sohn
Erbe wird. Jedenfalls war nicht ersichtlich, dass der Sohn sich um die Bestattung des Vaters kümmern würde. Die Klägerin ist
insoweit nachvollziehbar ihrer ordnungsrechtlichen Bestattungspflicht als zwar getrennt lebende, jedoch nicht geschiedene
Ehefrau des Verstorbenen nachgekommen, obgleich sie um ihre mangelnde Leistungsfähigkeit wusste. Genau dieses Tätigwerden
trotz einer gegebenenfalls unklaren jedenfalls noch nicht geklärten Rechtslage ist von dem Gesetzgeber wie auch letztlich
der Gesellschaft erwünscht. Denn eine Bestattung muss zügig erfolgen, nach den Regeln des Landes Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich
innerhalb von 10 Tagen nach Ableben. Zum anderen kann eine Klärung einer endgültigen Kostenpflicht auch durchaus Monate bzw.
Jahre andauern. Gerade auch in solchen Fällen würde der Zweck der Vorschrift verfehlt (vgl. bereits Urteil des Schleswig-Holsteinischen
LSG, juris-Abdruck, dort Rz. 39).
2.
Der Klägerin ist es auch nicht zumutbar, die noch streitbefangenen Kosten zu tragen. Was dem Verpflichteten zugemutet werden
kann, bestimmt sich nach den allgemeinen Grund-sätzen des Sozialhilferechts, wobei stets die Umstände des Einzelfalles entscheidend
sind (vgl. BSG vom 4. April 2019, B 8 SO 10/18 R m. w. N.; BT-Drucksache 03/1799 Seite 40; Siefert in juris-PK, § 74 Rn. 60). Dabei knüpft die Norm des § 74 SGB XII nicht an die Bedürftigkeit an, sondern an einen eigenständigen unbestimmten Rechtsbegriff der „Zumutbarkeit“. Neben den wirtschaftlichen
Verhältnissen des Verpflichteten können andere Umstände bedeutsam sein, wie z. B. neben den wirtschaftlichen Auswirkungen
der Kostenbelastung insbesondere die Nähe und Beziehung zum Verstorbenen (vgl. Prof. Dr. Schlette in Hauck/Noftz, § 74 SGB XII, Rz. 10 mit Hinweis u. a. auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Januar 2004 - 5 C 2/03 und BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 20/10 R). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Unzumutbarkeit der Kostentragung
ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderungen, hier mithin der März 2015.
Zutreffend hat der Beklagte zunächst die Einkommensgrenze nach den Bedürftigkeitskriterien der §§ 85 – 91 SGB XII ermittelt. Diese stellen nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG einen Orientierungspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit dar (vgl. Urteil vom 4. April 2019, B 8 SO 10/18 R, m. w. N.).
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII i. V. m. § 85 Abs. 1 SGB XII werden Hilfen in anderen Lebenslagen (§§70 -74 SGB XII) nur geleistet, wenn dem Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften
des 11. Kapitels des SGB XII nicht zugemutet werden kann. Insoweit hat der Beklagte zutreffend eine Einkommensfreigrenze in Höhe von 1.093,00 Euro berechnet.
Diese folgt aus dem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 399,00 Euro sowie den Kosten der
Unterkunft der Klägerin in Höhe von 295,00 Euro. Ein Familienzuschlag ist wegen Getrenntlebens nicht zu berücksichtigen. Das
damalige Einkommen der Klägerin lag mit ALG II in Höhe von 692,40 Euro zuzüglich 102,00 Euro aus einem geringfügigem Beschäftigungsverhältnis darunter, wobei noch eine
Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 6,13 Euro vom Einkommen abzusetzen war. Das Sterbevierteljahr stand ihr damals
nicht zur Verfügung, da die Rentenzahlung vom Rentenversicherungsträger einbehalten worden war. Nach alledem ist die Klägerin,
was auch vom Beklagten nicht bestritten wird, unstreitig nach ihrem Einkommen nicht zur Kostentragung fähig gewesen. Sie verfügte
auch über kein einsetzbares Vermögen.
Die Klägerin ist auch nicht zumutbar auf Erstattungsansprüche gegenüber ihrem Sohn A. verweisbar. Zwar besteht kein Zweifel,
dass dieser als Alleinerbe des Verstorbenen endgültig zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet ist. Der Klägerin kann
entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII entgegengehalten werden. Die Vorschrift ist nach ganz einhelliger Auffassung keine eigenständige Ausschlussnorm (vgl. bereits
BSG vom 26. August 2008 – B 8 / 9 b SO 16/07 R; Siefert, aaO, § 74 Rz. 65). Es handelt sich um einen Programmsatz, d. h. lediglich
ein Gebot der Sozialhilfe, aus dem sich keine unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten lassen, sondern lediglich im Zusammenhang
mit der Auslegung von anderen Vorschriften (vgl. auch BSG vom 23. März 2021 – B 8 SO 2/20 R). Anderes gilt nach einer Entscheidung des BSG (Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 23/08 R), auf welches sich auch die Klägerin hier beruft, wenn sich der Bedürftige
generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne Weiteres realisierbar sind. Hier hat das BSG in einem Fall insbesondere auf die Zweifelhaftigkeit eines etwaigen Ausgleichsanspruchs wegen einer fraglichen Unterhaltsverpflichtung
berücksichtigt. Argumentiert wurde des Weiteren mit dem fraglichen Erfolg auf dem Klageweg, auch im Hinblick auf eine mögliche
Haftungsbeschränkung auf einen nicht verwertbaren Nachlass. Letztlich wurde dann auch zugunsten derjenigen Klägerin berücksichtigt,
dass einerseits die Behörden die Möglichkeit haben, den behaupteten Ausgleichsanspruch auf sich nach § 93 SGB XII überzuleiten. Dieser vom BSG entschiedene Fall entscheidet sich allerdings insoweit von diesem Sachverhalt, als in dem Verfahren die Antragstellerin als
Erbin primär kostentragungspflichtig gewesen ist. Nach Auffassung des Senats kommt es letztlich unter Würdigung der zitierten
höchstrichterlichen Entscheidungen darauf an, ob der Bedürftige überhaupt auf der Hand liegende eigene Bemühungen unternimmt
und Ansprüche nicht fernliegend erscheinen, sondern zumindest wahrscheinlich bestehen könnten. Zum anderen darf aber vom Leistungsberechtigten
auch kein Zivilprozess mit ungewissem Ausgang und entsprechendem Kostenrisiko abverlangt werden (vgl. BSG, aaO, juris, Rz. 25). Ein derartiges Prozessrisiko kann die Behörde tragen, die den behaupteten Ausgleichsanspruch auf sich
überleiten und das Kosten- und Ausfallrisiko ohne unverhältnismäßige Nachteile tragen kann. Dabei ist in jedem Einzelfall
zu prüfen und berücksichtigen, ob möglicherweise eine Missbrauchskonstellation besteht, indem z. B. innerhalb einer Familie
quasi der Bedürftige „vorgeschickt“ wird.
Hier verhält es sich so, dass zwar einerseits kein Zweifel besteht, dass endgültig verpflichtet der Sohn als Erbe ist. Ein
Ausgleichsanspruch liegt mithin materiell rechtlich auf der Hand, da der Erbe gemäß §
1968 BGB die Kosten der Bestattung trägt. Der bedürftigen Klägerin ist aber die Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs nicht abzuverlangen.
Der Sohn hat auch auf die rechtsanwaltliche Geltendmachung der Forderung nicht reagiert. Allein die familiäre Beziehung entbindet
die Klägerin noch nicht davon, auch gegen ihren Sohn gerichtlich vorgehen zu müssen, wenn denn eine gerichtliche Durchsetzung
mit Erfolgsaussichten behaftet ist. Diese vermochte der Senat nicht zu erkennen. Der Sohn befand sich damals bereits auch
im Leistungsbezug nach dem SGB II. Bereits Ende des Jahres 2015 ist eine Verbraucherinsolvenz für ihn vorbereitet worden, zu einem entsprechenden Verfahren
ist es dann später gekommen. Bei dieser Sachlage war höchst fraglich, ob die Klägerin tatsächlich auch ein zusprechendes Urteil
hätte vollstrecken können. Insoweit handelt es sich zwar um eine mögliche Forderung, jedoch keineswegs um „bereite Mittel“
im Sinne des Sozialhilferechts. Insoweit konnte sie sich selbst nicht helfen, sondern bedurfte der Hilfe des Sozialhilfeträgers.
Hingegen hätte der Sozialhilfeträger den möglichen Ausgleichsanspruch auf sich überleiten können gemäß § 93 SGB XII und sowohl das prozessuale Risiko, Kosten- und Insolvenzrisiko tragen können. Der Klägerin war das aufgrund ihrer auf absehbare
Zeit nicht wesentlich besserungsfähigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht zumutbar abzuverlangen. Eine Missbrauchskonstellation
hat angesichts des Leistungsbezuges sowohl von Sohn als auch Mutter nicht bestanden. Vielmehr hat der Senat aus der gesamten
Aktenlage und Befragung den Eindruck gewonnen, dass der Sohn sich schlicht nicht gekümmert hat – was auch die Unterlassung
der eigenen Antragstellung beim Beklagten zeigt - und die Klägerin sich allein um die Bestattung an sich und die Kostentragung
kümmern musste. Sie selbst hat insoweit alle ihr zumutbar abzuverlangenden Bemühungen unternommen. Sie hat sich insbesondere
auch mit dem Bestatter auf eine Kostendeckelung und Ratenzahlung geeinigt, damit nicht die Forderung weiter unangemessen hoch
durch Mahn- und Verzugsgebühren anwächst.
3.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf die im Berufungsverfahren zuletzt nur noch begehrten Kosten in Höhe von 1.068,30 Euro für
das Bestattungshaus, wobei die Mahn- und Verzugskosten hinzukommen sowie die Kosten für die Einäscherung in Höhe von 271,52
Euro und die Trauerrede in Höhe von 220,00 Euro. Geschuldet sind die erforderlichen Kosten für eine einfache, aber würdevolle
Bestattung. Hierzu gehören alle vorgenannten Kostenpositionen dem Grunde nach. Hinsichtlich der Höhe bestehen auch keine Zweifel,
dass diese Kosten jedenfalls notwendig und angemessen sind. Ob die Kürzung der Kosten für die Seebestattung durch den Beklagten
rechtmäßig ist, kann insoweit dahinstehen. Die Klägerin hat jedenfalls im Berufungsverfahren nur noch die vom Beklagten als
sozialhilferechtlich erforderlich angesehenen Kosten geltend gemacht. Zweifel bestehen auch nicht hinsichtlich der Notwendigkeit
der Kosten für die Einäscherung in Höhe von 271,52 Euro. In dieser Höhe hat der Beklagte auch keine Einwände erhoben. Schließlich
sind auch die Kosten für die Trauerrede gemäß der Rechnung in Höhe von 220,00 Euro zu übernehmen. Übernahmefähig sind grundsätzlich
nur Kosten für Maßnahmen, die final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind, wozu auch unstreitig die Trauerrede gehört.
Auch die Höhe der Rechnung wird vom Beklagten akzeptiert. Zusätzlich hat der Beklagte die Mahn- und Verzugskosten wegen der
Bestatterrechnung zu leisten. Diese Kosten sind kausal durch die rechtswidrige Ablehnung des Kostenübernahmeantrages durch
den Beklagten entstanden. Die Klägerin selbst hat jedenfalls weitere Kosten durch Abschluss einer Vereinbarung mit dem Bestattungsinstitut
vermieden. Die Erstattung unvermeidbarer Kosten im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung ist Ausdruck eines allgemeinen
Rechtsgedankens im Sozialrecht (vgl. bereits BSGE 89, 50, 56).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, vgl. §
160 SGG.