Einstweilige Anordnung im Grundsicherungsrecht
Umfang der Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zu vorläufigen Leistungen
Gründe
- I. -
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur nochmaligen Überweisung von auf ein gepfändetes
Konto überwiesenen Leistungen nach dem SGB II auf ein pfändungsfreies Konto seiner Mutter.
Mit fünf Bewilligungsbescheiden vom 17.09.2013 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Nachzahlungen für Ernährungsmehrbedarfe
im Sinne von § 21 Abs. 5 SGB II für zurückliegende Bewilligungsabschnitte und überwies diese auf ein gepfändetes Konto des Antragstellers.
Mit Antrag an das Sozialgericht vom 05.11.2013 hat der Antragsteller die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur
nochmaligen Auszahlung der Nachzahlungen seit dem 01.07.2011 auf ein Konto seiner Mutter beantragt. Mit Beschluss vom 13.11.2013
hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt mit der Begründung, der Antragsteller habe sich vor Inanspruchnahme gerichtlichen
Eilrechtsschutzes nicht an den Antragsgegner gewandt.
Gegen den am 19.11.2013 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 04.12.2013, für deren Durchführung
er Prozesskostenhilfe beantragt. Die nochmalige Auszahlung der seit 2011 vorenthaltenen Mittel sei wegen seines aktuell schlechten
Gesundheitszustands dringend erforderlich. In der Vergangenheit habe er Verpflegungsmehraufwendungen mit Hilfe von Zuwendungen
seiner Mutter bestritten. Weil der Antragsgegner weder seinem Anliegen hinsichtlich einer Auszahlung der Nachzahlung auf ein
pfändungsfreies Konto noch seinem Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung hinsichtlich eines Ernährungsmehrbedarfs zur Vorlage
beim Vollstreckungsgericht entsprochen habe, sei eine Erfüllungswirkung hinsichtlich seiner Ansprüche für zurückliegende Zeiträume
nicht eingetreten und der Antragsgegner schadensersatzpflichtig.
Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
- II. -
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Hinsichtlich der begehrten nochmaligen Auszahlung der Nachzahlung für Verpflegungsmehraufwendungen in der Vergangenheit fehlt
es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes als Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 SGG.
Leistungen für Zeiträume vor Antragstellung können im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig nicht zugesprochen
werden. In der Regel ist ein Anordnungsgrund nicht gegeben, soweit ein Antragsteller Leistungen für einen im Zeitpunkt der
Antragstellung beim erstinstanzlichen Gericht (vorliegend dem 05.11.2013) bereits zurückliegenden Zeitraum begehrt (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 29.09.2013 - L 19 AS1285/13 B ER, vom 14.07.2010 - L 19 AS 912/10 B ER). Im einstweiligen Rechtschutzverfahren sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung
einer aktuellen, d.h. gegenwärtigen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistung
in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolge dessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz
eine Ausnahme gemacht werden. Gesichtspunkte, die in diesem Einzelfall ein Abweichen vom Grundsatz gebieten können, sind nicht
ersichtlich. Einen in die Gegenwart fortwirkenden Nachteil macht der Antragsteller selbst nicht geltend. Er behauptet, seinen
Ernährungsmehrbedarf in der Vergangenheit aus Zuwendungen seiner Mutter bestritten zu haben. Schon aus diesem Grunde scheidet
eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur nochmaligen Überweisung des Nachzahlungsbetrages aus.
Darüber hinaus bestehen (erhebliche) Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruchs im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich
durchsetzbaren Leistungsanspruchs. Denn der Leistungsanspruch bezüglich zustehender Mehrbedarfsleistungen nach dem SGB II dürfte durch Erfüllung (entsprechend §
362 BGB) erloschen sein, weil der Antragsgegner die Leistungen auf das Konto des Antragstellers überwiesen hat. Entgegen der Vorstellung
des Antragstellers steht einer Erfüllungswirkung der Umstand nicht entgegen, dass eine Leistung auf ein gepfändetes Konto
überwiesen wird. Weder ist es Aufgabe des Antragsgegners zu prüfen, ob und in welchem Umfang Konten des Antragstellers einer
Pfändung unterliegen, noch besteht gar eine Verpflichtung, Nachzahlungen dem ausschließlich vom zuständigen Vollstreckungsgericht
überwachten Zugriff der Gläubiger zu entziehen.
Schon deshalb scheidet der im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Schadensersatzanspruch als Anspruchsgrundlage für das Begehren
auf nochmalige Auszahlung aus. Bei diesem Schadensersatzanspruch dürfte es sich im Übrigen nach dem Vortrag des Antragstellers
um einen Amtshaftungsanspruch nach §
839 BGB, Art.
34 Abs.
3 GG handeln, für den ausschließlich der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben ist (§
17 Abs.
1 S. 2
GVG; vgl. auch BSG Urteil vom 28.03.2000 - B 8 Kn 3/98 U R).
Soweit der Antragsteller die Verzögerung der mit Schreiben vom 11.10.2013 beantragten Übersendung einer Bescheinigung hinsichtlich
des Ernährungsmehrbedarfs zwecks Vorlage beim Vollstreckungsgericht nach § 850k Abs. 5
ZPO rügt, ist der Senat an einer Entscheidung über einen möglicherweise beabsichtigten Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners
zur sofortigen Erteilung einer solchen Bescheinigung gehindert, weil hierzu noch keine erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts
vorliegt. Nach §
29 SGG entscheiden die Landessozialgerichte im zweiten Rechtszug über die Berufung gegen die Urteile und die Beschwerden gegen andere
Entscheidungen der Sozialgerichte An einer solchen Vorbefassung des Sozialgerichts fehlt es hinsichtlich eines möglichen Begehrens
des Antragstellers, den Antragsgegner zur sofortigen Ausstellung einer Bescheinigung nach § 850k
ZPO zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren steht nicht zu, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach Vorstehendem keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 114
ZPO bietet.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).