Zahlung von Altersrente an einen Rechtsnachfolger
Rente aus Beschäftigungen in einem Ghetto
Fehlen eines vererbbaren Leistungsanspruchs des Versicherten
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) umstritten, ob die Beklagte dem Kläger als Rechtsnachfolger seines Vaters Altersrente ab dem 01.07.1997 zu zahlen hat.
Der Kläger ist gemeinsam mit seinem Bruder O S Erbe des am 00.00.1917 geborenen und ab 1948 in Israel lebenden N S (im Folgenden:
Versicherter). Der Versicherte beantragte über seinen Bevollmächtigten am 25.07.2003 bei der Beklagten die Gewährung einer
Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen
in einem Ghetto (ZRBG). Die Beklagte forderte ihn mit Schreiben vom 12.02.2004 unter Beifügung eines Fragebogens auf, nähere
Angaben zu machen. Am 19.07.2004 übersandte der Bevollmächtigte des Versicherten ein Schreiben, in dem er bat, die Akte gemäß
beigefügter Kopie zu schließen. Die beigefügte Kopie des Schreibens der Beklagten vom 12.02.2004 enthielt den Aufdruck: "Keine
Zusammenarbeit mit Mandant/in. Die Akte schließen". Der Versicherte verstarb am 12.08.2007.
Nachdem die Beklagte Anfang 2010 Unterlagen der Claims Conference beigezogen hatte, übersandte sie am 01.06.2010 ein Schreiben
an die ihr zum Erben mitgeteilte Anschrift. Hierin erklärte sie, "die ablehnende Entscheidung" werde von Amts wegen unter
Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) überprüft und gebeten, beigefügte Unterlagen auszufüllen. Mit Schreiben vom 30.06.2010, eingegangen am 05.07.2010, stellte
der Bevollmächtigte des Klägers für ihn und seinen Bruder O einen Antrag "auf Überprüfung des Ablehnungsbescheides nach §
44 SGB X und die Anerkennung der Beitragszeit und die Zahlung einer Altersrente bis zum Todestag". Diesem beigefügt wurden u.a. die
Sterbeurkunde und ein Erbschein.
Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Altersrente mit an den Kläger und seinen Bruder gerichtetem Bescheid vom 13.10.2010
ab. Bei der Altersrente handele es sich um ein Recht, das nur der Versicherte selbst in Anspruch nehmen könne. Die Geltendmachung
eines Zahlungsanspruch sei höchstpersönlicher Natur und könne nicht nachträglich durch Erben oder Rechtsnachfolger erfolgen.
Der Tod des Versicherten sei bereits am 12.08.2007 eingetreten, der Antrag durch die Rechtsnachfolger jedoch erst am 05.07.2010
gestellt worden, so dass es zu keiner Rentengewährung kommen könne.
Am 25.08.2015 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer von diesem unterzeichneten Vollmacht (erneut),
"gem. § 44 SGB X das Verfahren zu führen und unter Anerkennung einer Ghettotätigkeit des Erblassers die Altersrente vom 01.07.1997 bis zu
seinem Tod nach dem ZRBG zu zahlen."
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 23.11.2015 und Widerspruchsbescheid vom 21.01.2016
ab. Rechtsnachfolger seien nicht berechtigt, eigenständig erstmalig einen Antrag nach dem ZRBG zu stellen. Nach §
59 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) würden Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder festgestellt noch ein
Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei. Durch die Antragsrücknahme vom 15.07.2004 könnten aus ursprünglichen Antrag des
Versicherten keine Rechte mehr hergeleitet werden.
Der Kläger und sein Bruder haben am 27.01.2016 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und eine Einmalzahlung nach ihrem Vater begehrt. Der Versicherte habe über das Büro X am 25.07.2003 einen
Antrag nach dem ZRBG gestellt, dessen Bearbeitung jedoch im Vertrauen auf die Richtigkeit der (damaligen) Rechtsauffassung
der Beklagten, dass bei Ghettotätigkeiten mit einer Entlohnung in Lebensmittelrationen die Anwendung des ZRBG ausgeschlossen
sei, später eingestellt. Über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne das Erlöschen des Anspruchs und die damit
bewirkte Benachteiligung des Rechtsnachfolgers ausgeglichen werden, in dem man ihn so stelle, als ob ein Verwaltungsverfahren
anhängig gewesen sei. Wenn die Beklagte die Anerkennung eines Herstellungsanspruchs ablehne, berücksichtige sie nicht, dass
im Juni 2014 ein ZRBG-Änderungsgesetz verabschiedet worden sei. Mit diesem sollten Ungleichbehandlungen vermieden werden,
indem auch diejenigen, die zum Beispiel angesichts der jahrelangen restriktiven Bewilligungspraxis der Rentenversicherungsträger,
die eine rechtswidrige Pflichtverletzung darstelle, einen Rentenantrag nicht bis zum 30.06.2003 gestellt oder im Laufe des
Verfahrens zurückgezogen hätten, die Rente rückwirkend ab 01.07.1997 erhalten könnten.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat für diesen schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.206 zu verurteilen,
das Antragsverfahren fortzuführen und eine Regelaltersrente vom 01.07.1997 bis zum Tod nach dem ZRBG zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die getroffene Entscheidung für zutreffend erachtet und die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs lägen nicht vor.
Das SG hat die Klage des Klägers - nach Einholung des Einverständnisses der Beteiligten zur Entscheidung gem. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) - mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14.06.2016 im Wesentlichen unter Verweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides
abgewiesen. Die Auffassung des Klägers hinsichtlich der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs werde
nicht geteilt. In dem seinerzeit durchgeführten Verfahren sei zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, welche Arbeitszeiten
nach dem ZRBG geltend gemacht würden. Auch seien durch die Beklagte keine Angaben gegenüber dem Versicherten gemacht worden,
die zu einer Antragsrücknahme hätten veranlassen können.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 23.06.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.06.2016 Berufung eingelegt und sein
bisheriges Begehren weiterverfolgt und vertieft. Der Antrag gem. § 44 SGB X könne nach Literatur und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch nach dem Tod von dem (Sonder-)Rechtsnachfolger gestellt werden. §
59 Abs.
1 SGB I stehe dem nicht entgegen. Rechtlich mache es keinen Unterschied, ob ein Berechtigter bereits einen ablehnenden Verwaltungsakt
erhalten oder schon im Vorfeld von der Anspruchsverfolgung abgesehen habe. Dieses Ergebnis harmoniere auch unter dem Gesichtspunkt
des grundrechtlichen Gleichheitssatzes mit der insbesondere durch § 44 SGB X herausgestellten gesetzgeberischen Wertung, wonach im Sozialrecht die dem Prinzip der formalen Rechtssicherheit dienenden
Normen gegenüber der Verwirklichung der materiellen Sozialrechtsposition des Berechtigten tendenziell zurückzustehen hätten.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertrete, dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch entfallen könne, weil das Antragsverfahren
nicht fortgesetzt worden sei, treffe dies nicht zu. Vielmehr sei der Wegfall eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
nur dann anerkannt, wenn dem Betroffenen ein Vorwurf wegen grober Fahrlässigkeit gemacht werden könne. Dies sei hier nicht
der Fall, da der Versicherte den Antrag im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsauffassung der Verwaltung zurückgenommen
habe. Die Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs lägen vor. Die Rechtsauffassung der Verwaltung im Jahr 2003 sei rechtswidrig
gewesen; die restriktive Gesetzesauslegung stelle eine rechtswidrige Pflichtverletzung dar. Hinsichtlich der Kausalität für
die Rücknahme des Rentenantrags würden die Grundsätze des Anscheinsbeweises gelten. Im Regelfall werde vermutet, dass der
vom Fehlverhalten Betroffene aufgrund des Verwaltungsfehlers nachteilig disponiert habe.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.06.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2015
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 zu verurteilen, die Altersrente für den Erblasser nach dem ZRBG vom
01.07.1997 bis 12.08.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind auf die zu entsprechenden Sach- und Rechtslagen bereits ergangene Rechtsprechung des erkennenden Senats
sowie des 14. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hingewiesen worden sowie mit Schreiben der Berichterstatterin
vom 24.11.2016 darauf, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß §
153 Abs.
4 SGG zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Vorbringens des Klägers, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält
der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem
die Beteiligten dazu gehört worden sind (§
153 Abs.
4 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der anwaltlich vertretene Klägers schriftsätzlich begehrt, die Beklagte "unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2015
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016" zu verurteilen, "die Altersrente für den Erblasser nach dem ZRBG"
zu gewähren, ist die Klage bereits unzulässig. Einem derartigen Verpflichtungsantrag steht die Bindungswirkung des gegenüber
dem Kläger ergangenen Bescheides der Beklagten vom 13.10.2010 entgegen, mit dem ein solcher Anspruch ausdrücklich abgelehnt
worden ist (§
77 SGG).
Die Klage hat aber auch dann keine Aussicht auf Erfolg, wenn man den Antrag des Klägers zu seinen Gunsten dahingehend auslegt,
dass er begehrt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
21.01.2016 zu verpflichten, den Bescheid vom 13.10.2010 gem. § 44 SGB X zurückzunehmen und an ihn und seinen Bruder als Erbengemeinschaft in Rechtsnachfolge ihres Vaters Altersrente nach dem ZRBG
zu gewähren.
Die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 (§
95 SGG), den Bescheid vom 13.10.2010 nicht gem. § 44 SGB X zurückzunehmen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger als einen Rechtsnachfolger seines verstorbenen Vaters (§
58 Abs.
1 S. 1
SGB I i.V. §§
1922 Abs.
1,
2032 Bürgerliches Gesetzbuch) nicht in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 S. 1
SGG). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 13.10.2010 das Recht unrichtig angewandt hat
oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist und deshalb Leistungen nicht gewährt worden sind. Der Kläger hat (als
Teil der Erbengemeinschaft) keinen Anspruch auf Gewährung von Altersrente des Versicherten. Dies gilt bereits deshalb, weil
die Voraussetzungen eines Rentenanspruchs beim Versicherten selbst nicht vorliegen (hierzu 1.) und somit bereits kein Leistungsanspruch
vorliegt, der auf den Kläger (und seinen Bruder) als Rechtsnachfolger hätte übergehen können. Darüber hinaus ist ein Anspruch
des Klägers auf Gewährung von Geldleistungen nach seinem verstorbenen Vater auch gem. §
59 S. 2
SGB I erloschen (dazu 2.).
1.) Gem. §
99 Abs.
1 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) wird eine Rente aus eigener Versicherung (hier: der Versicherung des Vaters des Klägers) von dem Kalendermonat an geleistet,
zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats
nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird
eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.
Ein Anspruch des Vaters des Klägers besteht bzw. bestand - unabhängig von weiteren Anspruchsvoraussetzungen der Regelaltersrente
gem. §
35 SGB VI i.V.m. ZRBG - bereits deshalb nicht, weil es an einer wirksamen Antragstellung des Versicherten gem. §
115 Abs.
1 S. 1
SGB VI als notwendiger Anspruchsvoraussetzung (vgl. hierzu auch LSG NRW Urt. v. 26.02.2016 - L 14 R 779/15 - juris Rn. 38 ff.) und damit an dessen Leistungsanspruch fehlt. Der über den Bevollmächtigten im Juli 2003 gestellte Antrag
des Versicherten kann keine Berücksichtigung finden, da er zurückgenommen worden ist und auch nicht über den Antrag des Klägers
aus 2010 "wiederaufleben" konnte (hierzu a.). Ebenso scheidet die Fiktion eines Antrags bzw. eines anhängigen Verwaltungsverfahrens
mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus (hierzu b.).
a.) Der vom Versicherten selbst (über seinen Bevollmächtigten) im Juli 2003 gestellte Rentenantrag hat das Leistungsverfahren
zwar zunächst gem. §§
19 S. 1
SGB IV, 115 Abs. 1 S. 1
SGB VI in Gang gesetzt. Diesen Antrag hat der Bevollmächtigte des Versicherten aber am 19.07.2004 wirksam zurückgenommen (vgl. zur
Wirksamkeit der Rücknahme von Anträgen vor Bescheiderlass zB BSG Urt. v. 09.08.1995 - 13 RJ 43/94 - juris Rn. 23 mwN; vgl. auch Kühn in Kreikebohm,
SGB VI, Kommentar, 4. Aufl. 2013, §
115 Rn. 19 f.). Dass diese Rücknahme auch einen eventuell in Israel gestellten Rentenantrag auf eine Rente aus der deutschen
Rentenversicherung erfasst, ist ebenfalls höchstrichterlich geklärt (vgl. BSG Urt. v. 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R - juris Rn. 34 und v. 19.04.2011 - B 13 R 20/10 R - juris Rn. 35).
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers am 05.07.2010 einen "Antrag auf Überprüfung gem. § 44 SGB X" gestellt hat, konnte dies den ursprünglichen, zurückgenommenen Antrag des Versicherten selbst nicht wiederaufleben lassen.
Zwar ist es zutreffend, dass ein Antrag gem. § 44 SGB X auch nach dem Tod des Versicherten vom (Sonder-)Rechtsnachfolger gestellt werden kann. Dieser Antrag kann sich aber nur auf
Überprüfung eines (Vor-)Bescheides richten. An einem solchen überprüfbaren Bescheid fehlt es vorliegend, da die Beklagte im
Hinblick auf die Rücknahme des Antrags durch den Versicherten gerade (vor dem Überprüfungsantrag 2010) keinen Bescheid erlassen
hat. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, es mache bei einer Antragstellung gem. § 44 SGB X keinen Unterschied, ob ein Berechtigter bereits einen ablehnenden Verwaltungsakt erhalten oder schon im Vorfeld von der Anspruchsverfolgung
abgesehen habe, so findet dies im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift, die die sonstige Bindungswirkung
von Bescheiden ausnahmsweise einschränkt, ausdrücklich allein die Voraussetzungen für eine Rücknahme von rechtswidrigen Verwaltungsakten
geschaffen. Eine allgemeine Überprüfung jeglicher Lebenssachverhalte der Vergangenheit auf mögliche Leistungsansprüche wie
sie wohl dem Kläger vorschwebt, ist weder hier noch an anderer Stelle postuliert.
Auch bei einer Umdeutung des Überprüfungsantrags von Juli 2010 in einen Erstantrag - wie sie wohl die Beklagte vorgenommen
hat - ließ sich ein auf Rentenleistung für den Versicherten gerichtetes Verfahren nicht (mehr) wirksam (wieder) in Gang setzen.
Altersrenten werden gem. §
102 Abs.
5 SGB VI (lediglich) bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Berechtigte verstorben ist. Hier wäre eine Rentenzahlung
aufgrund des Todes des Versicherten im August 2007 entsprechend lediglich bis Ende diesen Monats in Betracht gekommen, somit
nicht mehr zum Zeitpunkt der (erneuten) Antragstellung etwa drei Jahre später.
b.) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich ein anderes Ergebnis auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
herleiten. Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut
greift - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung
einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl. §§
14,
15 SGB I), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln
wieder beseitigt werden können (vgl. zB BSG Urt. v. 23.10.2014 - B 11 AL 7/14 R - juris Rn. 35; Urt. v. 05.03.2014 - B 12 R 1/12 R - juris Rn. 24; Urt. v. 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R - juris Rn. 23; Urt. v. 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - juris Rn. 37).
Zur Überzeugung des Senats liegt bereits eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vor. Auf das zur entsprechenden Sachlage
ergangene Urteil des erkennenden Senats vom 06.02.2015 (L 4 R 1017/13) sowie insbesondere die Ausführungen des 14. Senats in seinen Urteilen vom 25.10.2013 (L 14 R 250/13) und 26.02.2016 (L 14 R 779/15), an denen der Bevollmächtigte des Klägers ebenfalls beteiligt war, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Darüber hinaus fehlt es auch an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der von dem Kläger angenommenen Pflichtverletzung
der Beklagten und den nachteiligen Folgen für den Versicherten bzw. für den Kläger als dessen Rechtsnachfolger.
Bereits das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es an jeglichen konkreten Anhaltspunkten dafür mangelt, die Rücknahme des Rentenantrags
im Juli 2004 durch den Bevollmächtigten - nicht den Versicherten persönlich - auf eine behauptete Pflichtverletzung der Beklagten
zurückführen zu können. Der Bevollmächtigte selbst hat als Grund für die Rücknahme die fehlende Mitwirkung des Versicherten
am Verfahren angegeben. Anzunehmen, dass eine Mitwirkung im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Beklagten
in anderen Fällen unterlassen worden sei, würde eine reine Mutmaßung ohne sachliche Stütze darstellen. Eigene Äußerungen des
Versicherten sind nicht vorhanden und vom Kläger zu keiner Zeit im Verfahren auch nur angeführt worden. Sonstige Umstände,
die eine solche Annahme stützen könnten, sind weder erkennbar noch überhaupt vorgetragen. Zu keinem Zeitpunkt vor der Rücknahme
des Antrags hat das Verhalten der Beklagten im konkreten Fall darauf deuten lassen, das Antragsverfahren sei aussichtslos.
Im Gegenteil ist der Versicherte von der Beklagten mit Schreiben vom 12.02.2004 gebeten worden, konkrete Erklärungen abzugeben,
um sein Begehren überprüfen zu können. Fordert eine Behörde Unterlagen an, so lässt dies aus objektiver Sicht zunächst durchaus
Raum für die Annahme, der Antrag könne nach Prüfung positiv beschieden werden. Letztlich bewegt sich die Frage, aus welchen
Gründen der Versicherte im Jahr 2004 am Verfahren nicht mitgewirkt hat, im Bereich purer Spekulation. Die Gründe dafür, warum
Versicherte nicht (mehr) an einem Verfahren mitwirken, sind ausgesprochen zahlreich. In einer großen Vielzahl von Fällen sind
allein persönliche Umstände maßgeblich. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann nicht einer der möglichen Gründe - hier eine behauptete
durch die Beklagte begründete (Fehl-)Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Antrags - als tatsächlich maßgebliche Ursache
angenommen werden.
Im Übrigen scheint auch der Kläger selbst davon auszugehen, dass der erforderliche Kausalzusammenhang im Falle seines Vaters
nicht (positiv) festgestellt werden könne. Soweit er das Fehlen des Beweises zum Kausalzusammenhang allein über das Rechtsinstitut
des Anscheinsbeweises ersetzen will, missachtet er die tatsächlichen Umstände im hier vorliegenden Einzelfall und verkennt
im Übrigen die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Ein Anscheinsbeweis kommt bereits deshalb nicht in
Betracht, weil es - wie ausgeführt - eine Vielzahl von Gründen gibt, aus denen ein Versicherter die Mitwirkung an einem Verfahren
einstellt; dass dies grundsätzlich und üblicherweise einer Fehlinformation des Versicherungsträgers geschuldet ist, trifft
gerade nicht zu. Die durch einen Anscheinsbeweis bewirkte Umkehr der Beweislast widerspräche zudem dem Schutzziel des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs. Dieser dient gerade dazu, (nur) denjenigen Versicherten, der aufgrund einer Pflichtverletzung der Behörde
eine Disposition trifft oder unterlässt, zu schützen. Nicht schutzwürdig ist hingegen ein Versicherter, der die entscheidende
Bedingung für seinen sozialrechtlichen Nachteil selbst setzt (vgl. BSG Urt. v. 06.03.2003 - B 4 RA 38/02 R - juris Rn. 54). Entsprechend kommt eine Begründung von Ansprüchen über den - außerhalb von gesetzlichen Normen stehenden
- sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur in Betracht, wenn eine Pflichtverletzung der Behörde auch tatsächlich wesentliche,
d.h. mindestens gleichwertige Bedingung für den Eintritt des Rechtsverlusts war (BSG a.a.O.; Urt. v. 22.10.1996 - 13 RJ 23/95 - juris Rn. 34).
Liegen aber schon die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vor, geht die Argumentation des
Klägers dazu, wann ein solcher Herstellungsanspruch nur entfallen könne, ins Leere.
2.) Neben dem Fehlen eines vererbbaren Leistungsanspruchs des Versicherten ist der Kläger auch gem. §
59 S. 2
SGB I von einer Rechtsnachfolge in einen etwaigen Rentenanspruch seines verstorbenen Vaters ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift
erlöschen Ansprüche auf Geldleistungen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein
Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Im Zeitpunkt des Todes des Versicherten im August 2007 war beides der Fall. Einen
Rentenanspruch des Versicherten hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt anerkannt. Das ursprünglich mit dem Antrag vom 25.07.2003
in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren zu einem solchen Anspruch ist durch die Antragsrücknahme im Juli 2004 beendet worden.
Eine Fortführung durch den Antrag des Klägers gem. § 44 SGB X war nicht möglich, da dieser Antrag - wie dargelegt - mangels überprüfbaren Bescheides ins Leere ging. Entsprechend lassen
sich Rechte für den Kläger auch nicht aus dem 01.08.2014 in Kraft getretenen ZRBG-Änderungsgesetz (BGBl I 2014, 952) herleiten.
Ob die Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens iSv §
59 S. 2
SGB I über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden könnte (vgl. hierzu LSG NRW Urt. v. 26.02.2016 - L 14 R 779/15 - juris Rn. 61 ff.), kann dahinstehen, da die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts nicht vorliegen. Auf die obigen Ausführungen
wird verwiesen.
Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird gem. §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) endgültig auf 47.025,85 Euro festgesetzt. Die Bestimmung des Streitwerts folgt dem Wert des begehrten Anspruchs auf Rentenzahlung
entsprechend dem Ergebnis der Probeberechnung der Beklagten vom 26.07.2016.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG) nicht als gegeben angesehen.