Tatbestand
Der 1957 geborene Kläger war nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland von August 1979 bis März 1989 als
Bergmann und anschließend bis 2002 als Monteur bei verschiedenen Unternehmen tätig. Mit Schreiben vom 25.01.2012 stellte er
bei der BG RCI einen Antrag auf Anerkennung einer BK 2108. Bei ihm sei eine Wirbelsäulenerkrankung festgestellt worden, hierfür
sei seine Tätigkeit im Bergbau ursächlich. Die für die Bearbeitung des Antrags zuständige Beklagte trat daraufhin in arbeitstechnische
und medizinische Ermittlungen ein. Sie zog medizinische Unterlagen und Stellungnahmen ihres eigenen Präventionsdienstes, der
für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten eine Belastungsdosis von 5,1 MNh errechnete, sowie des Präventionsdienstes der
BG RCI bei. Letzterer errechnete für den Zuständigkeitsbereich der BG RCI eine Belastungsdosis von 12,3 MNh.
Außerdem holte die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Sportmedizin Dr. G ein. Dieser diagnostizierte
Bandscheibenprotrusionen L 4/5 und L5/S1 mit einer Chondrose vom Grad kleiner I ohne Begleitspondylosen, umschriebene Bandscheibenschäden
an der Halswirbelsäule in Höhe der Segmente C 5/6, C 6/7 und umschriebene, nicht diskogen evozierte Veränderungen an der Lendenwirbelsäule
im Sinne einer Spondylosis hyperostotica. Die Bandscheibenschäden an der Hals- und Lendenwirbelsäule seien vergleichbar ausgeprägt.
Die Veränderungen seien für einen mittlerweile 58jährigen nicht altersuntypisch. Die medizinischen Voraussetzungen einer BK
2108 lägen nicht vor (Gutachten vom 07.08.2014).
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2014 die Feststellung einer BK 2108 und die Gewährung von Entschädigungsleistungen
ab. Der Kläger erhob Widerspruch und machte unter Vorlage verschiedener medizinischer Unterlagen geltend, dass Dr. G nicht
seinen gesamten oberen Knochenkörperbau betrachtet habe. Außerdem sei zu vermuten, dass Dr. G nicht vollständig über seine
Arbeitstätigkeit von 1989 bis 2002 informiert gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015, auf dessen Begründung
Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 19.02.2015 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben und gemeint, dass sowohl die arbeitstechnischen
als auch die medizinischen Voraussetzung der BK 2108 erfüllt seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 16.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015
zu verurteilen, bei ihm eine Berufserkrankung nach der Nr. 2108 der
Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide bezogen.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. W aus R eingeholt. Dieser ist zu
folgendem Ergebnis gelangt: Die Bandscheibenvorwölbungen in den beiden unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule überstiegen
die Altersnorm grenzwertig. Ähnlich ausgeprägte grenzwertig altersuntypische Veränderungen fänden sich auch an der unteren
Halswirbelsäule. Für den beruflichen Zusammenhang spreche, dass damit die beiden unteren Segmente der Lendenwirbelsäule belastungskonform
betroffen seien. Gegen den Zusammenhang sprächen die fehlende Beteiligung der höher gelegenen Segmente der Lendenwirbelsäule
und die fehlende Akzentuierung am hauptsächlich belasteten Wirbelsäulenabschnitt. Wäge man die vorstehend genannten Gesichtspunkte
gegeneinander ab, so lasse sich ein Überwiegen der Anzahl und Bedeutung der Pro-Argumente nicht erkennen. Die medizinischen
Voraussetzungen der Berufskrankheit ließen sich damit nicht wahrscheinlich machen (Gutachten vom 24.08.2015).
Mit Urteil vom 16.12.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
"Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht in seinen Rechten.
Als Versicherungsfall wird nach §
7 Abs.
1 SGB VII auch eine Berufserkrankung (BK) anerkannt.
BK'en sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung durch Zustimmung des Bundesrates bezeichnet
und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII erleidet (§
9 Abs.
1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BK'en zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen
der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte
Tätigkeit im erheblichen höheren Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BK'en auf bestimmte Gefährdungsbereiche
beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich
bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggfs. bei einzelnen Listen-BK'en einer Modifikation
bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zur Einwirkung von
Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine
Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung",
"Einwirkung" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen.
Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R -, zitiert nach Juris, Rdnr. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher
Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, zitiert nach Juris, Rdnr. 17 f.). Von der BK Nr. 2108 werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule
durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die
zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich
waren oder sein können", erfasst. Nach dem Tatbestand der BK Nr. 2108 muss also der Versicherte aufgrund einer versicherten
Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen,
der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden
sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang
und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss
darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwanges muss die Aufgabe
der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vgl.
BSG, Urteile vom 08.11.2008 - B 2 U 14/07 R -, zitiert nach Juris, Rdnr. 23 ff.) und ist nicht anzuerkennen.
Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, ob also der Kläger in einem
ausreichenden Ausmaß während seiner versicherten Tätigkeit die LWS-belastenden Tätigkeiten ausgesetzt war, wie sie die BK
Nr. 2108 voraussetzt. Hier bestehen bereits wie zu Recht vom Sachverständigen Dr. W geäußert erhebliche Zweifel.
Der Feststellungsanspruch scheitert jedenfalls an den medizinischen Voraussetzungen. Nach den überzeugenden Feststellungen
des im Klageverfahren gehörten Orthopäden Dr. W in seinem Gutachten vom 24.08.2015 sind die medizinischen Voraussetzungen
zur Anerkennung der BK Nr. 2108 nicht erfüllt. Bei Dr. W handelt es sich um einen versierten in der Unfallversicherung tätigen
Gutachter, dessen Ausführungen nach Auffassung der Kammer in sich schlüssig und überzeugend sind.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle, insbesondere der unteren
LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen
vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastungen ausgesetzt waren, wie in solchen, welche
auch schwere körperliche Arbeit leisteten, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des sogenannten
Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen
(vgl. Merkblatt zur BK Nr. 2108, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, BArbBl. 10/2006, Seite 30
ff., abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg,
BKV Kommentar, Stand 2/10, M 2108 vor Rdnr. 1). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges
bei der BK Nr. 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau
für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten
Berufskrankheiten der LWS niedergelegt, welche als Konsensempfehlung zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband
der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind. Diese stellen nach
wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von LWS-Erkrankungen durch körperliche
berufliche Belastungen dar (vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R -, zitiert nach juris, Rdnr. 14 f.; BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4, BSGE). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten
Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter - wie bei Dr. W geschehen -
diese Konsensempfehlungen anwenden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind nach den Ausführungen von Dr. W die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen
der BK Nr. 2108 nicht gegeben. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen
des gesamten Gerichtsverfahrens. Zwar spricht für einen beruflichen Zusammenhang, dass bei dem Kläger die beiden unteren Segmente
der Lendenwirbelsäule belastungskonform betroffen sind und die Altersnorm grenzwertig übersteigen. Gegen einen beruflichen
Zusammenhang spricht jedoch die fehlende Beteiligung der höher gelegenen Segmente der Lendenwirbelsäule und die fehlende Akzentuierung
am hauptsächlich belasteten Wirbelsäulenabschnitt. Ähnlich ausgeprägte grenzwertig altersuntypische Veränderungen finden sich
auch an der unteren Halswirbelsäule. So spricht das Ausbreitungsmuster der bandscheibenbedingten Schäden eindeutig gegen eine
berufliche Verursachung (vgl. Konsensempfehlung 1.4). Damit ist der Schadenszustand weder der Konstellation B1, B2 noch B3
der Konsensempfehlungen zuzuordnen. Sogenannte "Black disc"-Veränderungen, die insofern für den beruflichen Zusammenhang sprechen
könnten, sind nicht feststellbar. Hinzu kommt, dass sich ein tatsächlicher Grund der Berufsaufgabe nach der Aktenlage nicht
sicher feststellen lässt. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass objektiv der Zwang zur Unterlassung aller belastenden
Tätigkeiten bestanden hat. Damit lässt sich eine plausible zeitliche Korrelation zwischen dem Beginn der beruflichen Einwirkungen
und der erstmaligen Diagnose einer bandscheibenbedingten Erkrankung nicht herstellen. Auch Dr. G hatte in seinem seinerzeitigen
Gutachten vom 07.08.2014 aus diesem Grunde das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2108 abgelehnt. Der
Kläger hat im Übrigen auch im Laufe des Verfahrens keine medizinischen Unterlagen vorgelegt oder angegeben, aus denen sich
andere Erkenntnisse erschließen könnten. Auch einen Antrag nach §
109 SGG hat er nicht gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG."
Gegen das ihm am 29.12.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.01.2016 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren
auf Anerkennung einer BK 2108 weiter und legt zu dessen Stützung verschiedene medizinische Unterlagen vor. Außerdem meint
er, dass Dr. W die Zeit seiner Tätigkeit im Bergbau von 1979 bis 1989 nicht berücksichtigt habe. Hinsichtlich der Belastungen
bei der Tätigkeit als Monteur sei zu bedenken, dass er teilweise 12 Stunden täglich gearbeitet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.12.2015 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2014
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 zu verurteilen, bei ihm eine BK 2108 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Das Berufungsgericht hat auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG ein medizinisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Anästhesie und Allgemeinmedizin Dr. H aus B eingeholt. Dieser
hat gemeint, dass die beruflichen Einwirkungen wahrscheinlich wesentliche Ursache für die Entstehung der bandscheibenbedingten
Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers seien. Das Schadensbild der Lendenwirbelsäule sei belastungskonform im Sinne
der Konsenskriterien. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 14.12.2017 Bezug genommen.
Die Beklagte hat dieser Beurteilung durch Vorlage einer Stellungnahme ihrer Beratungsärztin Dr. I2 vom 18.01.2018 widersprochen.
Diese hat ausgeführt, dass Dr. H zwar Aspekte aus den Konsensempfehlungen benenne, eine Auswertung der den Kläger betreffenden
Bildmaterialien und deren Zuordnung zu den Kriterien der Konsensempfehlungen hingegen nicht deutlich werde.
Der Kläger hat anschließend noch weitere medizinische Unterlagen vorgelegt, u. a. einen MRT-Befund der Lendenwirbelsäule vom
04.05.2018, einen Bericht des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie des St. B Hospitals H vom 22.06.2018 und eine Bescheinigung
des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie I vom 08.06.2018.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten und die vom Sozialgericht beigezogenen Vorprozessakten S 18 KN 224/09, S 18 KN 773/12, S 18 KN 779/12 und S 34 U 118/14 Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage,
mit der der Kläger sich gegen die Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom 16.09.2014 und dem Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015
wendet und die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung der BK 2108 begehrt, zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Feststellung der streitigen BK.
Wegen der rechtlichen Grundlagen und der Voraussetzungen der BK 2108 wird gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Danach liegt eine BK 2108 beim Kläger nicht vor.
Der Kläger gehörte zwar zum versicherten Personenkreis. Denn er war von August 1979 bis März 2002 in verschiedenen Tätigkeiten
als Beschäftigter "Versicherter" im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII. Er leidet nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten und der BG RCI unterlag der Kläger während seiner versicherten
Tätigkeiten im Zeitraum von August 1979 bis März 2002 einer kumulativen Einwirkungsbelastung von 17,4 MNh, die nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG), der der Senat folgt, unter modifizierter Anwendung des Mainz-Dortmunder Dosismodells (MDD) generell geeignet ist, bandscheibenbedingte
Schäden der Lendenwirbelsäule zu verursachen (grundlegend BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162, zuletzt BSG vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R und B 2 U 13/17 R m. w. N). Diese Belastungen erfolgten - wie der Tatbestand der BK 2108 voraussetzt - auch langjährig über einen Zeitraum
von knapp 23 Jahren.
Es fehlt aber an dem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 2108 und der
Bandscheibenerkrankung des Klägers.
Für die BK 2108 bedeutet dies, dass die Lendenwirbelsäulerkrankung des Klägers durch langjähriges schweres Heben und Tragen
bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit verursacht worden sein muss. Für den
Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrankheitenrecht, wie auch sonst in der gesetzlichen
Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s. zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des BSG vom 24.7.2012 -B2U 9/11 R- SozR 4-2700 §8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 30.3.2017- B 2 U 6/15 R., BSG vom 29.11.2011 -B2U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R- BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 §8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B2U 26/04 R - UV-Recht Aktuell 2006, 497), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung)
Ursache eines Erfolgs ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht
die versicherte Tätigkeit als eine der Ursachen im naturwissenschaftlich-kausalen Sinne fest, muss auf der zweiten Stufe die
Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die
Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit
der Ursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen
(zur Theorie der wesentlichen Bedingung: eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 f sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 - SozR 4-2700 § 11 Nr1, RdNr 28 ff; Spellbrink, SGb 2017, 1 ff; Bieresborn in Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, 2. Aufl 2017, §4 RdNr 15 ff). Im vorliegenden
Fall reichen die von den Präventionsdiensten festgestellten Einwirkungswerte der Höhe nach aus, um einen Bandscheibenschaden
zu verursachen. Mit einer festgestellten Gesamtbelastungsdosis von 17,4 MNh wurde die Hälfte des Orientierungswertes für Männer
von 25 MNh und damit der untere Grenzwert von 12,5 MNh erheblich überschritten.
Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung der bandscheibenbedingten
Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99,162) aber nicht automatisch auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen werden; vielmehr
müssen medizinische Kriterien hinzukommen (s. zuletzt BSG vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R und B 2 U 13/17 R jeweils m. w. N.). Notwendig ist neben dem Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit ein Schadensbild, welches
mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht
(Bieresborn, SGb 2016, 379). Ein solches belastungskonformes Schadensbild lässt sich beim Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen.
Der Senat folgt dabei ebenso wie das Sozialgericht den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W, der zu Recht die Konsensempfehlungen
als Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob der Bandscheibenschaden des Klägers nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand
durch die festgestellten beruflichen Einwirkungen verursacht wurde, herangezogen hat. Denn die Konsensempfehlungen aus dem
Jahr 2005 stellen weiterhin eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes
dar (st. Rspr. des BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255; s. zuletzt BSG vom 06.09.2018 - B 2 U 19/17 R und B 2 U 13/17 R).
Beim Kläger liegt Dr. W zufolge keine Konstellation vor, bei der die Konsensempfehlungen eine Anerkennungsempfehlung aussprechen.
Dr. W hat beim Kläger grenzwertig die Altersnorm überschreitende Prolapsbildungen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 ohne Begleitspondylose
und ähnlich ausgeprägte bandscheibenbedingte Veränderungen an der Halswirbelsäule festgestellt. Angesichts der fehlenden Begleitspondylose
hat er die Befundkonstellation B1 zu Recht ausgeschlossen. Aber auch die Voraussetzungen der Konstellation B 2 liegen beim
Kläger nicht vor, weil keines der erforderlichen Zusatzkriterien erfüllt ist.
Die Voraussetzungen des ersten Zusatzkriteriums (Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m
Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten) sind beim Kläger nicht gegeben.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W ist auf den 2006 und damit etwa vier Jahre nach Aufgabe der belastenden
Tätigkeit angefertigten MRT-Aufnahmen nur das Segment L5/S1 von einer (auch nur grenzwertig) die Altersnorm überschreitenden
Bankscheibenvorwölbung betroffen. Erst in der Kernspintomographie von 2010 finden sich Dr. W zufolge vergleichbare Befunde
in den beiden unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule. Ist damit bezogen auf den nach den Konsensempfehlungen maßgebenden
Zeitpunkt die Aufgabe der belastenden Tätigkeit von einem monosegmentalen Schaden im Sinne des ersten Zusatzkriteriums auszugehen,
wäre dieses Kriterium nur bei Vorliegen von "black disc" in mindestens zwei dem betroffenen Segment L5/S1 angrenzenden Segmenten
erfüllt. Derartige Veränderungen lassen sich Dr. W zufolge auf den zur Verfügung stehenden MRT-Aufnahmen aber nicht erkennen.
Der zweite Zusatzkriterium (besonders intensive Belastung, Anhaltspunkte: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in
weniger als 10 Jahren) und das dritte Zusatzkriterium (besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen ( Frauen
ab 4 1/2 KN; Männer ab 6 KN) sind offensichtlich nicht erfüllt. Nach den Feststellungen der Präventionsdienste der Beklagten
und der BG RCI war der Kläger besonders hohen Belastungsspitzen ab 6 KN nicht ausgesetzt. Soweit in der Stellungnahme des
Präventionsdienstes der BG RCI zur Arbeitsplatzexposition bei bestimmten Tätigkeiten die jeweilige Druckkraft mit 6 KN, 6,5
KN bzw. 6,7 KN angegeben wird, handelt es sich sämtlich um Tätigkeiten, bei denen die Lastenhandhabung zu zweit oder dritt
erfolgt ist. In weniger als 10 Jahren hat er auch noch nicht einmal den hälftigen Richtwert für die Lebensdosis nach dem MDD
in Höhe von 12,5 MNh erreicht.
Da die Voraussetzungen der Konstellationen B1 und B2 nicht vorliegen, scheiden unabhängig davon, dass Dr. W und Dr. G zufolge
der beim Kläger an der Halswirbelsäule bestehende Bandscheibenschaden nicht schwächer ausgeprägt ist als der Bandscheibenschaden
an der Lendenwirbelsäule, auch die Konstellationen B4, B7 und B9 aus. Es liegt vielmehr die Konstellation B3 vor, für die
hinsichtlich der beruflichen Verursachung nach den Konsensempfehlungen kein Konsens bestand.
Ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers und den beruflichen gefährdenden
Einwirkungen kann auch unabhängig von den Konsensempfehlungen unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes
im vorliegenden Einzelfall nicht angenommen werden (vgl. zur Notwendigkeit einer entsprechenden Prüfung gerade in den Fällen,
in denen eine Konstellation vorliegt, für die nach den Konsensempfehlungen kein Konsens bestand BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 6/13 -, juris Rn. 26).
Geht man entsprechend den obigen Ausführungen von der Konstellation B3 aus, für die nach den Konsensempfehlungen kein Konsens
bestand, lässt sich auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nach den schlüssigen und überzeugenden
Ausführungen von Dr. W eine berufliche Verursachung der Bandscheibenschäden an der Lendenwirbelsäule des Klägers nicht begründen.
Seinen Darlegungen zufolge spricht gegen den Zusammenhang, dass sich eine Mitbeteiligung der höher gelegenen Segmente der
Lendenwirbelsäule, die sich in belasteten Berufsgruppen häufiger als in Vergleichsgruppen findet, beim Kläger nicht feststellen
lässt. Des Weiteren ist - so Dr. W - für die Annahme einer wesentlichen beruflichen Teilursache eine Akzentuierung am hauptsächlich
belasteten Wirbelsäulenabschnitt zu erwarten. Eine solche Akzentuierung liegt beim Kläger aber nicht vor. Stattdessen finden
sich Dr. W zufolge an der Halswirbelsäule vergleichbar ausgeprägte Bandscheibenveränderungen wie an der hauptsächlich belasteten
Lendenwirbelsäule. Angesichts dessen ist auch die Schlussfolgerung des Sachverständigen, dass sich im konkreten Fall des Klägers
ein Überwiegen der Pro-Argumente für eine berufliche Verursachung nicht feststellen lässt, einleuchtend.
Demgegenüber kann die Schlussfolgerung des Sachverständigen Dr. H, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beruflichen
Einwirkung und Erkrankung besteht, nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass es seinem Gutachten an einem strukturierten Aufbau
mangelt, lassen seine Ausführungen in keiner Weise erkennen, weshalb er davon ausgeht, dass das Schadensbild an der Lendenwirbelsäule
des Klägers belastungskonform im Sinne der Konsenskriterien ist. Auch sind individuelle, dem aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand entsprechende Umstände, die im Falle des Klägers trotz fehlender Akzentuierung der bandscheibenbedingten Veränderungen
an der hauptsächlich belasteten Lendenwirbelsäule und bei fehlender Begleitspondylose den Ursachenzusammenhang hinreichend
wahrscheinlich erscheinen lassen, seinem Gutachten nicht zu entnehmen. Wie Dr. I2 zu Recht kritisiert, benennt Dr. H zwar
Aspekte aus den Konsensempfehlungen. Eine Auswertung der den Kläger betreffenden Bildmaterialien und deren Zuordnung zu den
Kriterien der Konsensempfehlungen wird hingegen nicht deutlich. Sein Gutachten ist daher nicht in der Lage, die Feststellungen
und die Beurteilung des Sachverständigen Dr. W zu entkräften oder auch nur in Zweifel zu ziehen.
Auch das Vorbringen des Klägers und die von ihm im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen geben keinerlei
Anlass, die Feststellungen des Sachverständigen Dr. W in Frage zu stellen. Ihnen lassen sich insbesondere keine Anhaltspunkte
dafür entnehmen, dass weitere als die von Dr. W festgestellten altersüberschreitenden Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule
zu berücksichtigen sind und dass im Bereich der Halswirbelsäule weniger ausgeprägte Veränderungen als an der Lendenwirbelsäule
vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.