Prozesskostenhilfe für mehrere Verfahren nach Verfahrenstrennung
PKH-Unterlagen sind in den getrennten Verfahren mit zu beachten
Unterlassene Berücksichtigung ist Organisationsverschulden des Gerichts
Keine PKH für das PKH-Verfahren
Gründe
Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren für die Zeit bereits ab Klageerhebung.
I.
Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 14.07.2012, eingegangen bei dem SG Detmold am 26.07.2012, Klage sowohl gegen die "Techniker
Krankenkasse - Krankenversicherung" als auch gegen die "Techniker Krankenkasse - Pflegeversicherung" erhoben. Das SG Detmold
hat dieses Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 17 P 93/12 eingetragen und damit als pflegeversicherungsrechtliches Verfahren erfasst. Mit der Klageschrift vom 14.07.2012 hat die Klägerin
zugleich für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin beantragt.
Dem Antrag auf Prozesskostenhilfe war eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
der Klägerin (ebenfalls) vom 14.07.2012 nebst Belegen gemäß §
117 Abs.
2 Satz 1 und Abs.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO) i.V.m. §
73a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beigefügt. Danach hatte die Klägerin monatliche Einkünfte aus einer Altersrente (331,89 EUR) sowie aus einem Nießbrauchrecht
(185,35 EUR). Diese Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nebst Belegen wurde in
einer Prozesskostenhilfe-Nebenakte abgeheftet; diese wurde als Beiheft zum Klageverfahren geführt.
Mit richterlicher Verfügung vom 12.09.2009 wurde angeordnet, dass der "Rechtsstreit auch als KR-Verfahren ein[zu]tragen" sei,
also als krankenversicherungsrechtliches Klageverfahren. Dieses weitere Klageverfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 3 KR 476/12 eingetragen und dort eine Kopie der bisherigen Schriftsätze beigefügt. Die Prozesskostenhilfe-Nebenakte wurde nicht kopiert
und verblieb bei dem Verfahren S 17 P 93/12.
In dem Klageverfahren S 3 KR 476/12 wurde am 15.10.2012 verfügt, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin Prozesskostenhilfe-Unterlagen zu übersenden. Mit Schriftsatz
vom 19.10.2012 hat diese darauf hingewiesen, dass sie bereits in dem Parallelverfahren S 17 P 93/12 mit der Klageerhebung eine umfassende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin abgegeben
habe. Es werde um Prüfung gebeten, ob diese Erklärung auch für das vorliegende Verfahren genutzt werden könne. Sodann wurde
aus dem Verfahren S 17 P 93/12 die Gerichtsakte, die dort beigezogene Verwaltungsakte sowie die dortige Prozesskostenhilfe-Nebenakte beigezogen. Die Prozessbevollmächtigte
der Klägerin wurde mit Verfügung vom 09.11.2012 um Mitteilung gebeten, ob die im Verfahren S 17 P 93/12 "eingereichten PKH-Unterlagen weiterhin aktuell sind und auch für dieses Verfahren gelten sollen". Mit Schriftsatz vom 02.01.2013
hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erwidert, die "PKH-Unterlagen [seien] - bis auf Kleinigkeiten - noch aktuell".
Mit Telefax vom 09.07.2013 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe
gebeten. Die Klägerin beziehe mittlerweile ergänzende Sozialhilfeleistungen. Es wurde ein Leistungsbescheid des Sozialamtes
u.a. vom 24.06.2013 beigefügt. Dieser berücksichtigte als monatliches Einkommen der Klägerin ein Altersruhegeld (321,60 EUR)
sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen (185,35 EUR).
Das SG hat der Klägerin mit Beschluss vom 15.07.2013 Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren für die Zeit ab dem 09.07.2013 bewilligt.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 15.07.2013 ist zulässig. Insbesondere ist das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Zwar fallen
in dem vorliegenden sozialgerichtlichen Klageverfahren nur Rahmengebühren an. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 25.09.2013
aber zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass bei der Bemessung der Höhe der
Verfahrensgebühr zu Lasten der Klägerin nur Tätigkeiten ihrer Rechtsanwältin in der Zeit ab dem 09.07.2013 im Rahmen der Prozesskostenhilfe
berücksichtigt werden könnten.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat der Klägerin zu Unrecht Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren erst ab dem 09.07.2013 bewilligt. Die Klägerin kann
die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits für die Zeit ab dem 26.07.2012 - dem Zeitpunkt der Klageerhebung - mit Erfolg
beanspruchen.
a) Mit ihrer bei dem SG am 26.07.2012 eingegangenen Klageschrift vom 14.07.2012 hat die Klägerin zugleich für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung ihrer prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin beantragt. Dem Antrag auf Prozesskostenhilfe war eine vollständig
ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin (ebenfalls) vom 14.07.2012 nebst
Belegen beigefügt. Damit hat die Klägerin einen vollständigen und entscheidungsreifen Antrag auf Prozesskostenhilfe unter
Verwendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß §
117 Abs.
2 Satz 1 und Abs.
3 ZPO i.V.m. §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG gestellt.
Zwar ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichtes, für die Beteiligten Prozesskostenhilfeunterlagen aus anderen Verfahren
beizuziehen. Hier ist der Sachverhalt jedoch anders gelagert. Denn die Klägerin hatte mit ihrer Klageschrift einen vollständigen
und entscheidungsreifen Antrag auf Prozesskostenhilfe bereits gestellt, worauf sie im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz
vom 25.09.2013 zu Recht hingewiesen hat. Erst danach hat das SG das Verfahren getrennt (allerdings ohne Beschluss: §
145 Abs.
1 Satz 2
ZPO i.V.m. §
202 Satz 1
SGG). Durch die Trennung entsteht ein neuer, gesondert durch Endurteil zu entscheidender Prozess; die frühere (gemeinsame) Rechtshängigkeit
und das bisherige Prozessergebnis (insb. Vornahme von Prozesshandlungen) bleiben aber bestehen (Greger in Zöller,
ZPO, 30. Auflage 2014, §
145 Rn. 7; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller /Leitherer,
SGG, 10. Auflage 2012, §
113 Rn. 5). Neue Akten sind anzulegen (a.a.O.). Die Klägerin konnte und musste bei der Anlage dieser neuen Akten nicht damit
rechnen, dass das SG dem neu eingetragenen Klageverfahren S 3 KR 476/12 nur eine Kopie der bisherigen Schriftsätze, nicht dagegen eine Kopie auch ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse beifügen würde. Dass dies versehentlich unterblieb, darf sich als Organisationsverschulden des Gerichts nicht
zum Nachteil der Klägerin auswirken.
Im Übrigen kann ein Kläger auch auf eine Erklärung verweisen, die in einem anderen, beim entscheidenden Gericht anhängigen
Verfahren abgegeben wurde, sofern die Verhältnisse unverändert sind und der Beteiligte oder sein Rechtsanwalt dies versichert
(Geimer in Zöller,
ZPO, 30. Auflage 2014, §
117 Rn. 16 und §
119 Rn. 53 m.w.N.). Dies war hier der Fall. Die prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin der Klägerin hat ausdrücklich auf die im
Klageverfahren S 17 P 93/12 abgegebene Erklärung verwiesen und versichert, dass die Verhältnisse im wesentlichen unverändert geblieben seien. Dem von
ihr später vorgelegten Leistungsbescheid des Sozialamtes vom 24.06.2013 war zu entnehmen, dass dies tatsächlich auch zutraf.
Denn dort wurde als Einkommen Altersruhegeld in geringfügig veränderter Höhe (321,60 EUR statt 331,89 EUR) - diese Abweichung
war aufgrund des aufstockenden Sozialhilfebezuges für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unerheblich - und Einkünfte aus
Kapitalvermögen in genau derselben Höhe (185,35 EUR) ausgewiesen wie in der ersten Erklärung der Klägerin über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 14.07.2012.
b) Die Klägerin kann aufgrund ihrer geringen Einkünfte und aufstockenden Sozialhilfebezuges die Kosten ihrer Rechtsverfolgung
nicht aufbringen. Die hinreichende Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung hat das SG zu Recht bejaht.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Beschwerdeverfahren hat dagegen keinen Erfolg.
Nach §
73a Abs.
1 S. 1
SGG in Verbindung mit §
114 Satz 1
ZPO kann Prozesskostenhilfe für die "Prozessführung" verlangt werden. Hierunter ist lediglich das eigentliche Streitverfahren
zu verstehen, nicht aber auch das Verfahren der Prozesskostenhilfe, in dem lediglich über die Gewährung staatlicher Hilfe
für den Antragsteller zu befinden ist. Für das Prozesskostenhilfeverfahren kann daher Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden
(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.08.1990, 5 ER 640.90; Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 30.05.1984, VII ZR 298/83; Straßfeld in Jansen,
Sozialgerichtsgesetz, 4. Auflage 2012, § 73a Rn. 4 m.w.N.; Geimer in Zöller,
ZPO, 30. Auflage 2014, §
114 Rn. 3 m.w.N.). Der gegenteiligen Auffassung des 15. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 12.01.2012 , L 15 AS 305/11 B, mit zustimmender Anmerkung von Schaumberg, ASR 2012, 166) schließt sich der erkennende Senat nicht an. Mit dem dort in Bezug genommenen Beschluss vom 19.12.2002 (III ZB 33/02, NJW 2003, 1992) hatte der BGH Prozesskostenhilfe für eine im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens beim BGH geführte Rechtsbeschwerde
mit der Begründung bewilligt, eine solche Rechtsbeschwerde könne wirksam nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt
eingelegt werden kann. Im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren vor den Landessozialgerichten herrscht indes kein Anwaltszwang
(ebenso bereits 11. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.03.2013, L 11 AS 1495/12 B).
3. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§
73 a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§
177 SGG).