Tatbestand:
Umstritten ist, ob beim Kläger weitere Schädigungsfolgen festzustellen sind und eine Beschädigtenrente nach dem Strafrechtlichen
Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) zu gewähren ist.
Der 1959 geborene Kläger wurde wegen eines zuvor versuchten Grenzübertrittes gemäß §
213 des
Strafgesetzbuches der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Durchgangsheim M. untergebracht und anschließend inhaftiert. Mit
Beschlüssen des Landgerichtes H. wurde er für diese Zeiten (26. März bis 10. Juli 1974 und 11. Juli 1974 bis 10. September
1975) rehabilitiert. Im Hinblick auf eine weitere Haftzeit wurde der Kläger rehabilitiert, soweit er zu einer Freiheitsstrafe
von mehr als sieben Monaten verurteilt worden war (22. August 1976 bis 20. Januar 1977).
Der Kläger stellte am 18. November 1997 beim Beklagten einen Antrag nach dem StrRehaG. Er habe in der Jugendstrafanstalt D. durch einen Stockschlag ins Gesicht zwei Schneidezähne verloren. Durch mangelhafte
Ernährung, "Stress bzw. psychologischen Druck" habe er ein chronisches Magenleiden. Nach medizinischer Sachaufklärung erkannte
der Beklagte mit Bescheid vom 21. September 2000 den Verlust der Zähne 11 und 12 als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG an. Das Magenleiden sei nicht durch schädigende Einwirkungen im Sinne des Gesetzes entstanden.
Am 25. Mai 2010 beantragte der Kläger eine Neufeststellung seiner gesundheitlichen Schädigungen durch die Haft und machte
insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), chronisch depressive Verstimmungen, eine Persönlichkeitsstörung
mit überhöhtem Selbstwertgefühl, ausgeprägte Schlafstörungen mit Tagesmüdigkeit, häufige Kopfschmerzen und stressabhängige
Magenbeschwerden, Albträume, Flashbacks, eine erhöhte vegetative Erregbarkeit, eine subdepressive Stimmungslage, Dysthymia
und einen temporären, von Feindseligkeit hervorgerufenen Aufnahmeverlust bzw. Fehleinschätzungen geltend. Er verwies dazu
auf übersandte medizinische Unterlagen (u.a. Arztbrief der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. vom 22. Januar
2008, Stellungnahme der Vertragsärztin des Arbeitsamtes Dr. W. vom 19. Februar 2009). Außerdem lagen im Verwaltungsverfahren
der Reha-Entlassungsbericht B. K. vom 26. Februar 2009 und der Sozialversicherungsausweis des Klägers für den Zeitraum vom
18. Oktober 1975 bis 10. Juli 1989 vor.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2010 teilte der Kläger dem Beklagten mit: Er sei bis zum siebten Lebensjahr von seiner Mutter allein
erzogen worden, die dann seinen Stiefvater geheiratet habe. Von da an habe er Schläge von seiner Mutter und dem Stiefvater
bekommen. Diese wollten ihn loswerden und ins Kinderheim abschieben. Es sei ihnen 1968 gelungen, ihn für kurze Zeit (2-3 Wochen)
im Krankenhaus für Kinderpsychiatrie unterzubringen. Um den Schlägen der Mutter und des Stiefvaters zu entgehen, sei er häufig
von zu Hause abgehauen. Außerdem übersandte der Kläger das Schulzeugnis der 2. Klasse, das auf der Grundlage einer Einschätzung
der Sonderschule am Krankenhaus für Kinderpsychiatrie in H. angefertigt worden war.
Auf Anfrage des Beklagten teilte die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR
am 10. September 2010 mit, zu den Haftzeiten des Klägers lägen keine Gerichts- und Haftakten vor.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2011 lehnte der Beklagte die beantragte Neufeststellung ab und führte zur Begründung aus: Nach versorgungsärztlicher
Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen handele es sich bei den geltend gemachten psychischen Beschwerden um
eine Persönlichkeitsstörung mit hierfür typischen Merkmalen (diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen
und paranoiden Anteilen) als Folge nachgewiesener schädigungsunabhängiger gestörter Beziehungserfahrungen im frühen bis mittleren
Kindesalter. Typische Symptome einer PTBS hätten nicht festgestellt werden können. Die erste Behandlung wegen seelischer Störungen
nach der Haft sei im Jahr 2008, also mehr als 30 Jahre nach der letzten Inhaftierung erfolgt. Aus den vorliegenden Sozialversicherungsunterlagen
hätten sich keine Hinweise auf eine zeitnahe Behandlung psychischer Beschwerden ergeben. Brückensymptome als Bindeglied zwischen
dem Ereignis der Haft und den jetzt vorgetragenen psychischen Beschwerden hätten sich somit nicht feststellen lassen. Aufgrund
dieses außerordentlich großen zeitlichen Abstandes sowie dem Fehlen jeglicher Brückensymptomatik sei der kausale Zusammenhang
nicht mit der im Versorgungsrecht notwendigen Wahrscheinlichkeit als gegeben anzusehen, zumal andere schädigungsunabhängige
Möglichkeiten der Verursachung in Betracht zu ziehen seien (ausgeprägte Traumatisierung im Kindesalter durch das Elternhaus,
fehlendes Selbstwerterleben durch nicht vorhandenen Schul- und Berufsabschluss, Behördenmobbing).
Dagegen legte der Kläger am 30. Mai 2011 Widerspruch ein, weil der Bescheid aufgrund medizinischer Unterlagen ergangen sei,
die falsche Angaben enthielten. Dies betreffe die Ausführungen von Dr. J., Dr. W. und die des Reha-Berichtes B. K.
Die Fachärztin für Psychiatrie/Sozialmedizin S.-S. sowie die Leitende Ärztin des Referates Versorgungsärztlicher Dienst und
Leitende Ärztin der Landesversorgungsverwaltung Dr. S. erstellten am 26. November 2012 ein versorgungsärztliches psychiatrisches
Gutachten nach Aktenlage. Danach liege beim Kläger wegen der emotional völlig unzureichenden und wenig selbstwertstabilisierenden
Bindungserfahrungen sowie der insgesamt negativ einwirkenden häuslichen Bedingungen (u.a. Fehlen zuverlässiger Bezugspersonen)
seit der frühen Kindheit eine schwere seelische Schädigung vor. Die Vorschädigung habe bereits vor dem nach dem StrRehaG geltend gemachten geschützten Schädigungstatbestand zu psychiatrischen, zeitweise stationären Behandlungen geführt. Es sei
nachgewiesen, dass der Kläger bereits im Kindes- und frühen Jugendalter an einer manifest gewordenen psychischen Störung von
Krankheitswert mit Behandlungsbedürftigkeit gelitten habe. Diese Vorschädigung allein reiche aus, um die jetzt als Haftfolge
geltend gemachten psychischen Beschwerden zu verursachen. Diese Einschätzung gehe indirekt auch aus dem Befundbericht von
Dr. J. hervor, denn die Psychiaterin sei von psychischen Traumafolgen ausgegangen, die sie in Unkenntnis der rechtsstaatswidrigen
Inhaftierung allein auf die häuslichen Kindheitserlebnisse zurückgeführt habe. Zwischen dem 14. und 17. Lebensjahr habe sich
der Kläger für insgesamt 23 Monate zu Unrecht in Haft befunden. Dort habe er zweifelslos belastende Erfahrungen machen müssen.
Auch nach der zweiten Haftentlassung habe er bis 1990 weiteres Unrecht erfahren. Vor diesem Hintergrund sei jedoch zu beurteilen,
dass die Wurzeln einer Persönlichkeitsstörung in der frühen Kindheit zu suchen seien. Diagnostisch stehe fest, dass der Kläger
an einer Persönlichkeitsstörung leide, wobei eine Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und/oder eine kombinierte
Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoiden Anteilen zu diskutieren sei. Eine eindeutige Zuordnung sei den eingeschalteten
Ärzten objektiv nicht möglich gewesen, denn die Diagnosen wiesen angesichts der vorliegenden Fallkonstellation nicht nur erhebliche
Überschneidungen in ihrem Symptomspektrum auf, sondern auch bezüglich ihrer Ursachen.
Mit Schreiben vom 8. November 2012 wies der Kläger darauf hin, dass sein Antrag hinsichtlich des Datums auf den 18. November
1997 zu korrigieren sei und bezog sich u.a. auf ein ärztliches Attest des Dr. V. vom 23. September 2000, der ihn im Zeitraum
von Mai 2005 bis November 2009 ärztlich betreut habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf das Versorgungsmedizinische
Gutachten vom 26. November 2012 zurück.
Am 21. Dezember 2012 hat der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben und die Anerkennung haftbedingter psychischer Gesundheitsschäden im Sinne einer PTBS sowie eine Beschädigtenrente
nach einem Grad der Schädigung (GdS) von mindestens 25 ab 18. November 1997 beantragt. Schon damals habe er auf seine psychischen
Probleme aufmerksam gemacht. Er habe während seiner Haftzeit keine psychologische Unterstützung erhalten. Dies sei später
auch nicht geschehen, so dass der Mechanismus nicht habe aufgearbeitet werden können. Es sei zu einer Retraumatisierung gekommen,
als er wegen des Vorwurfs des Betrugs vor dem Amtsgericht H. angeklagt worden sei. Er sehe die Notwendigkeit eines psychiatrischen
Gutachtens, wobei er Prof. Dr. F. bevorzuge. Im Übrigen lege er Wert darauf, dass jede Begutachtung videographisch dokumentiert
werde und er von weiteren von ihm bestimmten Vertrauenspersonen begleitet werde.
Als Beleg für seine Auffassung hat der Kläger eine psychologische Kurzstellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. phil. R. vom 21.
Dezember 2013 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt: Der Kläger habe ihn um eine Stellungnahme gebeten, da er gesundheitliche Folgeschäden
nach SED-Verfolgung geltend zu machen beabsichtige. Der Kläger befinde sich seit Oktober 2013 in seiner Beratung und habe
seine Verfolgungsgeschichte selbst ausführlich dargelegt und veröffentlicht. Als Beschwerden habe er Ängste bis Panik, gedrückte
Stimmungslage, Grübeleien, Verbitterung, Gereiztheit, Ärger, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Albträume, Konzentrationsstörungen,
Vermeidung von Situationen, die an Gewalterlebnisse erinnern, starkes Misstrauen (vor allem gegenüber Institutionen und Behörden),
Schwitzen, Herzklopfen, Frösteln in verschiedenen sozialen und emotionalen Situationen, plötzlich auftretende Schmerzzustände,
Verspannungen und Krämpfe geschildert. Zu den Gesprächen sei er stets in Begleitung erschienen. Die Gesprächssituation sei
durch starke Nervosität, Unruhe, Skepsis, teils überwertige Vorstellungen und teils entgrenzte Ausführungen des Klägers geprägt
gewesen. Als dringende Verdachtsdiagnose müsse beim Kläger eine sequentielle Traumatisierung festgestellt werden. Die dazugehörigen
Verdachtsdiagnosen nach ICD-10 lauteten: andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F 62.0) im Sinne einer chronifizierten
PTBS (F 43.1), spezifiziert durch eine posttraumatische Verbitterungsstörung, anhaltende Anpassungsstörung, Angst und Depression
gemischt (F 43.22) sowie eine sonstige somatoforme Störung (F 45.8). Aus klinisch-psychologischer Sicht werde empfohlen, den
Kläger bis auf Weiteres von Arbeitsanforderungen zu entbinden.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2014 hat der Kläger erneut vorgetragen, dass sich in den Verwaltungsakten nur unrichtige medizinische
Unterlagen befänden. Dies habe auch zu einer Strafanzeige geführt, wobei das Verfahren allerdings eingestellt worden sei.
Das SG hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit Beweisanordnung vom 18. Februar 2014 zum Sachverständigen ernannt.
Dieser hat mitgeteilt, zur weitgehenden Vermeidung möglicher Komplikationen weise er darauf hin, dass eine Videographie in
diesem Verfahren mehr schade als nütze. Daher lehne er eine solche ab.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2014 hat das SG dem Kläger mitgeteilt, dass von Amts wegen keine Begutachtung durch Prof. Dr. F. angeordnet werde. Es bestehe die Möglichkeit
der Erstellung eines Gutachtens nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich daraufhin einen entsprechenden Beweisantrag vorbehalten. Mit Schreiben
vom 27. Juni 2014 hat sich eine neue Prozessbevollmächtigte des Klägers bestellt.
Am 16. Juli 2014 hat Dr. B. mitgeteilt, dass der Kläger ohne Angabe von Gründen den Untersuchungstermin nicht wahrgenommen
habe. Mit Schreiben vom 4. August 2014 hat die neue Prozessbevollmächtigte ergänzend vorgetragen, lediglich bei Prof. Dr.
F. könnte es sich der Kläger vorstellen, auf eine Videographie zu verzichten. Mit Schreiben vom 11. August 2014 hat Dr. B.
erklärt, es bestünden Bedenken gegen die Anwesenheit einer Begleitperson während der gutachtlichen psychiatrischen Untersuchung.
Dies sei weder notwendig noch sachdienlich. Mit Schreiben vom 27. November 2014 hat die neue Prozessbevollmächtigte das Mandat
niedergelegt.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 hat der Kläger ausführlich dazu Stellung genommen, warum aus seiner Sicht die bisher beteiligten
Mediziner nicht in der Lage seien, eine PTBS zu beurteilen. Außerdem hat er mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines
Hausarztes Dipl.-Med. G., Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, übersandt. Zudem hat der Kläger ein Schreiben vorgelegt,
das mit "der Souverän" bezeichnet worden war und zahlreiche Unterschriften enthält. Die ca. 25 Unterzeichner des Schreibens
sollten auch "ohne medizinische Kenntnisse, nur mit normalem Menschenverstand" bestätigen, dass der Kläger an einer schweren
PTBS und an Retraumatisierungen leide. Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 hat sich Herr W. S. an das SG gewandt und auf das Buch: "Verborgene Wunden - Spätfolgen politischer Traumatisierung in der DDR und ihre transgenerationale
Weitergabe" bezogen. Dieses Buch enthalte Beiträge u.a. von J. F. und F. R. Mit Schreiben vom 1. Februar 2015 hat der Kläger
erklärt, dass u.a. die medizinischen Unterlagen von Dr. V., Dr. J., Dr. W. und der Reha-Bericht B. K. unrichtige Gesundheitszeugnisse
darstellten und eine eventuell bestehende Schweigepflichtsentbindungserklärung seine Wirksamkeit verliere.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2015 hat Dr. B. dem SG mitgeteilt, dass der Kläger auch den Untersuchungstermin am 25. Februar 2015 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen habe.
Mit Schreiben vom 30. April 2015 hat das SG den Beteiligten mitgeteilt, es sei beabsichtigt, nach §
105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Daraufhin hat der Kläger mitgeteilt: Er sei bereit, sich einer wissenschaftsüblich transparenten, ergebnisoffenen Sachverständigenbeweiserhebung
zu unterziehen, um die Ergebnisse der Stellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. R. zu bestätigen oder zu widerlegen. Außerdem habe
der Hausarzt Dipl.-Med. G. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen einer PTBS und Begleitdiagnosen gestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Ein Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen sowie auf Beschädigtenrente
nach § 21 Abs. 1 StrRehaG bestehe nicht, da sich das Gericht keine Überzeugung vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen habe verschaffen können.
Es könne nicht festgestellt werden, dass beim Kläger die geltend gemachten psychischen Gesundheitsstörungen im Sinne einer
PTBS vorliegen, ob ggf. psychische Gesundheitsstörungen mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit Folge der rehabilitierten
Haftzeiten seien und mit welchem GdS diese ggf. zu bewerten seien. Dies gehe zu Lasten des Klägers. Er habe zum Ausdruck gebracht,
dass er bis auf die eingereichte Stellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. R. vom 21. Dezember 2013 der Verwertung der beigezogenen
medizinischen Befunde, Gutachten und (versorgungsärztlichen) Stellungnahmen nicht zustimme. Nach der Stellungnahme von Dipl.-Psych.
Dr. R. bestehe aber nur die Verdachtsdiagnose einer PTBS. Weitere aussagekräftige medizinische Befunde lägen nicht vor. Darüber
hinaus sei mangels Mitwirkung des Klägers keine weitere medizinische Sachaufklärung möglich gewesen. Der Kläger sei trotz
ausdrücklichem Hinweis auf die Konsequenzen nicht bereit gewesen, zu den angeordneten Untersuchungen durch Dr. B. zu erscheinen.
Eine Begutachtung nach Aktenlage sei in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger der Verwertung der überwiegenden vorliegenden
Befunde, der Gutachten und Stellungnahmen nicht zustimme und auch aufgrund des psychiatrischen Krankheitsbildes des Klägers
offensichtlich nicht möglich bzw. nicht erfolgversprechend. Die Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts seien damit erschöpft.
Ein wichtiger Grund für die Verweigerung der Begutachtung habe nicht vorgelegen. Nach §
118 Abs.
1 SGG in Verbindung mit §
404 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) stehe die Auswahl des Sachverständigen im Ermessen des Gerichts. Die Begutachtung durch einen von ihm bestimmten Sachverständigen
hätte der Kläger nach §
109 SGG beantragen können, worauf er auch hingewiesen worden sei. Ebenso rechtfertige die Tatsache, dass der Sachverständige Dr.
B. eine Videographie der Untersuchung bzw. die Anwesenheit einer Vertrauensperson des Klägers bei der Untersuchung abgelehnt
habe, nicht die Verweigerung der Mitwirkung an der Begutachtung. Inwieweit die Anwesenheit einer Begleitperson während der
Untersuchung des Klägers die ordnungsgemäße Durchführung der Begutachtung erschwere, habe allein der Sachverständige im Rahmen
seiner Fachkompetenz zu beurteilen. Das Gericht könne nicht erkennen, dass die Entscheidung des Sachverständigen fehlerhaft
und eine Videographie oder eine Begleitperson zur Beantwortung der Beweisfragen erforderlich sei. Es möge sein, dass der Kläger
staatlichen Institutionen mit Misstrauen begegne. Dies allein lasse jedoch eine Begutachtung ohne Videographie oder ohne Hinzuziehen
einer Vertrauensperson nicht als unzumutbar erscheinen. Auch die Gefahr einer Retraumatisierung durch eine nicht an die Wünsche
des Klägers angepasste Begutachtungssituation sei nach der Einschätzung des Sachverständigen nicht gegeben. Es bestünden keine
Zweifel, dass der Sachverständige als Facharzt für Psychiatrie mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Zusammenhangsbegutachtung
in der Lage sei, die Begutachtung so zu gestalten, dass eine Retraumatisierung vermieden werde.
Gegen den ihm am 24. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. April 2016 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Es habe nicht an seiner Mitwirkungsbereitschaft gefehlt. Er
gehe von einem beweisbaren Vorliegen einer PTBS und/oder andauernder Persönlichkeitsveränderung in Folge sequenzieller Traumatisierungen
aus. Der Beklagte habe sich auf Daten berufen, welche nicht zum Zweck der Feststellung entsprechender Gesundheitsschäden erhoben
worden seien und zudem inhaltlich unrichtig seien. Das Ermessen bei der Auswahl des Sachverständigen sei nicht fehlerfrei
gewesen. Es sei dem Gericht vorzuwerfen, dass ein Sachverständigenbeweis nicht zu erbringen gewesen sei. Ein Gutachten nach
§
109 SGG habe er nicht finanzieren können.
Am 1. Mai 2016 hat Dipl.-Med. M. eine Stellungnahme zum Gerichtsbescheid des SG H. übersandt. Danach habe das SG nicht beachtet, dass Dipl.-Psych. Dr. R. nicht befugt gewesen sei, eine abschließend sichere Diagnose zu stellen. Während
der Psychiater eine Diagnose stellen könne bzw. müsse, sei dies dem Dipl.-Psychologen gemäß Berufsethik ohne Inanspruchnahme
entsprechender ärztlicher Kompetenz nicht erlaubt. Im Gerichtsbescheid sei die Bedeutung der differenzierenden Stellungnahme
des Dipl.-Psych. Dr. R. in entscheidungserheblicher Weise falsch interpretiert worden. Es sei verkannt worden, dass die Bezeichnung
als "Verdachtsdiagnose" gerade nicht auf die Unsicherheit in Bezug auf die Erfassung der Vorgeschichte und die Erhebung des
psychopathologischen Befundes sowie die vermutlich zu stellenden Diagnosen schließen lasse. Leider habe Dipl.-Psych. Dr. R.
dies in seiner Stellungnahme nicht explizit klargestellt, was möglicherweise das Missverständnis bzw. die Fehlinterpretation
begünstigt habe. Die Tatsache, dass seine eigene Approbation als Arzt ruhe, sehe er nicht als Hindernis an, da er dem Gericht
kein ärztliches Gesundheitszeugnis vorzulegen gedenke.
Am 14. Mai 2016 hat der Kläger beantragt, Dipl.-Psych. Dr. R. und Frau R. in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen. Frau
R. von der D. R. M. könne bestätigen, dass die Stellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. R. in die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers
eingeflossen sei. Auf dieser Grundlage erhalte er auf Dauer eine Erwerbsunfähigkeitsrente wegen voller Erwerbsminderung. Mit
Schreiben vom 13. Juni 2016 hat der Kläger beantragt, dass das Gericht von der Nutzung ihn betreffender Daten absieht, welche
unbefugt zu dem Zweck der Klärung von Sachverhalten in der anhängigen Gerichtssache erhoben worden seien. Mit Schreiben vom
28. Juni 2016 hat der Kläger ausdrücklich nur Dipl.-Psych. Dr. R. und Dr. G. sowie den Internisten R. von der Schweigepflicht
entbunden. Ergänzend hat er mitgeteilt, Dr. G. sei im letzten Jahr verstorben; Herr R. führe die Praxis fort. Hinsichtlich
der geltend gemachten Schädigungsfolgen sei er bis heute noch nicht stationär behandelt worden. Abgesehen von der Stellungnahme
des Dipl.-Psych. Dr. R. liege kein weiteres Gutachten vor, welches die gerichtlichen Beweisfragen beantworten könne. Er verweise
vielmehr auf die Diagnosen, welche sein früherer Hausarzt Dr. G. sowie Dipl.-Psych. Dr. R. gestellt hätten. Der gegenwärtig
behandelnde Hausarzt R. könne vermutlich ausschließen, dass die Beschwerden, Symptome und von Dipl.-Psych. Dr. R. erhobenen
Befunde durch Krankheiten verursacht seien, die ein Internist feststellen oder behandeln könne. Er sei noch nie bei einem
Neurologen gewesen. Er sei nicht in der Lage, sich gegenüber einem Psychiater oder Psychologen zu öffnen, welcher in Bezug
auf eventuelle geheimdienstliche Tätigkeiten bzw. Nebentätigkeiten Fragen unbeantwortet lasse.
Mit Beweisanordnung vom 1. August 2016 hat der Senat Priv.-Doz. (PD) Dr. B. (Chefarzt der Klinik für psychische Erkrankungen
im Klinikum B. GmbH) zum Sachverständigen nach §§
118 Abs.
1 SGG,
404 ZPO ernannt und ihn von Amts wegen mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt. Dem Sachverständigen ist aufgegeben
worden, die Exploration des Klägers mit einem Diktiergerät aufzuzeichnen. Am 18. September 2016 hat der Kläger beantragt,
den Gutachter mit der Duldung einer videographischen Aufzeichnung des Untersuchungsgesprächs zu beauflagen. Der Sachverständige
hat in seiner Stellungnahme vom 26. September 2016 dazu ausgeführt: Mit einer Videographie sei er nicht einverstanden, schon
weil er nicht sicher sein könne, dass solche Aufnahmen nicht breit gestreut und im Internet kommentiert werden.
Mit einem ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 15. November 2016 übermittelten Schreiben vom 17. November 2016 ist der
Kläger gemäß §
106 a SGG aufgefordert worden, binnen einer Frist von vier Wochen nach Zugang des Schreibens sein Einverständnis mit einer ambulanten
Begutachtung gemäß der Beweisanordnung vom 1. August 2016 durch PD Dr. B. zu erklären. Der Kläger wurde darauf hingewiesen,
dass ohne gutachtliche Untersuchung die Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten Anspruch nicht nachzuweisen seien.
Der Rechtsstreit werde nach Ablauf der Frist zur Entscheidung durch den Senat vorgeschlagen.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 hat der Kläger beantragt, die Berichterstatterin wegen Befangenheit abzulehnen. Das Ablehnungsgesuch
hat der Senat am 22. Dezember 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 3. Januar 2017 hat der Kläger seinen Beweisantrag vom 14. Mai 2016 erneuert, Dipl.-Psych. Dr. R. und Frau R. von der D.
RV. zu vernehmen. Er habe auch schon in eigenverantwortlicher Ausübung seiner Mitwirkungspflicht versucht, Dipl.-Psych. Dr.
R. zu einer schriftlichen Äußerung zu bewegen. Da dieser auf die E-Mail vom 13. November 2016 nicht geantwortet habe, sei
die mündliche Vernehmung zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 hat der Kläger beantragt, den Sachverständigen PD Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit
abzulehnen. Das Ablehnungsgesuch hat der Senat am 16. Januar 2017 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 9. Januar 2017 hat die Berichterstatterin ein Telefongespräch mit der Mitarbeiterin der D. RV. A. geführt, die mitgeteilt
hat, Frau R. sei Juristin und keine Medizinerin. Sie leite die Grundsatzabteilung.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2017 hat der Kläger beantragt, den Vorsitzenden Richter wegen Befangenheit abzulehnen.
Das Ablehnungsgesuch hat der Senat - ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters - mit Beschluss am 17. Januar 2017 zurückgewiesen.
Nach Aushändigung des Beschlusses und nachdem der Zuhörer Dipl.-Med. M. die schriftliche Beantwortung von Fragen, insbesondere
hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Scientology, vom Vorsitzenden, aber auch von den weiteren Mitgliedern des Senates gefordert
hatte, hat der Kläger erneut die Ablehnung des Vorsitzenden wegen Befangenheit beantragt. Einen weiteren Antrag hat er während
der öffentlichen Sitzung nicht mehr gestellt. Nach Beginn des Sachvortrages durch die Berichterstatterin hat er die öffentliche
Sitzung verlassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß nach seinem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des SG H. vom 21. März 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 3. Dezember
2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, haftbedingte psychische Gesundheitsschäden im Sinne einer posttraumatischen
Belastungsstörung als gesundheitliche Schädigungsfolge anzuerkennen und ihm eine Beschädigtenrente nach einem GdS von mindestens
25 mit Wirkung vom 18. November 1997 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf seine Entscheidung und die des erstinstanzlichen Gerichtes.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Die vom Beklagten festgestellte Schädigungsfolge (Verlust der Zähne) rechtfertigt auch nicht die Gewährung der begehrten Beschädigtenrente.
Dies hat der Kläger auch nie vorgetragen.