Tatbestand
Der Kläger begehrt die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den
Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 sowie die Erstattung von Beiträgen.
Der 1984 geborene Kläger ist Volljurist. Am 7. Mai 2014 erwarb der Kläger sein zweites juristisches Staatsexamen, das er am
28. Januar 2015 im Rahmen eines Verbesserungsversuchs erneut ablegte. Vom 1. November 2014 an war er bei dem Beigeladenen
zu 1) in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis beschäftigt. Es handelte sich hierbei um die erste versicherungspflichtige
Beschäftigung des Klägers nach Studium und Referendariat. Der Kläger beantragte jedoch keine Zulassung als Rechtsanwalt.
Nach der gesetzlichen Einführung des Rechtsinstituts des Syndikusrechtsanwalts beantragte der Kläger bei der hanseatischen
Rechtsanwaltskammer am 29. März 2016 seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Er fügte eine ausführliche Stellenbeschreibung
seines Arbeitgebers, des Beigeladenen zu 1) sowie einen Anstellungsvertrag vom 8. März 2016 bei, wonach er bereits seit dem
1. November 2014 als Verbandssyndikusrechtsanwalt in der Rechtsabteilung der Geschäftsstelle H tätig war.
Am 30. März 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht
gemäß §
231 Abs.
4b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) und einen Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge an die berufsständische Versorgungseinrichtung für
Syndikusrechtsanwälte sowie einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
gemäß §
6 Abs.
1 Satz 1 Nummer
1 SGB VI für Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte und bezog sich auf seine Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1).
Mit Zulassungsbescheid vom 7. September 2016 ließ die hanseatische Rechtsanwaltskammer den Kläger aufgrund seiner bei dem
Beigeladenen zu 1) ausgeübten Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zu. Die Zulassung wurde mit Aushändigung der Urkunde am 9.
November 2016 wirksam.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 befreite die Beklagte den Kläger von der Rentenversicherungspflicht nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nummer
1 SGB VI ab 1. Dezember 2016.
Mit weiterem Bescheid vom 8. März 2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
für seine in der Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 ausgeübte Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) ab, da
er erst seit dem 1. Dezember 2016 der Beitragspflicht des Versorgungswerks (des Beigeladenen zu 2)) unterliege.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 5. April 2017 Widerspruch. Die Beklagte gehe fälschlicherweise davon aus, dass
es sich um eine rückwirkende Befreiung für eine vormals ausgeübte Tätigkeit als Syndikusanwalt bei dem Beigeladenen zu 1)
in der Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 handele. Richtigerweise sei er jedoch seit November 2014 bis zum
heutigen Tage dort als Verbandsjurist tätig. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wirke vom Beginn der Beschäftigung
an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt werde. Die Befreiung müsse daher seit dem 1. November 2014
wirken. Auf eine Beitragspflicht im Versorgungswerk komme es nicht an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen
aus, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung nicht vorlägen, da eine Pflichtmitgliedschaft im berufsständigen
Versorgungswerk während der Beschäftigung zwingende Voraussetzung für eine Befreiung sei. Dies entspreche auch den Ausführungen
in der Gesetzesbegründung.
Am 18. Juni 2018 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Lübeck erhoben und seinen Standpunkt aus dem Widerspruchsverfahren
vertieft. Mit Urteil vom 9. August 2019 hat das Sozialgericht Lübeck den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2018 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 1. November
2014 bis zum 30. November 2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien und die zu
Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten. Dies hat das Sozialgericht damit begründet, dass es auf das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft
in einem Versorgungswerk für eine rückwirkende Befreiung gemäß §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI nicht ankomme. Dieser Auffassung stehe der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen, der für eine rückwirkende Befreiung
gemäß Satz 1 keine Pflichtmitgliedschaft voraussetze, während diese in Satz 2 und 4 ausdrücklich als Voraussetzung benannt
werde. Selbst wenn der gesetzgeberische Wille dahingehend zu verstehen sein sollte, dass eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk
auch nach Satz 1 vorausgesetzt werde, wofür die Gesetzesbegründung lediglich uneindeutige Anhaltspunkte enthalte, habe diese
Voraussetzung jedenfalls keinen Einzug in die gesetzliche Regelung erhalten, sodass sich der Beklagte hierauf nicht berufen
könne. Die systematische Auslegung im Zusammenhang mit §
231 Abs.
4c SGB VI stütze dieses Ergebnis. Diese Vorschrift solle bewirken, dass auch Syndikusanwälte vom Befreiungsrecht Gebrauch machen könnten,
die angesichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ihre Zulassung zurückgegeben hätten, bei der Neuzulassung nach
neuem Recht gemäß der Satzung des zuständigen Versorgungswerks jedoch aufgrund ihres Lebensalters nicht mehr zur dortigen
Pflichtversicherung berechtigt wären. Eine solche Privilegierung ergebe nur vor dem Hintergrund Sinn, dass es für diejenigen,
bei denen die Altersgrenze nicht problematisch sei, einer fortbestehenden Pflichtmitgliedschaft nicht bedürfe. Ansonsten stelle
die Privilegierung der älteren Syndikusanwälte eine nicht zu begründende Diskriminierung dar.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. August 2019 zugestellte Urteil am 5. September 2019 Berufung eingelegt. Sie widerspricht
der Auffassung des Sozialgerichts, dass §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI keine weiteren Voraussetzungen für die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht ab Beginn der Beschäftigung als
einen entsprechenden Antrag und eine erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht enthalte. Der Sinn und Zweck der Regelung
und der systematische Zusammenhang spreche eindeutig dafür, dass eine weitere Voraussetzung die Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk
sei. Aus der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26. Februar 2020 - B 5 RE 2/19 R) ergebe sich, dass zumindest ein - hier nicht vorliegender - "Bezug zum Versorgungswerk"
gegeben sein müsse
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 9. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der vom BSG geforderte "Bezug" zu einem Versorgungswerk stelle nur eine beiläufige Bemerkung dar, die weder entscheidungserheblich noch
weiter ausgeführt worden sei. Im Übrigen liege auch bei dem Kläger ein Bezug zum Versorgungswerk vor, denn dieser habe aufgrund
der Syndikus-Urteile des BSG vom 3. April 2014 auf eine Zulassung verzichtet, hätte aber ohne diese Entscheidungen die Zulassung und die Mitgliedschaft
im Versorgungswerk erhalten. §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI finde seinem Sinn und Zweck nach auch auf diese Fälle Anwendung, denn es könne keine Rolle spielen, ob ein Bruch in der Versicherungsbiografie
in der Mitte oder zu Anfang der Versicherungsbiografie bestehe.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach den § §
143,
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§
124 Abs.
2 SGG) ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 1. November
2014 bis zum 30. November 2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien und die zu
Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten. Der Bescheid vom 8. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai
2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf rückwirkende Befreiung
von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 für seine Tätigkeit bei dem
Beigeladenen zu 1).
Gemäß §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI wirkt die Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der BRAO in der ab dem 1. April 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die
Befreiung erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen
eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand (Satz 2). Die Befreiung nach den Sätzen 1 und
2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014 (Satz 3), es sei denn, dass für Zeiten vor diesem Datum bereits einkommensbezogene
Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden (Satz 4). Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen,
für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen
Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde (Satz 5). Der Antrag auf rückwirkende Befreiung konnte nur bis zum Ablauf des
1. April 2016 gestellt werden (Satz 6).
Die Voraussetzungen für eine Befreiung bereits ab dem 1. November 2014 (dem Beginn der Tätigkeit des Klägers bei dem Beigeladenen
zu 1)) liegen bei dem Kläger nicht vor, denn er war vor dem 1. Dezember 2016 weder als Rechtsanwalt noch als Syndikusrechtsanwalt
zugelassen noch war er überhaupt Mitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk.
In derartigen Fällen, in denen noch nicht einmal eine freiwillige Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk bestand, scheidet
eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI aus.
Zwar setzt §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI seinem Wortlaut nach lediglich voraus, dass zum einen eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt
nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nummer
1 SGB VI erteilt wurde und zum anderen ein (fristgerechter) Antrag auf früheren Beginn der Befreiung gestellt wird. Diese Voraussetzungen
sind vorliegend erfüllt. Die Vorschrift ist aber im Kontext der übrigen Regelungen und nach dem Zweck der Vorschrift so zu
verstehen, dass für den Zeitraum der rückwirkenden Befreiung bereits ein Bezug zu einem Versorgungswerk bestehen muss (in
diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 26. Februar 2020 - B 5 RE 2/19 R - juris Rn. 20f).
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/5201 S.46) diente die Einführung der Vorschrift der Wiederherstellung der Befreiungsfähigkeit
von der gesetzlichen Versicherungspflicht für solche Syndikusrechtsanwälte und Syndikuspatentanwälte, für die diese Möglichkeit
infolge der Urteile des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 vorübergehend entfallen war. Erklärtes Ziel war unter anderem,
eine erfolgte Beitragszahlung zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen der Rechtsanwälte und Patentanwälte zu legalisieren
und dabei angemessen ein durch die frühere Rechtspraxis geschaffenes schutzwürdiges Vertrauen zu berücksichtigen. Die Regelung
sollte nur Bedeutung haben "für diejenigen Personen, die für ihre zum Zeitpunkt der Urteile des Bundessozialgerichts vom 3.
April 2014 ausgeübten Beschäftigungen keinen gültigen Befreiungsbescheid besaßen, stets Pflichtmitglieder einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung waren und nunmehr als Syndikusrechtsanwälte oder Syndikuspatentanwälte befreiungsfähig sind". Zu den
Sätzen 1 bis 3 heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, Voraussetzung sei "in allen Fällen" der rückwirkenden Befreiung,
"dass während der Beschäftigungen zumindest eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk (nicht unbedingt
auch eine einkommensbezogene Beitragszahlung an das Versorgungswerk) bestand, mithin ein Bezug zur berufsständischen Versorgung
(gegebenenfalls auch neben einer Pflichtbeitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung) gegeben war" (BT-Drucks 18/5201
S. 46).
Das BSG hat im Urteil vom 26. Februar 2020 offengelassen, ob sich diese Begründung angesichts ihres Wortlauts nicht nur auf §
231 Abs.
4b Satz 2
SGB VI bezieht, weil jedenfalls die Einschränkung im 2. Halbsatz "Bezug zur berufsständischen Versorgung" keinen zwingenden Schluss
von der Begründung auf ein entgegen dem Wortlaut bestehendes Erfordernis der Pflichtmitgliedschaft zulasse (BSG, Urteil vom 26. Februar 2020 - B 5 RE 2/19 R - juris Rn.21). Wenn schon erörterungsbedürftig ist, ob eine Pflichtmitgliedschaft
im Versorgungswerk bestanden haben müsste, gilt dies erst recht für eine freiwillige Mitgliedschaft oder jedenfalls für eine
frühere Zulassung zur Anwaltschaft. Zumindest ein Bezug zur berufsständischen Versorgung muss vorliegen, denn nur insoweit
kann das Vertrauen auf den Fortbestand dieser Verwaltungspraxis enttäuscht worden sein. Zwar ist der Wille des historischen
Gesetzgebers nicht ausschlaggebend, sofern der Wortlaut des Gesetzes ihm entgegensteht. Dies ist hier aber nicht der Fall.
Die Vorschrift ist ihrem Sinn und Zweck nach restriktiv auszulegen, sodass der Bezug zu einer berufsständischen Versorgung
eine Minimalvoraussetzung darstellt, die im Sinne eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals vorliegen muss.
Der Senat schließt sich der zutreffenden Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 7. Oktober
2021, Az. L 12 BA 5/19 an:
"Zwar fordert §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI n.F. für Zeiten "derjenigen Beschäftigung, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird", vor dem 1.1.2016
- anders als für "davor liegende Beschäftigungen" (§
231 Abs.
4b Satz 2
SGB VI n.F.) und vor dem 1.4.2014 liegende Zeiten (§
231 Abs.
4b Satz 4
SGB VI n.F.) - keine durch Pflichtmitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer bedingte Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk,
sodass nach dieser Vorschrift rückwirkend auch befreit werden kann, wer nur freiwilliges Mitglied im berufsständischen Versorgungswerk
war (so nunmehr ausdrücklich BSG, Urteil vom 26.2.2020 - B 5 RE 2/19 R - sowie zuvor Landessozialgericht (LSG) Hessen, Urteil vom 14.2.2019 - L 1 KR 617/18). Gleichwohl muss (irgend)ein Bezug zu einem Versorgungswerk bereits für den Zeitraum der angestrebten rückwirkenden Befreiung
bestanden haben (BSG, a.a.O., juris Rn. 20 f., 26). Denn die gesetzgeberische Intention, die infolge der Rechtsprechung des BSG möglicherweise vorübergehend zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge "im Ergebnis (rückwirkend) an die Versorgungswerke
[zu erstatten]" und eine trotz Fehlens einer wirksamen Befreiung erfolgte Beitragszahlung an die Versorgungswerke nachträglich
"zu legalisieren" (BT-Drs. 18/5201, S. 22, 46), setzt voraus, dass jedenfalls überhaupt ein Bezug zum berufsständischen Versorgungssystem
der Rechtsanwaltschaft bestanden hat. Durch die Übergangsregelung soll - lediglich - Abhilfe für diejenigen "Syndikusanwälte
im Sinne der früheren Verwaltungspraxis geschaffen werden, die in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ihre
Anwaltszulassung zurückgegeben (und damit ihre Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk verloren) [haben]" (BT-Drs. 18/6915,
S. 26). Zumindest dies ergibt sich - entgegen der Auffassung des SG München in dem vom Kläger angeführten Urteil vom 1.2.2018
(S 31 R 1310/17) - zur Überzeugung des Senats auch unmittelbar aus dem Gesetz: §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI n.F. trifft keine eigenständige Befreiungsregelung für den infrage kommenden zurückliegenden Zeitraum, sondern nimmt seinerseits
auf "eine Befreiung von der Versicherungspflicht ... nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1" Bezug. Hiernach aber können (nur) Beschäftigte
und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten
oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung
ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer
berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht befreit werden. Auch der durch die frühere Rechtspraxis geprägte
Status quo, der durch die mit dem SAnwRNOG/FGOÄndG eingefügten Änderungen des
SGB VI "weitestgehend wieder hergestellt" (BT-Drs. 18/5201, S. 22; BT-Drs. 18/6915, S. 1f.) werden soll, setzte grundsätzlich die
förmliche Zulassung der (damaligen) "Syndikusanwält/inn/e/n" zur Rechtsanwaltschaft für die Befreiung von der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht voraus (BT-Drs. 18/5201, S. 2, 14ff.; zur seinerzeit überwiegend herangezogenen "Vier-Kriterien-Theorie"
ferner etwa LSG Hessen, Urteil vom 29.10.2009 - L 8 KR 189/09). Die Zulassung erfolgt durch die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 12 Abs. 1, 4 BRAO); sie hat rechtsgestaltende Wirkung. Mit ihr stellt die zuständige Rechtsanwaltskammer nach den Regeln des Berufsrechts,
auf welche der sozialversicherungsrechtliche Tatbestand des §
6 SGB VI Bezug nimmt, grundsätzlich das Vorliegen einer Tätigkeit fest, die zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führt (Gürtner,
in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Bd. III, §
6 SGB VI Rn. 7d). Für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bestimmt § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO n.F. daher nunmehr auch ausdrücklich die Bindung des - zuvor anzuhörenden (§ 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO n.F.) - Trägers der Rentenversicherung an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer. Für eine Begrenzung
auf Syndikusanwält/inn/e/n mit vorherigem "Bezug zum berufsständischen Versorgungssystem der Rechtsanwaltschaft" sprechen
auch die in §
231 Abs.
4b Sätze 3 und 4
SGB VI n.F. getroffenen Rückwirkungsbegrenzungen: Wurden vor dem 1.4.2014 keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches
Versorgungssystem gezahlt (Satz 4), kommt eine rückwirkende Befreiung frühestens ab dem 1.4.2014 in Betracht (Satz 3) - ab
einem Zeitpunkt mithin, zu dem (gerade) noch ein uneingeschränktes Vertrauen in den Bestand der früheren Rechtspraxis der
Rentenversicherungsträger auf entsprechende Befreiungsanträge von der Versicherungspflicht entstehen konnte. Vor diesem Hintergrund
ist weder ersichtlich, auf welcher Grundlage ein Vertrauen in eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
ohne frühere Willensbetätigung, dem Versorgungssystem der Rechtsanwaltschaft zugehören zu wollen, hätte entstehen können,
noch, dass ein etwaiges solches Vertrauen durch die dargestellte Übergangsregelung geschützt werden sollte."
(LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 7. Oktober 2021 - L 12 BA 5/19 - juris Rn. 28)
Der Senat macht sich diese Ausführungen ausdrücklich zu eigen. Der Kläger war vor dem 1. Dezember 2016 zu keinem Zeitpunkt
zugelassener Rechtsanwalt bzw. Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes und hatte dies auch nicht beantragt. Er
war damit mangels Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unabhängig von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit nicht Angehöriger einer
(freien) Berufsgruppe, denen der Gesetzgeber aus historischen Gründen ausnahmsweise auch im Angestelltenverhältnis die Möglichkeit
einer gesetzlichen Vorsorge außerhalb des gesetzlichen Rentenversicherungssysteme öffnet hat. Ein entsprechendes Vertrauen
in die Aufnahme bzw. den Verbleib im anwaltlichen Versorgungssystem war daher anders als bei den Syndikusanwälten, die nach
dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet hatten und auf
die die Regelung in §
231 Abs.
4c SGB VI Anwendung findet, zu keinem Zeitpunkt vorhanden. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts liegt insoweit keine Diskriminierung
wegen Alters vor, weil das maßgebliche Kriterium der Bezug zur Anwaltschaft und zu einem Versorgungswerk ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er eine grundsätzliche höchstrichterliche Klärung der Auslegung von §
231 Abs.
4b Satz 1
SGB VI für erforderlich hält (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).