Anspruch auf Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente; Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit bei vollschichtigem
Leistungsvermögen und häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten
Tatbestand
Der am _. ________ 1966 geborene Kläger begehrt die Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente.
Der Kläger hat bis 2006 in seinem Ausbildungsberuf als Elektromonteur gearbeitet. Seitdem ist er nicht mehr erwerbstätig gewesen.
Er bezog zunächst 11/2 Jahre Krankengeld und hat im Anschluss zunächst Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch - 3. Buch
(
SGB III) und dann Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch -2.Buch (SGB II) bezogen. Mit Antrag vom 26. November 2009 begehrte er gegenüber der Beklagten die Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente.
Diese holte zur Aufklärung des Sachverhalts aus medizinischer Sicht ein Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr.
S____ ein, welches dieser am 13. Februar 2010 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 11. Januar 2010 erstattete.
Der Sachverständige diagnostizierte bei dem Kläger eine chronifizierte Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren
mit primärer Schmerzlokalisation in der linksseitigen Flanke bzw. im Bereich des linksseitigen Oberbauches und einen medikamentös
eingestellten Bluthochdruck. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte und auch mittelschwere Arbeiten täglich sechs Stunden
und mehr zu verrichten. Weitere Funktionseinschränkungen bestünden nicht.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab und verneinte zur Begründung die sozialmedizinischen
Anspruchsvoraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente. Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 12. März 2010,
der mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2010 zurückgewiesen wurde.
Mit der am 3. Mai 2010 bei dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung
hat er vorgetragen, er sei voll erwerbsgemindert und nicht mehr in der Lage, täglich mindestens drei Stunden erwerbstätig
zu sein. Es bestehe eine hochchronifizierte Schmerzerkrankung, die einer solchen Tätigkeit entgegenstehe.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 23. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller,
hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. November 2009 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf die Begründung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen bezogen und sich durch das im Gerichtsverfahren
eingeholte Gutachten bestätigt gesehen.
Das Sozialgericht Kiel hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts aus sozialmedizinischer Sicht zunächst Befundberichte
des Allgemeinmediziners Dr. L___ und des Neurologen Dr. Sa_____ eingeholt und sodann bei dem Neurologen und Psychiater F_________
ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches dieser am 5. Oktober 2012 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am
selben Tag erstattet hat. Der Sachverständige F_________ hat dabei die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren als Hauptgesundheitsstörung, die sich hauptsächlich in Schmerzen im Bereich der linken Körperflanke
manifestiere, bestätigt. Daneben hat er eine Adipositas, einen Bluthochdruck und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
ohne neurologische Defizite diagnostiziert. Der Kläger sei unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen aber noch
in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
zu verrichten. Dabei solle eine Exposition gegenüber Hitze, Kälte, Zugluft und Feuchtigkeit vermieden werden. Ein bestimmter
Wechsel der Haltungsarten sei nicht erforderlich, einseitige körperliche Belastungen, insbesondere die Einnahme von Zwangshaltungen
und starken Drehbewegungen des Oberkörpers sollten aber aufgrund der möglichen Schmerzauslösung vermieden werden. Ein besonderer
Zeitdruck wie z. B. bei Akkord und Fließbandarbeit sei nicht möglich, das Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel über
20 kg solle vermieden werden. Tätigkeiten in Wechselschicht seien möglich, in Nachtschicht jedoch nicht. Arbeiten, die eine
Belastbarkeit der Wirbelsäule, insbesondere längerdauernde ausgeprägte Drehbewegungen im Oberkörper erforderten, seien nicht
möglich. Die festgestellten Leiden beschränkten den Kläger auch in der Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten, einfache und
mittelschwere geistige Tätigkeiten könne er aber verrichten. Besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit sollten
aufgrund der Schmerzerkrankung nicht gestellt werden. Publikumsverkehr sei möglich, solange dieser nicht mit besonderer nervlicher
Belastung, z. B. in einem Call-Center, oder in einer Beschwerdeannahmestelle verbunden sei. Die Wegefähigkeit sei erhalten
und die arbeitsüblichen Pausen reichten aus.
Das Sozialgericht hat den Sachverständigen F_________ in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2013 ergänzend befragt
und den Beteiligten ebenfalls Gelegenheit zur Befragung des Sachverständigen gegeben. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das
Sozialgericht die Klage abgewiesen. In der Begründung ist es der sozialmedizinischen Einschätzung des Sachverständigen F_________
gefolgt.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 1. Juli 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 26. Juli 2013.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, er sei voll erwerbsgemindert, da er auf nicht absehbare Zeit außerstande
sei unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Selbst wenn noch ein vollschichtiges
Leistungsvermögen vorhanden sein sollte, sei zu berücksichtigen, dass er seit mehr als drei Jahren durchgehend arbeitsunfähig
krankgeschrieben sei. Zu verweisen sei auf den Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. Oktober 2012, in dem ausgeführt sei, dass das Risiko einer häufigen Arbeitsunfähigkeit dann zu einer Erwerbsminderung
führe, wenn feststehe, dass die vollständige Arbeitsunfähigkeit so häufig auftrete, dass die während eines Arbeitsjahres zu
erbringenden Arbeitsleistungen nicht mehr den Mindestanforderungen entsprächen, die ein vernünftig und billig denkender Arbeitgeber
zu stellen berechtigt sei. Das Gutachten des Sachverständigen F_________ könne insoweit nicht als Einschätzung zum Vorliegen
von Arbeitsunfähigkeit für den zurückliegenden Zeitraum gesehen werden. Der Kläger stützt sich auch auf einen Entlassungsbericht
aus dem Klinikum I______ über seinen dortigen Aufenthalt vom 21. bis 23. Mai 2013 und eine Begutachtung durch die Sachverständige
Dr. M____ für den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit vom 27. November 2013. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2015
beantragt er die Jobcenter-Akte des Klägers beizuziehen, einen aktuellen Befundbericht bei dem behandelnedem Hausarzt Dr.
L___ einzuholen und ausdrücklich zu ermitteln , für welchen Zeitraum Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.
Februar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2010 zu verurteilen, ihm ab 1. November 2009 Rente wegen
voller,
hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren; hilfsweise
die Unterlagen beizuziehen, die im Schriftsatz vom 13. Januar 2015 genannt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des Orthopäden und Schmerztherapeuten Dr. La______ eingeholt,
welches dieser am 25. März 2014 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am gleichen Tag erstattet hat. Dr. La______
hat das Bestehen einer chronischen Schmerzerkrankung, die er als somatoforme Schmerzstörung mit Hinweisen für eine Schmerzverarbeitungs-
und Bewältigungsstörung mit mittelgradiger Chronifizierung bezeichnet hat, bestätigt. Daneben hat er auf orthopädischem Gebiet
im engeren Sinne altersentsprechende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit nachgewiesenem kleinen Bandscheibenvorfall
in der Brustwirbelsäule rechts ohne Nervenwurzelreizerscheinungen oder Nervenwurzelausfälle und eine statisch muskuläre Insuffizienz
der rumpfhaltenden Muskulatur bei ausgeprägter Übergewichtigkeit diagnostiziert. Ferner bestehe eine Verdauungs- und Stoffwechselstörung
bei sich entwickelndem metabolischem Syndrom. Der Kläger könne noch vollschichtig im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche erwerbstätig
sein. Dabei könnten leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im
Sitzen und zeitweise im Gehen und Stehen verrichtet werden. Zur Vermeidung einer Haltungskonstanz sei es erforderlich, dass
sich der Kläger nach etwa einer Stunde Sitzdauer vom Arbeitsplatz erhebe und ca. fünf bis 10 Schritte im Raum zurücklege,
bevor er sich wieder hinsetze. Insoweit sei von arbeitsüblichen Verrichtungen auszugehen. Betriebsunübliche Pausen benötige
der Kläger nicht. Überwiegend einseitige körperliche Haltungen und Zwangshaltungen sollten ebenso vermieden werden wie das
häufige Heben und Tragen von Lasten über 15 kg ohne mechanische Hilfsmittel sowie die Exposition gegenüber Zugluft, Nässe
und Kälte. Erhöhte Anforderungen an das Arbeitstempo wie bei Akkordarbeit und besondere Anforderungen an die Stressbelastbarkeit
und besondere Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit könnten von dem Kläger nicht gefordert werden. Auch
besondere Anforderungen an die Konzentration und die konzentrative Ausdauer seien nicht zu fordern. In der Ausübung schwieriger
geistiger Tätigkeiten sei der Kläger beschränkt. Auf neue Berufsfelder könne er sich aber grundsätzlich einstellen. Arbeiten
mit Publikumsverkehr seien möglich, solange diese nicht im stressbehafteten Kontext wie z. B. bei einer Beschwerdestelle erfolgten.
Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Im Hinblick auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. M____ für den Medizinischen Dienst der Arbeitsagentur hat der Senat
eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen Dr. La______ eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 21. August 2014
hat der Sachverständige seine bisherige Bewertung aufrecht erhalten.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten Bezug genommen. Die genannten Akten lagen dem Senat vor und
waren Gegenstand der Urteilsberatung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht gemäß §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingelegt worden. Auf den Wert des Streitgegenstandes gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG kommt es nicht an, weil um laufende Leistungen für mehr als ein Kalenderjahr gestritten wird, §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung sind in §
43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) geregelt. Danach bestehen sowohl versicherungsrechtliche als auch medizinische Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer
solchen Rente. Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung,
wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge
für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, §
43 Abs.1 S.2
SGB VI. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, §
43 Abs.2 S.2
SGB VI.
Darüber hinaus haben Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, bei Erfüllung der genannten versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen gemäß §
240 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie berufsunfähig sind.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente sind in sozialmedizinischer Hinsicht nicht erfüllt. Ein Anspruch
auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet bei dem Kläger schon lebensalterbedingt aus,
denn er ist nach dem maßgeblichen Stichtag am 2. Januar 1961 geboren. Auf die Wertigkeit seiner langjährig verrichteten Tätigkeit
als Elektromonteur und die Fähigkeit bzw. Unfähigkeit diese Tätigkeit weiter zu verrichten, kommt es daher nicht an.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass sich auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers qualitativ vor allem eine chronifizierte
Schmerzerkrankung auswirkt, für die sowohl psychische als auch physische Faktoren eine Rolle spielen und die sich vor allem
in durch Bewegung ausgelösten Schmerzereignissen im linken Oberkörper äußert. Daneben bestehen altersentsprechende degenerative
Veränderungen der Wirbelsäule mit einem kleinen Bandscheibenvorfall ohne neurologische Ausfallerscheinungen und bei Übergewichtigkeit
eine Stoffwechselstörung mit beginnendem metabolischem Syndrom. Zu dieser Einschätzung gelangt der Senat aufgrund der Auswertung
der im gerichtlichen Verfahren über beide Instanzen erfolgten Sachverhaltsaufklärung, insbesondere aufgrund der schlüssig,
in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar erstellten Gutachten des Neurologen und Psychiaters F_________ und des Orthopäden
und Schmerztherapeuten Dr. La______.
In Auswertung dieser Gutachten steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls fest, dass der Kläger unter Beachtung qualitativer
Leistungseinschränkungen noch im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche über sechs Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere
Tätigkeiten verrichten kann, seine Wegefähigkeit, die als Fähigkeit einen Arbeitsplatz zumutbar zu erreichen, Teil der Erwerbsfähigkeit
ist, erhalten ist, er nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen ist und der allgemeine Arbeitsmarkt auch nicht aus anderen
Gründen verschlossen ist.
Wegen der o. g. Erkrankungen, insbesondere wegen der chronifizierten Schmerzerkrankung sollte der Kläger keinen negativen
klimatischen Reizen, wie Hitze, Kälte, Nässe oder Zugluft ausgesetzt sein. Ein Wechsel der Haltungsarten in einem bestimmten
Rhythmus ist nicht möglich, der Kläger sollte aber zur Muskellockerung etwa einmal pro Stunde die sitzende Position unterbrechen
und kurz umhergehen. Arbeiten im Gehen und Stehen sind nur zeitweise möglich. Einseitige Körperhaltungen und die Einnahme
von Zwangshaltungen, insbesondere starke Drehbewegungen des Oberkörpers, sollten wegen der damit verbundenen möglichen Schmerzauslösung
vermieden werden. Leichtere Lasten kann der Kläger noch ohne mechanische Hilfsmittel heben und tragen, bei solchen mit einem
Gewicht über 15 kg kann dies aber nur gelegentlich geschehen. Erhöhte Anforderungen an das Arbeitstempo, wie etwa im Rahmen
von Fließband- oder Akkordarbeiten sind wegen der Schmerzstörung nicht möglich, der Kläger kann aber grundsätzlich in einem
festgelegten Arbeitsrhythmus tätig sein. Besondere Anforderungen an die Stressbelastbarkeit können an ihn nicht gestellt werden,
so ist ihm Publikumsverkehr auch grundsätzlich möglich, aber nicht, wenn dies mit einer besonderen nervlichen Belastung, etwa
in einer Beschwerdeannahmestelle, einhergeht. Seine Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ist leicht beeinträchtigt, er kann
sich aber noch auf neue berufliche Aufgabenfelder einstellen. Besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und die
konzentrative Ausdauer können aufgrund der Schmerzerkrankung aber nicht mehr gestellt werden. Schwierige geistige Tätigkeiten
kann der Kläger aufgrund der Schmerzerkrankung nicht mehr verrichten, einfache oder mittelschwere geistige Arbeiten sind ihm
aber noch zumutbar.
Zur Ermittlung des Leistungsvermögens war die Einholung eines weiteren Befundberichts des Hausarztes Dr. L___ nicht erforderlich.
Das Sozialgericht hat bereits einen Befundbericht dieses Arztes eingeholt. Der medizinische Sachverhalt ist vor allem durch
die beiden Sachverständigengutachten von Herrn F_________ und Dr. La______ sehr gut dokumentiert. Weder der Vortrag des Klägers
noch dessen anamnestische Angaben anlässlich der Begutachtungen geben Anlass zu der Annahme, dass ein erneuter Befundbericht
des Hausarztes Dr. L___ zum Gesundheitszustand des Klägers und dessen Leistungsvermögen neue Erkenntnisse erbringen könnte.
Der Kläger trägt nichts dazu vor, dass und aus welchen Gründen der vorhandene Bericht des Arztes fehlerhaft sein sollte oder
welche abweichende Aussagen ein neuer Bericht enthalten sollte. Die aktuelle Befundlage ist durch die Untersuchungen der beiden
Sachverständigen geklärt. Ein Befundbericht von Dr. L___ musste aber auch nicht eingeholt werden, um zu ermitteln, für welchen
Zeitraum dieser Arzt bei dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat. Auch die Beiziehung der Leistungsakte des JobCenters
Rendsburg-Eckernförde zu diesem Zweck war nicht erforderlich. Es kann vom Senat unterstellt werden, dass dem Kläger, wie von
ihm vorgetragen, durch Dr. L___ seit 2010 durchgängig Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Leistungsrechtliche Konsequenzen
für den hier streitigen Erwerbsminderungsrentenanspruch hat eine solche Bescheinigung indessen nicht (vgl. dazu unten).
Die ermittelten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht so gewichtig, dass eine schwere spezifische Leistungsbehinderung
oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, die zu einem Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
trotz fehlender quantitativer Leistungseinschränkung führen könnte, wenn dem Versicherten keine konkrete Verweisungstätigkeit
benannt werden kann, die er mit den bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen noch verrichten kann (vgl. insoweit
BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996, GS 2/95). Eine konkrete Verweisungstätigkeit muss dem Kläger nicht benannt werden. Dies wäre nur der Fall, wenn bei ihm eine Summierung
außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorläge. Dies ist nicht der Fall. Zunächst ist im Übrigen zu prüfen, ob das sozialmedizinisch
ermittelte Leistungsvermögen einfache gewerbliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zulässt, ohne dass eine
konkrete Tätigkeit benannt werden muss. Erst wenn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbreitete Handlungsfelder für einfache
Tätigkeiten nicht mehr verrichtbar erscheinen, ist zu prüfen, ob eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden kann (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012, B 5 R 68/11 R). Die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhandenen Handlungsfelder der Kontrolle, des Sortierens und Verpackens, sowie
der einfachen Montage von Produkten sind dem Kläger bei Ausübung in geschlossenen Räumen ohne Exposition gegenüber Kälte,
Nässe und Zugluft aber noch möglich. Auch leichte Bürotätigkeiten sind mit dem festgestellten Leistungsvermögen vereinbar,
sofern diese nicht mit erhöhter Stressbelastung und besonderen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit einhergehen.
Insbesondere auch die Notwendigkeit eine sitzende Tätigkeit nach etwa einer Stunde zur Muskelauflockerung kurz unterbrechen
zu müssen, bedingt keine Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zwar wird in der Rechtsprechung eine schwere spezifische
Leistungsbeeinträchtigung zum Teil angenommen, wenn ein Versicherter einen Haltungswechsel jederzeit und spontan vornehmen
können muss (vgl. Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 14. Februar 1997, L 5 J 37/95). Dieses Beeinträchtigungsausmaß wird von dem Kläger aber nicht erreicht. Er muss lediglich die Möglichkeit haben, innerhalb
einer Stunde die Haltung zu ändern. Die Möglichkeit, innerhalb gewisser Zeitkorridore einen Haltungswechsel vorzunehmen und
dabei auch ein paar Schritte im Raum zu laufen, ist auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt insbesondere bei Sortier-, Verpackungs-
und Kontrolltätigkeiten durchaus gängig. Bei leichten Bürotätigkeiten ist sie ohnehin gegeben. Der Ausschluss ständigen Sitzens
stellt nach Rechtsprechung des BSG zudem explizit keine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung dar (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80; bestätigt Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 a. a. O.).
Auch der Umstand, dass der Kläger seit 2010 durchgängig arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde, führt nicht zu einer Benennungspflicht.
Zwar kommt eine solche nach der von dem Kläger genannten Entscheidung des BSG (Beschluss vom 31. Dezember 2012, B 13 R 107/12 B) in Betracht, wenn feststeht, dass wiederholt Arbeitsunfähigkeitszeiten in einem solchen Umfang auftreten werden, dass
die jährliche Arbeitsleistung erheblich eingeschränkt wird, etwa bei anfallsartigen oder rezidivierend auftretenden Krankheiten
mit umfangreichen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitsunfähigkeit ist aber ebenso wie die Erwerbsminderung ein sozialmedizinischer
Tatbestand, der gerichtlich überprüfbar ist. Das Gesetz misst der Einschätzung des behandelnden Arztes im Rahmen der Erlangung
von Krankengeld gemäß §
46 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (
SGB V) dabei anspruchsbegründende Bedeutung zu. Diese Einschätzung ist aber für den jeweiligen Leistungsträger nicht bindend. Dieser
ist vielmehr berechtigt, die ärztliche Einschätzung durch eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen
(MDK) überprüfen zu lassen. Entsprechendes gilt in Klageverfahren, die auf Erlangung von Krankengeld gerichtet sind. Auch
dort sind die Gerichte berechtigt und der Sache nach häufig auch gehalten, eine ärztliche Einschätzung zum Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit
durch Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens zu überprüfen. Nichts anderes kann gelten, wenn aus dem Vorliegen
der Arbeitsunfähigkeit, wie hier, rentenrechtlich Folgen, nämlich die Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit
abgeleitet werden sollen. Zu beachten ist, dass der Kläger schon wegen seines Geburtsdatums rentenrechtlich zumutbar auf alle
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden muss. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit folgt als krankenversicherungsrechtlicher
Tatbestand anderen Voraussetzungen als der rentenrechtliche Begriff der Erwerbsunfähigkeit. Daher kann aus einer fortdauernden
Arbeitsunfähigkeit nur dann Rückschluss auf eine Erwerbsminderung gezogen werden, wenn beide Tatbestandsmerkmale sich auf
dieselben Leistungsanforderungen beziehen. Das ist bei dem Kläger nicht der Fall. Eine Überprüfung der Krankschreibungen des
behandelnden Arztes durch den MdK oder einen neutralen Gutachter hat jedenfalls seit Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug
nicht mehr stattgefunden, denn diese Krankschreibungen haben für den Zeitraum danach auch keine weitere leistungsrechtliche
Konsequenz. Dass Arbeitsunfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in den Zeitraum seit Rentenantragstellung aber
tatsächlich nicht vorgelegen hat, ergibt sich aus den eingeholten Gutachten der Sachverständigen F_________ und Dr. La______,
denn diese haben quantitative Leistungseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gerade auch für den zurückliegenden
Zeitraum verneint. Die abweichende Einschätzung des behandelnden Hausarztes wird daher gutachterlich hinreichend widerlegt.
Das für die Agentur für Arbeit erstellte Gutachten der Sachverständigen Dr. M____ vom 27. November 2013 führt nicht dazu,
dass das durch die Sachverständigen F_________ und Dr. La______ ermittelte Leistungsvermögen in Zweifel zu ziehen ist. Die
Sachverständige M____ hat in ihrem Formulargutachten zwar ein Leistungsbild von täglich weniger als drei Stunden angekreuzt,
gleichzeitig wird aus ihrem Gutachten aber deutlich, dass sie keine konkrete sozialmedizinische Leistungsbeurteilung vornehmen
wollte, sondern der Verlauf des laufenden Sozialgerichtsverfahrens mit einhergehender weiterer sozialmedizinischer Sachverhaltsaufklärung
abgewartet werden sollte. So ist dort zwar eine Anamneseerhebung erfolgt, eine eigene Untersuchung des Klägers hat die Sachverständige
aber mit Blick auf das laufende gerichtliche Verfahren gerade nicht durchgeführt. Demgegenüber hat nach der Befragung durch
Frau Dr. M____ eine ausführliche ambulante Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. La______ mit umfangreicher Untersuchung
über einen Zeitraum von 2 1/2 Stunden stattgefunden. Danach kann ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen gerade
nicht bestätigt werden.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Sachentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.