Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Honorierung der Klägerin für das Quartal III/2009. Die Honorierung der Klägerin für die
Quartale I und II/2009 sowie I und II/2010 ist in Parallelverfahren streitig.
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft der beiden Fachärzte für Urologie __________ (Dr. R.) und ________________
(S.), die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Die Praxis wird in K___________ betrieben.
Mit RLV-Mitteilung vom 4. Juni 2009 wurde der Klägerin ein Regelleistungsvolumen (RLV) in Höhe von 41.241,59 EUR zugewiesen. Dieses ergab sich aus der Multiplikation der am Quartal III/2008 orientierten RLV-relevanten Fallzahl der Vertragsärzte in Höhe von 817 bzw. 763 mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert der Arztgruppe in
Höhe von 23,65 EUR und nach Anpassung mit den jeweiligen arztindividuellen Morbiditätsfaktoren und Berücksichtigung eines
10%-igen Aufschlages für Gemeinschaftspraxen. Die durchschnittliche RLV-relevante Fallzahl der Arztgruppe der Fachärzte für Urologie betrug 861,8.
Den Honoraranspruch der Klägerin beschied die Beklagte mit Honorarbescheid vom 4. Februar 2010 in Höhe von insgesamt 84.895,39
EUR (vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages). Die Klägerin erbrachte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 61.923,94 EUR, die in Höhe von 43.781,32 EUR vergütet wurden. Die Klägerin
hatte 1647 RLV-relevante Fälle. Ihr wurde keine Konvergenzzahlung gewährt, da sie im Bereich konvergenzrelevanter Leistungen einen Honorarzuwachs
in Höhe von 9,28 % (5.691,38 EUR) erzielte.
Gegen die RLV-Mitteilung legte die Klägerin am 25. Juni 2009 und gegen den Honorarbescheid am 25. Februar 2010 Widerspruch ein. Zusammengefasst
begründete sie die Widersprüche mit diversen Einwänden gegen die neue Honorarverteilungssystematik, die zu Honorarverlusten
gegenüber 2008 führe. Sie stellte auch Anträge auf Anerkennung von bereits für das Quartal I/2009 vorgetragene Praxisbesonderheiten
und Berücksichtigung von Härtefallgesichtspunkten wegen Honorarverlusten gegenüber 2008. Ihr als unterdurchschnittlicher Praxis
sei ein RLV in Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe zuzuweisen. Ferner sei ein Mindest-RLV-Fallwert in Höhe von 29,75 EUR in die Berechnung einzustellen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2010 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die RLV-Mitteilungen für die Quartale I/2009 bis II/2010 und die Honorarabrechnungen für die Quartale I bis III/2009 zurück. Sie
erläuterte ausführlich die Honorarverteilungssystematik ab dem Quartal I/2009 unter Berücksichtigung der Regelungen im
SGB V, der Beschlüsse des Bewertungsausschusses und der Honorarvereinbarungen mit den Krankenkassen. Die Honorarverteilungsregelungen
würden durchaus Wachstumsmöglichkeiten sowohl für Wachstumsärzte als auch für unterdurchschnittliche Praxen außerhalb der
Aufbauphase ermöglichen. Da das RLV jeweils auf der Fallzahl des jeweiligen Vorjahresquartals beruhe, könne nicht von einem dauerhaften Festschreiben der Honorare
ausgegangen werden. Fallwertzuschläge wegen Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe in Punkten um
30 % seien in diesem Fall nicht zu gewähren. In keinem der Quartale I/2009 bis II/2010 werde diese Grenze erreicht oder überschritten.
Dr. R. und Herr S. überschritten sie im Quartal I/2009 um 11,2 % und im Quartal II/2009 um 11,09 %. Dr. R. überschritt sie
im Quartal III/2009 um 8,94 %, im Quartal IV/2009 um 6,93 %, im Quartal I/2010 um 7,18 % und im Quartal II/2010 um 8,65 %.
Herr S. überschritt die Grenze im Quartal III/2009 um 18,78 %, im Quartal IV/2009 um 19,72 %, im Quartal I/2010 um 23,84 %
und im Quartal II/2010 um 20,43 %.
Dagegen hat die Klägerin am 19. November 2010 für die Quartale I/2009 bis II/2010 Klage erhoben. Sie hat pauschal Bezug genommen
auf die Begründungen im Widerspruchsverfahren und im Verfahren vor dem Sozialgericht die nachfolgend genannten Aspekte vertieft.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis
zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen. Diesen Praxen müsse danach die Möglichkeit eingeräumt werden, innerhalb
von fünf Jahren den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu erreichen. Sie seien nicht auf Härtefallregelungen zum Ausgleich
überproportionaler Honorarverluste in Höhe von mehr als 15 % im Vergleich zum Basisquartal zu verweisen. Denn es handele sich
dabei nicht um eine unvorhersehbare Besonderheit und unspezifische Härte, sondern um eine typische Fallgestaltung. Ihre Praxis
sei im Sinne der Rechtsprechung des BSG als unterdurchschnittliche Praxis außerhalb der Wachstums- und Aufbauphase einzustufen. Das erzielte Honorar decke jedoch
kaum den tatsächlichen Betriebskostenaufwand. Daher sei es ihr auch nicht möglich, in die Praxis zu investieren, um deren
Attraktivität zu steigern und neue Patienten zu gewinnen. Aufgrund der hohen Arztdichte in Schleswig-Holstein sei die Patientenzahl
konsolidiert, teilweise sogar nur schwer zu halten. Entgegen den Vorgaben des BSG würden die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten keine Sonderregelungen für unterdurchschnittliche Praxen außerhalb
der Aufbauphase vorsehen. Dieses Fehlen sei nicht vom weiten Gestaltungs- und Beobachtungsspielraum der Beklagten gedeckt.
Die desaströsen Auswirkungen der Honorarverteilungsregelungen ab 1. Januar 2009 seien vorhersehbar gewesen. Das BSG habe bisher offen gelassen, ob der Situation unterdurchschnittlich abrechnender Praxen außerhalb der Aufbauphase auch durch
Fallwertsteigerungen begegnet werden könne oder müsse.
Die Klägerin hat in allen Quartalen ferner einen Mindest-RLV-Fallwert in Höhe von 29,75 EUR geltend gemacht, der die Ordinationsgebühr für Rentner (21,17 EUR) und die Sonografie-Leistung
(8,58 EUR) abdecke und somit die Basisdiagnostik bei männlichen Versicherten gewährleiste. Aufrechterhalten hat sie auch ihren
Widerspruch gegen die Zuweisung von verbleibenden Honorarverlusten gegenüber den Basisquartalen 2008 nach Anwendung der Konvergenzregelung.
Bei allseits steigenden Lebenshaltungskosten und allgemeiner Teuerungsrate und unter Berücksichtigung der Betriebskosten könne
die Zuweisung verbleibender Honorarverluste nicht weiter hingenommen werden. Sie seien existenzgefährdend.
Das Sozialgericht hat die am 25. November 2010 erhobene Klage mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 aufgetrennt, so dass der
Streit über die Honorierung der Klägerin in den jeweiligen Quartalen unter nachfolgenden Aktenzeichen geführt wurde:
S 16 KA 369/10: Honorierung im Quartal I/2009
S 16 KA 1158/13: Honorierung im Quartal II/2009
S 16 KA 1160/13: Honorierung im Quartal III/2009
S 16 KA 1163/13: Honorierung im Quartal I/2010
S 16 KA 1165/13: Honorierung im Quartal II/2010
S 16 KA 1166/13: Bescheid des HVM-Teams vom 18. Juni 2009
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid über die Mitteilung des Regelleistungsvolumens und die Honorarabrechnung für das Quartal III/2009 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über ihre Honorierung im Quartal
III/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid berufen. Sie sei zur Einhaltung der vom Gesetzgeber und vom (Erweiterten)
Bewertungsausschuss getroffenen Regelungen verpflichtet, die wiederum die Honorarvereinbarungen auf Landesebene beeinflussten.
Ein Abweichen von diesen Vorgaben sei allenfalls dann möglich, wenn diese offensichtlich rechtswidrig wären, der Makel der
Rechtswidrigkeit diesen also geradezu "auf die Stirn geschrieben sei". Die Rechtsprechung des BSG zu Wachstumsmöglichkeiten sei nicht so zu verstehen, dass eine Sonderregelung für unterdurchschnittliche Praxen außerhalb
der Aufbauphase auch dann geschaffen werden müsse, wenn die Honorarverteilungsmechanismen eine derartige Wachstumsmöglichkeit
ohnehin von vornherein für alle Praxen eröffnen. Das sei in den geltenden Regelungen zur Honorarverteilungssystematik der
Fall. Das Regelleistungsvolumen ergebe sich aus der Multiplikation der RLV-relevanten Fallzahl des jeweiligen Vorjahresquartals mit dem RLV-Fallwert des jeweiligen Quartals. Dadurch profitiere der Arzt im Folgejahresquartal von einer Fallzahlsteigerung. Die vier-Wochen-Frist
des §
87b Abs.
1 SGB V sei zwar nicht eingehalten, sie sei aber eine reine Ordnungsfrist.
Am 12. Februar 2014 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Durch die
Rechtsprechung des BSG sei bisher offen gelassen worden, wie der Fachgruppendurchschnitt bei unterdurchschnittlichen Altpraxen erreicht werden könne,
deren Patientenzahlen, wie im Fall der Klägerin, nicht mehr unproblematisch steigerbar seien. Aus Sicht der Kammer sei eine
solche unterdurchschnittliche Praxis besonders schutzwürdig, so dass hier eine Steigerung des Fallwertes maximal zum Fachgruppendurchschnitt
ermöglicht werden müsse. In diesem Sinne müsse die Honorierung in den streitigen Quartalen erneut beschieden werden. Der Erweiterte
Bewertungsausschusses habe das Morbiditätskriterium Geschlecht entgegen dem Wortlaut von §
87b Abs.
3 S. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) nicht berücksichtigt. Auch dieses sei bei einer Neubescheidung zu beachten. Darüber hinaus hätte die Beklagte bei der Honorierung
der Klägerin im Quartal I/2009 ebenso wie in den Folgequartalen die besondere Situation der Praxis der Klägerin im Sinne eines
Härtefalles im Rahmen der Ermessensentscheidung individuell würdigen und dieses in den jeweiligen Honorarabrechnungen berücksichtigen
müssen. Im Einzelfall müssten zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung Praxisbesonderheiten geprüft und gegebenenfalls
unter Abweichung von dem strengen Maß der Mindestgrenze einer Fallwertüberschreitung von 30 % beschieden werden. Die Beklagte
habe die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgetragene besondere Patientenstruktur individuell würdigen müssen.
Gegen das ihr am 16. Juli 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. August 2014 beim Schleswig- Holsteinischen Landessozialgericht
eingegangene Berufung der Beklagten. Diese begründet sie damit, dass der Klägerin sehr wohl durch die bestehenden Honorarverteilungsregelungen
ein Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt ermöglicht werde, und zwar durch Steigerung der Fallzahlen. Der Rechtsprechung
des BSG sei lediglich zu entnehmen, dass eine dauerhafte ungünstige Erlössituation als Folge unterdurchschnittlicher Umsätze durch
die Honorarverteilungssystematik vermieden werden müsse. Solche Praxen dürften nicht daran gehindert werden, durch Erhöhung
der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen. Weitere Sonderregelungen fordere das BSG nicht. Es habe vielmehr in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2009 (B 6 KA 5/08) klargestellt, dass die allen Praxen mit
unterdurchschnittlichen Umsätzen einzuräumende Möglichkeit, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz
der Fachgruppe aufzuschließen, nicht bedeute, dass diese Praxen von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont werden
müssten. Eine Wachstumsmöglichkeit zu jeder Zeit sei nicht einzuräumen. Ferner müsse die Praxis auch zeigen, dass sie wachsen
wolle. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Die Praxis habe vom Quartal I/2008 (1716 Fälle) bis zum Quartal II/2010 (1708
Fälle) nicht kontinuierlich und stetig ihre Fallzahlen gesteigert.
Das BSG habe sich in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2013 (B 6 KA 4/13 R) bereits mit der Frage der Berücksichtigung des Morbiditätskriteriums Geschlecht befasst und entschieden, dass der Erweiterte
Bewertungsausschuss sich in seinem Beschluss vom 27./28. August 2008 in Teil F 3.2.2 in rechtmäßiger Weise gegen die Berücksichtigung
dieses Merkmals entschieden habe.
Ihres Erachtens seien die geltenden Regelungen für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefällen ausreichend, da
sie sowohl Sicherstellungsaspekte als auch Honorarverluste und Veränderungen im Umfeld der Arztpraxis hinreichend berücksichtigten.
Die Beibehaltung der 30 %-Grenze bei der Überschreitung des Fallwertes der Fachgruppe für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten
sei nach den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 15. Januar und 27. Februar 2009 den Partnern der Gesamtverträge freigestellt
worden. Es sei daher nicht ermessensfehlerhaft, wenn diese Grenze in S__________________ weiter Anwendung finde. Die Voraussetzungen
dieser Regelung hätten jedoch nicht vorgelegen. Daher habe das HVM-Team am 18. Juni 2009 die Anerkennung von Praxisbesonderheiten
zu Recht abgelehnt. Auch die Voraussetzungen für die Anwendung von Härtefallregelungen seien nicht erfüllt. Schließlich bestehe
auch kein Sicherstellungsbedarf mit Existenzgefährdung im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Aus der beigefügten Umsatzstatistik sei ersichtlich, dass die Klägerin in den Quartalen I bis IV/2008 Umsätze zwischen 83.700
EUR und 88.145 EUR erzielt und in den Quartalen I bis IV/2009 Umsätze zwischen 81.970 EUR und 92.200 EUR erwirtschaftet habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 12. Februar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Insbesondere hält sie das Urteil des Sozialgerichts Kiel für zutreffend. Ihr könne nicht unterstellt werden, nicht gewillt
zu sein, ihre Fallzahlen zu steigern. Die durch diese Honorarreform eingesetzte Festschreibung von Negativerlösen sei nicht
Ergebnis ihrer freien Willensentscheidung gewesen. Die Beklagte sei dem Problem der Unterdurchschnittlichkeit von Praxen außerhalb
der Aufbauphase in den vergangenen fünf Jahren nicht ansatzweise entgegengetreten. In die Prüfung, ob die vorhandenen Regelungen
ausreichende Wachstumsmöglichkeiten ermöglichten oder nicht, seien auch die Folgequartale ab III/2010 einzubeziehen gewesen.
Denn das BSG habe in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2009 (B 6 KA 5/08 R) auch festgestellt, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum für unterdurchschnittlich abrechnende Altpraxen nicht statisch ab einem
fixen Zeitpunkt beginne, sondern so lange fortbestehe, bis die Praxis den Durchschnittsumsatz erreicht habe. Dementsprechend
seien Zeitraum und Wachstumsmöglichkeiten dynamisch auf die jeweilige, zur gerichtlichen Überprüfung anstehende Honorarbegrenzungsregelung
zu beziehen. Ihr seien durch das ab 1. Januar 2009 geltende Honorierungssystem der vertragsärztlichen Leistungen keine genügenden
Wachstumsmöglichkeiten eingeräumt worden. Auch die nachfolgende Systematik ermögliche ihr kein Wachstum. Wenn die Fallzahlen
seit Jahren konstant auf einem unterdurchschnittlichen Niveau festgeschrieben und faktisch nicht steigerbar seien, bestehe
eine Sondersituation, der mit einer Sonderregelung, z. B. Fallwerterhöhungen, effizient entgegenzuwirken sei. Die geforderte
Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen außerhalb der Aufbauphase werde auch nicht dadurch obsolet, dass
den durch die RLV-Systematik bedingten Missständen überproportionaler, nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen leistungsadäquater
und -proportionaler Vergütung und dem Prinzip der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu vereinbarenden Verlusten mit der Einführung
der Konvergenzregelung zu begegnen versucht worden sei. Die über die Konvergenzregelung in den Quartalen I/2009 bis II/2010
zugewiesenen Honorarverluste seien für unterdurchschnittliche Praxen außerhalb der Aufbauphase nicht hinnehmbar. Dem sei entgegen
zu wirken, indem unterdurchschnittlichen Praxen die Obergrenze in Form des Durchschnittshonorars der Gruppe im RLV-Bereich zugewiesen und erst der diese Grenze überschreitende Anteil der abgestaffelten Vergütung von Mehrleistungen unterworfen
werde.
Die von der Beklagten in einem anderen Verfahren auf Anforderung des Senats vorgelegten und von ihr in diesem Verfahren eingebrachten
tabellarischen Übersichten über die Verteilung über- und unterdurchschnittlich abrechnender Praxen in S__________________
seien nicht in sich stimmig. Insbesondere die Verwendung der mitgeteilten durchschnittlichen Fallzahlen für die Berechnung
des durchschnittlichen RLV der Fachgruppe weiche von dem über die Berechnung mittels der in der RLV-Mitteilung mitgeteilten durchschnittlichen Fallzahl sich ergebenden durchschnittlichen RLV ab. Ferner entspreche die mitgeteilte durchschnittliche Vergütung für RLV-relevante Leistungen nicht dem Durchschnitts-RLV, das sich aus der RLV-Mitteilung errechnen lasse. Insgesamt zeigten die Übersichten, dass die unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen innerhalb
der Fachgruppe der Urologen ihrerseits eine Sonderposition einnehmen würden. Ferner sei die Fallzahl der Urologen kontinuierlich
rückläufig, so dass sich die Anzahl unterdurchschnittlich abrechnender Praxen innerhalb dieser Fachgruppe stetig erhöhe.
Es sei zudem fehlerhaft, wenn bei der Festlegung des arztindividuellen Morbiditätsfaktors bei der Bildung des RLV nur auf das Verhältnis der Altersgruppen in den Arztpraxen abgestellt, nicht jedoch das Geschlecht der Versicherten einbezogen
werde. Das Geschlecht sei bei Urologen, die weit überwiegend männliche Versicherte, und bei Gynäkologen, die weit überwiegend
weibliche Versicherte behandelten, zu berücksichtigen. Die gesetzgeberische Vorgabe, die Kriterien Alter und Geschlecht zu
berücksichtigen, werde ignoriert. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das Kriterium Geschlecht aufgenommen
habe, ohne dafür eine Notwendigkeit zu sehen. Dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung lasse sich nicht entnehmen, dass bei
der Bildung des Morbiditätsfaktors nicht arztgruppenspezifisch auf geschlechtsspezifische Morbiditätsunterschiede reagiert
werden könne.
Ferner seien die Regelungen über Fallwertzuschläge nicht korrekt angewandt worden. Es sei nicht hinzunehmen, dass in S__________________
die Grenze der Fallwertüberschreitungen bei 30 % verblieben und nicht beispielsweise - wie in Berlin - auf 15 % abgesenkt
worden sei. Es müsse eine individuelle Einzelfallprüfung vorgenommen werden, so wie es das Sozialgericht entschieden habe.
Dabei sei auf die noch im Rahmen der RLV-Mitteilung für das Quartal I/2009 mitgeteilten individuellen Fallwerte des Jahres 2008 abzustellen. Diese seien für die übrigen
Quartale noch mitzuteilen. Ihre Praxis habe erst durch die Honorarreform ab 1. Januar 2009 einen unterdurchschnittlichen Zuschnitt
erhalten.
Schließlich seien Praxisbesonderheiten anzuerkennen, die sich aus der Lage der Praxis in einem problematischen Stadtteil von
K___________, ergäben. Diese Lage bedinge, dass sie zahlreiche Patienten mit Migrationshintergrund behandele, die zum Teil
nicht einmal lesen und schreiben könnten. Das führe zu Verständigungsschwierigkeiten und erschwere die Anamneseerhebung, die
oftmals nur unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers möglich sei. Das sei sehr zeitintensiv und verzerre das Arbeitszeitprofil.
Die Zeit, die in diese Versicherten zu investieren sei, fehle für die Hinzugewinnung von Patienten, um die Fallzahl zu steigern
und den Durchschnitt zu erreichen. Die Vergütung sei nicht leistungsproportional und verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Dieser Umstand müsse bei der Honorierung unterdurchschnittlicher Praxen als Härtefallsituation gewürdigt werden. Diese könnten
etwa in Form von Fallwertzuschlägen auf das RLV ohne Beachtung der 30 %-Grenze berücksichtigt werden.
Am 17. Januar 2017 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakten
lagen vor. Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht stattgegeben.
Die Beklagte hat über das RLV und den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal III/2009 in rechtmäßiger Weise entschieden und einen höheren Honoraranspruch
zu Recht abgelehnt. Die streitigen Bescheide sind mit den gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben vereinbar.
1. Gemäß §
85 Abs.
4 SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I Seite 378) verteilt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Gesamtvergütungen im Sinne des §
85 Abs.
1 SGB V an die Vertragsärzte. In der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt gemäß der Untergliederung
des §
73 SGB V in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Sie wendet bei der Verteilung gemäß §
85 Abs.
4 Satz 2
SGB V den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden
Verteilungsmaßstab an. Gemäß Abs. 4 Satz 3 sind bei der Verteilung Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde
zu legen. Für die Honorarverteilung ab dem 1. Januar 2009 enthält §
87b Abs.
2 SGB V besondere von den Vertragspartnern zu beachtende Bestimmungen. Nach §
87b Abs.
1 SGB V muss ab diesem Stichtag die Vergütung auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach §
87a Abs.
2 SGB V erfolgen. Nach §
87b Abs.
2 Satz 1
SGB V sind hierzu ab dem ersten Quartal 2009 zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis
arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein Regelleistungsvolumen in diesem Sinne ist gemäß Abs. 2 Satz 2 die von einem Arzt oder der Arztpraxis in
einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß
§
87a Abs.
2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten sind. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist abweichend von Abs. 1 Satz 1 gemäß Abs. 2 Satz 3 mit abgestaffelten Preisen zu vergüten;
bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden. Die Werte
der RLV sind nach §
87b Abs.
3 Satz 1
SGB V morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten
kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind gemäß §
87b Abs.
3 Satz 3
SGB V auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen. Nach §
87b Abs.
4 Satz 1
SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina
nach den Abs. 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten.
In Ausführung dieser gesetzlichen Vorgaben hat der Erweiterte Bewertungsausschuss nach §
87 Abs.
4 SGB V in Teil F Ziffer 1.2.4 des Beschlusses vom 27./28. August 2008 bestimmt, dass die Zuweisung der Regelleistungsvolumina praxisbezogen
erfolgt. Die Ausgestaltung der Regelleistungsvolumina erfolgt in Teil F Ziffer 3.2.1 des Beschlusses vom 27./28. August 2008.
Darin ist vorgegeben, dass jeder Arzt einer Arztgruppe gemäß der Anlage 1 des Beschlusses ein arztgruppenspezifisches RLV erhält. Die Höhe des RLV eines Arztes ergibt sich für die in der Anlage 1 benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt
gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß der Anlage 2 des Beschlusses und der Fallzahl des Arztes im
Vorjahresquartal. Ferner sollen die Partner der Gesamtverträge gemäß Ziffer 3.6 des Beschlusses vom 27./28. August 2008 Regelungen
für Praxisbesonderheiten und gemäß Ziffer 3.7 Regelungen als Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten schaffen.
Die Festsetzung des Vertragsinhalts für das Jahr 2009 über die Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen in S__________________
erfolgte durch den Beschluss des Landesschiedsamts vom 25. November 2008, der gemäß §
85 Abs.
1 Satz 2
SGB V an die Stelle der Honorarvereinbarung der Vertragspartner tritt (vgl. BSG vom 21. Dezember 2012 - B 6 KA 21/11 R - SozR 4-2500 § 87a Nr. 1).
Die RLV waren nicht offensichtlich ungeeignet, das vom Gesetzgeber anvisierte Ziel zu erreichen. Das gesetzgeberische Ziel der RLV lag in der Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung ärztlicher Tätigkeit im Sinne des §
85 Abs.
4 Satz 6
SGB V (BSG vom 17. Juli 2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 2). Dieses gesetzgeberische Ziel wird erreicht, indem das RLV grundsätzlich an der Fallzahl des betreffenden Arztes im Vorjahresquartal orientiert wird und damit der zwischenzeitliche
Fallzahlzuwachs im Rahmen der Honorarabrechnung unberücksichtigt bleibt. Außerdem richtet sich der Fallwert an dem Durchschnitt
der Fachgruppe aus. Insbesondere lässt es sich mit dem Gesetzeszweck einer Honorarbegrenzung vereinbaren, dass die RLV gemäß Ziffer 3.2.1 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 auf die Fallzahlen der Vorjahresquartale
abstellen (BSG vom 17. Juli 2013, a.a.O.).
Dieses Regelwerk ist in sich stimmig und die Beklagte hat es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise im Rahmen der Zuweisung
des RLV und der Berechnung des Honoraranspruchs der Klägerin umgesetzt.
2. Der Senat prüft die Rechtmäßigkeit der RLV-Mitteilung und des Honorarbescheides in vollem Umfang unter allen aus dem
SGB V, den Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses und der Honorarvereinbarung sich ergebenden Gesichtspunkten.
Der gerichtlichen Prüfung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten im Verfahren gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid steht nicht entgegen, dass das HVM-Team der Beklagten über die von der Klägerin in den
jeweiligen Widerspruchsverfahren vorgebrachten Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte nicht in einem gesonderten
Verwaltungsverfahren entschieden hat. Eine zusprechende Entscheidung des HVM-Teams wird nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid, da diese mit jener Entscheidung abgeändert werden. Wenn die Prüfung des HVM-Teams der
Beklagten dazu führt, dass keine Praxisbesonderheiten oder Härtefallgesichtspunkte anzuerkennen sind und es bei der Festsetzung
des mitgeteilten RLV oder des berechneten Honoraranspruchs verbleibt, wird die Entscheidung der RLV-Mitteilung bzw. des Honorarbescheides bestätigt und ergänzend begründet. Die Beklagte überprüft die Festsetzung des RLV bzw. den Honoraranspruch des Vertragsarztes unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten, die zwar schon bei der Zuweisung
des RLV bzw. der Berechnung des Honoraranspruchs vorlagen, ihr jedoch eventuell erst im Rahmen des jeweiligen Widerspruchsverfahrens
bekannt wurden. Diese Entscheidung ist ein partieller Zweitbescheid, der die Festsetzung des RLV in der RLV-Mitteilung unter Berücksichtigung der standardisierten Berechnungsfaktoren und ohne Anerkennung von Praxisbesonderheiten
bzw. den Honoraranspruch des Vertragsarztes aus dem Honorarbescheid ohne weitere Härtefallgesichtspunkte bestätigt und ergänzend
erläutert. Ein Zweitbescheid unterscheidet sich von der wiederholenden Verfügung dadurch, dass die Behörde nach erneuter inhaltlicher
Prüfung eine Sachentscheidung trifft, die nicht notwendigerweise eine neue Rechtsfolge setzt; ausreichend ist es, wenn die
Begründung einen neuen inhaltlichen Akzent setzt (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1961, Az. VI C 123.59, Rn 13 bei [...]; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 31 Rn 31; Luthe in [...]PK-SGB X, § 31 Rn 45/47). Eine solche erneute Sachentscheidung ist daher auch unter besonderer Berücksichtigung einzelner Elemente einer
aus komplexen Parametern bestehenden behördlichen Entscheidung möglich, wenn die Behörde in ihrer ersten Entscheidung über
diese noch nicht entscheiden konnte, da sie die tatsächlichen, erst später vorgebrachten Umstände noch gar nicht kannte, die
eine Entscheidung über dieses Entscheidungselement erforderlich machen (siehe BVerwG a.a.O.). Das ist bei Praxisbesonderheiten
und Härtefallgesichtspunkten, die ein Vertragsarzt - erst - im Widerspruchsverfahren gegen die RLV-Mitteilung oder den Honorarbescheid geltend macht, der Fall. Wenn die Kassenärztliche Vereinigung dieses Vorbringen nicht
im Widerspruchsbescheid, sondern noch während des laufenden Widerspruchsverfahrens gesondert prüft und ihre Entscheidung außerhalb
der förmlichen Widerspruchsentscheidung mitteilt, bestätigt sie mit ergänzender Begründung ihre Entscheidung in der RLV-Mitteilung und im Honorarbescheid. Wenn die Kassenärztliche Vereinigung einen solchen partiellen Zweitbescheid während des
laufenden Widerspruchsverfahrens erlässt, findet §
86 SGG Anwendung (Luthe in [...]PK-SGB X, § 31 Rn 46; Littmann in Hauck/Noftz K § 31 Rn 49). Die Entscheidung des HVM-Teams der Beklagten wirkt teilersetzend und damit abändernd im Sinne von §
86 SGG.
Der Senat sieht die Rechtslage hier anders als im Urteil vom 21. April 2015, Az. L 4 KA 28/13. In dieser wurde davon ausgegangen, dass eine - bestandskräftige - Entscheidung des HVM-Teams der Beklagten über die Ablehnung
der Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten einer gerichtlichen Überprüfung dieser Aspekte im Verfahren
gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid entgegensteht. Diese Aspekte sind allerdings quartalsweise zu prüfen. Praxisbesonderheiten
sind gemäß Ziffer 5.4.2 der 1. Ergänzungsvereinbarung auf Antrag zu überprüfen; der Antrag kann auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens
gestellt werden. Die Anerkennung eines Härtefalls erfolgt gemäß Ziffer 5.4.1 der 1. Ergänzungsvereinbarung antragsunabhängig.
Wenn einem Vertragsarzt ein RLV auf der Grundlage seiner RLV-relevanten Fallzahl und des arztgruppenspezifischen Fallwertes zugewiesen wird und er die Anerkennung von Praxisbesonderheiten
nicht im Widerspruchsverfahren gegen die RLV-Mitteilung und die dort vorgenommene Berechnung, sondern in einem parallel geführten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
zur Prüfung der Anerkennung von Praxisbesonderheiten geltend machen müsste, müsste er neben einer Klage gegen die RLV-Mitteilung eine Klage gegen die ablehnende Entscheidung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten für das zuvor zugewiesene
RLV erheben. Dieses führte dazu, dass der Vertragsarzt für einen Lebenssachverhalt - Bestimmung seines RLV - zwei Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren führen müsste, deren prozessuales Schicksal unterschiedlich verlaufen
könnte (siehe zu diesen Bedenken auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. April 2014, Az. L 7 KA 154/11).
Ferner müsste der Vertragsarzt, wenn die Kassenärztliche Vereinigung ausweislich der Betreffzeile bzw. der Begründung in einer
neben der jeweiligen RLV-Mitteilung erlassenen Entscheidung die Anerkennung von Praxisbesonderheiten für mehrere Quartale ablehnt, letztlich für alle
Quartale, in denen er Praxisbesonderheiten für sich in Anspruch nimmt, neben den Verfahren gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid Widerspruchs- und Klageverfahren durchführen. Das führte dazu, dass ein Vertragsarzt für
ein Quartal drei Klageverfahren zu führen hätte.
Wenn der Vertragsarzt bereits mit der Widerspruchsbegründung gegen die RLV-Mitteilung oder später im Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid Härtefallgesichtspunkte wegen Honorarverlusten
gegenüber Vorjahresquartalen geltend macht, deren Anerkennung die Kassenärztliche Vereinigung mit einem gesonderten Bescheid
ablehnt, müsste er auch gegen diesen Bescheid Widerspruch einlegen und Klage erheben. Die Anzahl der von einem Vertragsarzt
für die Honorierung seiner in einem Quartal erbrachten Leistungen zu führenden Verfahren summierte sich auf vier. Selbst wenn
die Kassenärztliche Vereinigung die Anerkennung von RLV-relevanten Praxisbesonderheiten und die Anerkennung von Härtefallgesichtspunkten in einem Entscheidungsschreiben ablehnt,
ist davon auszugehen, dass sie zwei Entscheidungen getroffen hat, die das RLV einerseits und den Honorarauszahlungsanspruch andererseits betreffen. Die Mehrzahl der Entscheidungen der Kassenärztlichen
Vereinigung führt für den Vertragsarzt zu einer erheblichen Erschwerung der Rechtsverfolgung für ein Quartal.
Dieser Effekt der Erschwernis des Rechtsweges für den Vertragsarzt wird besonders deutlich, wenn er quartalsweise im Rahmen
seiner erhobenen Widersprüche gegen das zugewiesene RLV und den Honorarbescheid Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte geltend macht, über die die Kassenärztliche Vereinigung
ausweislich der Betreffzeile und der Begründung zusammenfassend für mehrere Quartale in einer Entscheidung befindet. In solchen
Fällen müsste der Vertragsarzt neben den jeweiligen Klageverfahren gegen die RLV-Mitteilungen und die Honorarbescheide auch Klage gegen die ablehnende Entscheidung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten
und Härtefallgesichtspunkte erheben, deren Rechtmäßigkeit losgelöst von der RLV-Mitteilung und dem Honorarbescheid zu prüfen ist. Da das Leistungs- und Abrechnungsverhalten eines Vertragsarztes nicht in
jedem Quartal identisch ist, variieren die Anerkennung von Praxisbesonderheiten und die Gewährung von Ausgleichszahlungen
für Härtefallgesichtspunkte im Rahmen der Honorarabrechnung der Höhe nach von Quartal zu Quartal. Die quartalsweise Entscheidung
der Kassenärztlichen Vereinigung müsste dann, wenn es sich jeweils um selbstständige materiell-rechtliche Verwaltungsentscheidungen
neben der RLV-Mitteilung und dem Honorarbescheid handelte, entweder zusammengefasst in einem Klageverfahren für mehrere Quartale neben
den quartalsweise erfassten RLV-Mitteilungen und Honorarbescheiden oder neben den quartalsweise erfassten RLV-Mitteilungen und Honorarbescheiden in selbstständigen Klageverfahren für jedes einzelne Quartal geführt und überprüft werden.
In jedem Fall würde deren Prüfung prozessual nicht mehr in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Prüfung der RLV-Mitteilung und des Honorarbescheides stehen. Die Prüfung der Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten
wird in das Klageverfahren gegen diese isolierte Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung verlagert, wohingegen die Verfahren
gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid unter diesen Gesichtspunkten lediglich (noch) dazu dienen, deren Bestandskraft zu verhindern.
Die Bestandskraft der RLV-Mitteilung und des Honorarbescheides könnten einer gerichtlichen Entscheidung in dem Verfahren gegen die ablehnende Entscheidung
über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten entgegenstehen, da sie das Rechtsschutzbedürfnis
für diese Verfahren entfallen lassen könnte.
Die Bewertung des Senats steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BSG vom 15. August 2012, B 6 KA 38/11 R. In dieser hat das BSG klargestellt, dass für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelementen und Vorfragen der Bestimmung des Quartalshonorars nur dann und solange Raum ist, wie die jeweiligen Quartalshonorarbescheide
noch nicht bestandskräftig sind. Das gelte auch dann, wenn entsprechende Feststellungen durch gesonderten Verwaltungsakt erfolgt
seien. Denn der Gesetzgeber hat in §
87b Abs.
3 S. 3
SGB V vorgesehen, dass Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen sind, soweit dazu Veranlassung besteht. Sie sind danach bereits
bei der Zuweisung des RLV zu berücksichtigen. Das RLV lässt sich nicht aufteilen in die standardisierte Berechnung aus RLV-relevanter Fallzahl des Arztes, RLV-Fallwert der Arztgruppe und arztindividuellem Morbiditätsfaktor einerseits und einem ausschöpfbaren Mehrbetrag für anerkannte
Praxisbesonderheiten andererseits. Wenn die Kassenärztliche Vereinigung für vom Vertragsarzt mit EBM-Ziffern benannte Leistungen
eine Praxisbesonderheit anerkennt, führt diese Anerkennung nicht dazu, dass ein Sonder-RLV für diese EBM-Ziffern zugewiesen wird, sondern der errechnete Betrag erhöht das aus RLV-Fallwert, RLV-Fallzahl und Morbiditätsfaktor errechnete RLV und wird rechnerischer Bestandteil des insgesamt zugewiesenen ausschöpfbaren RLV. Darin unterscheidet sich die Anerkennung von Praxisbesonderheiten von den Zusatzvolumina nach Anlage 1 Ziffer 5 des Beschlusses
des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7. Sitzung vom 27./28. August 2008, die mit dem RLV kein ausschöpfbares Gesamtvolumen bilden. Bei Praxisbesonderheiten handelt es sich daher nicht um Teilelemente im Sinne der
oben zitierten Entscheidung des BSG. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten hat der Gesetzgeber in §
87b Abs.
3 S. 3
SGB V antragsunabhängig formuliert. Auch das spricht gegen die Notwendigkeit von zwei gesonderten Verwaltungs-, Widerspruchs- und
Klageverfahren für die Bestimmung aller Berechnungselemente des - einmal - in die Honorarabrechnung einzustellenden RLV. Gleiches gilt für die Anerkennung von Härtefallgesichtspunkten im Rahmen der Berechnung des Auszahlungsanspruchs des Arztes
aus der Honorarabrechnung. Das
SGB V enthält keine Regelungen für die Anerkennung von Härtefallgesichtspunkten im Rahmen der vertragsärztlichen Honorarabrechnung.
Jedoch eröffnet der Erweiterte Bewertungsausschuss den Partnern der Gesamtverträge in seinem Beschluss vom 27./28. August
2008 unter Teil F Ziffer 3.7 die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen befristete Ausgleichszahlungen für Honorarverluste
vorzusehen und sich über das Verfahren zu einigen. Davon hat die Beklagte Gebrauch gemacht.
3. Gemessen an den dargestellten Grundsätzen und unter Berücksichtigung aller zu prüfenden Gesichtspunkte erweist sich der
RLV-Mitteilungsbescheid vom 4. Juni 2009 als rechtmäßig. Er erging zwar verspätet. §
87b Abs.
5 S. 1, 2. Halbsatz
SGB V bestimmt, dass das RLV dem Vertragsarzt jeweils spätestens 4 Wochen vor Beginn seiner Geltungsdauer zugewiesen sein muss. Hierbei handelt es sich
jedoch um eine reine Ordnungsfrist (BSG, Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 38/11 R Rn 26 bei [...]), so dass die Fristversäumnis nicht zur Unwirksamkeit der Zuweisung führt.
Zu Unrecht rügt die Klägerin, dass die Berechnung ihres RLV nicht nachvollziehbar und die Bescheide daher zu unbestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) seien oder es an einer Begründung im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB X fehle. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 20. Oktober 2015, Az. L 4 KA 39/13, für RLV-Mitteilungen der Beklagten entschieden hat, berührt die mangelnde Nachvollziehbarkeit nicht das Bestimmtheitsgebot des §
33 Abs. 1 SGB X. Dieses bezieht sich nur auf den Entscheidungsausspruch eines Verwaltungsakts und unterscheidet sich damit von der Begründungspflicht
im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB X (Engelmann in v. Wulffen/Schütze, SGB X, § 33 Rn. 6; Siewert/Waschull in Diering/Timme, LPK-SGB X 4. Aufl. 2016, § 33 Rn. 2). Es erfordert, dass der Adressat der Entscheidung klar erkennen kann, was die Behörde mit ihr regeln wollte. Die an
die Klägerin ergangenen RLV-Mitteilungen waren hinreichend bestimmt in diesem Sinne, denn die Höhe des RLV einschließlich des Zusatzbudgets für Radiologische Diagnostik ging daraus eindeutig hervor. Auch das Begründungserfordernis
des § 35 Abs. 1 SGB X ist nicht verletzt. Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Höhe der RLV schwer verständlich und nur dann nachvollziehbar ist, wenn der Adressat der Bescheide eine hinreichende Vorkenntnis hat.
Das BSG hat in Urteilen vom 9. Dezember 2004 (B 6 KA 84/03 R, Rn. 29ff bei [...]) und 27. Juni 2012 (B 6 KA 37/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 71) betont, dass bei Honorarbescheiden die Anforderungen an die Darlegungen und Berechnungen nicht
überspannt werden dürften, da sie sich an einen sachkundigen Personenkreis richten, der mit den Abrechnungsvoraussetzungen
vertraut sei bzw. zu dessen Pflichten es gehöre, über die Grundlagen der Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen Bescheid
zu wissen. Es ist nicht ersichtlich, dass an die RLV-Mitteilung, die eine für die spätere Berechnung des Honoraranspruchs relevante Vorfrage klärt, höhere Anforderungen zu stellen
sind als an den Honorarbescheid, aus dem der Vertragsarzt seinen Zahlungsanspruch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung
ableiten kann. Die Berechnungsformel ergibt sich aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August
2008, Anlage 2 zu Teil F. Der einzelne Vertragsarzt kann nicht verlangen, dass ihm das gesamte Datenmaterial für die Berechnung
zur Verfügung gestellt wird, insbesondere nicht im Rahmen eines jeden Bescheides. Eine umfassende Kontrolle der Berechnung
der RLV würde die Übermittlung der Datenmengen aller Ärzte sowie der Gesamtvergütungen aller Kassen erfordern; dies wäre nicht praktikabel.
Ausreichend ist die Nachvollziehbarkeit der Höhe des arztindividuellen RLV. In den Mitteilungen wird dargestellt, welche RLV-relevante Fallzahl aus dem Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert multipliziert wurde. Unabhängig davon
ist zu beachten, dass allein wegen einer fehlenden oder fehlerhaften Begründung einer Verwaltungsentscheidung gemäß § 42 Satz 1 SGB X nicht deren Aufhebung begehrt werden kann, wenn diese die Entscheidung erkennbar nicht beeinflusst haben kann. Das ist der
Fall, denn die Form und der Inhalt der RLV-Mitteilungen entsprechen allen Mitteilungen, die die Beklagte an die Vertragsärzte versandt hat.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin mit der Fachgruppe der urologisch tätigen Vertragsärzte verglichen wird und
dass sich ihr Fallwert an dem durchschnittlichen Fallwert dieser Fachgruppe orientiert. Die Regelleistungsvolumina sind in
§
85 Abs.
4 Satz 7
SGB V als arztgruppenspezifische Grenzwerte definiert, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten
zu vergüten sind. Der Bezug zur Arztgruppe ist seitdem verbindlich (BSG vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 13/12 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 73). Der Arztgruppenbezug ist des Weiteren aufgegriffen in §
87b Abs.
3 Satz 1
SGB V, nach dem die Werte für die Regelleistungsvolumina morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden
sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen sind. Dabei stellt §
87b Abs.
3 Satz 1, 2. Halbsatz
SGB V für die Bildung der Facharztgruppen auf §
87 Abs.
2a SGB V ab. Dort ist für die Bildung der Facharztgruppen wiederum auf die nach dem Katalog des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes
(EBM) abrechenbaren Leistungen abgestellt. Daher war nicht der von der Beklagten im Rahmen der RLV-Mitteilung für I/2009 noch informatorisch mitgeteilte individuelle Fallwert der Klägerin im Vorjahresquartal 2008, sondern
der Fallwert der Fachgruppe der Urologen in die Berechnung des RLV der Klägerin einzustellen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind dabei für die RLV-relevante Fallzahl nicht alle kurativen Fälle aus dem Quartal III/2008 zu berücksichtigen, sondern nach Teil F Ziffer 2.3
des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 nur die ambulant-kurativen Fälle, an denen im
Quartal II/2008 RLV-relevante Leistungen erbracht wurden. Dass die Beklagte diese Anzahl falsch berechnet hat, hat die Klägerin nicht näher dargelegt.
§
87b Abs.
3 Satz 6
SGB V sieht vor, dass die RLV morbiditätsgewichtet unter Berücksichtigung der Faktoren Alter und Geschlecht zu bilden sind. Der Erweiterte Bewertungsausschuss
hat in Teil F Ziffer 3.2.2 des Beschlusses vom 27./28. August 2008 auf die Einbeziehung des Geschlechts als Differenzierungskriterium
verzichtet, nachdem er nach einer Erhebung im KV-Bezirk Bremen festgestellt hatte, dass dieses Kriterium keinen nachhaltigen
Einfluss auf die Höhe der Honorare hat. Mit Urteil vom 11. Dezember 2013 (B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 5) hat das BSG diese Vorgehensweise als nicht beanstandungswürdig angesehen. Diesem Ansatz folgt der Senat. Im Vertrauen auf das Ergebnis
der Erhebung des Erweiterten Bewertungsausschusses war auf das weitere Differenzierungskriterium "Geschlecht" nicht abzustellen.
Dagegen kann für die Arztgruppe der Fachärzte für Urologie nicht eingewandt werden, dass eine arztgruppenspezifische Betrachtung
erfolgen müsse, da diese Arztgruppe überwiegend männliche Versicherte behandele. Der bei der Zuweisung des RLV berechnete arztindividuelle Morbiditätsfaktor spiegelt wieder, in welchem Verhältnis der Anteil morbiditätsbedingter Risiken
in der jeweiligen Praxis zur Risikoverteilung über alle Arztgruppen hinweg steht. Für die Abbildung des Morbiditätskriteriums
Geschlecht müsste sich für die gesamte abgerechnete Leistungsmenge über alle Versicherten und Arztpraxen der Fachgruppe hinweg
ein messbarer Einfluss nachweisen lassen, der über den Morbiditätsfaktor das arztindividuelle RLV anpasst. Auf eine fachgruppenspezifische Risikoverteilung, die sich aus der Spezialisierung dieser Ärzte auf die Behandlung
von Körperteilen ergibt, die naturgemäß nur bei Männern oder Frauen vorhanden und daher nur bei diesen behandlungsbedürftig
sind, kommt es danach nicht an. Dass die Klägerin bzw. die Fachgruppe der Urologen im Fall der Ermittlung von geschlechtsspezifischen
Gewichtungsfaktoren einen für sie im Vergleich zu anderen Fachgruppen günstigeren morbiditätsbedingten arztindividuellen Anpassungsfaktor
zu erwarten hätten, ist darüber hinaus nicht ansatzweise dargelegt worden und nicht erkennbar.
Zu Unrecht wendet die Klägerin sich dagegen, dass die Fallwerte nicht zumindest die Ordinationsgebühr und die Leistung Sonografie
abdecken würden. Diese Betrachtung übersieht, dass die Fallwerte Durchschnittswerte darstellen und z. B. eine Sonografie nicht
in jedem Fall zwingend geboten ist. Ein Vertragsarzt hat keinen Anspruch darauf, dass sich die fachgebietsspezifischen wesentlichen
Leistungen in der Höhe eines jeden einzelnen Behandlungsfalles und damit im RLV widerspiegeln (BSG vom 28.10.2015 - B 6 KA 35/15 B - [...]; BSG vom 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 19). Es ist auch nicht zu beanstanden und auf die regional unterschiedlichen Ausgestaltungen der RLV zurückzuführen, dass in anderen KV-Bezirken andere Fallwerte für die RLV zugrunde gelegt werden. Dies erklärt sich aus der Regionalisierung des KV-Systems und des Systems der Honorarbildung auf
der Grundlage unterschiedlicher Gesamtvergütungen der Krankenkassen (BSG vom 11. Dezember 2013 - B 6 KA 4/13 R - Rn. 21ff bei [...]), ferner aus dem Regelungsspielraum der Vertragspartner, denen es gestattet ist, regional unterschiedliche
Schwerpunkte bei der Honorarverteilung und insbesondere der Ausgestaltung der RLV zu bilden. Dieses führt zu differierenden Werten.
Praxisbesonderheiten waren bei dem für die Klägerin zu ermittelnden RLV nicht anzuerkennen. Dieses Begehren hat die Beklagte zu Recht abgelehnt. Die Ausgestaltung der nach §
87b Abs.
3 S. 3
SGB V zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten ist im Übrigen den Bewertungsausschüssen vorbehalten. Der Bewertungsausschuss
(Urteil des BSG vom 17. Juli 2013, Az. B 6 KA 44/12 R Rn 36 bei [...]) und die Partner der Gesamtverträge auf Landesebene (grundlegend BSG vom 09.12.2004, Az. B 6 KA 44/03 R, Rn 63 bei [...]) haben hierbei einen grundsätzlich weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. Davon umfasst ist auch
die Befugnis, die Anerkennung von Praxisbesonderheiten von einem Antrag abhängig zu machen, der keine materiell-rechtliche
Wirkung entfaltet, sondern lediglich das Prüfungsverfahren der Kassenärztlichen Vereinigung einleitet. Denn die Mitteilung
des RLV und die Bescheidung des Honoraranspruchs eines Vertragsarztes unterliegen letztlich der Massenverwaltung durch die Kassenärztliche
Vereinigung. Für diese ist aus der Summe der Abrechnungsdaten nicht ohne weiteres ersichtlich, ob eine Praxisbesonderheit
vorliegt oder nicht. Auf diese muss der Vertragsarzt die Kassenärztliche Vereinigung hinweisen, damit eine Prüfung durchgeführt
werden kann. Er hat insoweit auch die Mitwirkungsobliegenheit, Praxisbesonderheiten frühzeitig gegenüber der Kassenärztlichen
Vereinigung geltend zu machen.
Nach Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 haben die Gesamtvertragspartner
die weiteren Einzelheiten über die Praxisbesonderheiten zu regeln. Diese Regelung erfolgte durch das Landesschiedsamt, Beschluss
vom 25. November 2008, Teil D Ziffer 4, sowie maßgeblich durch die Vertragspartner in der ersten Ergänzungsvereinbarung vom
12. Februar 2009, Ziffer 5.4.2. Danach ist erforderlich, dass die Praxisbesonderheiten sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag
oder einer besonderen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn dadurch der durchschnittliche Gruppenfallwert um 30 % überschritten
wird. Diese Fallwertüberschreitung liegt in den Quartalen I/2009 bis II/2010 weder bei Dr. R. noch bei Herrn S. vor. In keinem
der Quartale I/2009 bis II/2010 wurde diese Grenze erreicht oder überschritten. Dr. R. und Herr S. überschritten sie im Quartal
I/2009 um 11,2 % und im Quartal II/2009 um 11,09 %. Dr. R. überschritt sie im Quartal III/2009 um 8,94 %, im Quartal IV/2009
um 6,93 %, im Quartal I/2010 um 7,18 % und im Quartal II/2010 um 8,65 %. Herr S. überschritt die Grenze im Quartal III/2009
um 18,78 %, im Quartal IV/2009 um 19,72 %, im Quartal I/2010 um 23,84 % und im Quartal II/2010 um 20,43 %. Der Senat hat bereits
in mehreren Entscheidungen vom 20. Oktober 2015 (L 4 KA 2/13 und L 4 KA 39/13) und am 08. November 2015 (L 4 KA 40/14 und L 4 KA 46/14) entschieden, dass die Grenze von 30 % nicht fehlerhaft gezogen wurde. Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat in seiner 9.
Sitzung am 15. Januar 2009 unter Teil A Ziffer 3 den Partnern der Gesamtverträge die Möglichkeit eingeräumt ("können"), aus
Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung abweichend vom Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses
zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Beschluss Teil F 3.6 zur Vorgabe des Grenzwertes zur Überschreitung
des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe in Höhe von mindestens 30 % im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen,
obwohl die so vorgegebene Überschreitung nicht vorliegt. Dass sich die Partner der Gesamtverträge in S__________________ dafür
entschieden haben, von dieser Öffnungsklausel keinen Gebrauch zu machen, sondern die 30 %-Grenze beizubehalten, ist nicht
zu beanstanden. Diese Entscheidung ist von dem grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum der Partner der Gesamtverträge gedeckt
(dazu BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, B 6 KA 44/03 R).
Nicht zu beanstanden ist ferner, dass in die Prüfung einer Überschreitung des Gruppenfallwertes um 30 % die Punktzahlbewertung
aller RLV-relevanten Leistungen einbezogen wird und nicht für jede dem RLV unterliegende EBM-Ziffer ein Einzelvergleich der Klägerin mit der Fachgruppe, den Erbringerpraxen in S__________________
oder den in Ka__ zugelassenen Urologen angestellt wurde. Denn dann wäre kompensatorisch gegenüberzustellen, welche der einzelnen
EBM-Ziffern die Klägerin gegenüber den übrigen Erbringerpraxen in S__________________ oder Ka__ unterdurchschnittlich abrechnet.
Eine solche Vorgehensweise weicht letztlich nicht von der vergleichsweisen Gesamtbetrachtung der insgesamt erbrachten RLV-relevanten Punktzahlen des Klägers mit der der Fachgruppe ab.
Auch die von der Klägerin geltend gemachten Besonderheiten sind nicht zu berücksichtigen. Sie begründen keinen Anspruch auf
der Grundlage der Öffnungsklausel in Teil A Ziffer 4 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 10. Sitzung
am 27. Februar 2009. Danach können die Partner der Gesamtverträge aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung
abweichend vom Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009,
Beschluss Teil F 3.6 im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen, obwohl die so vorgegebene Überschreitung nicht vorliegt.
Eine solche Vereinbarung der Partner der Gesamtverträge gibt es im Bereich der Beklagten nicht. Die Fallgestaltung der Klägerin
begründet nicht die Annahme, dass die Partner der Gesamtverträge ihren Gestaltungsspielraum in rechtswidriger Weise nicht
genutzt haben. Berücksichtigungsfähig sind allenfalls die Leistungen, die auch RLV-relevant sind. Psychosomatische Leistungen der EBM-Ziffern 35100 und 35110, die die Klägerin als Besonderheiten geltend gemacht
hat, hat sie in einem Umfang von 3.657,15 EUR entsprechend 5,9 % der insgesamt abgerechneten RLV-relevanten Leistungen erbracht. Sonografische Leistungen mit den EBM-Ziffern 33042, 33043 und 33062 hat die Klägerin in einem
Umfang von insgesamt 12.798,96 EUR entsprechend 20,67 % der RLV-Leistungen erbracht. Diese prozentualen Anteile an den budgetierten RLV-relevanten Leistungen begründen keinen im Sinne der Beschlüsse des Bewertungsausschusses sicherstellungsrelevanten Anteil
am Leistungsgeschehen der Praxis der Klägerin. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 29. Juni 2011, B 6 KA 17/10 R, zwar ausgeführt, dass ein Leistungsanteil am budgetierten Leistungsgeschehen der Praxis von 20 % ein sicherstellungsrelevanter
Anteil sein könne. Diese Entscheidung ist jedoch zu dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004, Ziffer 3.1 ergangen.
Dieser eröffnete die Möglichkeit, zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung und zur Zielerreichung der
seinerzeit relevanten Steuerungsmaßnahmen im Honorarverteilungsvertrag Anpassungen des RLV - im Sinne der seinerzeit geltenden Regelungen - vorzunehmen. Die hier anzuwendenden Beschlüsse des Bewertungsausschusses
stellen jedoch für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten auf eine Überschreitung des Fallwertes im Vergleich zur Fachgruppe
ab. Es kommt nicht darauf an, ob die geltend gemachten Praxisbesonderheiten einen bestimmten Anteil am budgetierten Leistungsgeschehen
der Praxis ausmachen oder nicht. Auch die Öffnungsklausel in Teil A Ziffer 4 lässt nicht erkennen, dass die Partner der Gesamtverträge
bei der Anerkennung von Praxisbesonderheiten im Einzelfall nicht mehr auf einen Vergleich mit der Fachgruppe abstellen dürften.
Daher kann sich die Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung der urologischen vertragsärztlichen Versorgung
nicht darauf berufen, einzelne Leistungen häufiger als der Durchschnitt ihrer Fachgruppe zu erbringen.
4. Auch den Honoraranspruch der Klägerin für das streitige Quartal hat die Beklagte mit Honorarbescheid vom 4. Februar 2010
rechtmäßig beschieden. Die Beklagte hat die von der Klägerin zur Abrechnung gebrachten Leistungen in die Berechnung des Honoraranspruchs
eingestellt und diese entsprechend der gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben vergütet. Die Beklagte hat das mitgeteilte
RLV in die Berechnung der Vergütung der RLV-relevanten Leistungen eingestellt.
Die Beklagte hat die Gewährung weiterer Ausgleichszahlungen zur Vermeidung jeglichen Honorarverlustes gegenüber dem entsprechenden
Quartal des Jahres 2008 zu Recht abgelehnt. Die Berechnung der konvergenzrelevanten Honorarentwicklung der Klägerin im Quartal
III/2009 zeigt, dass sie einen Honorarzuwachs in Höhe von 9,28 % gegenüber III/2008 erzielte. Im Übrigen hatte die Klägerin
im Quartal III/2009 einen Honoraranspruch in Höhe von 84.895,39 EUR (vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages). Für das Quartal
III/2008 betrug der Honoraranspruch 77.902,66 EUR (vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages), so dass die Klägerin insgesamt
einen Honoraranstieg zu verzeichnen hatte.
Auch die geltend gemachte Existenzgefährdung, die sie auf die ab 1. Januar 2009 geltende Honorarverteilungssystematik zurückführt,
begründet für sich keinen Ausgleichsanspruch aufgrund einer allgemeinen Härteklausel im Rahmen der Honorarabrechnung. Die
Klägerin hat vorgetragen, monatliche Betriebskosten in Höhe von 16.761,84 EUR zu haben. Einen Grund für Honorarstützungsmaßnahmen
nach der Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 29. Juni 2010, B 6 KA 17/10 R begründen die dargestellten Kosten jedoch nicht, da weder vorgetragen noch nachgewiesen ist, dass die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen
Existenz gefährdet war bzw. ist.
5. Die Klägerin ist ferner nicht in dem Wachstum ihrer Praxis unzulässig eingeschränkt. Das BSG hat zu der Frage von Wachstumsmöglichkeiten unterdurchschnittlich abrechnender Praxen außerhalb der Aufbauphase bereits in
mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass auch diesen Praxen die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, ihren Umsatz zu steigern
(Urteile vom 10. März 2004, B 6 KA3/03 R; 28. Januar 2009, Az. B 6 KA 5/08 R und 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R). Die Honorarverteilungssystematik müsse so ausgestaltet sein, dass auch Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl
nicht gehindert würden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen. Offen gelassen
hat es in der Entscheidung vom 28. Januar 2009, die zur Honorarverteilungssystematik in den Quartalen III/2003 bis II/2004
mit individuellen Punktzahlvolumina ergangen ist, ob sich die Wachstumsmöglichkeit allein auf eine Erhöhung der Zahl der von
den Vertragsärzten behandelten Fälle bzw. Patienten beziehen muss oder ob eine Steigerungsmöglichkeit auch in der Form gewährt
werden kann oder muss, dass anstelle eines Fallzahlzuwachses (oder zumindest gleichberechtigt daneben) auch Fallwertsteigerungen
zu berücksichtigen sind, die etwa auf einer Veränderung in der Morbidität des behandelten Patientenstammes oder einer Veränderung
der Behandlungsausrichtung beruhen. Diese Praxen müssten jedoch nicht von jeglicher Begrenzung des Wachstums verschont werden,
vielmehr sei es zulässig, das pro Jahr zulässige Wachstum zu beschränken, sofern die Wachstumsmöglichkeit nicht zu eng sei.
Die Honorarverteilungssystematik müsse es ermöglichen, den Durchschnittsumsatz innerhalb von fünf Jahren zu erreichen. Dieser
Fünf-Jahres-Zeitraum beginne nicht zu einem fixen Zeitpunkt, sondern bestehe solange fort, bis die Praxis den Durchschnittsumsatz
erreicht habe. Schon daraus folge, dass bei der rechtlichen Prüfung auch die HVM-Regelungen mit in den Blick zu nehmen seien,
die für nachfolgende, prozessual nicht streitbefangene, jedoch innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums liegende Folgequartale
Geltung beanspruchten. Dementsprechend seien Zeitraum und Wachstumsmöglichkeit dynamisch auf die jeweilige, zur gerichtlichen
Prüfung anstehende Honorarbegrenzungsregelung zu beziehen. Alle für die betroffene Praxis maßgeblichen HVM-Regelungen, insbesondere
Honorarbegrenzungsregelungen, müssten so viel Spielraum zulassen, dass der Durchschnittsumsatz innerhalb eines Zeitraums von
fünf Jahren erreicht werden könne.
Die hier anzuwendende Honorarverteilungssystematik sieht für die Quartale I/2009 bis II/2010 durchgehend vor, dass für die
Berechnung des RLV jeweils die arztindividuelle RLV-relevante Fallzahl des Vorjahresquartals herangezogen wird. Fallzahlsteigerungen im Abrechnungsquartal kommen dem Vertragsarzt
somit im Folgejahresquartal für die Bestimmung des RLV zugute. Dieses sogenannte "einjährige Moratorium" der ab 1. Januar 2009 geltenden RLV-Systematik hat das BSG bereits mit ausführlicher Begründung in mehreren Entscheidungen gebilligt (u.a. Urteil vom 17. Juli 2013, Az. B 6 KA 44/12 R, Rn 38 -41 bei [...]). Die Klägerin geht somit zu Unrecht davon aus, dass die für I/2009 bis II/2010 geltende Systematik
keine Wachstumsmöglichkeiten vorsieht. Diese Systematik galt dem Grunde nach bis zum Ende des Quartals III/2013 unverändert
fort (ab 1. Juli 2010 gemäß Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 mit späteren Modifikationen
und entsprechend modifizierenden Honorarvereinbarungen auf Landesebene; ab II/2012 im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten
mit Bezugnahme auf diese Beschlüsse des Bewertungsausschusses), so dass Fallzahlsteigerungen im Folgejahresquartal in die
Berechnung einbezogen werden.
Die wirtschaftlichen Einbußen und Engpässe führt die Klägerin maßgeblich darauf zurück, dass es in Ka__ eine sogenannte Überversorgung
mit Fachärzten für Urologie gab und gibt. Der Zulassungsbereich Ka__ ist auch bereits in den Quartalen I/2009 bis II/2010
für Neuzulassungen gesperrt gewesen. Das ergibt sich aus den aktenkundigen Beschlüssen des Landesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen in S__________________. Die Klägerin sieht einen Zusammenhang zwischen der Überversorgung in Ka__ und ihrer
verglichen mit dem landesweiten Durchschnitt der Fachgruppe in den Quartalen I/2009 bis II/2010 unterdurchschnittlichen Fallzahl.
Die Tabellen geben den Stand der Abrechnung wieder, so dass das durchschnittliche RLV die durchschnittlich erzielte Vergütung inklusive der vergüteten Mehrleistungen abbildet. Diese Daten weichen zwangsläufig
rechnerisch von dem Produkt aus RLV-relevanter Fallzahl und arztgruppenspezifischem RLV-Fallwert ab, da in diesem Wert noch nicht die durchschnittliche Vergütung der Mehrleistungen enthalten ist.
Die Überversorgung wird in der geltenden Honorarverteilungssystematik nicht abgebildet. Das in diesen Quartalen geltende Honorarverteilungssystem
unterstellt, dass dem Vertragsarzt innerhalb seiner Fachgruppe Fallzahlsteigerungen faktisch möglich sind. Dieser Befund begründet
jedoch keinen Anspruch der Klägerin auf einen höheren RLV-Fallwert oder auf Ausgleichszahlungen aufgrund einer allgemeinen Härtefallklausel. Da der Zulassungsbereich Ka__ mit Urologen
überversorgt ist, ist keine Mangelversorgung der Versicherten mit urologischen Leistungen zu befürchten. Auch die von der
Klägerin als ihre Praxisbesonderheit geltend gemachten Leistungen sind, wie bereits dargestellt, nicht sicherstellungsrelevant.
Sofern die Klägerin im Kern kritisiert, dass zu viele Urologen zugelassen wurden und somit möglicherweise bei der Bedarfsplanung
seitens des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen von §§ 23 ff der Bedarfsplanungsrichtlinie "zu spät" Gebrauch gemacht
wurde, ist dieser Umstand im Rahmen der Honorarverteilungssystematik nicht zu berücksichtigen. Entsprechende Fallwerterhöhungen
oder Ausgleichszahlungen würden die Gesamtvergütung schmälern, die die Vergütung aller vertragsärztlichen Leistungen sicherstellen
soll. Das unternehmerische Risiko, im Vergleich zu seinen Kollegen derselben Fachgruppe einen geringeren Zulauf von Versicherten
zu haben, hat die Honorarverteilungssystematik einem Vertragsarzt nicht abzunehmen.
6. Auch die Lage der Praxis im Stadtteil K___________ bzw. der vorgetragene überdurchschnittlich hohe Anteil an Versicherten
mit Migrationshintergrund führt nicht zu einem Anspruch auf Erhöhung des RLV oder Honorarausgleichsmaßnahmen. Zwar kann der Senat nachvollziehen, dass Sprachbarrieren die Behandlung im Einzelfall erschweren
und ein Arzt für die Behandlung eines der deutschen Sprache nicht ausreichend kundigen Patienten mehr Zeit aufwenden muss
als wenn die Behandlungssituation in deutscher Sprache stattfindet. Das Begehren der Klägerin spiegelt sich weder im Kapitel
26 EBM 2009 (Vergütung der Fachgruppe der Urologen) noch in der Honorarverteilungssystematik des Erweiterten Bewertungsausschusses
und der Honorarvereinbarungen in S__________________ wieder. Es gibt im Kapitel 26 EBM 2009 keine als Pauschale abrechenbare
Ziffer für eine besonders zeitaufwändige Behandlung eines Versicherten im Rahmen der urologischen Versorgung. Die Regelungen
über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten stellen nicht darauf ab, wie hoch der Zeitaufwand
für die Behandlung einzelner oder einer Gruppe von Versicherten aufgrund besonderer Umstände wie beispielsweise Sprachbarrieren
ist. Das gilt ebenso für die allgemeinen Gebührenordnungspositionen des EBM. Auch der Gesetzgeber sieht in §
87b Abs.
3 S. 6
SGB V die sprachlichen Kompetenzen der Versicherten und den aus sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten resultierenden zeitlichen
Mehraufwand nicht als berücksichtigungsfähige Faktoren vor.
Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine Lücke in der Honorarverteilungssystematik, die seitens des Gesetzgebers im
SGB V, des (Erweiterten) Bewertungsausschusses in seinen Beschlüssen oder seitens der Partner der Gesamtverträge in den örtlichen
Honorarvereinbarungen zu schließen ist. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 29. Juni 2011, B 6 KA 20/10 R unter Rn. 17/18 bei [...] ausgeführt, dass es keine Praxisbesonderheit darstelle, wenn ein Mitglied einer Fachgruppe sich
auf besonders zeitintensive Leistungen mit entsprechend hoher Bewertung im EBM spezialisiert habe und daher sein RLV signifikant überschreite. Allein der Umstand, dass der Vertragsarzt eine fachgruppentypische Leistung besonders häufig abrechne,
lasse nicht auf einen besonderen Versorgungsbedarf schließen. Die Praxisausrichtung auf besonders zeitintensive Leistungen
aus dem allgemeinen Leistungsspektrum der Fachgruppe vermöge schon deshalb keine vergütungsrelevante Besonderheit zu begründen,
weil sie weder eine besondere Qualifikation noch eine besondere sachliche und personelle Ausstattung der Praxis erfordere.
Soweit der Vertragsarzt vortrage, zeitintensive anästhesiologische Leistungen könnten unter Geltung der RLV nicht wirtschaftlich erbracht werden, treffe dies gegebenenfalls die gesamte Fachgruppe. Mit den RLV solle auch nicht ein eingeschränktes, sondern ein umfassendes Leistungsprofil abgebildet werden. Es würde dem Konzept der
RLV mit seiner Anknüpfung an fachgruppenbezogene Durchschnittswerte, die alle fachgruppentypischen Leistungen abbilden, widersprechen,
wenn ein Teil der Fachgruppe ausschließlich die niedriger bewerteten Leistungen erbringe und abrechne, während ein anderer
Teil ausschließlich die hoch bewerteten Leistungen erbringe und abrechne und dafür eine individuelle Erhöhung des RLV erhalten würde.
Zwar hat der Vertragsarzt in der zitierten Entscheidung des BSG die freiwillige Entscheidung getroffen, sich auf zeitintensive Leistungen zu spezialisieren, wohingegen die Klägerin - wie
alle Vertragsärzte - grundsätzlich verpflichtet ist, die Versicherten zu behandeln, die ihre Praxis aufsuchen (§
95 Abs.
3 SGB V). Vertragsärzte können die Behandlung von Versicherten im Regelfall nicht ablehnen (siehe § 13 Abs. 1, 3, 7 BMV-Ä (1995 bis 30.09.2013). Sie kann nur in begründeten Fällen verweigert werden (§ 13 Abs. 7 S. 3 BMV-Ä). Sprachbarrieren dürften im Regelfall keinen Ablehnungsgrund darstellen, solange sie nicht dazu führen, dass der Vertragsarzt
völlig außerstande gesetzt wird, die ärztliche Behandlung vorzunehmen. Wenn der Anteil von Versicherten mit Migrationshintergrund
und eingeschränkten Kenntnissen der deutschen Sprache überdurchschnittlich hoch ist, mag dieses nicht uneingeschränkt vom
freien Willen der Vertragsärzte der Klägerin getragen sein. Jedoch beruhen das Begehren des Vertragsarztes in der zitierten
Entscheidung des BSG und das der Klägerin gleichermaßen auf der Argumentation, zu einem hohen Anteil eine überdurchschnittlich zeitaufwändige
Behandlung pro Patient zu leisten. Der Zeitaufwand werde durch die Bemessung der budgetierten Leistungen nicht abgebildet.
Das BSG hat in der zitierten Entscheidung festgestellt, dass zeitintensive Behandlungen von Versicherten nicht RLV-erhöhend wirken müssen. Es ist zur Überzeugung des Senats nicht danach zu unterscheiden, ob der Zeitaufwand einer Behandlung
sich aus dem Wesen einer Leistung im Sinne des EBM oder den tatsächlichen Umständen bei der konkreten Leistungserbringung
ergibt. In jedem Fall führt es nicht zur Erhöhung des RLV, wenn der Anteil zeitintensiver Behandlungsvorgänge in einer Praxis über dem Durchschnitt liegen sollte.
Im Übrigen gehört es zur freien unternehmerischen Entscheidung der Klägerin, den Standort ihrer Praxis zu wählen. Das BSG hat unter anderem in seiner Entscheidung vom 14. März 2001, B 6 KA 54/00 R (Rn 28 bei [...]) herausgestellt, dass die Kostendeckung einer vertragsärztlichen Praxis von einer Vielzahl von Faktoren
abhänge, von denen einige von ihnen selbst zu beeinflussen seien (z. B. die Kostenstruktur und der Standort der Praxis, die
Qualität des Dienstleistungsangebotes u. a.). Daraus folge, dass sich die Frage, ob für eine Leistung eine kostendeckende
Vergütung zu erzielen sei, einer generellen Beantwortung entziehe, da es von individuell beeinflussbaren Faktoren abhänge,
ob eine bestimmte Einzelleistung kostendeckend zu erbringen sei oder nicht. Wie der Senat wiederholt betont habe, liege dem
Zuschnitt der vertragsärztlichen Vergütung insgesamt eine "Mischkalkulation" zugrunde. Dies bedeute, dass es durchaus Leistungen
geben könne, bei denen selbst für eine kostengünstig organisierte Praxis kein Gewinn zu erzielen sei. Entscheidend sei nämlich,
dass der Vertragsarzt insgesamt Anspruch auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung habe, der in aller Regel
dazu führe, dass das aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erzielbare Einkommen Ärzten hinreichenden Anreiz biete, an der vertragsärztlichen
Versorgung mitzuwirken. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Teilhabeanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der von
ihr geltend gemachten Gesichtspunkte nicht mehr erfüllt wird.
Die Revision wird nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen. Die Vergütung von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen in überversorgten Zulassungsbereichen sowie die prozessuale
Einordnung von isolierten Entscheidungen der Kassenärztlichen Vereinigung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten und
Härtefallgesichtspunkten haben grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall der Klägerin hinaus.
Der Streitwert ergibt sich aus dem Begehren der Klägerin im Berufungsverfahren, §§ 52, 40 GKG. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, die u.a. in Beschlüssen vom 02.10.2015, Az. L 4 KA 331/13 B, vom 11.08.2016, L 4 SF 157/14 RG, und L 4 KA 36/14 vom 24.08.2016 zur Anwendung kam, ist für Verfahren, die die RLV-Mitteilung zum Gegenstand haben, nicht der volle begehrte Erhöhungsbetrag des RLV als Streitwert zugrunde zu legen, sondern lediglich ein Teilbetrag. Denn die Zuweisung des RLV bedeutet nicht, dass die Vertragsärzte ein Honorar in der im RLV festgelegten Höhe erhalten. Bei der Bestimmung des Faktors, mit dem der Wert der Mitteilung des RLV zu berücksichtigen ist, hält der Senat 25 v.H. des Differenzbetrages zwischen dem zugewiesenen und dem begehrten RLV für ermessensgerecht. Der Senat teilt nicht die Auffassung des BSG in dessen Beschluss vom 28. September 2016, B 6 KA 28/16 B, dass der Streitwert für die RLV-Mitteilung in Höhe der Differenz zwischen dem zugewiesenen und dem begehrten RLV festzusetzen ist. Zwar handelt es sich bei der RLV-Mitteilung um eine gesonderte Feststellung im Sinne der Entscheidung des BSG vom 15. August 2012, B 6 KA 38/11 R. Allerdings begründet die RLV-Mitteilung keinen unmittelbaren Auszahlungsanspruch des Vertragsarztes. Es handelt sich lediglich um ein Berechnungselement,
das nach §
87b Abs.
2 SGB V a.F. vor Quartalsbeginn zuzuweisen war, und bei der Bestimmung des Honoraranspruchs des Vertragsarztes berücksichtigt wird.
Sofern das BSG in dem Beschluss vom 28. September 2016 davon ausgeht, dass dem begehrten höheren RLV auch erbrachte Leistungen des Vertragsarztes im Abrechnungsquartal gegenüber standen, die nur dann höher vergütet werden,
wenn das RLV entsprechend hoch ist, ist es gleichwohl nicht angemessen, sowohl für die RLV-Mitteilung als auch den Honorarbescheid den gleichen Streitwert in voller Höhe anzusetzen.
Die Klägerin begehrte im Berufungsverfahren schwerpunktmäßig die Zuweisung eines RLV in Höhe der Obergrenze (durchschnittliche Fallzahl Arztgruppe multipliziert mit dem RLV-Fallwert Arztgruppe und unter Berücksichtigung des Zuschlags für Gemeinschaftspraxen), da sie selbst eine unterdurchschnittliche
Fallzahl aufweise und ihre Fallzahl durch die hohe Anzahl zeitintensiver Patienten nicht steigern könne. Für das Quartal III/2009
ergibt sich somit ein begehrtes RLV in Höhe von [(2 x 861,8) x 23,65 EUR] x 1,1 gleich 44.839,45 EUR. Die Differenz zum zugewiesenen RLV (41.241,59 EUR) beträgt 3.597,86 EUR. Ein Viertel entspricht 899,47 EUR. Im Fall der Zuweisung des begehrten RLV hätte die Klägerin einen weiteren Auszahlungsanspruch in entsprechender Höhe.
Der Streitwert war damit auf insgesamt 4.497,35 EUR (899,47 EUR plus 3.597,86 EUR) festzusetzen.