Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Zuweisung des Regelleistungsvolumens (RLV) bzw. der Obergrenze für das Quartal I/10.
Die Klägerin ist eine aus den Ärzten M__________ und Ma________ bestehende Berufsausübungsgemeinschaft mit Sitz in Heikendorf,
die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und der Arztgruppe der Fachärzte für Chirurgie, Kinderchirurgie, plastische
Chirurgie, Herzchirurgie und Neurochirurgie zugeordnet ist. M__________ ist seit 1. Mai 2004 zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen, Ma________ seit 1. Juli 2004.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 teilte die Beklagte der Klägerin eine vorläufige Obergrenze für das Quartal I/10 in Höhe
von 27.175,08 EUR mit. Diese setzte sich zusammen aus einem auf Basis der Vorjahresfallzahl ermittelten RLV für M__________ in Höhe von 10.975,66 EUR und einer auf Basis der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe ermittelten
Obergrenze für Ma________ in Höhe von 16.199,42 EUR. Die Beklagte wies darauf hin, dass sie zum damaligen Zeitpunkt lediglich
eine vorläufige, ausdrücklich unter Vorbehalt gestellte Mitteilung zur Verfügung stellen könne. Die endgültige Mitteilung
werde die Klägerin im Januar zusammen mit den dafür notwendigen Informationen erhalten. Weder sei die Vereinbarung mit den
Krankenkassenverbänden unterschrieben, noch hätten die Berechnungen des Fallwertes abgeschlossen und überprüft werden können.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 22. Dezember 2009.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 korrigierte die Beklagte das RLV der Klägerin für das Quartal I/10 nach unten auf 25.748,13 EUR. Grundlage war nunmehr für beide Ärzte ein RLV, welches unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe und des Bestwertes der individuellen Fallzahlquote
gebildet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zusammen mit gegen die Honorarabrechnungen für
die Quartale I/09 und II/09 erhobenen Widersprüchen zurück. Dabei stellte sie klar, dass der Bescheid vom 1. Februar 2010
Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei. Zur Begründung ihrer Entscheidung stellte sie die Regelungen
der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV ab 1.Januar 2009 dar und führte aus, bei den streitigen Entscheidungen sei nach diesen Regelungen verfahren worden. Soweit
die Vierwochenfrist des §
87 b Abs.
5 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) nicht eingehalten worden sei, handele es sich lediglich um eine Ordnungsfrist. Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen,
weil das Eingangskriterium einer Mindestüberschreitung des durchschnittlichen RLV-Fallwertes in Punkten um mindestens 30 % nicht erfüllt sei. M__________ habe den durchschnittlichen Fallwert im Quartal I/09
um 5,97 % überschritten und im Quartal II/09 um 0,3 % unterschritten. Für Herrn Ma________ ergebe sich eine Überschreitung
um 3,62 % im Quartal I/09 und 8,56 % im Quartal II/09.
Mit ihrer dagegen am 11. April 2011 vor dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13. Mai 2013 zunächst eine weitere Klage der Klägerin, in der über die Honorarabrechnungen
für die Quartale III/10 und I/11 sowie die RLV-Mitteilungen für die Quartale I/11 und II/11 gestritten wurde, zum Verfahren hinzuverbunden. Sodann hat das Gericht mit Beschluss
vom 28. Februar 2014 alle 7 Streitgegenstände (Honorar I/09, II/09, III/10 u. I/11 sowie RLV I/10, I/11 u. II/11) in einzelne Klageverfahren aufgetrennt.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin sich zunächst auch auf die Verletzung der Vierwochenfrist des §
87 b Abs.
5 SGB V gestützt, diesen Punkt aber in Hinblick auf dazu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts später nicht mehr aufrechterhalten.
Die Beklagte habe aber Praxisbesonderheiten fehlerhaft nicht angenommen. Deren Berechnungen zur Überschreitung des durchschnittlichen
Fallwertes müssten in Zweifel gezogen werden. Es sei darauf hinzuweisen, dass auch nicht auf den einzelnen Arzt, sondern die
Berufsausübungsgemeinschaft insgesamt abzustellen sei. Auch habe die Berechnung nicht in Punkten, sondern in Euro zu erfolgen.
Zu beachten sei, dass die Prüfgremien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Erbringung radiologischer Leistungen als
Praxisbesonderheit der Klägerin anerkannt hätten. Auch Sicherstellungsgesichtspunkte seien nicht hinreichend berücksichtigt
worden, denn sie - die Klägerin - sei die einzige unfallchirurgische Praxis im Kreis P___ und die radiologische Versorgung
unfallchirurgisch Schwerverletzter bereite insoweit Probleme. Durch Praxen im benachbarten K___ werde dies nicht ausreichend
kompensiert.
Dass die Vierwochenfrist des §
87 b Abs.
5 Satz 1
SGB V durch das BSG lediglich als Ordnungsfrist qualifiziert worden sei, ändere nichts daran, dass die Zuweisung einer vorläufigen Obergrenze
vor Beginn des Quartals und die Zuweisung des als endgültig angesehenen RLV mitten im Quartal gegen geltendes Recht verstießen. Soweit der RLV-Bescheid vom 1. Februar 2010 für das gesamte erste Quartal 2010 Geltung beanspruche, sei dieser rechtswidrig.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Bescheide vom 11. Dezember 2009 und 1. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu ändern und
die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, Praxisbesonderheiten seien mangels Erfüllung des Eingangskriteriums der Überschreitung des fachgruppendurchschnittlichen
Fallwerts in Punkten um mindestens 30 % nicht anzuerkennen gewesen. Auch wenn man die BAG als Ganzes betrachte, ergebe sich
keine Fallwertüberschreitung von 30 %. An dieser fehle es auch im Quartal I/10. Prognostisch sei auf Basis der RLV-Mitteilung für das Quartal I/10 für M__________ von einer Fallwertüberschreitung von 5,50 % und für Ma________ von 3,42 %
sowie für die Praxis insgesamt von 4,52 % auszugehen gewesen. Auf Basis der tatsächlichen Honorarabrechnung ergebe sich für
M__________ eine Fallwertüberschreitung von 8,39 %, für Ma________ von 4,36 % und für die Praxis insgesamt von 6,43 %.
Sicherstellungsaspekte seien schon deshalb nicht ersichtlich, weil sich in unmittelbarer Nähe des Niederlassungsortes H_________
die Stadtgrenze von K___ befinde, wo es ausreichend Behandlungsmöglichkeiten für Patienten gebe.
Ihre Vorgehensweise bei Mitteilung des RLV für I/10 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Obwohl im Dezember 2009 die mit den Krankenkassen zu schließende Honorarvereinbarung
für 2010 noch nicht abgeschlossen gewesen sei und die Berechnung des Fallwertes nicht endgültig habe durchgeführt und überprüft
werden können, habe sie sich entschieden, den Vertragsärzten zumindest ein vorläufiges RLV mitzuteilen. Dieses Mitteilungsschreiben sei ganz ausdrücklich unter Vorbehalt gestellt worden. Sie habe damit alles Erforderliche
und Mögliche getan, das RLV noch rechtzeitig vor dem Gültigkeitszeitraum mitzuteilen. Vor diesem Hintergrund habe das mitgeteilte RLV auch noch im Laufe des Quartals I/10 an die tatsächlichen Fakten angepasst werden können, ohne dass das zuvor vorläufig mitgeteilte
RLV fortgewirkt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. September 2014 hat das Sozialgericht Kiel nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten
Verfahrensweise die Klage abgewiesen.
Dabei hat es zur Begründung ausgeführt, die Anerkennung einer Praxisbesonderheit setze voraus, dass eine Überschreitung des
durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliege. Daran fehle es. Die Ermittlung des Überschreitungsvolumens
in Punkten und nicht in Euro sei nicht zu beanstanden.
Der Korrekturbescheid vom 1. Februar 2010 beruhe auf einer hinreichenden, verfahrensrechtlichen Grundlage. Eine rückwirkende
Korrektur von RLV-Zuweisungen sei aus Vertrauensschutzgründen an besondere Anforderungen zu knüpfen. Diese seien aber erfüllt, denn die Beklagte
habe den vorläufigen RLV-Zuweisungsbescheid ausdrücklich unter Änderungsvorbehalt gestellt und dabei deutlich gemacht, unter welchen Voraussetzungen
sie eine Neufestsetzung beabsichtige. Auch seien nur kleine Anteile des RLV betroffen. Das BSG habe im anderen Zusammenhang angenommen, dass Korrekturen bis zu 15% möglich seien. Zwar habe im Bescheid vom 11. Dezember
2009 jegliche weitergehende Angabe zu der ungefähr zu erwartenden RLV-Minderung gefehlt, allerdings sei entscheidend, ob und inwieweit Vorläufigkeitshinweise geeignet seien, das Vertrauen des
Vertragsarztes auf den dauerhaften Bestand des vorläufigen Bescheides zu erschüttern. Dies sei jedenfalls in dem geringen
Maße, in dem sie Grundlage des hier angefochtenen Korrekturbescheides geworden seien, der Fall. Im Übrigen sei die Beklagte
jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zum Erlass des Korrekturbescheides vom 1. Februar 2010 berechtigt gewesen. Es stelle sich allenfalls die Frage, welche Auswirkungen
eine solche, im Laufe des Quartals verfügte Minderung des RLV für die Quartalshonorarabrechnung habe, insbesondere ob sie Geltung für das gesamte Quartal beanspruchen könne oder erst
ab Erlass der Änderung zu berücksichtigen sei und wie dies dann konkret umzusetzen sei. Eine Entscheidung darüber habe aber
erst im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides für das Quartal I/10 zu erfolgen. Weitere Bedenken gegen
die Rechtmäßigkeit der RLV-Zuweisung beständen nicht.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 7. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom
6. November 2014.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, es seien Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Bei Anwendung der
Regelung von Teil D Nr. 4.2 HVV sei auf die Fallwertüberschreitung in Euro und nicht in Punkten abzustellen. Der Auffassung
des Sozialgerichts, wonach die Frage der zeitlichen Geltung des Korrekturbescheides vom 1. Februar 2010 im Rahmen der Prüfung
der Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides zu klären sei, könne sie sich nicht anschließen. Dies gelte auch für die Auffassung,
der vorläufige RLV-Bescheid sei mit einem hinreichend konkreten Änderungsvorbehalt versehen gewesen. Grund für den Erlass des vorläufigen Bescheides
seien allein organisatorische Probleme der Beklagten gewesen. Dies sei nicht ohne weiteres Grund dafür, einen vorläufigen
anstelle eines endgültigen Bescheides zu erlassen. Aus der Begründung des Änderungsvorbehalts habe sich auch nicht ergeben,
dass mit einer Absenkung des RLV zu rechnen gewesen sei. So, wie der Vorbehalt formuliert gewesen sei, hätte auch eine Erhöhung des RLV erfolgen können. Ein solcher Vorbehalt beseitige den Vertrauensschutz des Adressaten nicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 24. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide
vom 11. Dezember 2009 und 1. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu verpflichten, sie unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Entscheidung des Sozialgerichtes zum Nichtvorliegen von Praxisbesonderheiten sei rechtmäßig. Die Bemessung
der Fallwertüberschreitung in Punkten sei ein sachgerechtes Kriterium für das Anerkennen von Praxisbesonderheiten.
Die nachträgliche Absenkung des zuvor vorläufig mitgeteilten Regelleistungsvolumens halte sie für zulässig. Die Zuweisung
eines vorläufigen RLV sei im Bemühen erfolgt, den Vertragsärzten Anhaltspunkte über die Höhe des ungefähren RLV und damit Kalkulationssicherheit zu geben. Die eingetretene Verzögerung sei von ihr nicht zu vertreten gewesen. Es sei auch
zu berücksichtigen, dass das zuvor unter Vorbehalt mitgeteilte RLV nur im geringen Umfang abgesenkt worden sei. Sie weist darauf hin, dass gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/10 kein
Widerspruch eingelegt worden sei.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakten und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des §
151 Abs.
1 SGG (
Sozialgerichtsgesetz) bei dem Landessozialgericht eingegangen.
Auch die Klage ist zulässig, die Klägerin kann die Rechtswidrigkeit der RLV-Zuweisung für das streitgegenständliche Quartal noch geltend machen, obwohl der dazugehörige Honorarbescheid in Bestandskraft
erwachsen ist. Das BSG hat mit Urteil vom 15. August 2012 im Verfahren B 6 KA 38/11 klargestellt, dass ein bestandskräftig festgestelltes RLV die Geltendmachung von dessen Fehlerhaftigkeit im nachfolgenden Honorarstreitverfahren ausschließt und umgekehrt für die
isolierte Anfechtung des RLV kein Raum bleibt, wenn der zugehörige Honorarbescheid in Bestandskraft erwachsen ist. Dem folgt der erkennende Senat. Danach
besteht prima facie kein Raum mehr für die Anfechtung des RLV für das Quartal I/10, denn der Honorarbescheid für dieses Quartal ist in Bestandskraft erwachsen. Allerdings hat das BSG in dem genannten Urteil Vertrauensschutz in den Fällen angemahnt, in denen der Honorarbescheid vor Veröffentlichung der Entscheidung
vom 15. August 2012 in Bestandskraft erwachsen ist. Der Senat folgt dem BSG auch insoweit. Danach ist die Überprüfung der RLV-Mittelung aus Vertrauensschutzgründen zuzulassen, denn der nicht angefochtene Honorarbescheid I/10 ist im Laufe des Quartals
III/10 in Bestandskraft erwachsen und damit rund zwei Jahre vor Veröffentlichung des o.g. BSG-Urteils
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage mit dem angefochtenen
Gerichtsbescheid abgewiesen. Die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin
nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres RLV für das Quartal I/10. Der Bescheid vom 1. Februar 2010 erweist sich als rechtmäßig. Er war nicht aufzuheben.
Gemäß §
87b Abs.
1 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -) in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes
vom 26. März 2007 (alle Paragrafenangaben des
SGB V beziehen sich auf diese Fassung des Gesetzes) werden abweichend von §
85 SGB V die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf Grundlage der regional geltenden
Euro-Gebühren-Ordnung nach §
87a Abs.
2 SGB V vergütet. Gemäß §
87b Abs.
2 SGB V sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen.
Diese definieren die von einem Arzt oder einer Praxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen
Leistungen, die mit Entgelten der Euro-Gebühren-Ordnung vergütet werden. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist gemäß §
87b Abs.
2 Satz 3
SGB V mit abgestaffelten Preisen zu vergüten. Die Werte der RLV sind nach §
87b Abs.
3 Satz 1
SGB V morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten
kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind gemäß §
87b Abs.
3 Satz 3
SGB V auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen. §
87b Abs.
4 Satz 1
SGB V bestimmt, dass der Bewertungsausschuss erstmals zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen
Daten bestimmt. Gemäß §
87b Abs.
4 Satz 3
SGB V bestimmen die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam erstmalig
zum 15. November 2008 und danach jeweils zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses unter
Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der RLV konkret anzuwendende Berechnungsformel. Gemäß §
87b Abs.
5 S. 1
SGB V weisen die Kassenärztlichen Vereinigungen den Ärzten und Praxen deren RLV erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zu.
Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben auf Bundesebene ist zunächst durch den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses
zur Neuordnung der vertragsärztlichen Versorgung vom 27./28. August 2008 (Beschluss eBA 2008) erfolgt. Dieser enthält in seinem
Teil F Vorschriften zur Berechnung und zur Anpassung der arzt- und praxisbezogenen RLV nach §
87b Abs.
2 und
3 SGB V. Darin ist in Teil F Nr.
2.1 vorgesehen, dass Regelleistungsvolumina für die Ärzte der in der Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung kommen. Die
Berechnung der arztindividuellen RLV ist in der Anlage 2 zu Teil F Beschluss eBA 2008 geregelt. Danach ist zunächst auf Grundlage des Vergütungsvolumens 2007
das vorläufige RLV-Vergütungsvolumen getrennt nach hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereichen zu ermitteln (Nr. 1 der Anlage 2).
Sodann ist aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zuzahlungen
für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen und im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende
Zuzahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs zu ermitteln (Nr. 2 der Anlage 2). Sodann ist ein arztgruppenspezifischer Anteil
am RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs gemäß Nr. 3 der Anlage 2 zu ermitteln und gemäß Nr. 4 der Anlage 2 der arztgruppenspezifische
Fallwert, der aus den arztgruppenspezifischen Behandlungsfällen des Vorjahresquartals ermittelt wird. Die Multiplikation dieses
Fallwerts mit der Fallzahl des konkreten Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal gemäß Nr. 5 der Anlage 2 ist die Basis für
die Ermittlung des arzt- und praxisbezogenen RLV. Es erfolgt sodann noch eine morbiditätsbezogene Differenzierung des RLV nach Altersklassen (Nr. 6 der Anlage 2). Vereinfacht ausgedrückt ist das arztbezogene RLV das Produkt aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal und dem arztgruppenspezifischen Fallwert.
Zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV in Berufsausübungsgemeinschaften sieht Teil F Nr.1.2.2 Beschluss eBA 2008 zunächst eine arztbezogene Ermittlung des RLV vor. Die Zuweisung der RLV und die Abrechnung erfolgen dann aber gemäß Teil F Nummer 1.2.4 Beschluss eBA 2008 praxisbezogen, wobei sich die Höhe des
RLV einer Arztpraxis aus der Addition der einzelnen RLV der Ärzte, die in der Arztpraxis tätig sind, ergibt.
Der Beschluss eBA 2008 enthält allerdings keine Vorgaben für die Behandlung von Neuzulassungen, Umwandlungen von Kooperationsformen
und Wachstumsärzten im Rahmen der RLV-Systematik. Diesbezüglich ermächtigt Teil F Nr. 3.5 Beschluss eBA 2008 die Partner der Verträge auf Landesebene zum Erlass
von Anfangs- und Übergangsregelungen.
Sonderregelungen für Ärzte in der Wachstumsphase sind in S_________________ in der Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher
Leistungen im Jahre 2009 vom 25. November 2008 in der Fassung der ersten Ergänzungsvereinbarung hierzu (im folgenden HVV)
getroffen worden, die in der Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 vom 22.Dezember 2009
fortgeschrieben wurden. Gemäß Teil D Nummer 2.1 HVV erhalten Ärzte, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als
fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist, ihre Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl
bis maximal zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe und dem RLV-Fallwert der Gruppe vergütet. Teil D Nr. 3.2 HVV sieht bei Berufsausübungsgemeinschaften, an denen Wachstumsärzte beteiligt
sind, vor, dass neben bestehender RLV der einzelnen Partner die Regelung nach Abs. 2.1 trete, sodass insgesamt eine Obergrenze zu bilden ist.
Nach Teil D Nr. 2.3 HVV erhält ein Arzt, der in der Wachstumsphase die Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe erstmals erreicht,
in den folgenden Quartalen das RLV der Arztgruppe zugeordnet. Bleibt der Arzt während der gesamten Wachstumsphase unterdurchschnittlich, so erhält der Arzt
als RLV die mit dem Bestwert seiner Fallzahlquote der letzten vier Quartale multiplizierten durchschnittlichen saisonalen RLV der Arztgruppe zugeordnet.
Entsprechend dieser rechtlichen Vorgaben ist die Beklagte bei Zuweisung des RLV an die Klägerin für das Quartal I/10 vorgegangen. Als materiell rechtmäßig erweist sich dabei der Bescheid vom 1. Februar
2010, der die RLV-Zuweisung insbesondere unter Berücksichtigung der Regelung nach Teil D Nummer 2.3 HVV vornimmt. Demgegenüber erweist sich
der Bescheid vom 11. Dezember 2009 ungeachtet seiner Kennzeichnung als vorläufig schon deshalb als rechtswidrig, weil darin
für den Praxispartner Ma________ eine maximale Obergrenze entsprechend der Regelung zu Teil D Nr. 2.1 HVV gebildet worden
ist, obwohl der zum dritten Quartal 2004 zugelassene Ma________ sich im ersten Quartal 2010 nicht mehr in der Wachstumsphase
gemäß Teil D Nr. 2 HVV befunden hat. Soweit die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2017 angegeben
haben, die Wachstumsphase sei zu Gunsten der Klägerin verlängert worden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich eine Verlängerungsmöglichkeit
für die Wachstumsphase aus den Regelungen zu Teil D Nr. 2 HVV nicht ergibt. Zur Vermeidung von Härten für Praxen, die während
der fünfjährigen Wachstumsphase den Fachgruppendurchschnitt nicht erreichen, ist gerade die Regelung in Teil D Nr. 2.3 HVV
vorgesehen. Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 hat die Beklagte diesen Fehler aber korrigiert und das RLV der Klägerin an die Regelung zu Teil D Nr. 2.3 HVV angepasst.
Zur Überzeugung des Senats war die Beklagte auch befugt, vorliegend das vorläufig mitgeteilte RLV noch im laufenden Quartal im geschehenen Umfang anzupassen und abzuändern.
Im Verfahren B 6 KA 38/11 R hatte das Bundessozialgericht klargestellt, dass es sich bei der in §
87b Abs.5
SGB V genannten 4-Wochenfrist lediglich um eine Ordnungsfrist handele und eine spätere Zuweisung eines RLV immer noch als rechtzeitig angesehen werden müsse, solange dies vor Beginn des Quartals, für das das RLV Geltung beansprucht, erfolgt. Dem folgt der Senat.
Die RLV-Festsetzung mit Bescheid vom 1. Februar 2010 ist aber erst mitten im Quartal vorgenommen worden, so dass diese Entscheidung
nicht mehr als rechtzeitig im Sinne von §
87 b Abs.
5 SGB V angesehen werden kann. Das Gesetz sieht in diesem Fall gemäß §
87 b Abs.
5 Satz 4
SGB V die vorläufige Fortgeltung des bisherigen RLV vor. Rechtsfolgen für ein zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenes RLV sind in Satz 5 der Vorschrift nur für den Fall vorgesehen, dass dieses höher als zuvor ausfällt. Dann sind entsprechende
Zahlungsansprüche rückwirkend zu erfüllen. Zwar wird danach eine spätere Zuweisung des RLV, auch noch im laufenden Quartal, vorausgesetzt. Die Voraussetzungen unter denen dies mit Wirkung für die Zukunft oder mit
Wirkung für die Vergangenheit geschehen kann, lassen sich dem Wortlaut des §
87 b Abs.
5 SGB V aber nicht entnehmen.
Das SGB kennt im Arbeitsförderungsrechts und im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende in §
328 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (
SGB III) i. V. m. § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) die Befugnis zum Erlass vorläufiger Verwaltungsakte, die mit der erleichterten Befugnis zum Erlass eines endgültigen Verwaltungsaktes
bei Wegfall des Vorläufigkeitsgründers einhergeht. Eine solche Regelung lässt sich dem
SGB V bezüglich der Zuweisung des RLV an die Vertragsärzte explizit nicht entnehmen.
Angesichts des Charakters einer RLV-Zuweisung als eigenständiger Verwaltungsakt und der fehlenden expliziten Befugnis zum Erlass einer vorläufigen RLV-Mitteilung liegt es zunächst nahe, die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Abänderung des RLV auf die allgemeinen Regelungen für die Veränderung von Verwaltungsakten gemäß §§ 44 ff Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) zu stützen. Danach wäre der Verwaltungsakt vom 1. Februar 2010 rechtswidrig.
Da die Beklagte in der ursprünglichen RLV-Mitteilung einen Änderungsvorbehalt aufgenommen hatte, wäre zunächst an einen Widerruf gemäß § 47 Abs. 1 Nr.1 SGB X zu denken. Diese Vorschrift sieht allerdings nur einen Widerruf mit Wirkung für die Zukunft vor. Die Beklagte hatte in dem
Bescheid vom 1. Februar 2010 das RLV aber für das gesamte Quartal I/10 neu festgesetzt und nicht etwa nur mit Wirkung für die Folgemonate. Diese Entscheidung
über die zeitliche Geltung des RLV ist auch gerade nicht dem Honorarbescheid vorbehalten, sondern erfolgt mit der RLV-Mitteilung. Zudem erfordert ein auf § 47 Abs. 1 SGB X gestützter Widerruf die Ausübung von Ermessen ("darf"). Eine Ermessensausübung ist dem Bescheid vom 1. Februar 2010 aber
nicht zu entnehmen.
Eine Abänderung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung auch mit Wirkung für die Vergangenheit ohne das Erfordernis der Ausübung
von Ermessen ist demgegenüber in § 48 Abs. 1 S.2 SGB X vorgesehen. Eine Rechtfertigung des Verwaltungsaktes vom 1. Februar 2010 nach dieser Vorschrift ist grundsätzlich möglich,
denn in dem Abschluss der Verhandlungen mit den Krankenkassen am 22. Dezember 2009 kann eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
im Sinne dieser Vorschrift erblickt werden und Vertrauensschutz könnte in Hinblick auf den Änderungsvorbehalt in dem Bescheid
vom 11. Dezember 2009 gemäß § 48 Absatz 1 S.2 Nr. 4 SGB X ausgeschlossen sein.
Da der Verwaltungsakt vom 11. Dezember 2009 aber die Klägerin zu Unrecht noch in die Regelungen für Wachstumsärzte einbezogen
hat und daher bereits bei seinem Erlass rechtswidrig begünstigend war, richtete sich seine spätere Abänderung allein nach
§ 45 SGB X. Eine auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes erfordert indessen immer die Ausübung von Ermessen. Daran mangelt
es hier.
Der Senat hat sich indessen die Überzeugung gebildet, dass die auf Grundlage von §
106a Abs.
2 SGB V bzw. § 45 Abs.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Ersatzkassenvertrag - Ärzte (EKV-Ä) entwickelten Grundsätze zur sachlich rechnerischen Berichtigung von Honorarbescheiden auch auf RLV-Mitteilungen entsprechend anwendbar sind.
Die Ermächtigung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung verdrängt als Spezialnorm § 45 SGB X. Sie berechtigt insbesondere zur nachträglichen Korrektur bereits ergangener Honorarbescheide, denn diese stellen gemäß der
ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 16/00 R) lediglich vorläufige Regelungen über den Honoraranspruch im jeweiligen Quartal dar. Auf den dauerhaften Bestand dieser vorläufigen
Regelungen können Vertragsärzte nur im beschränkten Umfang vertrauen. Eines expliziten Widerrufsvorbehaltes im Sinne von §
32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X bedarf es zum Ausschluss eines umfänglicheren Vertrauensschutzes insoweit nicht. Andererseits sind Kassenärztliche Vereinigungen
auch nicht in unbegrenztem Ausmaß zur Vornahme sachlich-rechnerischer Berichtigungen ermächtigt. Der mit den Honorarbescheiden
verfolgte Zweck, die Vertragsärzte hinreichend und zeitnah über die Höhe ihrer Vergütung zu informieren, liefe andernfalls
leer. Rechtssicherheit wäre im Bereich der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nicht mehr gegeben. Nach der Rechtsprechung
des BSG (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2005, B 5 KA 17/05 R) wird die Befugnis der KVen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarbescheide in vier Fallkonstellation aus
Vertrauensschutzgründen begrenzt. Dies ist zunächst der Fall, wenn eine Frist von vier Jahren seit Erlass des Quartalshonorarbescheides
bereits abgelaufen ist. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Rücknahme des Honorarbescheides nur noch nach Maßgabe der Vertrauensausschlusstatbestände
des § 45 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich. Eine weitere Beschränkung ergibt sich in den Fällen, in denen die KV die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung
bereits "verbraucht" hat, weil sie die Honorarforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden
Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. Ferner kann die Anwendung
der bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften ausgeschlossen sein, wenn einer KV vorzuhalten ist, dass sie es
unterlassen hat, ihre Mitglieder auf ihre bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Honorarberechnung hinzuweisen. Schließlich
ist die nachträgliche Richtigstellung eines Honorarbescheides in den Fällen beschränkt, in denen die Fehlerhaftigkeit des
Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereiches einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung
liegen oder in den Fällen, in denen eine KV eine bestimmte Leistungserbringung in Kenntnis aller Umstände geduldet, sie aber
später als fachfremd eingestuft hat.
Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Berichtigung eines Honorarbescheides ist auch nicht auf Fälle eingeschränkt, in denen
die Fehlerhaftigkeit des Honorarbescheides auf Umständen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes liegen. Vielmehr kann
aufgrund dieser Vorschriften grundsätzlich jedwede Art der Unrichtigkeit einer Honorarabrechnung nachträglich korrigiert werden
(vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 6 KA 3/01 R).
Diese Grundsätze sind zur Überzeugung des Senates auf RLV-Mitteilungen entsprechend anwendbar, weil RLV-Festsetzungen Teilelemente der späteren Honorarfestsetzung darstellen. (So auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar
2016, L5 KA 1991/13; im Ergebnis schon der erkennende Senat, Urteil vom 20. Oktober 2015, L4 KA 38/13). Dafür spricht im Ergebnis
der Wortlaut des §
87 b Abs.
5 SGB V, der - wie oben erläutert - zwar weder die nachträgliche Abänderbarkeit eines RLV zulasten des betroffenen Vertragsarztes regelt, noch explizit die Befugnis zum Erlass eines vorläufigen RLV beinhaltet, jedoch die vorläufige (Weiter) - Geltung eines RLV in Satz 4 nennt und von einer nachträglichen Abänderbarkeit des RLV in Satz 5 konkludent ausgeht (vgl. auch BSG, Urteil vom 15. August 2012, B 6 KA 38/11 R).
Unter Anwendung der zur sachlich rechnerischen Berichtigung für Honoraransprüche ermittelten Regelungen, stößt der Bescheid
vom 1. Februar 2010 auf keine Bedenken. Weder war die Vierjahresfrist bei seinem Erlass abgelaufen, noch hatte die Beklagte
die Befugnis zur Abänderung bereits durch eine frühere Korrektur des RLV verbraucht. Sie hat die Klägerin auch hinreichend deutlich darauf hingewiesen, dass die Festsetzung des RLV mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 nur vorläufig erfolgen konnte, weil die Vereinbarung mit den Krankenkassen noch nicht
abgeschlossen war. Die Klägerin musste daher mit einer späteren Änderung des RLV - ob nach oben oder unten - rechnen. Schließlich betrifft die vorgenommene RLV-Änderung den Fallwert der Arztgruppe und die einzubeziehende Fallzahl und damit den Kernbereich der RLV-Bildung.
Die Höhe des RLV ist auch nicht deshalb zu niedrig, weil zu Gunsten der Klägerin Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen gewesen wären.
Teil F Nr. 3.6 Beschluss eBA 2008 bestimmt zu Praxisbesonderheiten, dass diese zwischen den Parteien der Gesamtverträge zu
regeln sind. Anzuerkennende Praxisbesonderheiten ergeben sich danach aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen
für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus ihnen resultierende Überschreitung des
regionalen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt.
Regional umgesetzt wurde diese bundesrechtliche Vorgabe in S_________________ durch den HVV. Dieser regelt in Teil D Nr.4.2
Praxisbesonderheiten und normiert dabei insbesondere auch das Erfordernis einer Überschreitung des regionalen Fallwerts der
Arztgruppe um mindestens 30 %. Danach kann der Arzt unter Benennung betroffener EBM-Gebührennummern Zuschläge auf den durchschnittlichen
Fallwert der Arztgruppe beantragen. Praxisbesonderheiten können sich aus einem besonderem Versorgungsauftrag oder einer für
die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine daraus resultierende Überschreitung des
durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliegt.
Mit Beschluss vom 27. Februar 2009 (Beschluss eBA 2009) hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in Nr. 4 ergänzend bestimmt,
dass die Partner der Gesamtverträge abweichend von den Regelungen im Beschluss vom 27./28. August 2008 aus Gründen der Sicherstellung
der vertragsärztlichen Versorgung im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen können, obwohl die vorgegebene Überschreitung
von 30 % des Durchschnittsfallwerts nicht vorliegt.
Mit Beschluss vom 26. März 2010 (Beschluss eBA 2010) hat der Erweiterte Bewertungsausschuss an dem 30 %-Kriterium für die
Annahme von Praxisbesonderheiten mit Wirkung ab 1. Juli 2010 nicht mehr festgehalten.
Bei der Klägerin liegen keine Praxisbesonderheiten in diesem Sinn vor. Der Senat hat sich unter Berücksichtigung der von der
Beklagten angestellten Berechnungen die Überzeugung gebildet, dass weder prospektiv noch retrospektiv einer der beiden Praxispartner
im streitgegenständlichen Quartal den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe um mindestens 30 % überschritten hat. Entgegen
der Äußerung der Klägerin kommt es zur Bestimmung von Praxisbesonderheiten nach Teil D Nr. 4.2 HVV auf eine arztbezogene und
nicht eine praxisbezogene Berechnung an. Entscheidend ist dies indessen nicht, denn sowohl Ma________ und M__________ einzeln
betrachtet als auch die BAG insgesamt haben eine 30-prozentige Fallwertüberschreitung im Quartal I/10 bei weitem nicht erreicht.
Zwar hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in dem oben zitierten Beschluss vom 27. Februar 2009 die regionalen Vertragspartner
ermächtigt, von dem 30 %-Kriterium abzuweichen, davon haben die Vertragspartner in S_________________ aber keinen Gebrauch
gemacht. Die bundesweite Aufgabe des 30 %-Kriteriums erfolgte erst durch den oben zitierten Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses
vom 26. März 201 mit Wirkung für die Quartale ab III/10 an.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der 30%-Regelung hegt der Senat nicht. Er hat sie vielmehr in gefestigter Rechtsprechung
für rechtmäßig gehalten (Urteil vom 25. Februar 2015, L 4 KA 25/13; Urteil vom 16. Juni 2015, L 4 KA 20/15; Urteil vom 20. Oktober 2015, L 4 KA 46/13). Auch die Ermittlung der Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe in Punkten und nicht in Euro hat der Senat ausdrücklich
für rechtmäßig erachtet (Urteil vom 16. Juni 2015, L 4 KA 20/15) und hält daran fest.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a Abs.
1 SGG i. V. m. §
154 VwGO und folgt der Sachentscheidung.
Gemäß §
160 Abs.
2 Nr.1
SGG war in Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der hier entschiedenen Frage der Abänderbarkeit einer RLV-Mitteilung nach Quartalsbeginn die Revision zuzulassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 97 a Abs. 1
SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat setzt in ständiger Rechtsprechung für RLV-Streitigkeiten, bei denen der begehrte Differenzbetrag bezifferbar ist, den Streitwert in Höhe von einem Viertel dieses Betrages
fest und berücksichtigt dabei, dass es unbillig wäre, bei der parallelen Anfechtung eines RLV-Mitteilungsbescheides und eines Honorarbescheides für das gleiche Quartal den rechnerischen Differenzbetrag zweimal in voller
Höhe als Streitwert anzusetzen.