Zur Wirkung der Zahlung von - zugunsten des Unterhaltsberechtigten titulierten - Unterhaltsbeträgen durch den Unterhaltsverpflichteten
an nicht forderungsberechtigten Sozialhilfeträger
»1. Zahlt der Unterhaltsschuldner Unterhaltsbeträge, die zugunsten des Unterhaltsgläubigers tituliert sind, an den Träger
der Sozialhilfe, der für den Unterhaltsgläubiger im streitbefangenen Zeitraum Leistungen nach dem BSHG erbracht hat, obwohl infolge Zurechnung fiktiven Einkommens ein Forderungsübergang gem. § 91 Abs. 2 BSHG nicht stattgefunden hat (BGH FamRZ 1998, 818; 1999, 843, 846; 2000, 1358 f), so kommt der Zahlung im Verhältnis zum Unterhaltsgläubiger jedenfalls dann keine Erfüllungswirkung
gem. §
362 BGB zu, wenn im vorhergehenden Verfahren, in dem der Unterhalt tituliert wurde, die Aktivlegitimation des Unterhaltsgläubigers
durch den Unterhaltsschuldner ausdrücklich bestritten wurde.
2. Es stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar, dass der Unterhaltsgläubiger zu seinen Gunsten titulierte Unterhaltsbeträge
gegen den Unterhaltsschuldner vollstreckt, wenn dieser zuvor Zahlung an den nicht forderungsberechtigten Träger der Sozialhilfe
geleistet hat.
3. Der Unterhaltsschuldner ist vor der drohenden Gefahr doppelter Inanspruchnahme nach Massgabe der §§
812 ff
BGB geschützt.«
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
Durch die - anteilige - Zahlung in Höhe von 5.456 DM vom 27.02.2001 an die Streithelferin hat der Kläger seine Verpflichtung
aus Ziffer 3 des Vergleichs vom 02.09.1999 im Verfahren 54 F 18/99 anteilig erfüllt. Die Streithelferin hat an die Beklagte zu 1) für die Zeit von November 1997 bis September 1999 Leistungen
nach dem UVG in dieser Höhe DM erbracht. Damit ist die Streithelferin - Unterhaltsvorschusskasse in Auftragsverwaltung für das Land NRW-
gemäß § 7 UVG Forderungsinhaberin geworden; demgemäß hatte die Klägerin zu 2) der Streithelferin i.ü. auch die vollstreckbare Ausfertigung
des Unterhaltsvergleichs ausgehändigt. Auf die Frage, ob die der Unterhaltszahlung zugrunde liegenden Einkünfte des Klägers
auf einer Fiktion beruhten, kommt es im Zusammenhang mit Leistungen nach dem UVG - anders als bei der Sozialhilfe - nicht an (BGH in FamRZ 2001, 619, 621). Der Kläger hat daher insoweit mit befreiender Wirkung gemäß §
362 BGB die ihm obliegende Leistung erfüllt.
Dagegen ist dies im Hinblick auf die restliche titulierte Forderung von (15.000 DM - 5.456 DM =) 9.544 DM = 4.879,77 EUR nicht
der Fall, wie das Amtsgericht unter Zugrundelegung des Senatsbeschlusses vom 15.8.2002 zutreffend erkannt hat. Ergänzend wird
auf die weiteren Entscheidungen des BGH (FamRZ 1999, 843, 846; FamRZ 2000, 1358 f) verwiesen, wonach grundsätzlich bei Zurechnung fiktiver Einkünfte ein Forderungsübergang auf den Träger der Sozialhilfe
gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 BSHG nicht stattfindet.
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach wie vor ist trotz der klaren Vorgabe im Senatsbeschluss
vom 15.08.2002 nichts zu konkreten Einkünften des Klägers im streitigen Unterhaltszeitraum von November 1997 bis September
1999 vorgetragen, die zur Annahme einer Leistungsfähigkeit des Klägers führen könnten. Auch der gesamte Ablauf des Vorverfahrens
deutet zweifelsfrei darauf hin, dass solche konkreten Einkünfte eben nicht bestanden, da der Kläger seine Leistungsfähigkeit
jedenfalls für die Jahre 1997 und 1998 ausdrücklich bestritten hatte und für die Zeit ab 10/99 betr. den laufenden Unterhalt
fiktive Einkünfte im Vergleich festgeschrieben wurden. Zudem ist der Kläger offensichtlich bei Vergleichsabschluss auch selbst
von der Zugrundelegung fiktiver Einkünfte ausgegangen, da sonst angesichts seines vorherigen Bestreitens der Aktivlegitimation
nicht erklärbar ist, wieso er sich zur Zahlung des Unterhalts an die Beklagte zu 2) und nicht die - nach seiner vorherigen
Ansicht aktivlegitimierte - Streithelferin verpflichtet hat. Dies hat der Kläger auch in der Berufungsbegründung noch bekräftigt,
indem er als Motivation für den Vergleichsabschluss auf Seiten der Beklagten angegeben hat, dass diese ein Interesse an dem
"Spatz in der Hand" gehabt hätten; der Kläger stellte und stellt damit offenkundig auf ein eigenes Interesse der Beklagten
und nicht ein solches der Streithelferin ab. Dass der Kläger in der Folgezeit die Zahlung gleichwohl an die Streithelferin
geleistet hat, obwohl ein wirksamer Forderungsübergang auf diese nicht stattgefunden hatte, ändert nichts an der genannten
Sach-, Rechts- und Interessenlage.
Dass betreffend den rückständigen Unterhalt im Vergleich vom 02.09.1999 keine Grundlagen festgeschrieben wurden, hat keinerlei
eigenen Erklärungswert; es ist - wegen fehlender Abänderungsmöglichkeit - weder notwendig noch üblich, für Unterhaltsrückstände
Vergleichsgrundlagen festzulegen.
Der Auffassung der Streithelferin, dass den Beklagten wegen der Nichtanerkennung der Zahlung des Klägers an die Streithelferin
eine unzulässige Rechtsausübung vorzuwerfen sei, folgt der Senat nicht. Die Beklagten waren und sind, soweit nicht ein wirksamer
Forderungsübergang auf einen Sozialleistungsträger stattgefunden hat, Inhaber der Forderungen aus dem Vergleich vom 02.09.1999
und können daher die Vollstreckung betreiben. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass den Beklagten nach der
unterhaltsrechtlich vorzunehmenden Einkommensfiktion Unterhaltsbeträge zustanden, die über den Rahmen der an sie geflossenen
Zahlungen nach dem BSHG und dem UVG hinausgingen und schon daher keinem Forderungsübergang unterliegen konnten.
Diesen Erwägungen steht Ziff. 2.10 der Leitlinien zum Unterhalt des OLG Düsseldorf (Stand 1.7.2003) nicht entgegen, denn diese
Regelung betrifft die Geltendmachung von Unterhalt, nicht jedoch die Vollstreckung bereits titulierter Unterhaltsbeträge;
dabei ist - nochmals - darauf hinzuweisen, dass die Titulierung zugunsten der Beklagten im vollen Bewusstsein der für den
fraglichen Zeitraum bezogenen Sozialhilfe erfolgt ist.
Der Senat verkennt nicht, dass in Fällen wie dem vorliegenden die Situation eintreten kann, dass der Unterhaltsberechtigte
bei Zahlungen des fiktiv zum Einkommen veranlagten Unterhaltspflichtigen neben empfangener Sozialhilfe begünstigt sein kann.
Der BGH hat bei seiner zitierten Rechtsprechung diesen Fall jedoch gesehen und ausdrücklich gebilligt; der Senat sieht keine
Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Der Kläger ist i.ü. vor der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme nach
Massgabe der §§
812 ff
BGB geschützt, denn er hat in Höhe von 9.544 DM = 4.879,77 EUR ohne Rechtsgrund an die Streithelferin geleistet und kann daher
von dieser die Herausgabe verlangen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§
92 Abs.
1,
101,708 Nr.
10,
713 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht, §
543 Abs.
2 ZPO.