Zum Ansatz der Beurkundungsgebühr nach § 38 Abs. 2 Nr. 5a KostO gegenüber Erben eines Sozialhilfeempfängers - Befreiung von Notargebühren
Entscheidungsgründe:
I.
Der Beteiligte zu 2) beglaubigte am 16.04.2002 die Unterschrift der Beteiligten zu 1) unter einer Grundschuldbestellung nebst
Eintragungsantrag zugunsten der Stadt Gronau als Sozialhilfeträger. Die Grundschuld dient der Absicherung des Kostenersatzanspruchs
der Stadt Gronau nach § 92c BSHG gegen die Beteiligte zu 1) als Erbin nach ihrer Mutter. Für die Beglaubigung erteilte der Notar am 16.04.2002 eine Kostenrechnung
unter Ansatz einer 5/10-Gebühr nach § 38 Abs. 2 Nr. 5a KostO sowie der aus dem Tenor ersichtlichen Auslagen. Der Präsident des Landgerichts hat die Aufassung vertreten, dass für die
Beurkundung die Kostenfreiheit nach §§ 143 Abs. 2 KostO, 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X gelte. Auf Bitten des Notars hat er diesen angewiesen, insoweit die Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen.
Dieser Anweisung entsprechend hat der Notar mit Schriftsatz vom 12.08.2002 die Entscheidung des Landgerichts beantragt. Das
Landgericht hat eine Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts eingeholt, die dieser unter dem 25.11.2002 abgegeben hat.
Weiter hat das Landgericht die Beteiligte zu 1) zum Verfahren hinzugezogen. Durch Beschluss vom 23.01.2003 hat es die Kostenrechnung
mit der Begründung aufgehoben, dass die §§ 143 Abs. 2, 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X eine sachliche Gebührenbefreiung darstellten,
die von der Person des Erstattungspflichtigen unabhängig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde des Notars.
II.
Die weitere Beschwerde ist nach § 156 Abs. 2 S. 2 KostO infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Notars folgt daraus,
dass das Landgericht seine Kostenrechnung aufgehoben hat.
In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 156 Abs. 6 KostO zulässigen Anweisungsbeschwerde ausgegangen.
Rechtlich zutreffend ist auch die Auffassung des Landgerichts, dass der Ansatz der Beurkundungsgebühr nach § 38 Abs. 2 Nr. 5a KostO zu Unrecht erfolgt ist, da die Beurkundung unter den Befreiungstatbestand der §§ 143 Abs. 2 KostO, 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X fällt. Nach seinem Wortlaut erfasst § 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB-X unter anderem alle Beurkundungen oder Beglaubigungen,
die aus Anlass der Erstattung einer nach dem BSHG erbrachten Leistung anfallen. Dabei ist nach dem Willen des Gesetzgebers unter Erstattung jede Rückgewähr erhaltener Sozialleistungen
zu verstehen, also nicht nur der Kostenausgleich zwischen Sozialhilfeträgern im Sinne des 9. Abschnitts des BSHG, sondern auch der Kostenersatz nach §§ 92 ff BSHG (vgl. Begr.RegE BT-Dr. 8/2034 S.36f). Eine einschränkende Auslegung unter dem Gesichtspunkt der besonderen Schutzbedürftigkeit
eines Sozialhilfeempfängers dahingehend, dass Personen, die nicht an dem eigentlichen Sozialleistungsverhältnis beteiligt
sind, von der Gebührenbefreiung nicht erfasst werden, kommt nach Wortlaut und Geschichte der Vorschrift nicht in Betracht.
§ 64 SGB-X schützt zudem nicht alleine den Sozialhilfeempfänger, sondern bezweckt auch eine Entlastung der Sozialhilfeträger
(vgl. BVerfGE 69, 373 = NJW 1986 S.307ff; OLG Köln Rpfleger 1990 S.64f; Rohs/Wedewer, KostO, Stand 4/02, § 143 Rdn. 15 ff). Schon unter diesem Aspekt kann es keinen Unterschied machen, ob der Sozialhilfeträger Kosten von dem Leistungsempfänger
oder einem Dritten erstattet verlangt. In beiden Fällen dient die Kostenfreiheit den Interessen der Sozialhaushalte.
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Gebührenfreiheit anlässlich der Reform durch Gesetz vom 15.06.1989 (BGBl. I S. 1082)
dahingehend beschränkt hat, dass die Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern, die durch den ursprünglich in § 144 KostO a.F. enthaltenen pauschalen Verweis auf § 64 Abs. 2 SGB-X miterfasst war, in der Neufassung des § 143 Abs. 2 KostO von der Kostenfreiheit ausdrücklich ausgenommen wurde. Ausweislich der Regierungsbegründung zu jener Gesetzesänderung (vgl.
Rohs/Wedewer, aaO, Rdn. 1b) sollte hiermit der kritischen Anmerkung in der o.a. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 14.05.1985 Rechnung getragen werden. Hat der Gesetzgeber aber die Problematik der weiten Fassung der Gebührenbefreiung
gesehen, eine Einschränkung aber gleichwohl nur hinsichtlich der Kostenerstattung zwischen Leistungsträgern vorgenommen, so
ist für weitergehende Einschränkung im Wege der Auslegung kein Raum.
Es besteht auch kein Grund für eine verfassungskonformeinschränkende Auslegung. Die heutige Fassung des § 143 Abs. 2 KostO trägt den Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht in der o.a. Entscheidung geäussert hat, Rechnung. Der in der Gebührenbefreiung
liegende Eingriff in die Berufsfreiheit der Notare (Art.
12 GG) ist durch den Zweck der Vorschrift, also die Entlastung der Sozialleistungsträger bei der Rechtsverfolgung sowie den Schutz
sozial schwacher Betroffener, als hinreichendem Gemeinwohlbelang grundsätzlich gerechtfertigt (BverfG aaO). Verfassungsrechtliche
Bedenken unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit des Eingriffs ergeben sich auch in Fällen des Kostenersatzes nach § 92c BSHG nicht. Auch hier kommt der vom Bundesverfassungsgericht herausgestellte Umstand zum Tragen, dass die Gebührenfreiheit die
Notare allenfalls unwesentlich belastet, da die in Betracht kommenden notariellen Geschäfte sowie die regelmässig vorkommenden
Gegenstandswerte ohnehin kein erhebliches Gebührenaufkommen erwarten lassen. Schliesslich ist mit den regelmässig vorkommenden
Geschäften - zumeist wohl Grundschuldbestellungen - weder ein erheblicher Aufwand noch ein erhebliches Haftungsrisiko verbunden.
Erfolg hat die weitere Beschwerde, soweit das Landgericht die Kostenrechnung auch hinsichtlich des Auslagenersatzes aufgehoben
hat. Insoweit bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmässigkeit der Kostenberechnung. § 143 Abs. 2 KostO erfasst schon nach seinem Wortlaut lediglich Gebühren im engeren Sinne, nicht hingegen Tatbestände der Auslagenerstattung
(Rohs/Wedewer, aaO, Rdn.18). Hierfür spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift auch die mit dem Gesetz vom 15.06.1989 (BGBl.
I S. 1082) verfolgte Intention des Gesetzgebers, einer unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit bedenklichen Belastung
der Notare vorzubeugen, denen die Gebühren selbst zufliessen. Es liegt auf der Hand, dass die Verpflichtung, notwendige Auslagen
aus dem eigenen Vermögen zuzuschiessen, den Notar weit mehr belasten würde, als der Ausfall von ohnehin eher geringen Gebühren.
Dies gilt umso mehr, als auch bei einem Geschäft mit einem eher geringen Gegenstandswert im Einzelfall durchaus erhebliche
Auslagen anfallen können.
Für die Anordnung der Erstattung aussergerichtlicher Auslagen besteht keine Veranlassung.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.