Nachehelicher Unterhalt - Leistungsfähigkeit - freiwillige Leistung Dritter - mietfreies Wohnen bei neuem Partner - Ausnahmen
- Reduzierung des Selbstbehalts
Gründe:
Die Parteien sind seit März 1990 geschiedene Eheleute. Der Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht -
Gelsenkirchen-Buer vom 1. April 1993 (20 F 21/93) verurteilt, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt in monatlicher Höhe von 1.070,00 DM zu zahlen. Auf Antrag des Klägers
wurde dieses Urteil am 13. September 1994 vom Amtsgericht - Familiengericht - Gelsenkirchen-Buer dahin abgeändert, dass er
ab September 1994 monatlich nur noch 286,15 DM zu zahlen hatte (20 F 126/94).
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger eine erneute Abänderung des Unterhaltstitels mit dem Antrag, den Wegfall seiner
Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten festzustellen, da er bei einem Renteneinkommen von nur noch 1.390,65 DM nicht
mehr leistungsfähig sei. Die Beklagte hat behauptet, der Kläger lebe kostenfrei im Hause seiner Lebensgefährtin in Deutschland
sowie in deren Ferienwohnung auf ..., er könne auch deren Auto kostenlos nutzen. Sie hat die Ansicht vertreten, diese geldwerten
Vorteile seien dem Kläger als fiktives Einkommen in Höhe von insgesamt 1.300,00 DM zuzurechnen, so dass seine Leistungsfähigkeit
gesichert sei. Mit ihrem eigenen Renteneinkommen von monatlich 865,76 DM sei sie unverändert bedürftig.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht der Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung
verweigert. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, das Renteneinkommen des Klägers liege unter seinem Selbstbehalt
von 1.500,00 DM monatlich, so dass er wegen mangelnder Leistungsfähigkeit zur Zahlung nachehelichen Unterhalts nicht mehr
verpflichtet sei. Etwaige Zuwendungen seiner Lebensgefährtin könnten der Beklagten nicht zugute kommen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter verfolgt.
Der Kläger bittet um Zurückweisung der Beschwerde. Er tritt der Auffassung des Amtsgerichts bei und behauptet nunmehr, dass
er nicht kostenfrei wohne. Er zahle seiner Lebensgefährtin monatlich 1.000,00 DM für Unterkunft, Verpflegung und sonstige
Kosten.
Die nach §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Rechtsverteidigung der Beklagten gegen die Abänderungsklage erscheint
nicht ohne hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des §
114
ZPO.
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist es wahrscheinlich, dass der Kläger weiterhin als leistungsfähig anzusehen
ist, der Beklagten die titulierte Unterhaltsrente in monatlicher Höhe von 286,15 DM zu zahlen. Zwar ist mit dem Amtsgericht
davon auszugehen, dass bei Renteneinkünften des unterhaltspflichtigen Klägers von monatlich knapp 1.400,00 DM angesichts des
ihm zu belassenden Eigenbedarfes von monatlich 1.500,00 DM (1.650,00 DM billiger Selbstbehalt - Ziff. 33 Abs. 1 der Hammer
Leitlinien zum Unterhaltsrecht - abzüglich 150,00 DM nach Beendigung der Erwerbstätigkeit) seine Leistungsfähigkeit in Frage
stehen kann. Indessen sprechen in dem hier zu entscheidenden Fall folgende Erwägungen dafür, die Leistungsfähigkeit des Klägers
nicht zu verneinen:
1. Die Beklagte behauptet, der Kläger lebe kostenfrei in den Wohnungen seiner Lebensgefährtin. Der BGH (FamRZ 1995, 343 = NJW 1995, 962) hat im Falle einer unentgeltlichen Wohnungsgewährung an die geschiedene Ehefrau durch deren neuen Partner eine unterhaltsrechtlich
relevante Deckung des Wohnbedarfes angenommen. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte könne in diesem Falle nicht den vollen Unterhalt
verlangen, sondern nur einen aufgrund der anderweitigen Deckung des Wohnbedarfes reduzierten Unterhalt. Auf konkrete Absprachen
mit dem neuen Partner zu diesem Punkt oder darauf, ob er den Unterhaltsverpflichteten entlasten will, komme es nicht an (so
auch Senat, Urteil vom 05.11.1997 - 8 UF 232/97 -).
Danach wäre der Unterhaltsanspruch des kostenlos wohnenden Unterhaltsberechtigten im Umfange des gedeckten Wohnbedarfes zu
verringern (etwa 20 bis 30 %, vgl. Wendl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., §
1 Rdn. 378). Angesichts der gebotenen Gleichbehandlung von unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkünften sowohl auf Seiten des
Unterhaltsberechtigten als auch auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten wäre im Falle der unentgeltlichen Wohnungsgewährung
an den Unterhaltsverpflichteten durch einen neuen Partner in entsprechender Anwendung der dargestellten Rechtsprechung der
Eigenbedarf des Verpflichteten um den gedeckten Wohnbedarf herabzusetzen. Dabei ist zu beachten, dass nach Ziff. 20 der Hammer
Leitlinien zum Unterhaltsrecht in dem Eigenbedarf von 1.500,00 DM Unterkunftskosten bis zur Höhe von 650,00 DM enthalten sind.
2. Die vorstehend dargestellte Entscheidung des BGH ist allerdings auf Kritik gestoßen, weil sie die Abgrenzung zu freiwilligen
Leistungen Dritter problematisiere (vgl. nur Wendl/Hausßleiter, aaO., § 1 Rdn. 378; Kalthoener/Büttner, Rechtsprechung zur
Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., Rdn. 785; Büttner, FamRZ 1996, 136, 138). In der Tat erscheint vom äußeren Bild her eine unentgeltliche Wohnungsgewährung auch nach Auffassung des Senats als
freiwillige Leistung eines Dritten. Solche Leistungen bleiben aber unterhaltsrechtlich sowohl auf Seiten des Unterhaltsberechtigten
als auch auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten regelmäßig unberücksichtigt, es sei denn, es kommt ein abweichender Wille
des leistenden Dritten erkennbar zum Ausdruck (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, FamRZ 1992, 1045; 1993, 417; OLG Hamm, FamRZ 1993, 100; 1998, 767). Unter diesem Blickwinkel erscheint es schwer nachvollziehbar, warum die unentgeltliche Wohnungsgewährung keine
freiwillige, nicht anrechenbare Leistung Dritter, sondern eine beachtliche "Bedarfsminderung" sein soll (so zutreffend Kalthöner/Büttner,
aaO.). Stellt man daher gegen die Auffassung des BGH bei der Bewertung der unentgeltlichen Wohnungsgewährung auf die zu den
freiwilligen Leistungen Dritter entwickelten Grundsätze ab, dann kann die Wohnungsgewährung durch den neuen Partner (die Wohnungsgewährung
durch den neuen Ehegatten bleibt in aller Regel als dessen Beitrag zum Familienunterhalt außer Ansatz, vgl. OLG Bamberg, FamRZ
1996, 628) unterhaltsrechtlich nur dann Relevanz erlangen, wenn sie als dessen Gegenleistung für fiktiv zu vergütende Versorgungsleistungen
erbracht wird (so zutreffend Wendl/Haußleiter, aaO., § 1 Rdn. 378). Dafür, dass der Kläger seiner neuen Partnerin vergütungspflichtige
Versorgungsleistungen erbringt, sind hier aber keine Anhaltspunkte erkennbar. Gleichwohl kann der unentgeltlichen Wohnungsgewährung
im vorliegenden Fall auch bei ihrer Beurteilung als freiwillige Leistung Dritter unterhaltsrechtliche Bedeutung zukommen.
So wird nämlich - für den Senat nachvollziehbar - die Auffassung vertreten, dass im Mangelfall, wie er hier vorliegt, aus
Billigkeitsgründen auch freiwillige Leistungen Dritter ganz oder teilweise als Einkommen des Zuwendungsempfängers anzusehen
seien (Wendl/Gutdeutsch, aaO., § 5 Rdn. 101 unter Hinweis auf RG, JW 17, 288; Ermann/Dieckmann,
BGB, 9. Aufl., §
1577 Rdn. 15; OLG München, FamRZ 1997, 313, 314).
Schließlich wird zu erwägen sein, ob der Selbstbehalt des Klägers nicht schon wegen dessen Zusammenleben und Zusammenwirtschaften
mit der neuen Partnerin deutlich herabzusetzen ist. Durch das Zusammenleben und Zusammenwirtschaften mit einem neuen Partner
entsteht nämlich regelmäßig eine Ersparnis von Generalunkosten. Ansatzpunkt sind die jetzigen Ersparnisse, die durch das gegenüber
einer Einzelperson kostengünstigere Wirtschaften erzielt werden können. Die Lebenshaltungskosten für einen Alleinstehenden
sind erfahrungsgemäß höher als die anteiligen Lebenshaltungskosten eines Partners in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Das
Zusammenwirtschaften mit einem Partner wird regelmäßig zu einer Ersparnis bei den Lebenshaltungskosten führen, insbesondere
bei den Kosten für Energie, Funk und Fernsehen, Zeitung und Telefon, aber auch bei den Wohnkosten (vgl. dazu OLG Düsseldorf,
FamRZ 1980, 1118; OLG Hamburg, FamRZ 1987, 1044; OLG Hamm, NJW RR 1997, 963; Kalthöner/Büttner, aaO., Rdn. 493: Ersparnis von 20 bis 25 % der Lebenshaltungskosten; zum Verwandtenunterhalt: OLG Hamm,
FamRZ 1988, 425; OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 220).
Die vorstehenden Erwägungen verdeutlichen bei unterschiedlichen rechtlichen Betrachtungsweisen die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
dass sich der Kläger gegenüber der Beklagten nicht auf den regelmäßigen Selbstbehalt von 1.500,00 DM, sondern nur auf einen
deutlich herabgesetzten Selbstbehalt wird berufen können. Der Beklagten musste daher die nachgesuchte Prozesskostenhilfe bewilligt
werden.