Unterhaltsbedarf bei Heimunterbringung eines volljährigen Kindes; Berücksichtigung von Vermögen bei Anspruchsüberleitung auf
den Sozialhilfeträger
»1. Bei der Heimunterbringung eines volljährigen Kindes richtet sich dessen Unterhaltsbedarf nach den durch die Heimunterbringung
anfallenden Kosten (im Anschluss an OLG Oldenburg FamRZ 1996, 625).
2. Der Anspruch aus § 91 BSHG i.V.m. §§
1601 ff
BGB ist Spezialvorschrift gegenüber § 90 BSHG.
3. Eine Ausnahme von dem Regelfall des § 91 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BSHG über den Ausschluss des Übergangs von Unterhaltsansprüchen volljähriger behinderter Kinder ist nur dann gegeben, wenn die
unterhaltspflichtigen Eltern in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben.
4. Bei dem Begriff des Vermögens im Sinne des BSHG handelt es sich - wie bei dem Begriff Einkommen - um einen volkswirtschaftlichen Begriff. Vermögen ist damit der Inbegriff
der in Geld oder Geldeswert errechenbaren Güter im Eigentum einer Person.
5. Im Falle einer Grundstücksübertragung ist maßgeblicher Stichtag für die Zurechnung des Eigentums derjenige der notariellen
Auflassungsvereinbarung.
6. Hat der Träger der Sozialhilfe einen (angeblichen) Schenkungsrückforderungsanspruch gemäß § 528 Abs. 1 gegen einen Dritten
durch Verwaltungsakt auf sich übergeleitet, lässt dies die zivilrechtliche Frage des Bestehens eines überleitbaren Anspruchs
unberührt (im Anschluss an OLG Braunschweig, NiedersRpfl 1996, 93).«
Entscheidungsgründe:
Das - zulässige - Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Urteil des Familiengerichts jedenfalls im Ergebnis
zutreffend ist.
I. Anspruch aus § 91
BSHG i. V. m. §§
1601 f
BGB; dieser ist Spezialvorschrift gegenüber § 90
BSHG (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1996, 625).
Das Familiengericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Bedarf der am 1971 geborenen M - die am 1992
das 21. Lebensjahr erreicht hat - nach den Kosten der Heimunterbringung bemisst (vgl. OLG Oldenburg aaO).
Eine Inanspruchnahme des Beklagten ist aber gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG ausgeschlossen.
Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BSHG ist der Übergang des Anspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen ausgeschlossen, wenn dies eine unbillige
Härte bedeuten würde; eine unbillige Härte liegt nach § 91 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BSHG in der Regel bei unterhaltspflichtigen Eltern vor, soweit einem Behinderten... nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe
für Behinderte... gewährt wird.
Nach der Rechtsprechung ist von dieser Regel dann eine Ausnahme möglich, wenn die Nichtinanspruchnahme der Eltern unangemessen
und mit dem Anliegen des Sozialhilferechts unvereinbar wäre, was namentlich dann der Fall sein soll, wenn die unterhaltspflichtigen
Eltern in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben (vgl. BVerwG FamRZ 1994, 33 = NJW 1994, 66; OLG Oldenburg FamRZ 1996, 625; OLG Hamm FamRZ 1999, 126; OLG Koblenz FamRZ 1999, 475; OLG Köln FamRZ 2000, 1201; Senatsurteil vom 18. November 1999, Az. 6 UF 84/99).
§ 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG in der seit 1996 gültigen Fassung liegt der Gedanke zugrunde, dass unterhaltspflichtige Eltern in solchen Fällen finanziell
zu entlasten sind, in denen bei typisierender Betrachtungsweise über den täglichen Lebensunterhalt hinaus durch Maßnahmen
der Eingliederungshilfe besonders hohe Kosten entstehen. In diesen Fällen würden die durch die Tatsache der Behinderung ohnehin
schwer getroffenen Eltern auch noch wirtschaftlich in besonders herausgehobener Weise belastet. Dieser Schutzgedanke verliert
sein Gewicht in den Fällen einer sehr guten Einkommens- oder Vermögenslage der Unterhaltspflichtigen (BVerwG aaO; Senatsurteil).
Letztere Voraussetzungen liegen im Fall des Beklagten allerdings nicht vor, weil dieser im maßgeblichen Zeitraum 1997 nur
über Erwerbseinkünfte in Höhe von monatlich 2.100,-- DM netto verfügt hat.
Der klagende Landkreis geht bei der Darstellung der Vermögensverhältnisse des Beklagten im Sinne von § 88
BSHG zu Unrecht davon aus, dass das Hausanwesen Langgasse 18 in Haßloch zum Vermögen des Beklagten zu zählen ist, obwohl dieser
das Grundstück schon mit notariellem Vertrag vom 13. Dezember 1996 - der am 10. April 1997 im Grundbuch vollzogen wurde -
an seinen Sohn K zurückübertragen hat.
Bei dem Begriff des Vermögens im Sinne des BSHG handelt es sich - wie bei dem Begriff Einkommen - um einen volkswirtschaftlichen Begriff. Vermögen ist damit der Inbegriff
der in Geld oder Geldeswert errechenbaren Güter im Eigentum einer Person (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Rdnr. 2 zu § 88
BSHG).
Im Falle einer Grundstücksübertragung ist maßgeblicher Stichtag für die Zurechnung des Eigentums derjenige der notariellen
Auflassungsvereinbarung (vgl. Palandt/Diederichsen,
BGB, 58. Aufl., Rdnr. 3 zu §
1375
BGB m.w.N., Stichwort "Gegenstand des Zugewinns"); dies ist hier der 13. Dezember 1996.
Hieraus erhellt ohne Weiteres, dass dem Beklagten das Hausanwesen in nicht als "fiktiver" Vermögensgegenstand zugerechnet
werden kann; Bestandteil des Vermögens des verarmten Schenkers kann allenfalls ein Schenkungsrückgewähranspruch nach §
528
BGB sein (vgl. hierzu Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Rdnr. 69 zu § 90
BSHG).
2. Subsidiärer Anspruch aus §§ 90
BSHG,
528
BGB
Ein etwaiger Klageanspruch wäre gegen den Sohn des Beklagten, K S zu richten. Die Überleitung eines Anspruchs gemäß § 90
BSHG ist in ihren Rechtsfolgen dem gesetzlichen Forderungsübergang gemäß §
412
BGB vergleichbar. Es findet ein Gläubigerwechsel statt; die Person des sogenannten Drittschuldners bleibt hiervon aber unberührt
(vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Rdnrn. 100 und 101 zu § 90
BSHG).
Die Tatsache, dass der klagende Landkreis den (angeblichen) Schenkungsrückforderungsanspruch des Beklagten im Sinne von §
528 Abs.
1
BGB gegen seinen Sohn K mit Bescheid vom 14. Mai 1999 auf sich übergeleitet hat, lässt allerdings die zivilrechtliche Frage des
Bestehens eines überleitbaren Anspruchs unberührt (vgl. OLG Braunschweig, Nds. Rpfl. 1996, 93).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1
ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§
55 708 , 713Nr. 10.