Sozialhilferecht: Anrechnung von Kindergeldes bei der Einkommensermittlung
Tatbestand:
Die Klägerinnen begehren die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes
ohne Anrechnung von Kindergeld als Einkommen.
Die 1964 geborene Klägerin zu 1) bezog im hier maßgeblichen Zeitraum gemeinsam mit ihrer 1985 geborenen Tochter, der Klägerin
zu 2), laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Wie schon zuvor wurde auch im Leistungsbescheid der Beklagten vom 5. Februar 1996
für den Bewilligungszeitraum 1. Februar 1996 bis 29. Februar 1996 als Einkommen der Tochter Kindergeld in Höhe von 200,--
DM berücksichtigt. Der Widerspruch hiergegen wurde damit begründet, daß durch die Anrechnung von Kindergeld als Einkommen
dieser Betrag bei der Auszahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt fehle. Mit der Neuregelung seit Beginn des Jahres 1996 könne
der Kindergeldbetrag nicht mehr steuerrechtlich geltend gemacht werden. Dies habe die Folge, daß der Betrag in der Regel dem
jeweiligen Erziehungsberechtigten in voller Höhe und abzugsfrei zustehe. Der dahinterstehende Grundgedanke, für Kinder, die
mit dem Existenzminimum leben müßten, eine zusätzliche Unterstützung und Förderungsgrundlage zu schaffen, gehe durch die Anrechnung
auf die Sozialhilfe verloren. Nur die finanziell schon Besserdastehenden hätten einen Vorteil davon. Die Anrechnung des Kindergeldes
als Einkommen sei unrechtmäßig. Es werde daher beantragt, in zukünftigen Bescheiden das Kindergeld nicht mehr als Einkommen
anzurechnen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 1996 zurück. Es bestehe Einvernehmen, daß im Hinblick
auf den vorliegenden Widerspruch die Leistungsbescheide über laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ab Februar 1996 im Hinblick
auf die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen nicht bestandskräftig geworden seien. Das Rechtsschutzinteresse sei deutlich
gemacht, so daß nicht fortlaufend monatlich die Leistungsbescheide mit weiteren Widersprüchen angegriffen werden müßten. Die
Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen nach § 76 Abs. 1 BSHG sei rechtmäßig. Die Zahlung des Kindergeldes wirke sozialhilferechtlich bedarfsdeckend. Die Anrechenbarkeit ergebe sich mittelbar
schon aus § 22 Abs. 4 BSHG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1089). Bei der Festsetzung der Regelsätze sei danach darauf Bedacht zu nehmen, daß sie zusammen mit den Durchschnittsbeträgen
für die Kosten der Unterkunft unter den im Geltungsbereich der jeweiligen Regelsätze erzielten durchschnittlichen Netto-Arbeitsentgelte
unterer Lohngruppen zuzüglich Kindergeld und Wohngeld blieben. Daraus gehe hervor, daß der Gesetzgeber bei der Bestimmung
der Grenze, unterhalb derer der notwendige Lebensunterhalt aus Mitteln der Sozialhilfe sichergestellt werden müsse, den Bezug
von Kindergeld habe berücksichtigt wissen wollen.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Vertreter der Klägerinnen am 2. September 1996 zugestellt. Mit der am 30. September 1996
erhobenen Klage ist ergänzend geltend gemacht worden, die Beklagte verkenne, daß durch die Neuregelung seit Beginn des Jahres
1996 das Kindergeld nicht mehr als Einkommen im Sinne des § 76 BSHG gesehen werden dürfe. Der Kindergeldbetrag könne nicht mehr steuerrechtlich geltend gemacht werden. Diese neue steuerrechtliche
und als familiengerecht geplante Regelung solle dazu führen, daß dem Erziehungsberechtigten ein Mehr an Kindergeldbeträgen
zustehe, und zwar auch ohne etwaige Verrechnung und ohne etwaige komplizierte Anrechnung für die einzelnen Betroffenen und
für die Finanzbehörden. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte zusätzliche Unterstützung von Familien mit Kindern werde bei Sozialhilfeempfängern
anders als bei Gehaltsempfängern, Selbständigen usw. nicht erreicht, wenn der Betrag auf die Sozialhilfe angerechnet werde.
Die Anrechnung verletze darüber hinaus das Sozialstaatsprinzip. Es finde eine krasse Benachteiligung der finanziell Hilfsbedürftigen
statt. Sie seien durch die Erhöhung des Kindergeldes benachteiligt. Ihre Lebenssituation erfahre durch die Erhöhung des Kindergeldes
keine Verbesserung.
Die Klägerin zu 1) hat beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 1996 in Form des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1996 (Geschäftszeichen:
RA/5-446/96) aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, den von der Kindergeldkasse bewilligten Kindergeldbetrag nicht mehr als Einkommen anzurechnen
und ihn somit der Klägerin auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 1996 abgewiesen und sich zur Begründung
auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten bezogen.
Mit der Berufung wiederholen die Klägerinnen ihren Vortrag in erster Instanz.
Sie beantragen,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. Dezember 1996 aufzuheben und unter Änderung des Bescheides vom
5. Februar 1996 und des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1996 die Beklagte zu verpflichten, den Klägerinnen für die Monate
Februar bis einschließlich August 1996 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Anrechnung von Kindergeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der Sachakten
der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Gemäß Art. 10 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung der
Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) richtet sich die Zulässigkeit der Berufung nach dem bisherigen Recht, da der Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 1996 dem Klägervertreter
am 18. Dezember 1996 zugestellt worden ist (Art. 10 Abs. 1 Nr. 2). Anwendbar ist mithin neben §
124 VwGO a.F. auch § 131
VwGO i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809). Die Streitwertgrenze von 1.000,-- DM gemäß § 131 Abs. 2 Nr. 1
VwGO a.F. ist vorliegend nach Klarstellung des Begehrens der Klägerinnen im Berufungsverfahren bereits deshalb überschritten,
weil Streitgegenstand danach die Nichtanrechnung des Kindergeldes in Höhe von 200,-- DM monatlich für die Zeit vom 1. Februar
bis zum 31. August 1996 ist.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Die Klägerinnen haben für die Monate Februar bis August 1996 keinen Anspruch auf Leistung von weiteren 200,-- DM über die
bewilligte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt hinaus. Im Ergebnis zu Recht hat die Beklagte das Kindergeld auf das Einkommen
in der Einsatzgemeinschaft (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG) der Klägerinnen angerechnet.
a) Das Kindergeld ist Einkommen im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG. Einkommen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die dem Hilfesuchenden bzw. Hilfeempfänger
und seinen in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehenden Angehörigen (§§ 11, 28 BSHG) zufließen, ohne Rücksicht auf ihre Art und die Tatsache, ob sie laufend oder einmalig anfallen (vgl. Schellhorn, Das Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 76 Rdnr. 7). Kindergeld wird nach der Neuregelung durch das Jahressteuergesetz 1996 (BGBl. I S. 1250) monatlich gezahlt (§
31 Satz 3
EStG) und bewirkt damit einen monatlichen Zufluß an Geldmitteln. Daran ändert auch sein Charakter als Steuervergütung nichts,
der sicherstellen soll, daß das Einkommen des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums seines Kindes von der Besteuerung
freigestellt ist (vgl. §
31 Satz 1
EStG). Denn ob das Kindergeld vollen Umfangs als Steuervergütung erforderlich ist, um das Existenzminimum unbesteuert zu lassen
oder ob es hierfür nicht ausreicht (vgl. §
31 Satz 4
EStG), ergibt sich erst am Ende des Kalenderjahres, wenn das steuerpflichtige Einkommen feststeht (vgl. zur Systematik der Kindergeldregelung
die Begründung zu §
1612 c BGB im Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder, BT-Drucks. 13/7338 S. 29). Der
Zufluß des Kindergeldes bleibt dem Bezieher aber auf jeden Fall erhalten. Der für die steuerliche Freistellung des Existenzminimums
nicht erforderliche Teil des Kindergeldes dient der Förderung der Familie (§
31 Satz 2
EStG).
Unabhängig davon, ob sich das Kindergeld am Jahresende als monatlich im voraus gezahlte (Rück-)Vergütung zuviel gezahlter
Einkommensteuer oder -- wegen fehlenden oder zu geringen Einkommens, wie bei Sozialhilfeempfängern -- ganz oder teilweise
als eine Leistung der Familienförderung (vgl. Blümich/Oepen,
Einkommensteuergesetz, Stand: Januar 1996, §
31 EStG Rdnr. 85) darstellt, ist es faktisch ein monatlicher Zufluß in Geld, der daher als Einkommen im Sinne von § 76 Abs. 1 BSHG einzustufen ist. Denn das Kindergeld wird nach der von der Familienkasse festgesetzten und bescheinigten Höhe von dieser
Kasse bzw. vom Arbeitgeber einmal monatlich ausgezahlt. Daß es sich dabei nicht lediglich um eine Steuergutschrift handelt,
die zu einer Verminderung der vom Arbeitgeber abzuführenden Lohnsteuer führt (so aber im Ergebnis Lutter, ZfSH/SGB 1997 S.
387, 393), ergibt sich daraus, daß dem Arbeitgeber kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des Kindergeldes zusteht (§ 73 Abs. 2
EStG) und in den Abrechnungen der Bezüge und des Arbeitsentgelts das Kindergeld gesondert auszuweisen ist (§
72 Abs.
8 EStG).
Das Kindergeld gehört nicht zu den in § 76 Abs. 1 BSHG angeführten, ausdrücklich anrechnungsfrei zu lassenden Geldleistungen und ist auch nicht -- wie z.B. das Erziehungsgeld nach
§ 8 BErzGG -- nach anderen gesetzlichen Vorschriften von der Anrechnung freigestellt.
b) Auch § 77 Abs. 1 BSHG hindert die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen auf den Bezug von Sozialhilfe nicht.
Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.2.1987, NDV 1987
S. 294, 295) in einem ersten Schritt zu prüfen, ob in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Zweck der Leistung ausdrücklich genannt
ist. Dazu braucht das Wort "Zweck" nicht verwendet zu sein. Hat sich der Zweck der anderen Leistung als ausdrücklich genannt
feststellen lassen, ist in einem zweiten Schritt der Zweck der konkret in Frage stehenden Sozialhilfeleistung zu ermitteln.
In einem dritten Schritt sind ggf. die so festgestellten Zwecke der beiden Leistungen einander gegenüberzustellen. Fehlt es
an der Identität der Zwecke, dann ist die andere Leistung bei der Gewährung der Sozialhilfe nicht als anrechenbares Einkommen
zu berücksichtigen. Im anderen Fall ist sie zu berücksichtigen. Berücksichtigt, werden muß sie aber auch dann, wenn die andere
Leistung ohne ausdrückliche Nennung eines Zweckes, also zweckneutral, gewährt wird. Dann bleibt es bei dem Grundsatz, daß
Einkünfte in Geld als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Soweit Kindergeld als echte Steuervergütung dem ausdrücklichen Zweck der Existenzsicherung des Kindes dient, bedarf es vorliegend
keiner Entscheidung, ob damit eine Zweckbestimmung im Sinne des § 77 Abs. 1 BSHG ausreichend zum Ausdruck kommt (bejahend wohl Sauer, NDV 1997 S. 98, 100). Denn jedenfalls liegt die Zweckidentität mit den staatlichen Leistungen der Sozialhilfe auf der Hand: Der Steuergesetzgeber
muß dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines
existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt (BVerfG, Beschluß v. 25.9.1992, BVerfGE Bd. 87 S.
153 ff.). Der Erreichung dieses Gebotes dient die Regelung des §
31 EStG, mit der das Kindergeld in Form einer Steuervergütung gewährt wird.
Kindergeldzahlungen, deren Steuervergütungscharakter ins Leere geht, weil kein Erwerbseinkommen oder ein das Existenzminimum
nicht deckendes Erwerbseinkommen erzielt wurde, dienen "der Familienförderung" (§
31 Satz 2
EStG). Ziel der Reform des Kindergeldrechts war es, "eine deutliche Aufstockung der Leistungen für Familien mit Kindern" (Begründung
des Entwurfs zum Jahressteuergesetz 1996, BT-Drucks. 13/1558 S. 239) zu bewirken. Konkretere Verwendungszwecke oder Ziele
für den Einsatz des Kindergeldes sind insoweit weder ausdrücklich genannt noch sonst erkennbar durch die genannten Regelungen
vorgegeben. Zu welchen Zwecken Familien ohne und mit nur geringem Erwerbseinkommen das ausgezahlte Kindergeld einsetzen, ist
ihnen überlassen. Der Intention der Familienförderung kann u.a. auch dadurch Rechnung getragen werden, daß mit dem Kindergeld
der notwendige Lebensbedarf des Kindes bestritten wird, so daß die Sozialhilfe nicht oder nur in geringem Maß in Anspruch
genommen werden muß.
So wird es Familien mit Kindern in nicht unerheblichem Maße erleichtert, auch bei nur geringem Erwerbseinkommen frei von Sozialhilfe
zu leben. Eine ausschließliche gesetzliche Zweckbestimmung dahingehend, daß das Kindergeld, soweit es der Familienförderung
dient, nicht für den notwendigen Lebensunterhalt des Kindes, sondern ausschließlich für darüber hinausgehende Aufwendungen
(z.B. für Wünschenswertes oder Annehmlichkeiten) verwandt werden soll, kann nicht festgestellt werden. Zum einen ist nicht
erkennbar, daß Familien ohne Einkommen oder mit einem solchen unterhalb der Grenze des Existenzminimums insofern bessergestellt
werden sollen als diejenigen Familien, die zur Erreichung der Steuerfreiheit ihrer Einnahmen in Höhe des Existenzminimums
auf die Verwendung des Kindergeldes angewiesen sind. Zum anderen zeigt die Regelung des § 22 Abs. 4 BSGH in der Fassung des
Reformgesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088), daß Kindergeldzahlungen sozialhilferechtlich weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen sind (OVG Lüneburg, Beschluß v.
2.3.1998, FEVS Bd. 48 S. 527, 528, m.w.N.). Schließlich dürfte sich aus §
74 EStG ergeben, daß mit den Kindergeldleistungen vornehmlich der unterhaltsrechtlich notwendige Bedarf des Kindes sichergestellt
werden soll. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kann das Kindergeld dem Kind oder dem Ehegatten des Kindergeldberechtigten ausgezahlt
werden, wenn der seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht ihnen gegenüber nicht nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit (Abs.
1 Satz 3) oder Anstaltsunterbringung (Abs. 2) nicht nachkommen kann. Die grundsätzlich mögliche Überleitung des Kindergeldanspruches
im Falle der Anstaltsunterbringung des Anspruchsberechtigten (§
74 Abs.
3 EStG ist ausgeschlossen, solange das Kindergeld an den Unterhaltsberechtigten (z.B. das Kind) auszuzahlen ist. Gemeinsam ist diesen
Regelungen, daß die Kindergeldzahlungen, wenn und soweit dies nicht durch die Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten
mittelbar gesichert ist, dem Kind zur Sicherung seines Unterhaltsbedarfs direkt zukommen sollen, und zwar unabhängig davon,
ob das Kindergeld den Charakter einer echten Steuervergütung hat (der Kindergeldberechtigte den geschuldeten Unterhalt aber
nicht zahlt) oder mangels Leistungsfähigkeit (Einkommen) des Berechtigten das Kindergeld der Förderung der Familie dient (§
31 Satz 2
EStG). Der Vorrang der Sicherung des Unterhaltsbedarfs des Kindes gegenüber den eigenen Bedarfen des Kindergeldberechtigten wird
besonders deutlich aus §
74 Abs.
4 EStG. Auch wenn bei einer Anstaltsunterbringung des Berechtigten der Anspruch grundsätzlich durch Anzeige gemäß §
74 Abs.
3 EStG auf den Kostenträger übergeleitet werden soll, kann das unterhaltsberechtigte Kind Auszahlung an sich verlangen (§
74 Abs.
4 i.V.m. Abs.
2 EStG). Die mit §
74 EStG intendierte Parallelisierung zu den Vorschriften der §§
48 bis
50 SGB I (vgl. die Begründung zum Entwurf des §
74 EStG, BT-Drucks. 13/1558 S. 162) macht deutlich, daß das Kindergeld im Ergebnis unabhängig von seinem jeweiligen Charakter als
Steuervergütung oder Familienförderungsleistung eine Leistung ist, die sowohl bei dem Kind als auch bei dem Anspruchsberechtigten
ganz allgemein der Sicherung des Lebens unterhalts dient.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
2 und §
188 Satz 2
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten des Verfahrens ergibt sich aus §
167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 10 und §
711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß §
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO liegen vor. Die Frage der Anrechnung des Kindergeldes auf die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach Änderung der Systematik
des Kindergeldanspruches durch das Jahressteuergesetz 1996 ist -- soweit ersichtlich -- bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher
Klärung gewesen und bedarf einer solchen im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bzw. der Weiterentwicklung des
Rechts.