Tatbestand:
Dem Kläger wurde auf entsprechende Anträge vom Beklagten für mehrere Bewilligungszeiträume Ausbildungsförderung bewilligt.
In den jeweiligen Anträgen hatte der Kläger Vermögen verneint. Nach einer Datenabfrage beim Bundesamt für Finanzen legte der
Kläger dem Beklagten die Ablichtung von zwei Seiten eines Sparbuches vor, für das er 1994 einen Freistellungsauftrag erteilt
hatte, und teilte mit, das Sparbuch laufe zwar auf seinen Namen, enthalte aber die Adresse seiner Großmutter. Diese habe das
Sparbuch festgelegt und stets in ihrem Besitz gehabt. Die Großmutter des Klägers gab an, das Sparbuch für den Kläger angelegt
zu haben, als er noch ein Schulkind gewesen sei. Sie habe dann laufend auf sein Buch eingezahlt, jedoch unter ihrer Adresse,
da sie das Sparbuch bei sich aufbewahrt habe. Der Kläger habe das Sparbuch nie gesehen, jedoch gewusst, dass sie auch für
ihn spare. Als die vereinbarte Frist bei der Sparkasse abgelaufen sei, habe sie ihrem Enkel endlich das Sparbuch "als kleines
Startkapital" überreichen können. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Sparguthaben setzte der Beklagte die Förderungsleistungen
neu fest und forderte vom Kläger überzahlte Förderungsbeträge zurück, da er bei der Antragstellung verschwiegen habe, ein
nicht unwesentliches Vermögen zu besitzen. Das VG hat die Klage des Klägers auf Aufhebung der angefochtenen Rückforderungsbescheide
abgewiesen. Die zugelassene Berufung des Klägers führte zur Aufhebung der Rückforderungsbescheide.
Gründe:
Als Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bescheide über die Bewilligung von Ausbildungsförderung sowie die Erstattung
der Leistungen kommen § 45 Abs. 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.1.2001, BGBl I S. 130, und § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den
Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit
zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen hier nicht vor.
Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass hier ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt vorliegt. Die Bewilligung
von Ausbildungsförderung war vielmehr rechtmäßig. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass wegen des Guthabens auf
dem Sparkonto, das auf den Namen des Klägers lief, die Höhe des anzurechnenden Vermögens des Klägers seinen monatlichen Bedarf
für seine Ausbildung zum Teil sicherstellte. Dem Kläger stand Ausbildungsförderung für das Lehramtsstudium insoweit nur nach
Maßgabe des §
11 Abs.
2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (
BAföG) zu. Danach sind auf den Bedarf im Sinne des §
11 Abs.
1 BAföG u. a. Einkommen und Vermögen des Auszubildenden anzurechnen. Der Kläger verfügte in den nach §
28 Abs.
2 BAföG jeweils maßgeblichen Zeitpunkten der Antragstellungen nicht über Vermögen im Sinne der §§
26 ff.
BAföG in einer den Förderungsanspruch auch nur teilweise ausschließenden Höhe, denn er war nicht Inhaber des Sparkontos. Die daraus
resultierenden Forderungen gegen die Sparkasse gelten deshalb nach §
27 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 BAföG nicht als Vermögen des Klägers.
Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
BAföG gelten als Vermögen im ausbildungsförderungsrechtlichen Sinne bewegliche und unbewegliche Sachen (Nr. 1) sowie Forderungen
und sonstige Rechte (Nr. 2). Einschränkungen des Vermögensbegriffs ergeben sich lediglich aus §
27 Abs.
1 Satz 2 und Abs.
2 BAföG. Forderungen, die nicht unter den abschließenden Katalog des §
27 Abs.
2 BAföG und nicht unter die nach §
27 Abs.
1 Satz 2
BAföG ausgenommenen Gegenstände fallen, zählen damit ungeachtet ihrer spezifischen Rechtsnatur, ihres Ursprungs und Inhalts zum
Vermögen im förderungsrechtlichen Sinne.
Der Kläger war nicht Inhaber des auf seinen Namen errichteten Sparkontos. Ihm standen zu den genannten Zeitpunkten Forderungen
zivilrechtlich als Gläubiger gegenüber der Sparkasse als Schuldnerin aus dem Sparkonto nicht zu.
Für die Beurteilung der Gläubigereigenschaft des Klägers ist nach der hierfür einschlägigen Rechtsprechung des BGH zur Frage,
wann die Errichtung eines Sparkontos auf den Namen eines Anderen auf einen Vertrag zugunsten Dritter schließen lasse, nicht
entscheidend, dass das Sparkonto auf den Namen des Klägers errichtet worden ist. Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß der
Vereinbarung mit der Sparkasse Kontoinhaber werden sollte. Fehlen ausdrückliche schriftliche Vereinbarungen zwischen den bei
der Errichtung des Kontos Beteiligten, so ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Gläubigerstellung des im Sparbuch Benannten
oder eines Dritten vorliegen. Ein wesentliches Indiz kann dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt, denn gemäß §
808 BGB wird die Sparkasse durch die Leistung an den Inhaber des Sparbuchs auf jeden Fall dem Berechtigten gegenüber frei. Typischerweise
ist, wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, aus
diesem Verhalten zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten
will.
Vgl. BGH, Urteil vom 18.1.2005 - X ZR 264/02 -, FamRZ 2005, 510.
Ausgehend von diesen Grundsätzen, die der erkennende Senat der Entscheidung des vorliegenden Falles zugrunde legt, hat der
Kläger die aus dem Sparbuch folgende Forderung des Sparguthabens gegen die Sparkasse nicht erworben, obwohl das Sparkonto
auf seinen Namen lief.
Eine über den Namenseintrag hinausgehende ausdrückliche Vereinbarung, wonach der Kläger und nicht seine Großmutter Inhaber
des Guthabens ab Errichtung des Kontos oder später geworden ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es ist auch nach
den gesamten Umständen nicht feststellbar, dass der Kläger Inhaber des Guthabens auf dem Konto war.
Der Vortrag des Klägers zu den Umständen, unter denen seine Großmutter dieses Konto angelegt hat, wird durch die Erklärung
der Großmutter bestätigt und vom Beklagten auch nicht bestritten. Danach sprechen insbesondere die Tatsachen, dass die Großmutter
zwar den Namen des Klägers in das Sparbuch hat eintragen lassen, um es dem Kläger im Unterschied zu einem seinem Bruder zugedachten
Buch zuordnen zu können, jedoch ihre eigene Adresse angegeben hat, weil von vornherein allein sie das Sparbuch aufbewahren
und deshalb den Geschäftsverkehr mit ihrer heimischen Sparkasse über ihre eigene Adresse abwickeln lassen wollte und abgewickelt
hat, dafür, dass die Großmutter selbst Inhaberin des Kontos und der damit verbrieften Forderung gegen die Sparkasse werden
wollte und geworden ist.
Dass die Großmutter, und zwar auch aus der Sicht der Sparkasse, Vertragspartner der Kasse und Inhaberin des Sparkontos war,
zeigt sich auch daran, dass die jeweiligen Änderungen der dem Sparbuch zugrunde liegenden Konditionen nicht durch den Kläger,
sondern durch seine Großmutter veranlasst und die entsprechenden Vereinbarungen mit der Sparkasse allein von ihr ohne einen
Zusatz etwa hinsichtlich einer rechtsgeschäftlichen Vertretung getroffen worden sind. Auch die Bestätigung der Sondervereinbarung,
die im Gegensatz zu den sonstigen Schreiben u. a. die Anschrift des Klägers enthält, ist ohne jeden Zusatz nur von dessen
Großmutter unterschrieben worden. Auch die Auflösung des Sparbuchs ist nach dem vom Beklagten nicht angegriffenen Vortrag
des Klägers allein durch die Großmutter in der Form vorgenommen worden, dass sie sich das Sparguthaben zunächst auf ihr eigenes
Konto hat auszahlen lassen, bevor sie es an den Kläger überwiesen hat.
Auch der Umstand, dass die während der Laufzeit des Sparbuchs einzig vorgenommene Auszahlung durch die Großmutter des Klägers
verfügt worden und das ausgezahlte Geld von ihr nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern von ihr selbst verwandt worden
ist, zeigt deutlich auf, dass die Großmutter des Klägers als Kontoinhaberin auftrat und handelte.
Entscheidend kommt hinzu, dass die Großmutter des Klägers das Sparbuch nach dem vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des
Klägers von Anfang an seit der Errichtung des Sparkontos bis zur Fälligkeit des Sparguthabens nicht aus der Hand gegeben,
sondern stets bei sich aufbewahrt hat.
Eine Gesamtwürdigung all dieser Umstände rechtfertigt nach der Überzeugung des Senates allein den Schluss, dass das Sparkonto
der Großmutter des Klägers zuzurechnen ist und der Kläger zu keiner Zeit über die sich aus dem Sparguthaben gegen die Sparkasse
ergebende Forderung auf Auszahlung des Sparguthabens verfügen konnte.
Die hier festzustellende Art und Weise des Umgangs mit dem Sparbuch entspricht dem von der oben dargestellten Rechtsprechung
des BGH typischerweise angenommenen Verhalten, aus dem in der Regel zu schließen ist, dass der Zuwendende sich die Verfügung
über das Sparguthaben vorbehalten will. Ein solches Verhalten wird entgegen der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vertretenen Auffassung offensichtlich nicht nur von der praktischen Erwägung gesteuert, das Sparbuch in der Hand zu halten,
um regelmäßig Einzahlungen vornehmen zu können. Abgesehen davon, dass im fraglichen Zeitraum solche Einzahlungen nicht, sondern
nur Zinsgutschriften erfolgt sind, wäre hierfür nämlich der Besitz des Buches nicht zwingend erforderlich gewesen. Mit dem
Besitz sollte vielmehr die Verfügungsberechtigung erhalten bleiben.
Dass der BGH in der oben genannten Entscheidung auch darauf abgestellt hat, dass es sich um einen Fall handelt, in dem typischerweise
der Vorbehalt des Verfügungsrechts sich bis zum Tode des Zuwendenden erstrecken soll, während hier die Großmutter von Anfang
an an ein "Kleines Startkapital" für den Berufseinstieg gedacht hatte, lässt den Schluss auf ein früheres Verfügungsrecht
des Klägers nicht zu. Denn abgesehen davon, dass hier nur wegen des von der Großmutter erreichten Alters ein Übergang der
Inhaberschaft an dem Konto schon zu ihren Lebzeiten erfolgen konnte, handelt es sich um einen Fall, in dem typischerweise,
wie in dem Fall der Zuwendung von Todes wegen anzunehmen ist, dass der Zuwendende sich das Verfügungsrecht über das Sparguthaben
bis zum geplanten Zeitpunkt der Zuwendung vorbehalten will.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger einen Freistellungsauftrag für das Sparkonto unterschrieben hat. Entgegen der
vom Beklagten vertretenen Auffassung ist allein durch die Unterschrift unter diesen Auftrag eine neue Vereinbarung über den
Inhaber des Sparkontos nicht getroffen worden. Dass eine solche Vereinbarung in der zur Freistellung abgegebenen konkreten
Erklärung nicht enthalten war, ist offensichtlich. Auch für eine konkludente Vereinbarung sind hinreichende Anhaltspunkte
nicht vorgetragen worden und vor allem deshalb nicht ersichtlich, weil die Großmutter auch nach Erteilung dieses Freistellungsauftrages
durch den Kläger das Sparbuch weiterhin allein aufbewahrt und die danach folgenden Geschäfte im Zusammenhang mit dem Sparkonto
selbst vorgenommen hat. Schließlich kann auch der Umstand, dass der Kläger spätestens seit diesem Freistellungsauftrag objektiv
von der Existenz des Sparkontos wusste, für sich allein noch nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Begründung seiner Gläubigerstellung
führen. Ein objektiver Erklärungsgehalt, der nur den Schluss zuließe, dass alle Beteiligten zumindest ab diesem Zeitpunkt
den Kläger und nicht mehr dessen Großmutter als Gläubiger der auf dem Sparkonto verbrieften Forderung ansahen, ist deshalb
entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht hier auch nicht erkennbar.
Auch der Umstand, dass nach §
44 a Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 EStG nur der Gläubiger der Kapitalerträge einen Freistellungsauftrag erteilen kann, kann eine Gläubigerstellung des Klägers nicht
begründen. Denn abgesehen davon, dass sich das Recht zur Erteilung eines Freistellungsauftrages nach der Gläubigerschaft richtet
und die Gläubigerschaft nicht durch einen solchen Auftrag erst entstehen kann, stellt sich hier die Frage, ob der Kläger den
Freistellungsauftrag nicht zu Unrecht erteilt hat, da er, wie oben dargestellt, entgegen der irrtümlichen Ansicht der Sparkasse
nicht Gläubiger des Sparkontos war, obwohl das Konto auf seinen Namen lief. Auch dies zeigt, dass jedenfalls allein die mit
der Erteilung des Freistellungsauftrages verbundene Erklärung des Klägers ihn nicht zum Gläubiger des Sparkontos machen konnte.