Schwerbehindertenrecht: Unentgeltliche Beförderung; Verbundtarif; Haustarif; Beförderungsentgelt; Verkehrsverbund; Ausgleichszahlungen;
Subvention; Öffentlicher Personennahverkehr; Zuschuss
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, bei der Erstattung von Fahrgeldausfällen nach §
145 Abs.
3 in Verb. mit §
148 Abs.
1 SGB IX Ausgleichszahlungen des Landkreises im Rahmen der Abrechnung der Fahrgelderlöse als Fahrgeldeinnahmen zu berücksichtigen.
Die Klägerin betreibt ein Beförderungsunternehmen im öffentlichen Personennahverkehr. Zum 01.01.2000 wurde zur Verbesserung
des öffentlichen Personennahverkehrs der in Tarifzonen untergliederte und von mehreren Verkehrsunternehmen bediente Verkehrsverbund
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX gebildet. Gleichzeitig wurde für verbundinterne Fahrten ein einheitlicher Verbundtarif, der RegioTarif
Schwäbisch Hall, eingeführt. Für sog. ein- und ausbrechende Fahrten, deren Quelle oder Ziel außerhalb des RegioTarifgebietes
liegen, wurden daneben sogenannte Haustarife der einzelnen Unternehmen beibehalten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 4 der Beförderungsbestimmungen
der XXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX). Beide Tarife sind beförderungsrechtlich genehmigt. In diesem Zusammenhang wurde am 02.12.1999
zwischen dem Landkreis Schwäbisch Hall, der Rechtsvorgängerin der Klägerin und anderen Verkehrsunternehmen sowie der Verkehrsgemeinschaft
XXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXX (inzwischen XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX) der "Vertrag über die Einführung eines einheitlichen Kundentarifs
im Landkreis Schwäbisch Hall RegioTarif Schwäbisch Hall" geschlossen. Der Vertrag sieht Ausgleichszahlungen des Landkreises
für Verluste der Verkehrsunternehmen aufgrund der Harmonisierung von Tarifen bzw. der Durchtarifierung vor, die von der VSH
anhand der vereinbarten und beförderungsrechtlich genehmigten Haustarife "fahrscheinscharf" ermittelt und abgerechnet werden.
Der Landkreis Schwäbisch Hall erhält seinerseits vom Beklagten zur Abdeckung der kooperationsbedingten Lasten des Nahverkehrsverbundes
Schwäbisch Hall eine jährliche Zuwendung.
Mit Anträgen vom 07.07.2004, 24.06.2005 und vom 05.07.2006 beantragte die Klägerin für die Jahre 2003, 2004 und 2005 die Erstattung
von Fahrgeldausfällen für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personennahverkehr (357.551,51
EUR, 371.584,21 EUR und 390.723,70 EUR). Der Abrechnung nach unstreitigen Erstattungssätzen lagen jeweils die jährlichen durch
die Ausgleichszahlungen anhand des Haustarifes bereinigten Einnahmen zugrunde. Nach umfangreichem Schriftverkehr setzte das
Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheiden vom 06.08.2004, 02.08.2005 und vom 24.08.2006 die Erstattungsleistungen vorläufig
um 15% niedriger als beantragt fest, da als maßgebende Fahrgeldeinnahmen lediglich die Einnahmen aus dem Verbundtarif angesehen
werden könnten.
Nachdem die VSH eine vom Rechnungsprüfungsamt des Landkreises Schwäbisch Hall testierte Vergleichsberechnung für die einzelnen
Verkehrsunternehmen auf der Basis des RegioTarifes anhand eines Hilfsschlüssels nach den Anteilen an den Haustarifeinnahmen
vorgelegt hatte, setzte das Regierungspräsidium Stuttgart unter Ersetzung der vorläufigen Bescheide die Erstattungsbeträge
mit Bescheid vom 13.02.2007 neu fest und zwar für das Jahr 2003 auf 321.421,76 EUR, für das Jahr 2004 auf 334.964,44 EUR und
für das Jahr 2005 auf 353.095,67 EUR.
Am 12.03.2007 hat die Klägerin Klage erhoben und die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung von Fahrgeldausfällen in Höhe
357.551,51 EUR für 2003, 371.584,21 EUR für 2004 und 390.723,70 EUR für 2005 begehrt. Zur Begründung stellt sie darauf ab,
ihr stehe für die streitigen Kalenderjahre eine erhöhte Erstattungssumme zu, die sich aus der Heranziehung ihrer Einnahmen
aus dem Haustarif als Bemessungsgrundlage für das Erstattungsverfahren ergebe. Denn gemäß §
148 Abs.
2 SGB IX seien Fahrgeldeinnahmen alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zum genehmigten Beförderungsentgelt. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zum Personenbeförderungsrecht habe man nicht zu berücksichtigen, ob das Entgelt ganz oder zum
Teil vom Fahrgast, von der öffentlichen Hand oder von einem Dritten gezahlt werde. Der vom Fahrgast bezahlte Fahrpreis sei
damit nicht zwangsläufig mit dem Beförderungsentgelt gleichzusetzen, das gemäß §
148 Abs.
2 SGB IX die Grundlage für die Erstattungsleistungen darstelle. Die von der Klägerin erzielten Fahrgeldeinnahmen aus dem Verbundtarif
seien aus verkehrs- und sozialpolitischen Gründen niedriger angesetzt als die Einnahmen aus dem Haustarif. Damit stelle die
Zuzahlung der öffentlichen Hand eine Leistung des Beförderten dar und gerade keine Subvention des Beförderungsunternehmens.
Das ergebe sich auch daraus, dass die Zuweisungen in umsatzsteuerbarer Weise erfolgten. Der Landkreis erstatte der Klägerin
nämlich die Differenz zwischen Verbundtarif und Haustarif einschließlich der hierauf entfallenden Umsatzsteuer, welche die
Klägerin dann abführe. Deswegen handele es sich bei der Zuwendung um ein zusätzliches Entgelt eines Dritten auf die Beförderungsleistung
nach Abschnitt 150 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 bis 6 UStR 2000. Der Haustarif sei zudem genehmigtes Beförderungsentgelt. Eine Aufschlüsselung der Einnahmen aus dem Verbundtarif auf die
einzelnen Verkehrsunternehmen sei nahezu unmöglich. Schließlich sei auch noch darauf hinzuweisen, dass die vergleichbaren
Ausgleichszahlungen für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen nach § 45a PBefG (für Schülerkarten) durch den Beklagten schon immer und auch in den letzten Jahren unverändert auf der Grundlage des Haustarifs
erfolgten. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb man bei der Berechnung von Ausgleichszahlungen nach § 45a PBefG anders verfahre als bei der Berechnung von Ausgleichszahlungen nach §
148 SGB IX.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Nach seiner Kenntnis handele
es sich beim Tarifmodell, an welchem die Klägerin partizipiere, um ein bundesweit einmaliges Modell. Bemessungsgrundlage für
die Höhe der Erstattungsforderungen könnten nur die Einnahmen der Klägerin aus dem Verbundtarif sein. Denn von den begünstigten
Schwerbehinderten würde die Klägerin bei Entfallen der Vergünstigung auch nur das Entgelt nach dem Verbundtarif erhalten.
Das Begehren der Klägerin laufe auf eine kostendeckende Erstattung des Aufwands für die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter
hinaus, die sich dem Gesetz nicht entnehmen lasse. Der Unterschied zwischen Haustarif und Verbundtarif basiere auf einer politisch
motivierten Absenkung des Verbundtarifs und stehe gerade nicht mit der Beförderung Schwerbehinderter in Zusammenhang. Die
Zuzahlung des Landkreises stelle also keine Tarifzahlung für den Fahrgast dar, sondern eine Zuschussleistung, die lediglich
die Verkehrsleistung stärker im Blick habe als eine pauschale Subventionierung. Diese Fallgruppe unterscheide sich auch von
der im Schülerbeförderungsverkehr anzutreffenden Fallgruppe, bei welcher der Bruttofahrpreis mit dem Fahrgast (Schüler) vereinbart
werde, aber nur zum Teil vom Fahrgast, zum Teil vom Träger der Schülerbeförderung getragen werde. In einem solchen Fall sei
der Gegenstand des Beförderungsvertrags und des vereinbarten Entgelts der Gesamtpreis.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23.11.2007 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt,
dass den Fahrgeldeinnahmen im Sinne des §
148 Abs.
2 SGB IX die höheren Einnahmen nach dem ebenfalls genehmigten Haustarif zugrunde zu legen seien. Die Erstattungen nach §
148 SGB IX seien dazu bestimmt, die Verkehrsunternehmen für Leistungen zu entschädigen, die sie im Interesse der Allgemeinheit zu erbringen
hätten. Hätte im vorliegenden Fall ein Mensch mit Schwerbehinderung in einem Fahrzeug der Klägerin ein reguläres Ticket gelöst,
hätte die Klägerin nicht nur diesen Erlös, sondern regelmäßig noch zusätzlich eine Zuwendung des Landkreises erhalten. Solche
Zuwendungen Dritter, die primär einer Bezuschussung des Fahrgastentgelts und damit des Fahrgastes dienten, seien daher zu
den "Erträgen aus dem Fahrkartenverkauf zum genehmigten Beförderungsentgelt" zu zählen. Die Zuwendung im vorliegenden Fall
diene primär nicht dazu, allgemeine Verluste der Klägerin auszugleichen. Dies zeige auch ihre umsatzsteuerrechtliche Behandlung
als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt.
Der Beklagte hat gegen das am 07.12.2007 zugestellte Urteil am 20.12.2007 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung
eingelegt und diese am 09.01.2008 begründet. Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. November 2007 - 9 K 2616/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass nur die Einnahmen aus dem Verbundtarif als Fahrgeldeinnahmen im Sinne des §
148 Abs.
2 SGB IX zu berücksichtigen seien. Beförderungsentgelt sei die in Geldwert ausgedrückte Gegenleistung des Fahrgastes für die in Anspruch
genommene Beförderungsleistung des Verkehrsunternehmens, wie sie in den Beförderungsbestimmungen zum Ausdruck komme. Maßgebend
sei deshalb der RegioTarif, der allein dem Beförderungsvertrag mit dem Fahrgast zugrunde liege. Der Zweck des Haustarifs,
soweit er neben den RegioTarif gestellt sei, erschöpfe sich in einer Berechnungsgrundlage für die Verbundfinanzierung. Eine
über den RegioTarif hinausgehende Vereinbarung des Haustarifes verstieße im Übrigen gegen § 39 Abs. 3 PBefG. Auch der Normzweck der §§
145 ff.
SGB IX gebiete keine andere Auslegung. Abgegolten werden solle die ohne die gesetzliche Inpflichtnahme entgeltliche Dienstleistung
nach dem maßgeblichen tariflichen Beförderungsentgelt. Die spätere Aufzahlung des Landkreises aus dem Verkehrshaushalt erfolge
hingegen zur Abgeltung für die "Umsteigeverluste". In dieser Verteilung der Lasten solle durch die Freifahrtregelung nur insoweit
eine Änderung eintreten, als der Schwerbehinderte mit Fahrtkosten belastet sei. Eine Entlastung des Verkehrshaushaltes habe
nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegen. Das Defizit aus der politisch motivierten Absenkung der Verbundtarife gegenüber dem
Binnentarif stehe nicht mit der Beförderung Schwerbehinderter in Zusammenhang. Die steuerrechtliche Behandlung der Zuwendung
sei für die Auslegung der Erstattungsregelung ohne Belang.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtenen Urteil und trägt im Wesentlichen noch vor, die Berufung verkenne, dass auch der Haustarif
genehmigt und damit allgemeinverbindlich und auch gemäß § 39 Abs. 7 PBefG bekanntgemacht worden sei. Ihm komme aufgrund der vertraglichen Bindung auch Außenwirkung zu. Zum anderen verlange §
148 Abs.
2 SGB IX nicht, dass das Fahrgeld ganz oder teilweise vom Fahrgast selbst bezahlt worden sei. Nur eine Kostenauffüllung unterfalle
von vorneherein nicht dem Begriff der Erträge aus dem Fahrkartenverkauf und wäre auch nicht umsatzsteuerpflichtig. Eine Mehrbelastung
im Landeshaushalt trete durch die Abrechnung nach dem Haustarif nicht ein. Der Beklagte zahle nicht mehr als das, was er ohne
die - nach § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG und § 9 ÖPNVG BW vom Gesetzgeber gewünschte - Tarifkooperation hätte zahlen müssen. Ein Defizit bei den Fahrgeldeinnahmen entstehe
infolge der Abrechnung der Beförderungsausfälle nach dem Haustarif nicht. Schließlich liege weder ein Verstoß gegen das Verbot
des § 39 Abs. 3 PBefG vor noch werde die Klägerin gegenüber Verbundunternehmen mit Alteinnahmegarantien besser gestellt.
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Inhalt der
Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§
125 Abs.
1,
101 Abs.
2 VwGO).
Die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht
stattgegeben. Der Klägerin stehen die geltend gemachten weiteren Erstattungen für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter
Menschen in den Kalenderjahren 2003, 2004 und 2005 nicht zu.
1. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsansprüche ist §
145 Abs.
3 i.V.m. §
148 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch -
SGB IX - vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046; m.sp.Änd.). Danach werden den Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs die durch die unentgeltliche Beförderung
von schwerbehinderten Menschen entstehenden Fahrgeldausfälle nach Maßgabe des in den §§
148 bis
150 SGB IX vorgesehenen Pauschalsystems erstattet. Die sich hieraus ergebenden Anspruchsvoraussetzungen sind für die geltend gemachten
Erstattungsansprüche jedoch nicht erfüllt.
1.1 Nach §
145 Abs.
1 Satz 1
SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt
oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern - wie die Klägerin -, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen
Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten - und mit einer gültigen Wertmarke versehenen (§
145 Abs.
1 Satz 2
SGB IX) - Ausweises nach §
69 Abs.
5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des §
147 Abs.
1 SGB IX unentgeltlich befördert. Durch diese in §
145 Abs.
1 Satz 1
SGB IX statuierte Verpflichtung, schwerbehinderte Menschen gegen eine pauschale staatliche Vergütung unentgeltlich zu befördern,
wird in das Recht der Verkehrsunternehmer zur freien Berufsausübung eingegriffen. Diese, durch legitime sozialpolitische Ziele
gerechtfertigte Indienstnahme Privater ist nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zumutbar, weil der Gesetzgeber
die Beförderungspflicht mit einem Erstattungsanspruch gekoppelt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.10.1984 - 1 BvL 18/82 u.a. -, BVerfGE 68, 155 >172<). Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Berufsausübungsregelung ist demgemäß, dass die betroffenen
Verkehrsunternehmen nicht einer unvertretbaren Sonderbelastung ausgesetzt werden. Dieser verfassungsrechtlichen Ausgangslage
entspricht auch der Wille des Gesetzgebers, der mit dem Erstattungssystem sichergestellt sehen wollte, "dass die Verkehrsunternehmer
volle Erstattung der ihnen durch die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter entstehenden Fahrgeldausfälle erhalten"
(vgl. etwa Gesetzentwurf der Bundesregierung über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr,
BT-Drs. 8/2453, S. 23).
1.2 Nach §
148 Abs.
1 SGB IX werden die Fahrgeldausfälle im Nahverkehr nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen
im Nahverkehr erstattet. Fahrgeldeinnahmen im Sinne dieses (13.) Kapitels sind nach §
148 Abs.
2 SGB IX alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zum genehmigten Beförderungsentgelt; sie umfassen auch Erträge aus der Beförderung
von Handgepäck, Krankenfahrstühlen, sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln, Tieren sowie aus erhöhten Beförderungsentgelten.
Werden in einem - wie hier - von mehreren Unternehmern gebildeten zusammenhängenden Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen
Beförderungsentgelten die Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zusammengefasst und dem einzelnen Unternehmer anteilmäßig nach
einem vereinbarten Verteilungsschlüssel zugewiesen, so ist nach §
148 Abs.
3 SGB IX der zugewiesene Anteil Ertrag im Sinne des Absatzes 2. Höhere Erträge in diesem Sinne in den Jahren 2003, 2004 und 2005 als
in dem Bescheid vom 13.02.2007 ermittelt hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
1.2.1 Die Einnahmen der Klägerin aus dem Fahrkartenverkauf lassen sich nicht allein nach den Erträgen aus eigenen Fahrkartenverkäufen
bemessen, sondern gestalten sich nach den im Vertrag vom 02.12.1999 vereinbarten Tarifstrukturen und Abrechnungsmodalitäten.
Nach dessen § 3 Abs. 1 wird der einheitliche Kundentarif (RegioTarif Schwäbisch Hall) vom Landkreis Schwäbisch Hall nach Maßgabe
dieses Vertrages sowie auf der Grundlage des ÖPNV-Rahmenvertrages eingeführt und finanziert, wobei der Beklagte aufgrund der
Vereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg, dem Landkreis Schwäbisch Hall und der Verkehrsgemeinschaft XXXXXXXXXXXXXXXX
über die Finanzierung des Nahverkehrsverbunds Schwäbisch Hall vom 02.12.1999 und etwaigen Folgevereinbarungen für einen Teil
der kooperationsbedingten Lasten des Verkehrsverbundes (Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste sowie Kosten der RegioTarifabrechnung)
dem Landkreis Schwäbisch Hall jährliche Zuwendungen gewährt. Nach § 4 führen die Verkehrsunternehmen nach § 42 PBefG und § 6 AEG ihre Betriebe eigenwirtschaftlich in eigenem Namen und auf eigene Rechnung auf der Basis ihrer genehmigten Haustarife. Die
Verkehrsunternehmen wenden gleichwohl nach § 6 Abs. 1 ab dem 01.01.2000 ausschließlich den RegioTarif Schwäbisch Hall nach
Anlage 1 in der jeweils gültigen Fassung als Kundentarif i.S. des § 2 dieses Vertrages für alle Beförderungen mit Quelle und
Ziel innerhalb des Landkreises Schwäbisch Hall (RegioTarifgebiet) an. Der RegioTarif Schwäbisch Hall gilt somit jeweils von
der ersten Haltestelle im Landkreis bis zur letzten Haltestelle vor der Kreisgrenze. Für ein- und ausbrechende Verkehre gelten
die jeweiligen Haustarife bzw. Linienbestimmungen weiter. Nach § 2 stellt der Kundentarif die gegenüber dem Fahrgast einheitlich
von allen Verkehrsunternehmen angewandten Fahrpreise dar. Die genehmigten Haustarife der Verkehrsunternehmen bilden die Grundlage
für die tatsächlichen, originären Fahrgelderlöse der Verkehrsunternehmen. Jedem im Kundentarif verkauften Fahrausweis wird
der tatsächliche Haustarif gegenübergestellt. Etwaige Harmonisierungsunter/-überdeckungen sowie Durchtarifierungsunterdeckungen
werden entsprechend den Regelungen in diesem Vertrag "fahrscheinscharf" ermittelt und vom Landkreis ausgeglichen.
Nach § 7 Abs. 1 erstellt die VSH anhand der monatlichen Verkaufszahlen bis zum 20. des Folgemonats eine RegioTarifabrechnung
für jedes Unternehmen mit einem Vergleich der kassenmäßigen Einnahmen zu den tatsächlichen Haustariferlösen und den sich daraus
ergebenden kassenmäßigen Mehr- oder Minderausgleichen durch die VSH oder die Verkehrsunternehmen. Auf der Grundlage dieser
Unternehmensabrechnungen erstellt die VSH dann ebenfalls bis zum 20. des Folgemonats die RegioTarifabrechnung für den Landkreis
mit den sich daraus ergebenden, vom Landkreis an die VSH vorzunehmenden Ausgleichszahlungen.
1.2.2 Auch wenn danach die verbundinterne Abrechnung zwischen den einzelnen Verkehrsunternehmen sowie zwischen ihnen und dem
Landkreis anhand der Haustarife der Verkehrsunternehmen erfolgt, wird gegenüber den Fahrgästen allein der sozialpolitisch
gewünschte Verbundtarif, der RegioTarif Schwäbisch Hall, angewandt. Allein er stellt für verbundinterne Fahrten das genehmigte
Beförderungsentgelt im Sinne des § 39 Abs. 1 PBefG dar und wird den geltenden Tarif- und Beförderungsbedingungen zugrunde gelegt. Die vor dem 01.01.2000 angewandten Haustarife
bleiben - neben ihrer Eigenschaft als genehmigtes Beförderungsentgelt für ein- und ausbrechende Fahrten - für verbundinterne
Fahrten lediglich als interne Abrechnungstarife bestehen, ohne dass sie gegenüber den Fahrgästen insoweit Geltung beanspruchen.
Die Frage ihrer Vereinbarkeit mit § 39 Abs. 3 PBefG stellt sich danach auch insoweit nicht. Alle Ausgleichsleistungen für Verluste im Bereich der Harmonisierung von Tarifen
oder der Durchtarifierung werden dabei zwar "fahrscheinscharf" ermittelt, ohne dass noch ein pauschaler Verbundzuschuss des
Landkreises erfolgt. Am Zuschusscharakter der Ausgleichleistungen hat sich aber insoweit, als der Ausgleich über reine organisatorische,
nicht von Sinn und Zweck des §
148 Abs.
3 SGB IX erfasste und bereits verbundintern nach §
7 Abs.
1 Satz 1 des Vertrages vom 02.12.1999 auszugleichende Abrechnungsverluste hinausgeht, sondern als Ausgleich für die sich aus
der Anwendung des gegenüber den Haustarifen verbilligten RegioTarifs ergebenden Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen erfolgt,
nichts geändert.
2. Hiernach wurden die der Erstattung von Fahrgeldausfällen zugrunde zu legenden Fahrgeldeinnahmen der Klägerin zutreffend
anhand der Erträge aus dem Fahrkartenverkauf nach dem als Beförderungsentgelt genehmigten RegioTarif Schwäbisch Hall ermittelt
(§
148 Abs.
2 SGB IX). Allein dieses Beförderungsentgelt wäre wie bereits ausgeführt nach den Beförderungsbedingungen von einem durch §
145 Abs.
1 Satz 1
SGB IX Begünstigten für eine Fahrt innerhalb des RegioTarifgebietes zu entrichten, wenn dieser nicht unentgeltlich befördert werden
müsste. Die pro Fahrschein durch den Landkreis zusätzlich erfolgende Abgeltung allgemeiner Mindereinnahmen aus der Anwendung
des RegioTarifs sind hingegen nicht als Fahrgeldeinnahmen zu berücksichtigen.
2.1 Schon nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Vorgängervorschriften waren Fahrgeldeinnahmen
dem Wortlaut nach Einnahmen an Fahrgeld. Fahrgeld aber ist nach dem schlichten und üblichen Wortverständnis das, was beim
Erwerb eines Fahrausweises als Entgelt entrichtet wird, also regelmäßig das, was der Benutzer des Verkehrsmittels aufwendet
(vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.1975 - VII C 52.73 -, Buchholz 442.010 § 4 UnBefG Nr. 3; Urteil vom 25.02.1972 - VII C 37.71 -, BVerwGE 39, 349). Für den Begriff der Fahrgeldeinnahme ist dabei zwar ohne Bedeutung, ob das Entgelt ganz oder zum Teil vom Benutzer selbst,
von dritter Seite oder von der öffentlichen Hand gezahlt wird (vgl. Urteil des Senats vom 11.03.2008 - 9 S 1369/06 -, juris; BT-Drs. 8/2453, S. 12). Ein Beförderungsentgelt im Sinne des § 39 Abs. 1 PBefG liegt vielmehr auch dann vor, wenn die Leistung des Dritten einen Anspruch des Verkehrsunternehmens abgelten soll, den dieses
sonst gegenüber dem Beförderten hätte. In einem solchen Fall tritt die Leistung des Dritten nur an die Stelle der Leistung
des Beförderten; sie bleibt also Gegenleistung für die Tätigkeit des Beförderungsunternehmens und dient nicht dem Ausgleich
von Defiziten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1979 - VII C 56.75 -, Buchholz 442.01 § 39 PBefG Nr. 1). Vom Wortlaut her ist es allerdings nicht mehr gerechtfertigt, als Fahrgeld auch Beträge anzusehen, die zum Ausgleich
von Defiziten eines Verkehrsunternehmens vom Gewährträger, von Gesellschaftern oder sonstigen Personen gezahlt werden, auch
wenn die Defizite lediglich deswegen entstehen und also die Zahlungen lediglich deswegen geleistet werden, weil die Fahrpreise
niedrig gehalten werden sollen, und zwar nicht nur für einzelne Personen oder Personengruppen, sondern für jedermann (vgl.
BVerwG, Urteil vom 31.01.1975 - VII C 52.73 -, a.a.O.).
An diese klare und eindeutige Wortlautauslegung des Begriffs "Fahrgeld" knüpft die gesetzliche Definition der Fahrgeldeinnahmen
in §
148 Abs.
2 SGB IX ersichtlich an. Durch diese Beschreibung wird klargestellt, dass allein das für den Verkauf eines Fahrscheins an den Kunden
genehmigte Beförderungsentgelt (§ 39 Abs. 1 PBefG) maßgeblich ist. Allgemeine Abgeltungszahlungen oder andere allgemeine Zuschüsse der öffentlichen Hand sind nicht einzubeziehen,
auch wenn sie zur Ertragssteigerung bei den aus sozialpolitischen Gründen nicht kostendeckend befördernden Unternehmen beitragen
sollen (vgl. Begründung zum Entwurf des § 60 Abs. 2 SchwbG, BT-Drs. 8/2453, S. 12). Unerheblich dabei ist, ob ein pauschaler Zuschuss als allgemeiner Defizitausgleich gewährt wird
oder ob eine "fahrscheingenaue" Abrechnung erfolgt und - wie hier - für jeden einzelnen Fahrkartenverkauf eine konkret bemessene
Abgeltung von allgemeinen Mindereinnahmen aus öffentlichen Haushalten vorgenommen wird. Denn auch diese "fahrscheinscharfe"
Abgeltung ist kein "Ertrag aus dem Fahrkartenverkauf". Auch sie tritt insoweit nicht (teilweise) an die Stelle der Leistung,
die der Fahrgast für seine Beförderung nach den allgemein geltenden Tarifbestimmungen entrichten muss. Ebenso ist im vorliegenden
Zusammenhang der Auslegung schwerbehindertenfürsorgerechtlicher Regelungen ohne Bedeutung, wie diese Leistung des Landkreises
an die Verkehrsunternehmen derzeit von den Finanzbehörden umsatzsteuerrechtlich behandelt wird.
.
2.2 Auch Sinn und Zweck der jetzigen - wie schon der früheren in §§ 3 und 4 UnBefG bzw. §§ 59 Abs. 3, 62 Abs. 1 bis 3 SchwbG in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 09.07.1979 (BGBl.
S. 989) - gesetzlichen Regelung, wie er sich auch aus dem Zusammenhang des §
148 Abs.
1 und
2 mit §
145 Abs.
3 SGB IX erschließt, bestätigen die Auslegung nach dem Wortlaut des Gesetzes. §
145 Abs.
3 SGB IX sieht die Erstattung der durch die unentgeltliche Beförderung entstandenen Fahrgeldausfälle, also der Mindereinnahmen vor,
die dadurch entstehen, dass die vom Gesetz begünstigten Personen nicht zu bezahlen brauchen, was die anderen Benutzer der
Verkehrsmittel, die nicht diese Begünstigung genießen, entrichten müssen. §
148 Abs.
1 SGB IX legt für die Berechnung der zu erstattenden Fahrgeldausfälle die nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen zugrunde. Aus dem Zusammenhang
dieser beiden Vorschriften folgt, dass das zur unentgeltlichen Beförderung verpflichtete Unternehmen in pauschalierter Form
das erhalten soll, was es von den Begünstigten erhalten würde, wenn diese nicht unentgeltlich befördert werden müssten. Von
den Begünstigten würde die Klägerin nur Fahrgelder wie von anderen erhalten, die die Verkehrsmittel zu normalen Bedingungen
benutzen, also ohne einen Zuschlag, der - wie insoweit die Ausgleichszahlung des Landkreises nach §§ 2 und 7 des Vertrages
vom 02.12.1999 - die Differenz zwischen dem tatsächlich erhobenen (nach dem RegioTarif) und einem kostendeckenden Beförderungsentgelt
(nach dem Haustarif) auffüllen würde. Ebenso wenig wie von dem, der die Verkehrsmittel zu Normalbedingungen benutzt, könnte
die Klägerin die Differenz zum kostendeckenden Entgelt mithin auch nicht von einem durch §
145 Abs.
1 Satz 1
SGB IX Begünstigten verlangen; dies kann sie nach Wortlaut, Sinn und Zweck der §§
145 Abs.
3 und
148 SGB IX dann aber im Wege der Erstattung ebenfalls nicht. Im Grunde läuft das Begehren der Klägerin auf eine (in pauschalierter Form
kostendeckende) Erstattung des Aufwandes hinaus, der für die Beförderung der nach §
145 Abs.
1 SGB IX begünstigten Personen erforderlich ist. Eine solche Regelung enthält das Gesetz aber nicht, sondern knüpft die Erstattung
an die Fahrgeldeinnahmen, und zwar unabhängig davon, ob die Erträge aus dem Fahrkartenverkauf Gewinne ermöglichen oder zu
Verlusten führen (so ausdrücklich schon BVerwG, Urteil vom 31.01.1975 - VII C 52.73 -, a.a.O., zu den §§ 3 und 4 UnBefG; vgl. auch Begründung zum Entwurf des § 60 Abs. 2 SchwbG, BT-Drs. 8/2453, S. 12). Zur Abgeltung verbundbedingter Mindereinnahmen wegen Anwendung des RegioTarifs ist die Klägerin
vielmehr auch insoweit auf verbundbezogene Vereinbarungen zu verweisen.
3. Schließlich führt die im vorliegenden Fall gewählte Ermittlungsart für die Fahrgeldeinnahmen nicht zu rechtlichen Nachteilen
für die Klägerin. Einen konkret vereinnahmten Betrag an Fahrgeld im Sinne von §
148 Abs.
2 SGB IX aus dem Verkauf von Fahrscheinen zum RegioTarif als maßgeblichem genehmigten Beförderungsentgelt, der ihre tatsächlichen
Beförderungsleistungen in ihrem Beförderungsbereich innerhalb des Beförderungsverbundes wiederspiegelt, kann die Klägerin
aufgrund der verbundbedingten Tarifstrukturen nicht nachweisen. Auch der an sich für Tarifverbünde vorgesehene §
148 Abs.
3 SGB IX führt im vorliegenden Fall nicht weiter, da zwischen den einzelnen Verkehrsunternehmen des RegioTarifgebietes Schwäbisch
Hall aufgrund der speziellen Abrechnungsmodalitäten mit "fahrscheingenauer" Abrechnung keine Ertragsanteile an den zusammengefassten
Erträgen aus dem Fahrkartenverkauf anhand eines Verteilungsschlüssels vereinbart wurden. Die in Anlehnung an die Regelung
in §
148 Abs.
3 SGB IX - zugunsten der Klägerin und mit ihrer Zustimmung - von der Kreisverkehr XXXXXXXXXXXXXXXXX vorgeschlagene und vom Beklagten
akzeptierte Berechnungsmethode, die in einer Kombination nachgewiesener Anteile an den Gesamterlösen einschließlich vorgenommener
Ausgleiche anhand der Haustarife und Anwendung des sich daraus ergebenden (fiktiven) Verteilungsschlüssels auf die Gesamteinnahmen
des Verbundes an Fahrkartenverkäufen anhand des RegioTarifs besteht, führt aber ebenfalls zu sachgerechten Ergebnissen, die
den Ertragsanteil der Klägerin an den Gesamteinnahmen aus dem RegioTarif annähernd wiedergeben.
Sonstige Berechnungsfehler bei der Ermittlung der maßgebenden Erstattungsbeträge sind von der Klägerin weder vorgetragen,
noch sonst ersichtlich.
Die Klage war danach unter Änderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit nach §
188 Satz 2
VwGO liegt nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.05.1990 - 7 ER 101/90 -, Buchholz 310 §
88 VwGO Nr. 10; Urteil des Senats vom 11.03.2008 - 9 S 1369/06 -, juris).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in §
132 Abs.
2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
B e s c h l u s s vom 29. Juli 2007
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 110.377,55 EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.