Sozialhilferecht - Ausgrenzung, Diskriminierung, einmalige Leistung der Sozialhilfe, Klassenfahrt, schulische Gemeinschaftsveranstaltung,
Schülertausch
»1. Kann ein Schüler aus wirtschaftlichen Gründen an einer freiwilligen Veranstaltung wie dem Schüleraustausch nicht teilnehmen,
so ist der Sozialhilfeträger grundsätzlich nicht verpflichtet, Hilfe zum Lebensunterhalt durch eine einmalige Leistung zu
gewähren.
2. Dies gilt insbesondere, wenn die TeilnehmerInnen an dem Schüleraustausch durch das Los ermittelt worden sind und die Mehrheit
der SchülerInnen der Klasse aus Platzgründen sowieso zu Hause bleiben müssen.
3. Nimmt der hilfebedürftige Schüler das auf ihn entfallende Los nicht in Anspruch, so wird er nicht in einer Weise diskriminiert,
die sich mit den Aufgaben der Sozialhilfe nicht vereinbaren lässt.«
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 27. Februar 2004 ist zulässig, kann
aber in der Sache keinen Erfolg haben. Der beschließende Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass die
Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch i.S.v. §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO bezüglich der geltend gemachten Forderung auf Übernahme der Kosten für den Schüleraustausch in Höhe von 220,00 EUR glaubhaft
gemacht hat. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Antragstellerin im Verhältnis zu ihren am Schüleraustausch
teilnehmenden Mitschülern nicht in einer Weise ausgegrenzt wird, die sich mit der Aufgabe der Sozialhilfe nicht mehr vereinbaren
lässt, und dass insoweit der hier streitgegenständliche Schüleraustausch anders zu beurteilen ist als eine mehrtägige Klassenfahrt,
die im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht vom gesamten Klassenverband durchgeführt wird (s. hierzu BVerwG, Urteil vom 9.
Februar 1995 - 5 C 2/93 -, NJW 1995, 2369).
Im Beschwerdeverfahren hat sich herausgestellt, dass der Vortrag der Antragstellerin, sie sei zusammen mit ca. zwölf anderen
Schülern bzw. Schülerinnen der 9. Klassen wegen ihrer sehr guten bzw. guten Französischleistungen ausgewählt worden, nicht
zutreffend ist. Vielmehr wurde der Schüleraustausch allen etwa 90 Französischschülern bzw. -schülerinnen der Jahrgangsstufe
9 angeboten, wobei wegen der beschränkten Anzahl von französischen Gastfamilien ca. zwanzig Plätze ausgelost wurden, vier
Schüler haben sich selbst um eine Gastfamilie gekümmert. Zwar ist nicht zu verkennen, dass es für die Antragstellerin eine
Härte bedeutet, dass sie den Platz, der im Losverfahren auf sie gefallen ist, aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Anspruch
nehmen kann. Für die Frage der Ausgrenzung eines hilfebedürftigen Schülers ist jedoch im vorliegenden Fall nicht auf die Gruppe
der Schüler abzustellen, auf die das Los gefallen ist. Ausschlaggebend ist hier vielmehr, dass von den Französischschülerinnen
und Französischschülern, denen die Teilnahme an dem Schüleraustausch angeboten worden ist (ca. 90), der weit überwiegende
Teil zu Hause bleiben wird und wegen nicht ausreichender Platzangebote zu Hause bleiben musste. Gegenüber diesen ca. 66 Schülerinnen
und Schülern, die sich entweder an dem Losverfahren nicht beteiligt haben oder auf die das Los nicht gefallen ist, kann von
einer Diskriminierung der Antragstellerin nicht die Rede sein. Nimmt sie an dem Schüleraustausch nicht teil, so gehört sie
zur Mehrheit der daheimgebliebenen Schülerinnen und Schüler, wobei nicht auszuschließen ist, dass sich der eine oder andere
bereits aus wirtschaftlichen Gründen nicht am Losverfahren beteiligt hat.
Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem Schüleraustausch durch das Los ermittelt worden sind, ist die vom Verwaltungsgericht
wiedergegebene Angabe der Schule nachvollziehbar, hier handele es sich nicht um die Förderung von besonders begabten Schülerinnen
und Schülern. Zu Hause bleiben müssen nicht die - wie die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten vortragen lässt - schlechteren
Schüler, sondern diejenigen, die völlig leistungsunabhängig nicht durch das Los ermittelt worden sind. Die Argumentation des
Verwaltungsgerichts, mit diesem Schüleraustausch wolle die Schule einzelnen Schülern zusätzliche Bildungs- und Erfahrungsmöglichkeiten
zur Verfügung stellen, wie sie auch außerhalb der Schule angeboten würden, einmalige Leistungen im Sinne von § 21 Abs. 1, 1 a BSHG könne die Antragstellerin deshalb nicht beanspruchen, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden. Mag sich der hier zu entscheidende
Fall auch nicht unwesentlich von dem Fall der Teilnahme an freiwilligen schulischen Arbeitsgemeinschaften (s. hierzu BVerwG,
Urteil vom 28. März 1996 - 5 C 32/94 -, BVerwGE 101, 37 ff. = NJW 1996, 3022 f.) unterscheiden, so handelt es sich hier doch nicht um die Teilnahme an einer schulischen Gemeinschaftsveranstaltung, die
unverzichtbar ist und die Schularbeit in besonderer Form fortführt (s. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1995, a.a.O., zu den
schulischen Klassenfahrten). Kann ein Schüler an einer freiwilligen Veranstaltung wie dem Schüleraustausch aus wirtschaftlichen
Gründen nicht teilnehmen, so wird er nicht in einer Weise ausgegrenzt und diskriminiert, die sich mit den Aufgaben der Sozialhilfe
nicht mehr vereinbaren lässt.
Nach §
154 Abs.
2 VwGO hat die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Diese bestehen jedoch nur aus den außergerichtlichen
Kosten der Verfahrensbeteiligten, da nach §
188 Satz 2
VwGO in Verfahren aus dem Gebiet der Sozialhilfe keine Gerichtskosten erhoben werden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1 VwGO).