Gewährung einer höheren Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten
Divergenzrüge
Begriff der Abweichung
Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
Gründe:
Mit Urteil vom 22.11.2017 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer höheren Altersrente
für Frauen unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten verneint und die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des
SG Stuttgart vom 15.3.2016 zurückgewiesen.
Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin mit
Schreiben vom 27.12.2017 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Sie ist insbesondere der Auffassung, der
Nachweis von ununterbrochenen, nach § 15 Abs 1 S 1 Fremdrentengesetz (FRG) gleichgestellten Beitragszeiten sei auch dann geführt, wenn das Arbeitsbuch nach den Vorgaben des damals gültigen rumänischen
Rechts keine Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses, insbesondere durch Krankheit oder Schwangerschaft ausweist. Die Klägerin
sieht sich in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der mit "M.T.",
den Initialen der Tochter der Klägerin "i.A./i.V." unterzeichnete Antrag vom 27.12.2017 den Anforderungen an die Form nach
§
73a SGG iVm §
117 Abs
1 ZPO genügt. Jedenfalls kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nach §
73a SGG iVm §
114 Abs
1 S 1
ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist
hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach §
73 Abs
4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das angegriffene Urteil auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache ua nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig
und klärungsfähig, dh entscheidungserheblich sein (vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Zur Kürzung von Entgeltpunkten für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind (§ 22 Abs 3 FRG), besteht bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG, auch zur Entrichtung von Beiträgen nach rumänischem Recht (vgl BSG SozR 4-5050 § 26 Nr 1 RdNr 18 ff mwN). Dass allein der Nachweis des Beginns und des Endes eines Arbeitsverhältnisses den Nachweis der fehlenden
Unterbrechung nicht einschließt und dass dies auch dann gilt, wenn Unterbrechungen in einem Arbeitsbuch üblicherweise nicht
aufgeführt werden und einem Versicherten im Übrigen keine amtlichen Unterlagen zur Verfügung stehen, ist ebenfalls seit vielen
Jahren geklärt (vgl BSG Urteil vom 21.4.1982 - 4 RJ 33/81 - Juris RdNr 11). Rechtsfragen, die auch unter Berücksichtigung von Verfassungsrecht in diesem Sinne noch grundsätzliche
Bedeutung haben könnten, sind im Verfahren der Klägerin nicht ersichtlich.
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder
- anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung
von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.
Die Klägerin kann nach der Annahme von nur glaubhaft gemachten Beitragszeiten nach § 22 Abs 3 FRG schon keine Überraschungsentscheidung des LSG erfolgreich geltend machen. Eine Verletzung von §
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen
einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern
können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
62 RdNr
8a,
8b mwN). Das LSG stützte sich auf die zu § 22 Abs 3 FRG bereits ergangene Rechtsprechung des BSG (vgl BSG aaO). Allein der Umstand, dass das LSG den Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, begründet indessen
keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört"
wird (BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9). Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich der Entscheidung des LSG zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten
vom 1.6.1962 bis 31.5.1963 und vom 1.4.1966 bis 31.3.1967, die das LSG eingehend begründet hat. Soweit die Klägerin darüber
hinaus geltend macht, das LSG habe die AOK-Bescheinigung vom 30.7.1991 bei seiner Entscheidung darüber, dass die Klägerin
während des Krankengeldbezugs vom 23.4.1991 bis 31.12.1991 keine Rentenversicherungsbeiträge (mit)getragen hat, nicht berücksichtigt,
steht dies im Widerspruch zu den Ausführungen in den Entscheidungsgründen auf Seite 13. Darin schildert das LSG die Rechtslage
und nimmt auf die Bestätigungen der AOK ausdrücklich Bezug.
Soweit die Klägerin die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils angreifen möchte, lässt sich hierauf nach dem eindeutigen
Wortlaut des §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).