Gründe:
I
Die Beteiligten streiten zum einen über eine Minderung der Dauer des Anspruchs auf Alg um 42 Tage, die Aufhebung der Bewilligung
von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung vom 1.12.2011 bis 11.1.2012 und die Verpflichtung zur Erstattung
von Alg in Höhe von 397,50 Euro für Dezember 2011. Zum anderen wendet sich der Kläger gegen eine Minderung der Dauer des Anspruchs
auf Alg um 84 Tage und der Aufhebung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung vom 12.1.2012 bis
4.4.2012.
Die Beklagte bewilligte dem in Radeburg/Sachsen lebenden Kläger, der zuletzt eine Tätigkeit als Beikoch ausgeübt hatte, Alg
ab 1.7.2011 für 300 Kalendertage in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 13,25 Euro (Vorläufiger Bescheid vom 17.8.2011;
Bescheid vom 12.9.2011). Am 29.11.2011 unterbreitete sie ihm im Rahmen einer persönlichen Vorsprache zwei Vermittlungsvorschläge,
einmal als Beikoch (H. in B.) und einmal als Koch (B. in S.). Ein weiteres Stellenangebot als Beikoch (E. in M.) übersandte
die Beklagte am 30.11.2011 per Post. Mit Schreiben vom 4.1.2012 hörte sie den Kläger zum Eintritt einer Sperrzeit wegen des
Vermittlungsvorschlags B. I. an, mit Schreiben vom 9.1.2012 zu den Vermittlungsvorschlägen S. und E.
Nach der Mitteilung des Klägers, sich auf keine der Stellen beworben zu haben, verfügte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs
auf Alg wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 1.12.2011 bis 21.12.2011 - mit einer entsprechenden Minderung
der Anspruchsdauer - wegen fehlender Kontaktaufnahme mit dem S. und hob die Bewilligung von Alg für diesen Zeitraum auf (Bescheid
vom 30.1.2012, der bindend geworden ist). Mit weiterem Bescheid (ebenfalls vom 30.1.2012) verfügte sie das Ruhen des Anspruchs
auf Alg wegen des Eintritts einer zweiten und somit sechswöchigen Sperrzeit vom 1.12.2011 bis 11.1.2012 wegen der Nichtbewerbung
des Klägers beim B. I., hob die Bewilligung von Alg für diesen Zeitraum ebenfalls auf und machte einen Erstattungsanspruch
wegen überzahltem Alg für Dezember 2011 in Höhe von 397,50 Euro geltend; diese Sperrzeit mindere den Anspruch auf Alg um 42
Tage. Mit einem dritten Bescheid (wiederum vom 30.1.2012) verfügte die Beklagte schließlich das Ruhen des Anspruchs auf Alg
wegen des Eintritts einer dritten und somit zwölfwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 wegen der Nichtbewerbung
des Klägers bei den E. und hob die Bewilligung von Alg auch für diesen Zeitraum auf; diese Sperrzeit mindere den Anspruch
auf Alg um weitere 84 Tage.
Widerspruch und Klage gegen die beiden letztgenannten Bescheide blieben jeweils erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 17. und
20.2.2012; Urteile des SG Dresden vom 28.5.2015). Auf die Berufungen des Klägers hat das LSG durch die Berichterstatterin
als Einzelrichterin - im Einverständnis der Beteiligten mit dieser Vorgehensweise - im Termin zur mündlichen Verhandlung beide
Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Urteile des SG Dresden sowie die beiden angefochtenen
Bescheide aufgehoben (Urteil vom 5.2.2016). Die dem Kläger am 29.11.2011 unterbreiteten zwei Vermittlungsvorschläge müssten
als einheitlicher Vorgang angesehen werden, der nur zu einer einzigen Sperrzeit führen könne, weil der Arbeitslose nur in
der Lage sei, ein Arbeitsangebot anzunehmen und die Ablehnung durch eine Handlung als einheitlicher Akt sowie aus einem einheitlichen
Motiv heraus erfolge. Deshalb sei nur von zwei Vermittlungsangeboten auszugehen, welche allenfalls zu einem ersten und einem
zweiten versicherungswidrigen Verhalten führen könnten. Doch liege auch ein zweites versicherungswidriges Verhalten im Hinblick
auf das am 30.11.2011 per Post übersandte Angebot nicht vor, weil es zu diesem Zeitpunkt an der erforderlichen Feststellung
des Eintritts einer ersten Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung gefehlt habe. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung
nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht vor, weil dem Kläger kein grob fahrlässiges Verhalten vorwerfbar sei.
Dagegen hat die Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt als Verfahrensmangel zum einen die nicht vorschriftsmäßige
Besetzung des Gerichts wegen der Entscheidung durch den Einzelrichter. Ein weiterer Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung
beruhe, läge zudem darin, dass das LSG gegen die Pflicht verstoßen habe, das Urteil mit einer in sich widerspruchsfreien Begründung
zu versehen. Materiellrechtlich verletze das Urteil §
144 Abs
4 Satz 1 Nr
2 SGB III aF, denn die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer zweiten Sperrzeit setze nicht voraus, dass zuvor ein Bescheid über die
Feststellung einer ersten Sperrzeit ergangen sei. Eines schriftlichen Bescheids über den Eintritt der Sperrzeiten nach Entstehung
des Anspruchs und eines Hinweises auf die Rechtsfolgen bedürfe es gemäß §
147 Abs
1 Nr
2 SGB III aF bzw §
161 Abs
1 Nr
2 SGB III nur als Voraussetzung für das Erlöschen des Leistungsanspruchs wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt
21 Wochen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen die Urteile
des Sozialgerichts Dresden vom 28. Mai 2015 (Az: S 8 AL 142/12 und Az: S 8 AL 144/12) zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Soweit das LSG das Urteil des SG Dresden vom 28.5.2015 (Az S 8 AL 142/12), das die sechswöchige Sperrzeit vom 1.12.2011 bis 11.1.2012 betrifft, sowie den entsprechenden Bescheid vom 30.1.2012 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2013 (Az W 311/12) aufgehoben hat, ist das Urteil zu ändern und die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen ist die Revision
unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Das LSG hat im Ergebnis zu Recht auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG Dresden vom 28.5.2015 (Az S 8 AL 144/12), das die zwölfwöchige Sperrzeit vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 betrifft, sowie den entsprechenden Bescheid vom 30.1.2012 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2013 (Az W 312/12) aufgehoben.
1. Streitgegenstand ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen zum einen der Bescheid der Beklagten, durch den diese wegen
des Ruhens des Anspruchs auf Alg infolge des Eintritts einer sechswöchigen Sperrzeit vom 1.12.2011 bis 11.1.2012 die Minderung
des Anspruchs auf Alg um 42 Tage verfügt, die Bewilligung von Alg für diesen Zeitraum aufgehoben und einen Erstattungsanspruch
wegen überzahltem Alg für Dezember 2011 in Höhe von 397,50 Euro geltend gemacht hat (Bescheid vom 30.1.2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2013 - Az W 311/12; ursprüngliches SG-Verfahren S 8 AL 142/12; dazu 3.). Zum anderen ist Streitgegenstand der Bescheid, durch den die Beklagte wegen des Ruhens des Anspruchs auf Alg infolge
des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 die Minderung des Anspruchs auf Alg um 84 Tage verfügt
und die Bewilligung von Alg für diesen Zeitraum aufgehoben hat (Bescheid vom 30.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 20.2.2013 - Az W 312/12; ursprüngliches SG-Verfahren S 8 AL 144/12; dazu 4.). Beide Bescheide greift der Kläger zutreffend (nur) mit einer Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 SGG) an. Einer Leistungsklage - in den Vorinstanzen hatte der Kläger noch Leistungsanträge gestellt - bedurfte es im Hinblick
auf die bindende Bewilligung von Alg für die streitbefangenen Zeiträume nicht, weil Ansprüche aus dieser Bewilligung bei Aufhebung
der angefochtenen Bescheide ohne Weiteres wieder aufleben.
2. Verfahrensmängel, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Anders als die Beklagte
mit ihren Verfahrensrügen geltend macht, war das Berufungsgericht weder falsch besetzt, noch fehlen dem Berufungsurteil den
gesetzlichen Anforderungen genügende Entscheidungsgründe.
Zwar wird vertreten, dass eine Entscheidung des LSG durch den konsentierten Einzelrichter gemäß §
155 Abs
3,
4 SGG, wie sie hier vorliegt, in aller Regel nicht nur dann ausgeschlossen ist, wenn dieser selbst einer zu entscheidenden Rechtsfrage
grundsätzliche Bedeutung beimisst und deshalb die Revision zulässt; von einem Ermessensfehlgebrauch soll auch auszugehen sein,
wenn der Vorsitzende oder Berichterstatter als Einzelrichter über eine Sache befindet, die nach rein objektiver Betrachtung
besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist, weil sie nach den zu §
160 Abs
2 Nr
1 SGG entwickelten Kriterien eine bislang oberstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage aufwirft (so BSG vom 7.8.2014 - B 13 R 37/13 R - RdNr 15, mwN). Doch setzt ein solcher Ermessensfehler voraus, dass es auf diese objektiv vorliegende besondere Rechtsfrage
nach Auffassung des Berufungsgerichts auch ankommt. Nur dann kann tatsächlich von besonderen Schwierigkeiten ausgegangen werden,
die einer Entscheidung durch den Einzelrichter entgegenstehen könnten (vgl auch insoweit BSG vom 7.8.2014 - B 13 R 37/13 R - RdNr 14, mwN).
Auf die besondere Rechtsfrage kommt es insbesondere dann nicht an, wenn das Gericht die Entscheidung alternativ, aber für
sich ebenfalls tragend, auf eine Begründung stützt, die objektiv keine grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen aufwirft. So
liegt der Fall hier, denn das LSG hat seine Entscheidung in einem eigenen Begründungsstrang darauf gestützt, dass die Voraussetzungen
des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht vorliegen würden. Dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe ist zu entnehmen, dass es diese Voraussetzungen für
erforderlich gehalten und die angefochtenen Bescheide schon aus diesem Grund als rechtswidrig erachtet hat, sodass diese -
weitere - Begründung tragend für die Entscheidung ist. Weil aber die Beurteilung der Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X keine Rechtsfragen grundsätzlicher Art aufweist, kann die Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter auch nicht als
ermessenfehlerhaft angesehen werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlen dem Urteil des LSG auch nicht die nach §
136 Abs
1 Nr
6 SGG erforderlichen Entscheidungsgründe. Dies ist zwar nicht erst anzunehmen, wenn das Urteil überhaupt keine Entscheidungsgründe
enthält. Andererseits fehlen Entscheidungsgründe nicht schon dann, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen
oder zum tatsächlichen Geschehen falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (vgl etwa BSG vom 5.10.2010 - B 8 SO 62/10 B - RdNr 7; BSG vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - RdNr 7; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl 2017, §
136 RdNr 49, mwN). Es reicht vielmehr aus, wenn mindestens die angewandten Rechtsnormen genannt werden und angegeben ist, aus
welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen deren Tatbestandsmerkmale vorliegen bzw nicht vorliegen. Diesen Anforderungen
werden die Entscheidungsgründe des LSG gerecht, denn sowohl die tatsächlichen und rechtlichen Gründe für den Eintritt von
Sperrzeiten als auch für die Aufhebung der Leistungsbewilligung werden genannt und erörtert.
3. In der Sache hat das LSG auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG Dresden vom 28.5.2015 zum Az S 8 AL 142/12 (Abweisung der Klage wegen der sechswöchigen Sperrzeit vom 1.12.2011 bis 11.1.2012) bereits deshalb zu Unrecht aufgehoben,
weil die Berufung gegen dieses Urteil unzulässig war. Dieser Verfahrensfehler ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen
zu beachten (vgl nur BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R - RdNr 9, mwN) und das Berufungsurteil insoweit zu ändern.
Nach §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst-
oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt, und die Berufung - wie
hier - weder wiederkehrende noch laufende Leistungen für mehr als ein Jahr zum Gegenstand hat (§
144 Abs
1 Satz 2
SGG). Vorliegend übersteigt der Wert des auf die Geldleistung Alg gerichteten Beschwerdegegenstands 750 Euro nicht, denn er beträgt
lediglich 556,50 Euro.
Bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstands ist, wie auch bezogen auf die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen,
auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung abzustellen, spätere Änderungen des Wertes sind unerheblich (vgl nur Wehrhahn
in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl 2017, §
144 RdNr 23, mwN). Damit kann auch eine Verbindung einzelner Berufungsverfahren mit einer sich daraus ergebenden Erhöhung des
Beschwerdegegenstands nicht zur Zulässigkeit der Berufung führen, selbst wenn durch die Verbindung der Wert von 750 Euro überschritten
wird.
Hier hat sich die Berufung in dem Verfahren L 3 AL 199/15 zunächst allein gegen das Urteil des SG gerichtet, durch das dieses die Klage wegen der sechswöchigen Sperrzeit abgewiesen hat. Eine Verbindung ist erst in der mündlichen
Verhandlung durch das LSG erfolgt. Der für die Beurteilung der Zulässigkeit maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands wird
deshalb für das Verfahren L 3 AL 199/15 allein durch die Aufhebung der Bewilligung von Alg für sechs Wochen wegen einer Sperrzeit bestimmt. Weder die Minderung der
Anspruchsdauer für den entsprechenden Zeitraum (vgl Senatsurteil vom 4.4.2017 - B 11 AL 19/16 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 25 RdNr 18) noch der Wert des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sind hinzu zu addieren, denn
der Kläger ist durch alle drei Regelungen wirtschaftlich insgesamt (nur) mit einem Verlust des Anspruchs auf Alg für sechs
Wochen beschwert (so Senatsurteil vom 4.4.2017 - B 11 AL 19/16 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 25 RdNr 18; vgl auch BSG vom 31.1.2006 - B 11a AL 177/05 B - SozR 4-1500 §
144 Nr 3 juris RdNr 6 ff; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
144 RdNr 15). Bei einem Leistungssatz von 13,25 Euro täglich errechnet sich für einen Zeitraum von sechs Wochen ein Gegenstandswert
von 556,50 Euro.
Die somit zulassungsbedürftige Berufung haben weder das SG noch das LSG zugelassen. Dass das SG den Kläger in seinem Urteil unzutreffend dahingehend belehrt hat, die Berufung sei statthaft, ist nicht als gleichsam konkludente
Zulassung der Berufung zu werten (vgl nur BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R - RdNr 17; BSG vom 6.10.2011 - B 9 SB 45/11 B - SozR 4-1500 § 144 Nr 7 RdNr 12). Ebenso wenig ist eine Zulassung der Berufung darin zu sehen, dass das LSG in der Sache
über sie befunden hat. Für eine Zulassung des Rechtsmittels fehlt dem LSG im Berufungsverfahren die Entscheidungsbefugnis
(BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R - RdNr 17 mwN). Das LSG darf über die Zulassung der Berufung nur auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin durch Beschluss (§
145 Abs
4 Satz 1
SGG) entscheiden.
4. Demgegenüber hat das LSG das die zwölfwöchige Sperrzeit vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 bestätigende Urteil des SG Dresden vom
28.5.2015 (Az S 8 AL 144/12) sowie den Bescheid vom 30.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2013 (Az W 312/12) zu Recht aufgehoben, denn dieser Bescheid ist rechtswidrig. Insoweit war die Berufung des Klägers (ursprüngliches Verfahren
L 3 AL 200/15) zulässig, weil sie einen Leistungszeitraum von zwölf Wochen mit einem Wert des Beschwerdegegenstands von 1113 Euro (84 x
13,25 Euro) betraf. Der Bescheid ist zwar formell rechtmäßig. Insbesondere ist, wie das LSG zutreffend erkannt hat, die zunächst
unterbliebene, aber erforderliche Anhörung durch das Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. Materiell-rechtlich verletzt
er indes Bundesrecht (§
162 SGG).
Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm §
330 Abs
3 Satz 1
SGB III soweit diese Entscheidung rückwirkend erfolgt, was hier ausgehend von der Bekanntgabe des Bescheids (3.2.2012) jedenfalls
für den Zeitraum vom 12.1.2012 bis 2.2.2012 der Fall ist, und im Übrigen § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, um den es sich bei der Bewilligung von Alg handelt, mit Wirkung vom Zeitpunkt
der Änderung der Verhältnisse (also auch rückwirkend) unter den Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X und für die Zukunft ohne Weiteres aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen
Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnissen, die der Bewilligung von Alg an den Kläger ab dem 1.7.2011 (durch den Bescheid über die endgültige Festsetzung
vom 12.9.2011) zugrunde gelegen haben, ist hier aber ab dem 12.1.2012 nicht eingetreten. Die Voraussetzungen einer (dritten)
Sperrzeit von zwölf Wochen ab dem 12.1.2012, die zum Ruhen und zur Minderung des Anspruchs auf Alg geführt haben könnten,
liegen nicht vor.
§
144 SGB III (in der hier anwendbaren bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung des Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt
vom 24.10.2010 - BGBl I 1427 - im Folgenden: aF), der im Wesentlichen §
159 SGB III (in der ab dem seit 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom
20.12.2011 - BGBl I 2854) entspricht, bestimmt in Abs 1 Satz 1, dass der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit ruht,
wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges
Verhalten liegt nach §
144 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III aF vor - nur dieser Tatbestand kommt hier in Betracht -, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine
von der AA unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt
oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs,
durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung beträgt im
Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen, im Falle des zweiten versicherungswidrigen
Verhaltens dieser Art sechs Wochen und in den übrigen Fällen zwölf Wochen (§
144 Abs
4 Satz 1
SGB III aF).
Eine Sperrzeit bei Arbeitsablehnung setzt also zunächst ein hinreichend benanntes, zumutbares Beschäftigungsangebot voraus,
versehen mit einer zutreffenden Rechtsfolgenbelehrung. Bei dem Beschäftigungsangebot vom 30.11.2011, das der hier noch umstrittenen
dritten Sperrzeit zugrunde liegt, vermag der Senat zwar mangels entsprechender Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen,
ob dieses eine ausreichende Belehrung über die Rechtsfolgen enthielt und die angebotene Beschäftigung dem Kläger zumutbar
war. Gleichwohl bedarf es keiner Zurückverweisung an das LSG zur weiteren Sachaufklärung. Der vom LSG festgestellte und für
den Senat mangels Verfahrensrügen bindende (§
163 SGG) Sachverhalt rechtfertigt nämlich unabhängig davon allenfalls eine einzige Sperrzeit von drei Wochen.
Bei mehreren Beschäftigungsangeboten, die in einem so engen zeitlichen Zusammenhang durch die AA ergehen, dass sie der arbeitslosen
Person gleichzeitig vorliegen und diese hierauf zu reagieren hat, ist von einem einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt
auszugehen. Reagiert der Arbeitslose in einer solchen Situation gar nicht, muss auch dies nach allgemeiner Lebensanschauung
als eine einheitliche Verhaltensweise gewertet werden. Infolgedessen kann auch nur eine Sperrzeit verwirklicht werden, wenn
dieses Verhalten als versicherungswidrig zu beurteilen ist. Ein solches versicherungswidriges Verhalten darf nicht mehrfach
sanktioniert werden.
Diese einheitliche Betrachtungsweise ist geboten, weil dem Arbeitslosen in Fällen mehrerer ihm vorliegender Arbeitsangebote
eine Gesamtwürdigung und -abwägung abverlangt wird. Er muss die verschiedenen Angebote prüfen - etwa im Hinblick auf Pendelzeiten,
einen notwendigen Umzug oder die Verdienstmöglichkeiten - und dann entscheiden, in welcher Form er mit dem Arbeitgeber Kontakt
aufnimmt und ob darüber hinaus Weiteres zu veranlassen ist. Denn letztlich wird er stets nur eines der Angebote annehmen können
(vgl Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, §
12 RdNr 311; ähnlich auch Coseriu in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
159 RdNr 323 f, Stand August 2016, der dazu neigt, schon von nur einem einzigen Beschäftigungsangebot auszugehen), sodass er
für sich eine Priorisierung vorzunehmen hat. Das Erfordernis einer Würdigung und Abwägung bedeutet zudem, dass selbst wenn
die Beschäftigungsangebote eine unverzügliche Bewerbung verlangen sollten, dem Empfänger noch eine gewisse Prüf- und Bedenkzeit
einzuräumen ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn mehrere Arbeitsangebote in solchen zeitlichen Abständen unterbreitet
wurden, dass eine Bewerbung auf frühere Angebote bereits hätte erfolgen müssen. Dann ist diese unterlassene Bewerbung bereits
als versicherungswidriges Verhalten zu werten. Wann genau jeweils eine Bewerbung zu erfolgen hat, ist allerdings einer schematischen
Beurteilung nicht zugänglich, sondern hat im Einzelfall unter Berücksichtigung ua des konkreten Arbeitsangebots und eventueller
Besonderheiten des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes zu erfolgen (anders Coseriu in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
159 RdNr 514, Stand August 2016, der im Regelfall eine Reaktionszeit von einer Woche zubilligen will).
Hier sind dem Kläger die beiden ersten Beschäftigungsangebote gleichzeitig am 29.11.2011 persönlich überreicht und das dritte
am nächsten Tag per Post unterbreitet worden. Dieses dem Kläger per Post übersandte Angebot ist ihm zwar erst einige Tage
nach den ersten beiden Angeboten zugegangen, auf die er sich nach den Feststellungen des LSG "unverzüglich" hätte bewerben
sollen. Doch war ihm bezogen auf diese Angebote schon deshalb eine etwas längere Prüf- und Bedenkzeit einzuräumen, weil die
angebotenen Arbeitsstellen außerhalb seines zumutbaren Pendelbereichs lagen und deshalb einen Umzug erfordert hätten. Unter
diesen besonderen Umständen war diese Prüf- und Bedenkzeit des Klägers noch nicht abgelaufen, als er das weitere Arbeitsangebot
vom 30.11.2011 erhalten hat. Wenn er sich dann, wie vom LSG festgestellt, bis zum 16.1.2012 auf keines dieser drei Angebote
bewirbt, ist dies allenfalls als ein einziger Fall versicherungswidrigen Verhaltens zu beurteilen.
Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, bei besonderen Umständen im Einzelfall andere zeitliche und inhaltliche Festlegungen
im Rahmen der Arbeitsvermittlung in Bezug auf die geforderten Bewerbungen gegenüber der arbeitslosen Person zu treffen. Denn
die Einführung der differenzierteren Regelungen zur Sperrzeit bei Arbeitsablehnung durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607) sind ua mit dem neuen individualisierten Vermittlungskonzept begründet worden
(vgl BT-Drucks 15/25, S 31; dazu Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr
391a ff), sodass ein gewisser Spielraum im Rahmen der Arbeitsvermittlung besteht. Doch ist zu beachten, dass eine Vielzahl
von Beschäftigungsangeboten, die innerhalb kurzer Zeiträume übermittelt werden, das Risiko, Sperrzeittatbestände bei Arbeitsablehnung
zu verwirklichen, in einer Weise erhöht, dass solche einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Ziel der Sperrzeit auch bei
Arbeitsablehnung ist es (nur), typische Obliegenheitsverletzungen gegenüber der Versichertengemeinschaft zu verhindern (vgl
dazu Coseriu in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
159 RdNr 274, Stand September 2013; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, §
159 SGB III RdNr 40 ff, Stand März 2015). Der verfassungsrechtlich geforderten Verhältnismäßigkeit der Regelung und der Einhaltung des
Übermaßverbots (vgl BSG vom 9.2.1995 - 7 RAr 34/94 - BSGE 76, 12 = SozR 3-4100 § 119a Nr 2, juris RdNr 20; ausführlich dazu Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, K §
159 RdNr 34 ff) ist Rechnung zu tragen. Anhaltspunkte dafür, dass die hier innerhalb einer kurzen Zeitspanne übermittelten verschiedenen
Beschäftigungsangebote auf einem solchen individualisierten und sachlich gerechtfertigtem Vermittlungskonzept beruhen könnten
- festgelegt etwa in einer Eingliederungsvereinbarung (§
37 Abs
2 SGB III) und unter Berücksichtigung der Potenzialanalyse gemäß §
37 Abs
1 SGB III - sind indes nicht ersichtlich.
Ein vor diesem Hintergrund hier allenfalls anzunehmendes einmaliges versicherungswidrige Verhalten des Klägers, durch welches
das Zustandekommen von Vorstellungsgesprächen bzw die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses iS von §
144 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III aF verhindert wurde, ist bereits bindend - sogar zweifach - sperrzeitrechtlich sanktioniert worden. Die Voraussetzungen für
eine weitere Sperrzeit für die Zeit vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 liegen deshalb nicht vor. Damit sind auch eine Aufhebung der
Bewilligung von Alg vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 und eine (weitere) Minderung um 84 Tage nicht gerechtfertigt.
Auf die von der Revision problematisierte Frage, ob die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer zweiten oder dritten Sperrzeit
voraussetzt, dass zuvor ein Bescheid über die Feststellung der vorausgegangenen Sperrzeit ergangen ist, kommt es vor diesem
Hintergrund nicht an. Ohne Bedeutung ist zudem schon mangels einer rechtserheblichen Änderung der Verhältnisse als Voraussetzung
einer Leistungsaufhebung, ob die besonderen Voraussetzungen für eine Aufhebung für die Vergangenheit vorgelegen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass die Revision nur zu einem Teil erfolgreich war.