Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagte die Erstattung der Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
Die 1976 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.2016 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ihr Ehemann ist privat
krankenversichert.
Am 16.10.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Beteiligung an den Kosten für eine (fünfte) in-vitro-Fertilisation
(IVF) in Form einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). Mit Bescheid vom 17.10.2018 lehnte die Beklagte den Antrag
ab. Zur Begründung gab sie an, die IVF sei "auf 3 Versuche begrenzt". Diese Versuche habe die Klägerin bereits erfolglos unternommen.
Auch eine Beteiligung an den Kosten nach Maßgabe ihrer Satzung scheide aus. Diese Möglichkeit bestehe nur, wenn beide Ehepartner
während des Behandlungszeitraum bei ihr, der Beklagten, versichert seien. Bei dem Ehemann der Klägerin sei dies jedoch nicht
der Fall.
Hiergegen legte die Klägerin am 03.11.2018 Widerspruch ein. Sie machte geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten habe
sie die zulässige Zahl von drei Versuchen noch nicht ausgeschöpft. Es seien nur solche Versuche anzurechnen, bei denen das
Kind ohne Herzschlag geblieben sei. Das sei nur in zwei der fünf Versuche der Fall gewesen. Abgesehen davon habe ihr die Beklagte
vor "Vertragsunterzeichnung" im Jahr 2016 versprochen, sie werde sich an den Kosten für IVF auch nach Vollendung des 40. Lebensjahres
beteiligen, obwohl ihr Ehemann kein Mitglied sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß §
27a Abs
3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) bestehe ein Anspruch auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht für weibliche Versicherte,
die das 40. Lebensjahr vollendet haben. Die Klägerin sei bereits älter als 40 Jahre. Ein Anspruch auf Kostenbeteiligung nach
Maßgabe ihrer Satzung scheide ebenfalls aus: Zwar erbringe die Beklagte gemäß §
11 Abs
6 SGB V i.V.m. §
13 Abs
2 Satz 1
SGB V zusätzliche Leistungen zur künstlichen Befruchtung für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr vollendet haben. Dies
gelte aber nur, wenn beide Ehepartner während des Behandlungszeitraums bei ihr versichert seien. Daran fehle es hier. Angesichts
dessen gelte die Altersgrenze von 40 Jahren.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.02.2019 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, mittlerweile, im März 2019, hätten die begehrten Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung mittels
ICSI stattgefunden. Hierfür habe sie insgesamt 5.075,34 EUR gezahlt. Sie sei nur deshalb Mitglied der Beklagten geworden,
weil ihr ein Mitarbeiter der Beklagten in einem Gespräch zugesichert habe, die Beklagte werde sich an den Kosten für Maßnahmen
der künstlichen Befruchtung auch nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres beteiligen. Der Mitarbeiter habe gewusst, dass ihr
Ehemann nicht bei der Beklagten versichert sei. Gleichwohl habe er sie nicht darauf hingewiesen, dass dieser Umstand einer
Beteiligung an den Kosten entgegenstehe. Irreführend sei auch die Werbung der Beklagten, in der sie ihre Zusatzleistungen
darstelle: Dem Werbeprospekt sei nicht klar zu entnehmen, dass die Beklagte bei weiblichen Versicherten jenseits des 40. Lebensjahres,
deren Ehepartner nicht Mitglied der Beklagten sei, keinerlei Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung übernehme. Sie
hat noch geltend gemacht, der EuGH habe bereits 2012 (Az c - 59/12) entschieden, dass auch für öffentliche Körperschaften
das Verbot der irreführenden Werbung gelte, dies ergebe sich aus einer EU-Richtlinie aus 2005 "über unlautere Geschäftspraktiken
von Unternehmen".
Mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kostenerstattungsanspruch bereits an einem fehlenden primären
Sachleistungsanspruch scheitere. Ein Anspruch nach §
27a Abs
3 Satz 1
SGB V sei ausgeschlossen, weil die Klägerin bei Durchführung der Maßnahmen im März 2019 bereits 42 Jahre alt gewesen sei. Die Beklagte
übernehmen zwar auch ggf einen Teil der Kosten nach §
11 Abs
6 SGB V i.V.m. §
13 ihrer Satzung. Da der Ehemann der Klägerin während des Behandlungszeitraums nicht bei der Beklagten versichert gewesen sei,
scheitere der Anspruch ebenfalls. Eine anspruchsbegründende schriftliche Zusicherung habe nicht vorgelegen. Die Aussagen im
Werbeprospekt der Beklagten stellten jedenfalls deshalb keine Zusicherung dar, weil wegen des fehlenden Bezugs zu einem konkreten
Einzelfall generelle Aussagen der Behörde in einer Broschüre von vorneherein keine Zusicherung seien. Eine einzelfallbezogene
Zusicherung sei nicht vorhanden. Die von der Klägerin behauptete mündliche Zusage sei unwirksam.
Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigen am 09.07.2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 06.08.2019 erhobene
Berufung der Klägerin. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren bisherigen Vortrag.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.07.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 17.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die im
März 2019 durchgeführte ICSI-Behandlung iHv 5.075,34 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im Gerichtsbescheid.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.12.2019, die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.01.2020 das Einverständnis mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§
153 Abs
1,
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten.
Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V in Betracht.
Ein Erstattungsanspruch aus §
13 Abs
3a SGB V scheidet aus, weil dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Danach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen
zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme,
insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang
zu entscheiden. Die Klägerin hat die Übernahme der Kosten für eine IVF am 16.10.2018 bei der Beklagten beantragt. Die Beklagte
hat den Antrag bereits mit Bescheid am darauffolgenden Tag abgelehnt.
Der Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus,
dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder
Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris mwN).
Ein solcher Sachleistungsanspruch bestand hier nicht. Ein Anspruch im Rahmen medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft gem §
27a SGB V scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Behandlung das 40. Lebensjahr vollendet hatte (vgl § 30 Abs 3 Satz 1
SGB V). Auch auf die Satzung der Beklagten lässt sich der Anspruch nicht stützen. Nach §
11 Abs
6 SGB V i.V.m. §
13 der Satzung kommt ein Anspruch nur in Betracht, wenn der Ehemann der Klägerin ebenfalls bei der Beklagten versichert wäre.
Dies war jedoch nicht der Fall. Auch hat die Beklagte keine Zusicherung iSv § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgegeben, aus der sich ein Anspruch ergeben könnte, denn diese bedarf der Schriftform. Die Broschüre der Beklagten genügt
dafür nicht. Die Zusicherung iSv § 34 SGB X ist ein Verwaltungsakt (vgl BSG 17.12.2014, B 8 SO 15/13 R, juris Rn 9). Daraus folgt, dass die Broschüre bzw die dort getroffenen Aussagen die Voraussetzungen
für einen Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X erfüllen müssen. Es muss sich um eine Verfügung, Entscheidung oder eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines
Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Außenwirkung handeln. Die Regelung liegt in der verbindlichen
Verpflichtung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen. Einer Broschüre kann regelmäßig nicht eine verbindliche Verpflichtung
gegenüber den Mitgliedern beigemessen werden. Aus dem Argument, dass irreführende Werbung nicht erlaubt sei, lässt sich kein
Anspruch auf Kostenübernahme, sondern allenfalls ein Anspruch auf Unterlassen herleiten.
Aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergibt sich ebenfalls kein Anspruch der Klägerin. Voraussetzung
ist zunächst das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss
beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung
des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre
(BSG 22.03.2018, B 5 RE 1/17 R, BSGE 125, 252-262 = SozR 4-2600 § 6 Nr 15 = juris Rn 35 mwN). Selbst wenn vorliegend eine fehlerhafte Beratung stattgefunden hätte, was
keiner weiteren Aufklärung in Form einer Zeugenvernehmung bedarf, würde dies zu keinem Anspruch auf Kostenübernahme führen.
Denn allenfalls hätte dies zur Folge, dass die Kläger nicht zur Beklagten gewechselt wäre. Ein Anspruch auf Kostenübernahme
hätte sich auch bei richtiger Beratung nicht ergeben.
Es besteht auch kein Anspruch gemäß §
27 SGB V. Die Krankenbehandlung nach §
27 Abs
1 Satz 5
SGB V zielt darauf ab, die Fähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen, auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft herbeizuführen.
Hierzu diente die Behandlung bei der Klägerin nicht. Maßnahmen, die sich als Teil einer künstlichen Befruchtung erweisen,
regelt das Gesetz allein im Rahmen des §
27a SGB V (vgl BSG 28.09.2010, B 1 KR 26/09 R; BSG 17.02.2010, B 1 KR 10/09 R).
Ein Sachleistungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §
2 Abs
1a SGB V, unmittelbar aus der Verfassung oder aus den Grundsätzen des Systemversagen. Der hier vorliegende drohende Eintritt der Unfruchtbarkeit
ist keine lebensbedrohliche bzw wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung (BSG 17.02.2010, B 1 KR 10/09 R). Ein Systemversagen ist weder vorgetragen, noch erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG liegen nicht vor.