Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung mit einem elektronischen Rollstuhlzuggerät (mySKATE).
Der 1966 geborene Kläger ist seit 1968 bei Angiom im Bereich der Lendenwirbelsäule querschnittsgelähmt. Er ist bei der Beklagten
pflichtversichert als Beschäftigter. Er ist versorgt mit je einem Aktivrollstuhl für den Innen- und Außenbereich sowie einem
Handbike mit elektrischer Unterstützung.
Der Kläger beantragte am 21.03.2017 unter Vorlage einer Verordnung vom 07.03.2017 die Versorgung mit der mySKATE 1.1 elektronischen
Antriebshilfe. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag für das Zuggerät iHv 3.053,49 EUR.
Mit Bescheid vom 27.03.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei für den Basisausgleich der Behinderung mit diversen
Hilfsmitteln versorgt (2 Aktivrollstühle und 1 Handbike). Damit sei der Basisausgleich "Mobilität" durch die Krankenkasse
sichergestellt. Das gewünschte Zuggerät mit Möglichkeit der Verladung in den Pkw falle nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen
Krankenversicherung, sondern in den Eigenverantwortungsbereich.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, mit der bisherigen Versorgung sei es ihm nicht möglich, die Wohnung zu verlassen
und auch die im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen. Der Radius des Handbikes sei zu groß. Das Hilfsmittel
mySKATE könne er direkt am Rollstuhl ankoppeln und in einige Ladengeschäfte sogar direkt hinfahren bzw dann die letzten zwei
bis drei Meter mit dem Rollstuhl noch manuell zurücklegen.
Im daraufhin eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 23.05.2017
äußerte Dr. S., dem Mobilitätsausgleich werde mit der vorhandenen Versorgung Genüge getan. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2018
wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 22.03.2018 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Kläger hat ausgeführt, er könne zwar selbst Auto fahren, das Handbike wegen seines Gewichts (über 20
kg) jedoch nicht ohne fremde Hilfe ins Auto laden und wieder ausladen. Zum Einkaufen sowie für Apotheken- und Arztbesuche
fahre er mit dem Auto und nehme den Aktivrollstuhl mit. Mit dem Zuggerät mySKATE sei er weniger auf fremde Hilfe angewiesen
und könne seinen Radius mit der Akkuleistung des mySKATE auf etwa 20 km erweitern.
Das SG hat den behandelnden Hausarzt B. und die behandelnden Ärzte der Abteilung für Querschnittsgelähmte der BG Klinik T. schriftlich
als sachverständige Zeugen befragt. Auf die insoweit vorgelegten Unterlagen (Blatt 34/42, und 43/63 SG-Akte) wird Bezug genommen. Mit Urteil vom 16.08.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel mySKATE nach §
33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) scheitere daran, dass dieses weder erforderlich sei zur Sicherung der Krankenbehandlung noch zur Vorbeugung einer drohenden
Behinderung oder zum Behinderungsausgleich. Bei dem hier relevanten mittelbaren Behinderungsausgleich sei Grundbedürfnis des
täglichen Lebens in Bezug auf die Mobilität nur die Erschließung eines Nahbereichs um die Wohnung eines Versicherten. Dieser
Nahbereich sei mit der vorhandenen Versorgung erschlossen. Aus dem Vorbringen des Klägers lasse sich entnehmen, dass bei ihm
das Gleichziehen mit einem gesunden Menschen im Vordergrund stehe, der in der Lage sei, ein Fahrrad als Fortbewegungsmittel
sowie als Freizeitgerät zu nutzen sowie jederzeit ohne Hilfe die Transportmöglichkeit eines Pkw zu nutzen. Dies gehöre nicht
zum Basisausgleich.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 21.08.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.08.2019 eingelegte Berufung des
Klägers. Das SG habe fälschlicherweise festgestellt, dass der Nahbereich durch die vorhandene Versorgung erschlossen sei. Dabei verkenne
das SG, dass das Handbike für den alltäglichen Gebrauch zu unpraktisch sei und er es aus gesundheitlichen Gründen nicht immer benutzen
könne. Mit dem Aktivrollstuhl könne er sich draußen ca 100 bis 150 Meter fortbewegen, dann komme es zu sehr starken Schmerzen
in Schulter, Ellenbogen und Handgelenken. Die nächsten Ladengeschäfte sowie der Hausarzt seien jedoch 500 Meter entfernt.
Autofahren sei noch möglich. Das Handbike könne er nur an sehr guten Tagen nutzen. Vorteil des Zuggerätes gegenüber einem
Elektrorollstuhl sei, dass dieses in ein Auto geladen werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 27.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 14.03.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einem Rollstuhlzuggerät mySKATE zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass selbst dann, wenn die Stätten des Nahbereichs nicht erschlossen wären, die Versorgung mit einem
Elektrorollstuhl, ggf aus dem vorhandenen Bestand, wirtschaftlicher sei.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass kein sozialhilferechtlicher Anspruch auf das Hilfsmittel
besteht. Ein Rollstuhlzuggerät könne grundsätzlich als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft angesehen werden
iSv § 54 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) i.V.m. §
55 Abs
2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) aF bzw gemäß §
84 SGB IX (inhaltsgleich zur Vorgängerregelung nach §
55 SGB IX). Für die in den Regelungen der §§
76 Abs
2 Nr
8 i.V.m. 113 Abs
2 Nr
8 SGB IX der sozialen Teilhabe vorgesehene Versorgung mit Hilfsmitteln gelte §
84 SGB IX, abweichende Regelungen für die Eingliederungshilfe bestünden nicht. Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation oder zur
Teilhabe am Arbeitsleben würden nicht erfasst. Das Rollstuhlzuggerät sei ein Hilfsmittel der medizinischen Rehabilitation,
daher ergebe sich kein sozialhilferechtlicher Anspruch über die Eingliederungshilfe. Zudem greife der Nachrang der Sozialhilfe
nach § 2 SGB XII. Sozialhilfe erhalte danach nicht, wer sich durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst
helfen könne oder die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte.
Der Senat hat ergänzend die Karteieinträge über die Behandlung des Klägers durch den Hausarzt B. ab Oktober 2018 beigezogen
(Blatt 71-93 Senatsakte) und den Sozialhilfeträger beigeladen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtzüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet
(§§
153 Abs
1,
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)), hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist form- und fristgerecht (§
151 Abs
1 SGG) eingelegt sowie statthaft (§§
143,
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Versorgung mit einem Rollstuhlzuggerät
mySKATE zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG). Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid vom 27.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 14.03.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Versorgung mit dem
begehrten Rollstuhlzuggerät.
Die Beiladung weiterer Leistungsträger nach §
75 Abs
2 SGG neben dem Sozialhilfeträger ist nicht geboten, da Leistungsansprüche außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung
und der Eingliederungshilfe von vornherein nicht in Betracht kommen. Als erstangegangener Rehabilitationsträger ist die Beklagte
nach §
14 Abs
2 SGB IX zur Leistungsgewährung auch unter den Voraussetzungen der Leistungen zur Teilhabe nach anderen Leistungsgesetzen zuständig,
denn sie hat den Antrag vom 27.03.2017 auf Rehabilitationsleistungen nicht innerhalb der Fristen des §
14 SGB IX weitergeleitet. Das begehrte Hilfsmittel hat keinerlei Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Klägers, insbesondere soll es
nicht dem Aufsuchen des Arbeitsplatzes dienen. Damit scheiden Teilhabeleistungen der Rentenversicherung (§
16 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) i.V.m. §
49 SGB IX) aus. Auch Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht kommen nicht in Betracht, da eine Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 112
ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch) nicht im Raum steht. Auch ein von der Beklagten nach §
40 Abs
5 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) zu prüfender Anspruch gegen die Pflegeversicherung kommt nicht in Betracht. Als Pflegehilfsmittel iSv §
40 Abs
1 Satz 1 Alt 1
SGB XI im Sinne einer Mobilitätshilfe etwa zum Aufsuchen einer Arzt- oder Physiotherapeutenpraxis ist das Rollstuhlzuggerät nicht
erforderlich, weil für die ggf nötigen Fahrten nach Maßgabe des §
60 SGB V die Krankenkasse zuständig ist (vgl BSG 25.02.2015, B 3 KR 13/13 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 44, Rn 44). Auch die Voraussetzungen der insoweit allein noch in Betracht kommenden dritten Alternative des §
40 Abs
1 Satz 1
SGB XI, die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung des Pflegebedürftigen, greift nicht, da dieser Bereich eingegrenzt
ist auf jene Verrichtungen, die dem Leben im häuslichen Bereich zugeordnet sind und im weiteren Sinne der Aufrechterhaltung
der Fähigkeit dienen, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu verbleiben. Zu diesem Bereich der Lebensführung zählt nicht
das Fahren mit dem Rollstuhlzuggerät und auch nicht die Erreichbarkeit von Zielen und Personen mit einem solchen zu Zwecken,
die nicht zum Zuständigkeitsbereich der sozialen Pflegeversicherung gehören, sondern in den Zuständigkeitsbereich anderer
Leistungsträger fallen (BSG 25.02.2015, aaO, Rn 47).
Auch nach den Vorschriften des Krankenversicherungsrechts besteht kein Anspruch des Klägers. Versicherte haben nach §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich
sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen,
soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach §
34 Abs
4 SGB V ausgeschlossen sind.
Die 1. Alternative des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V (Sicherung der Krankenbehandlung) betrifft lediglich solche Gegenstände, die aufgrund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch
im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dies setzt voraus,
dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan
beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung iSd
Behandlungsziele des §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V als erforderlich anzusehen ist (BSG 07.10.2010, B 3 KR 5/10 R, BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32; BSG 08.07.2015, B 3 KR 5/14 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 47). Nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung ist als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten
Krankenbehandlung" anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen Maßnahmen auf, die
(nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten
Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen (BSG 07.10.2010, B 3 KR 5/10 R, aaO; Hessisches LSG 20.12.2015, L 1 KR 413/14). Hier geht es schon gar nicht um eigene körperliche Betätigung, denn es handelt sich bei dem mySKATE um ein rein motorbetriebenes
Zuggerät, welches keine körperliche Aktivität bei der Benutzung erfordert, wie dies etwa bei einem Rollstuhlbike der Fall
ist.
Ebenso sind die Voraussetzungen nach §
33 Abs
1 Satz 1 2. Alt
SGB V nicht erfüllt, denn es geht nicht um die Vorbeugung einer drohenden Behinderung. Die Behinderung ist bereits eingetreten;
eine Änderung ist hinsichtlich der Paraplegie auch nicht zu erwarten.
Auch zum Behinderungsausgleich nach §
33 Abs
1 Satz 1 3. Alt
SGB V ist das hier streitige Hilfsmittel nicht erforderlich. Die mit dem Leistungsbegehren des Klägers verfolgten Zwecke reichen
über die Versorgungsziele hinaus, für die die Krankenkassen im Bereich der Mobilitätshilfen aufzukommen haben. Im Ausgangspunkt
bemisst sich die Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich des Behinderungsausgleichs gemäß ständiger
Rechtsprechung des BSG danach, ob eine Leistung zum unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleich beansprucht wird. Im Vordergrund steht
zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB bei Prothesen der Fall ist.
Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits,
und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung
mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher
erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens
mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (vgl BSG 16.09.2004, B 3 KR 20/04 R, BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 Rn 4 - C-Leg II).
Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer
Behinderungsausgleich). In diesem Fall hat die gesetzliche Krankenversicherung nur für den Basisausgleich einzustehen; es
geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines
gesunden Menschen. Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation
(vgl §
1 SGB V sowie §
6 Abs
1 Nr
1 i.V.m. §
5 Nr
1 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des
Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber
hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB §
5 Nr 2
SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder §
5 Nr 5
SGB IX: Leistungen zur sozialen Teilhabe). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der gesetzlichen Krankenversicherung
daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit
ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr, vgl BSG 18.05.2011, B 3 KR 10/10 R, Behindertenrecht 2012, 145 mwN - Sportrollstuhl; BSG 25.02.2015, B 3 KR 13/13 R, aaO).
Als solches allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist in Bezug auf die Mobilität nur die Erschließung des Nahbereichs
um die Wohnung eines Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausreichende Interesse an der Erweiterung des Aktionsraums.
Maßgebend für den von der gesetzlichen Krankenversicherung insoweit zu gewährleistenden Basisausgleich ist der Bewegungsradius,
den ein Nichtbehinderter üblicherweise noch zu Fuß erreicht (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29, 31 und 32 sowie BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1). Dazu haben die Krankenkassen die Versicherten so auszustatten, dass sie sich nach Möglichkeit in der eigenen Wohnung
bewegen und die Wohnung verlassen können, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise
im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG 16.09.1999, B 3 KR 8/98 R, SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike II). Dagegen können die Versicherten - von besonderen zusätzlichen qualitativen Momenten abgesehen
- grundsätzlich nicht beanspruchen, zB den Radius der selbstständigen Fortbewegung in Kombination von Auto und Rollstuhl (erheblich)
zu erweitern, auch wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich liegen, dafür also längere Strecken
zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen (BSG 18.05.2011, B 3 KR 10/10 R, Behindertenrecht 2012, 145 mwN - Sportrollstuhl).
Zur Erschließung des Nahbereichs ist der Kläger bereits ausreichend mit je einem Aktivrollstuhl für den Innen- und Außenbereich
sowie einem Handbike mit elektrischer Unterstützung versorgt. Soweit der Kläger erst im Berufungsverfahren seine Argumentation
dahin verlagert hat, die Erschließung des Nahbereichs sei nicht gesichert, da bei der Benutzung des Aktivrollstuhls nach kurzen
Strecken Schmerzen in Schulter, Ellenbogen und Handgelenken aufträten, ist dies im Hinblick auf die beigezogenen ärztlichen
Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die vorliegenden hausärztlichen Karteieinträge seit September 2015 belegen eine zunehmend
hochfrequente Behandlung mit seit Oktober 2018 meist mehrfachen Karteieinträgen pro Woche. Gleichwohl finden sich fast keine
Einträge mit Bezug auf die behaupteten Beschwerden im Schulter-, Ellenbogen- oder Handgelenksbereich. In zeitlichem Zusammenhang
mit dem vom SG durchgeführten Erörterungstermin am 01.10.2018 findet sich in der Kartei von Herrn B. unter dem 02.10.2018 ua folgender Eintrag:
"Sozialgericht wird sich melden, wegen Motorantrieb für Rollstuhl als Zweitgerät notwendig??? er hat wohl Schulterprobleme
und braucht dies unbedingt ". Am 19.10.2018 findet sich folgender Eintrag: "Tel mit Pat nä Wo Do HB um 19.00Uhr wg Schulter
und "Allgemeines".". Der nächste Eintrag mit Bezug zu den geltend gemachten Beschwerden findet sich erst am 15.03.2019: "Rückenschmerzen
und Schulterbeschwerden, möchte für heute AU" und sodann erst wieder am 08.10.2019. Hier ist vermerkt: "Pat hat Beschwerden
an der linken Hand er vermutet einen Sehnenscheidenentzündung und bräuchte dafür eine AU für die nächsten zwei Tage.Verdacht
auf Tendovaginitis links (M65.99+LV); Erstbescheinigung: AU vom 08.10.2019 bis 09.10.2019 ". Weitere Einträge in den bis 27.02.2020
vorliegenden Karteiauszügen liegen nicht vor. In den Arztbriefen der BG-Klinik T., Decubitus-Sprechstunde werden entsprechende
Beschwerden gar nicht erwähnt, diskutiert wird - neben der maßgebenden Wundtherapie - lediglich die Frage einer Operationsindikation
des Kniegelenks (Arztbrief vom 17.05.2018, Blatt 47 ff SG-Akte). Damit kann von einer relevanten Beeinträchtigung der Benutzung des Rollstuhls (oder des elektrisch unterstützten Rollstuhlbikes)
nicht ausgegangen werden. Abgesehen davon hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass sie im Falle der Erforderlichkeit
einer weiteren Versorgung für den Nahbereich den Kläger mit einem Elektrorollstuhl (ggf aus dem vorhandenen Bestand) als wirtschaftlichere
Variante versorgen könnte. Aus den Ausführungen des Klägers ist jedoch zu entnehmen, dass er an einem Elektrorollstuhl überhaupt
kein Interesse hat, da er diesen nicht im Auto mitnehmen könnte. Die Möglichkeit, das Hilfsmittel selbstständig im Auto transportieren
zu können, ist jedoch von dem von der Krankenkasse geschuldeten Basisausgleich nicht umfasst.
Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII sind ebenfalls nicht geschuldet, denn ein Bedarf für das begehrte Zuggerät zur Ermöglichung von sozialer Teilhabe ist schon
nicht dargelegt. Durch die Möglichkeit der Nutzung der vorhandenen Hilfsmittel sowie insbesondere seines Pkw kann der Kläger
sämtliche gewünschten Orte erreichen. Er kann auch mit dem vorhandenen Rollstuhle-Bike zB zum Einkaufen fahren, denn auch
wenn dieses Gerät nicht geeignet ist, in die Einkaufsmärkte hineinzufahren, kann dieses selbstständig abgekoppelt werden und
so der Rollstuhl für die letzten Meter genutzt werden. Die hier im Vordergrund stehende Erleichterung, das gewünschte Zuggerät
aufgrund seines geringeren Gewichts (ca 8 kg) im Pkw selbstständig mitnehmen zu können, gebietet diese zusätzliche Versorgung
nicht.
Zudem werden Leistungen zur sozialen Teilhabe nach §
76 Abs
1 Satz 1
SGB IX nur erbracht, soweit sie nicht nach den Kapiteln 9 bis 12 erbracht werden. Hierzu gehören jedoch die Hilfsmittel nach §
47 Abs
1 SGB IX als Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Um ein derartiges Hilfsmittel handelt es sich bei dem hier streitigen Rollstuhlzuggerät.
Die fehlende Erforderlichkeit des Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich durch die Krankenkasse begründet keine weitergehenden
Leistungsansprüche gegen den Sozialhilfeträger.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.