Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer bei der Aufnahme einer Tätigkeit als Studienreferendar
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Leistungen der Entgeltsicherung für die Zeit seiner Tätigkeit als Studienreferendar ab 19. September 2006.
Der 1952 geborene Kläger war vom 1. März 1989 bis 31. Dezember 2005 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt mit einem
beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von monatlich 5.200 €. Ab 1. Juli 2006 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld mit einer
Anspruchsdauer von 585 Tagen, nachdem der Anspruch zuvor wegen Eintritts einer Sperrzeit und einer erhaltenen Abfindung geruht
hatte. Vom 19. September 2006 bis 23. Juli 2008 war der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Studienreferendar
tätig mit einem Bruttogehalt von zunächst 1.111,35 € monatlich. Seit 5. September 2008 ist der Kläger als angestellter Lehrer
versicherungspflichtig beschäftigt.
Den am 20. Juli 2006 gestellten Antrag des Klägers auf Leistungen der Entgeltsicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom
23. Oktober 2006 ab, da die Beschäftigung nicht versicherungspflichtig sei. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend,
es stelle ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers dar, dass die Aufnahme einer Beschäftigung als Beamter in § 421j Sozialgesetzbuch
Drittes Buch (
SGB III) nicht ausdrücklich erwähnt werde, andernfalls wäre die Norm wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verfassungswidrig.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2007 zurück.
Mit seiner am 16. Januar 2007 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Der Gesetzgeber habe mit der Formulierung, dass die Arbeitslosigkeit
durch "Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung" beendet oder vermieden werden müsse, vermeiden wollen, dass
Mini-Jobber oder mithelfende Familienangehörige in den Genuss der Entgeltsicherung kämen. Er habe jedoch nicht explizit diejenigen
Arbeitslosen ausschließen wollen, die als Beamte eingestellt würden. Sollte es sich nicht um ein redaktionelles Versehen handeln,
wäre § 421j
SGB III verfassungswidrig, weil der Anspruch auf Entgeltsicherung aus der früheren versicherungspflichtigen Beschäftigung herrühre.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat darauf hingewiesen, dass sie dem Kläger auf seinen Antrag mit Bescheid
vom 5. November 2008 vorläufig - im Hinblick auf das Ergebnis des Rechtsstreits - Leistungen der Entgeltsicherung für die
Zeit vom 5. September 2008 bis 4. September 2010 bewilligt habe. Der Kläger könne Leistungen zur Entgeltsicherung für ältere
Arbeitnehmer nicht sowohl ab 19. September 2006 wie auch für die Zeit ab 5. September 2008 beanspruchen.
Mit Urteil vom 26. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 421j
SGB III hätten Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung. Die Voraussetzungen
dieser Vorschrift seien im Zeitraum ab 19. September 2006 nicht erfüllt, da der Kläger nach Auskunft des Regierungspräsidiums
Tübingen zwingend in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden sei. Es handele sich insoweit nicht um ein redaktionelles
Versehen des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung werde die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer aus arbeitsmarktpolitischen
Gründen gewährt. Da die Aufnahme einer neuen versicherungspflichtigen Beschäftigung häufig mit Einbußen im Vergleich zum früheren
Arbeitsentgelt verbunden sei, werde die Entgeltdifferenz durch die zeitlich begrenzte Aufstockung des Arbeitsentgelts teilweise
ausgeglichen, zudem werde die geringere Alterssicherung durch eine Aufstockung der Beiträge zur Rentenversicherung abgemildert.
Gerade der zusätzliche Beitrag zur Rentenversicherung lasse erkennen, dass die Beschränkung auf die Fälle der Aufnahme einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung bewusst geschehen sei. Da Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nach §
5 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei seien, komme eine Entgeltsicherung nach § 421j Abs. 2 Satz 1 Nr.
2
SGB III für diesen Personenkreis nicht in Betracht. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liege nicht vor. Eine versicherungspflichtige
Beschäftigung unterscheide sich vom Dienst als Beamter auf Widerruf u.a. dadurch, dass Letzterer nicht durch Beiträge zur
Finanzierung der Leistungen der Arbeitsförderung beitrage. Bereits dieser Unterschied rechtfertige es, Leistungen der Entgeltsicherung
auf die Fälle der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu beschränken.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 24. Juni 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Juli 2009 eingelegte Berufung
des Klägers. Der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung ausdrücklich erwähnt, dass er mit Schaffung des § 421j
SGB III mit den Beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU in Einklang stehe. Danach seien Sozialleistungs-, Steuer- und Ausbildungssysteme
... - soweit erforderlich - zu überprüfen und anzupassen, dass sie aktiv zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitslosen
beitragen. Insbesondere solle angestrebt werden, Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen mehr Anreiz zu bieten, sich um Arbeit
zu bemühen und entsprechende Angebote wahrzunehmen und Maßnahmen zur Qualifizierung und zur Verbesserung der Beschäftigungschancen
insbesondere derjenigen zu forcieren, die sich mit den größten Schwierigkeiten konfrontiert sähen. Mit keiner Silbe sagten
die Leitlinien, dass die Anreize nur bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gelten sollten. Der Kläger
habe in Erwartung einer Förderung eine sehr viel geringer dotierte Beschäftigung aufgenommen. Nach europäischem Recht habe
er die Voraussetzungen für die Förderung erfüllt. Wenn sich der Gesetzgeber einerseits in seiner Begründung auf europäisches
Recht stütze, die Aufnahme einer Beschäftigung als Beamter aber ausnehme, könne es sich nur um ein redaktionelles Versehen
handeln. Da es für ältere Arbeitslose sehr ungewöhnlich sei, dass sie eine Tätigkeit als Beamter aufnähmen, habe der Gesetzgeber
diese Variante möglicherweise gar nicht als regelungsrelevant gesehen. Ansonsten wäre die Vorschrift europarechtswidrig. Darüber
hinaus werde der von der Beklagten vertretene Standpunkt als ungerecht und unbillig empfunden. Der Kläger habe eine besonders
hohe Verdienstminderung hingenommen und der Beklagten dadurch weit mehr als ein Jahr Arbeitslosengeldzahlung erspart. Es sei
nicht einzusehen, warum der Kläger schlechter gestellt werden sollte als andere ältere Arbeitslose, die eine Beschäftigung
aufnehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 2. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 19. September
2006 Leistungen der Entgeltsicherung zu gewähren,
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung über folgende Frage vorzulegen:
Verstößt § 421j
SGB III gegen die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2002/177/EG) und ist sie daher europarechtswidrig?
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist statthaft (§
143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € übersteigt (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Entgeltsicherung
für die Zeit ab 19. September 2006.
Nach § 421j Abs. 1
SGB III in der hier maßgebenden, bis 30. April 2007 geltenden Fassung (Gesetz vom 23. Dezember 2002 - BGBl. I S. 4607) haben Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung beenden oder vermeiden, Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung, wenn sie
(1.) einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und bei Aufnahme der Beschäftigung noch über einen Restanspruch von mindestens
180 Tagen verfügen oder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld über mindestens die gleiche Dauer hätten,
(2.) ein Arbeitsentgelt beanspruchen können, dass den tariflichen oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, ortsüblichen
Bedingungen entspricht.
Nach § 421j Abs. 2
SGB III wird die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer geleistet (1.) als Zuschuss zum Arbeitsentgelt und (2.) als zusätzlicher
Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Zuschuss zum Arbeitsentgelt beträgt 50 Prozent der monatlichen Nettoentgeltdifferenz.
Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift hat der über 50jährige Kläger, der seine Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer
Beschäftigung als Studienreferendar beendet hat, die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt, denn er hat keine versicherungspflichtige
Beschäftigung aufgenommen. Ob eine vom Gesetz geforderte versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen wird, bestimmt
sich nach §§
24 ff.
SGB III. Die Beschäftigung darf daher nicht wegen Geringfügigkeit oder aufgrund eines sonstigen Tatbestandes des §
27 SGB III versicherungsfrei sein (vgl. Brandts in Niesel,
SGB III, 4. Aufl., § 421j Rdnr. 8). Da der Kläger die Tätigkeit als Studienreferendar in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf ausgeübt
hat, war diese Tätigkeit nach §
27 Abs.
1 Nr.
1 SGB III versicherungsfrei.
Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift in dem Sinne, dass auch die Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung als
Beamter einen Anspruch auf Entgeltsicherung auslösen kann, ist weder unter verfassungsrechtlichen noch europarechtlichen Gesichtspunkten
geboten.
Mit der Einführung der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber die Empfehlungen der Kommission Moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zur sog. Lohnversicherung umgesetzt. Ziel ist, älteren Arbeitnehmern einen Anreiz zu geben,
auch dann (wieder) eine Beschäftigung aufzunehmen, wenn sie in dieser ein geringeres Arbeitsentgelt erzielen können als in
der zuletzt ausgeübten Beschäftigung. Der Gesetzgeber stützt sich insoweit in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf arbeitsmarktpolitische
Gründe, insbesondere um die Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe abzubauen und die Erwerbsbeteiligung der älteren Arbeitnehmer
zu erhöhen. Diese Zielsetzungen sieht er im Einklang mit der Europäischen Beschäftigungsstrategie (vgl. BT-Drucks. 15/25 S.
34).
Ein gesetzgeberisches Versehen kann in der fehlenden Erwähnung der Aufnahme einer Tätigkeit als Beamter nicht gesehen werden.
Dies bestätigt schon das bereits vom SG herangezogene systematische Argument. Denn da Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst in der gesetzlichen Rentenversicherung
versicherungsfrei sind (§
5 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI), kann ihnen der in §
421 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB III als Leistung der Entgeltsicherung vorgesehene zusätzliche Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gewährt werden.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) liegt in der fehlenden Gewährung von Leistungen der Entgeltsicherung bei Aufnahme einer Tätigkeit als Beamter nicht. Das
Gebot des Art.
3 Abs.
1 GG, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich
zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], BVerfGE
55,72, 88; 68, 287, 301; 75, 348, 357).
Vorliegend liegt ein wesentlicher Unterschied schon darin, dass ältere Arbeitnehmer bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung in der auf dem Solidarprinzip beruhenden Arbeitslosenversicherung verbleiben und weiter Beiträge leisten, während
Studienreferendare im Beamtenverhältnis nach §
27 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB III versicherungsfrei sind und aus der Solidargemeinschaft ausscheiden. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden, dass Zeiten einer
nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung im Grundsatz zum Verfall einer Anwartschaft führen (vgl. Bundessozialgericht
[BSG] SozR 4100 § 107 Nr. 4 zur Tätigkeit eines Bundestagsabgeordneten; BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 3 zu Gerichtsreferendaren).
Schließlich kann der Kläger auch aus europarechtlichen Vorgaben keinen Anspruch herleiten, insbesondere nicht aus den beschäftigungspolitischen
Leitlinien.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam erfolgte eine grundlegende Reform der Europäischen Beschäftigungspolitik durch
den neu eingeführten Beschäftigungstitel (Art. 125 ff. des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft [EGV]). Eine Konkretisierung
erfolgte durch den "Europäischen Beschäftigungspakt" (Bull. BReg. 49/1999, S. 519 f.), auf dem Beschäftigungsgipfel in Lissabon
folgte im März 2000 eine Formalisierung des Verfahrens als "offene Methode der Koordinierung" (vgl. Kreßel in Schwarze, EU-Kommentar,
2. Aufl., Art. 125 EGV Rdnr. 6 m.w.N.). Die Verfahrensschritte sind in Art. 128 EGV normiert und vollziehen sich in folgenden Stufen: Leitlinienvorschläge der Kommission, Anhörung des Parlaments und der im
Einzelnen genannten Ausschüsse, Leitliniensetzung durch den Rat, jährliche Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten im
Lichte der Leitlinien, Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses, Bewertung der Berichte durch den Rat, Kommissionsvorschläge
für Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, Empfehlungen des Rates an die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit, Erstellung
eines gemeinsamen Jahresberichts durch Rat und Kommission und Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, die wiederum Grundlage
für die Erarbeitung neuer Leitlinien für den nächsten Beobachtungszyklus sind (vgl. Wendtland, ZESAR 2008, 419, 421).
Dabei sind die beschäftigungspolitischen Leitlinien, die das wichtigste Instrument der koordinierten Beschäftigungsstrategie
sind, als solche für die Mitgliedstaaten nur begrenzt rechtsverbindlich. Unabhängig von der Handlungsform - der Rat hatte
die Leitlinien ursprünglich als "Entschließungen" (1998 und 1999) bzw. "Beschlüsse" (2000 bis 2004), schließlich dann als
"Entscheidung" angenommen (vgl. Entschließung 2005/600/EG des Rates vom 12. Juli 2005, ABl. L 205/21) - sind die Mitgliedstaaten nach Art. 128 Abs. 2 EGV lediglich verpflichtet, die beschäftigungspolitischen Leitlinien in ihrer Beschäftigungspolitik zu berücksichtigen (vgl.
Marauhn/Lochen in Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Art. 128 EGV Rdnr. 13 f.). Soweit inzwischen messbare Ziele vorgegeben werden, kann bei Verletzung der Vorgaben u.U. ein Vertragsverletzungsverfahren
nach Art. 226, 227 EGV in Betracht kommen (vgl. Kreßel, aaO., Art. 128 EGV Rdnr. 28). Unmittelbare Auswirkungen auf die Bürger im Sinne der Schaffung subjektiv öffentlicher Rechte der Bürger in den
Mitgliedstaaten werden durch Art. 125 ff. EGV nicht geschaffen, denn die Regelungen sind auf eine grundsätzlich ergebnisoffene Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten
bzw. die Gemeinschaftsorgane angelegt und erfüllen damit nicht die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgestellten Anforderungen
für die unmittelbare Geltung von primärrechtlichen Normen (vgl. Marauhn/Lochen, aaO., Art. 125 EGV Rdnr. 25; EuGH - Rs. 26/62 - Slg. 9, 1).
In den beschäftigungspolitischen Leitlinien 2002 (vgl. Beschluss des Rates vom 18. Februar 2002 - 2002/177/EG - ABl. L 60/60) ist für die hier interessierende Frage der Beschäftigungsförderung bei älteren Arbeitnehmern vorgesehen die Zielvorgabe
einer Beschäftigungsquote der älteren Arbeitskräfte (55 bis 64 Jahre) von 50% bis zum Jahr 2010. Hierzu sind nach den Leitlinien
(unter I.1) Sozialleistungs-, Steuer- und Ausbildungssysteme - soweit erforderlich - zu überprüfen und so anzupassen, dass
sie aktiv zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitslosen beitragen. Überdies sollten diese Systeme in ihrem Zusammenwirken
die Rückkehr nichterwerbstätiger Personen ins Erwerbsleben fördern, die bereit und in der Lage sind, eine Beschäftigung aufzunehmen.
Insbesondere sollte angestrebt werden, Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen mehr Anreize zu bieten, sich um Arbeit zu bemühen
und entsprechende Angebote wahrzunehmen, und Maßnahmen zur Qualifizierung und zur Verbesserung der Beschäftigungsaussichten
insbesondere derjenigen zu forcieren, die sich mit den größten Schwierigkeiten konfrontiert sehen. Ähnlich ist in den beschäftigungspolitischen
Leitlinien 2003 (Beschluss des Rates vom 22. Juli 2003 - 2003/578/EG - ABl. L 197/13) in den spezifischen Leitlinien (unter Punkt 8) vorgesehen, dass zur Förderung der Arbeitsbeteiligung u.a. älterer Arbeitskräfte
die Mitgliedstaaten ggf. die Gewährung von Lohnergänzungsleistungen in Betracht ziehen werden.
Aus diesen allgemeinen Vorgaben lässt sich keineswegs entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber verpflichtet war, eine Entgeltsicherung
für ältere Arbeitnehmer auch im Falle der Aufnahme einer Beschäftigung als Beamter vorzusehen, auch eine entsprechende europarechtskonforme
Auslegung des § 421j
SGB III ist nicht geboten. Das allein beschäftigungspolitische Ziel, die Beschäftigungsquote bei älteren Arbeitnehmern zu erhöhen
- wobei der Kläger mit damals 53 Jahren nicht einmal zu den älteren Arbeitnehmern im Sinne der beschäftigungspolitischen Leitlinien
gehört - erfordert selbst bei Unterstellung einer insoweit bindenden Vorgabe nicht, ältere Arbeitnehmer auch bei Aufnahme
einer Beamtentätigkeit zu unterstützen. Wie der Bevollmächtigte des Klägers selbst zutreffend ausgeführt hat, dürfte der Fall
der Aufnahme einer Tätigkeit als Beamter im höheren Alter kaum jemals vorkommen, so dass aus der hier allein maßgebenden beschäftigungspolitischen
Sicht eine Förderung weder geeignet noch erforderlich ist zur Erreichung einer höheren Beschäftigungsquote bei älteren Arbeitnehmern.
§ 421j
SGB III steht somit nicht im Widerspruch zu den beschäftigungspolitischen Leitlinien.
Die vom Bevollmächtigten des Klägers angeregte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung kommt
abgesehen davon auch deshalb nicht in Betracht, weil der EuGH nach Art. 234 EGV nur über die Auslegung dieses Vertrags, über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft
und der Europäischen Zentralbank sowie über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen, soweit
diese Satzungen dies vorsehen, entscheidet. Der EuGH ist nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens
nicht für die Auslegung innerstaatlichen Rechts zuständig (vgl. EuGH - Rs. 75/63 - Slg. 1964, 379, 398; EuGH - C-309/96 - Slg. 1997, I-7493). Ebenso kann der EuGH nicht über die Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht
entscheiden, wie es ihm im Rahmen des Art. 226 EGV möglich wäre (vgl. EuGH - Rs. 6/64 - Slg. 1964, 1251, 1268; EuGH - C-292/92 - Slg. 1993, I-6787; Schwarze in Schwarze, aaO., § 234 EGV Rdnr. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.