Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; hinreichende Aussicht auf Erfolg
Gründe:
I. Mit der Klage vom 13.12.2004 hat sich der Kläger gegen eine Sperrzeit vom 01.01. - 23.04.2004 gewandt, die die Beklagte
mit Bescheid vom 03.06.2004/Widerspruchsbescheid vom 08.11.2004 mit der Begründung festgestellt hatte, der Kläger habe durch
arbeitsvertragswidriges Verhalten seine Arbeitslosigkeit infolge Arbeitgeberkündigung zum 31.12.2003 herbeigeführt. Zur Aufklärung
des Sachverhalts hat das Sozialgericht am 22.12.2006 die Akten des Kündigungsrechtsstreits des Klägers vor dem Arbeitsgericht
A-Stadt (Az: 4a Ca 22701/03) beigezogen. Nach Erhalt der Ladung zum Verhandlungstermin 16.02.2007 hat der Kläger Prozesskostenhilfe beantragt (Eingang
des Antrags beim Sozialgericht München am 02.02.2007). Mit Urteil vom 16.02.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen
im Wesentlichen mit der Begründung, in Auswertung der arbeitsgerichtlichen Akten sei ein arbeitsvertragswidriges Verhalten
des Klägers nachgewiesen. Mit Beschluss vom 26.02.2007 hat das Sozialgericht den Prozesskostenhilfeantrag unter Bezugnahme
auf die Urteilsgründe abschlägig beschieden.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Beschwerde eingelegt im Wesentlichen mit der Begründung, das Sozialgericht wäre zur
Entscheidung über die Prozesskostenhilfe vor Erlass des Urteils verpflichtet gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Erfolgsaussicht
der Klage nicht verneint werden können. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 28.03.2007).
Gegen das klagabweisende Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und dabei u.a. gerügt, verfahrensfehlerhaft habe das Sozialgericht
nicht rechtzeitig über den Prozesskostenhilfe-Antrag entschieden. Zudem seien Beweisanträge zur Sachverhaltsaufklärung übergangen
worden, die den Inhalt der arbeitsgerichtlichen Akten widerlegt hätten.
II. Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§
172 Abs.
1 SGG, §§
73 a
SGG,
127 ZPO) aber unbegründet.
1. Prozesskostenhilfe erhält ein bedürftiger Beteiligter, soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In diesem Rahmen wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter
Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner
durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§
121 Abs.
2 ZPO).
Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art.
20 Abs.
3 GG allgemein niedergelegt ist und der für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art.
19 Abs.
4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung
des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren
den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige
Rechtsprechung, vgl. BVerfG -Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08 sowie Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02; Bayer. Landessozialgericht Beschluss 04.12.2009 - L 5 R 576/09 B PKH; Beschluss vom 01.08.2006 - L 5 B 271/06 KR PKH; Beschluss vom 10. März 2010 - L 9 B 67/06 AL PKH).
Wird über Prozesskostenhilfe erst mit oder nach Abschluss des Verfahrens entschieden, wird das Tatbestandsmerkmal "hinreichende
Aussicht auf Erfolg" faktisch durch den Maßstab des tatsächlichen Erfolgs in der Hauptsache ersetzt und so der Zweck der Prozesskostenhilfe,
auch Unbemittelten den Zugang zum Rechtsschutz zu ermöglichen, verfehlt. Zudem gebietet es der aus Art.
19 Abs.
4 GG und Art.
20 Abs.
3 GG resultierende Grundsatz des fairen Verfahrens, dass über Prozesskostenhilfe vor Abschluss der Hauptsache zu entscheiden ist
(vgl BVerfG Beschluss vom 26. Juni 2003 - 1 BvR 1152/02 - SozR 4-1500 § 73a Nr 1; BSG Beschluss vom 04.12.2007 - B 2 U 165/06 B, ASR 2008, 166-167).
2. In Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich zunächst, dass das Sozialgericht im Rahmen der Amtsermittlung gem. §§
103,
106 SGG berechtigt war, die arbeitsgerichtlichen Akten und die dort dokumentierten Beweismittel auszuwerten und daraus den Schluss
zu ziehen, dass der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten den Verlust seines Arbeitsplatzes verursacht hatte und
die Beklagte zur Feststellung der streitigen Sperrzeit berechtigt war. Damit wurde die fehlende Erfolgsaussicht im Ergebnis
zu Recht verneint. Das Sozialgericht hat dabei insbesondere die Grundsätze der gebotenen Amtsermittlungspflicht nicht verletzt,
als es von weiterer Beweisaufnahme durch der Einvernahme weiter Zeugen abgesehen hat, weil der entscheidende sperrzeitbegründende
Sachverhalt im arbeitsgerichtlichen Verfahren hinreichend festgehalten war. Zu weiterer Sachaufklärung musste sich das Sozialgericht
also nicht gedrängt fühlen, so dass die hinreichende Erfolgsaussicht auch insoweit als nicht bestehend angesehen werden durfte.
In der Konsequenz bleibt es deshalb auch ohne Folgen, dass verfahrensrechtlich nicht korrekt über den Prozesskostenhilfeantrag
erst nach Erlass des Urteiles in der Hauptsache entschieden wurde. Denn einerseits wären Verfahrensfehler nur relevant, wenn
ohne sie eine andere Entscheidung hätte ergehen müssen, was vorliegend aber nicht der Fall ist. Andererseits war der Prozesskostenhilfe-Antrag
erst nach Ladung zur mündlichen Verhandlung und nur kurzfristig vor dieser gestellt worden, so dass sich der vorliegende Sachverhalt
von dem im Beschluss des BSG vom 04.12.2007 deutlich unterscheidet und der Kläger selbst ein gewisses Maß der Mitverantwortung
an der verspäteten Prozesskostenhilfe-Entscheidung zu tragen hat.
Im Ergebnis bleibt damit die Beschwerde vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Kosten der Beschwerde werden nicht erstattet, §
127 Abs.
4 ZPO i. V. m. §
73 a SGG.