Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung eines Betonbauers als Berufskrankheit in der gesetzlichen Unfallversicherung;
Erforderlichkeit eines Zusatzkriteriums neben der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit sowie die Gewährung von
Leistungen.
Der 1967 geborene Kläger absolvierte von Oktober 1984 bis Mai 1986 eine Ausbildung zum Betonbauer und arbeitete anschließend
in diesem Beruf bis 31.05.2006 mit einer Unterbrechung durch den Wehrdienst (Juni 1989 bis August 1990).
Am 14.09.1999 wurde beim Kläger durch eine CT ein Bandscheibenprolaps L5/S1 festgestellt, der im Rahmen eines stationären
Aufenthalts im Klinikum A-Stadt vom 05.10.1999 bis 14.10.1999 operativ mittels mikroneurochirurgischer Sequesterentfernung
und Bandscheibenfachausräumung im Segment L5/S1 und erweiterter intralaminärer Fensterung versorgt wurde. Am 04.09.2000 erfolgte
eine Re-Nukleotomie L5/S1 mit Nervenwurzeldekompression S1. Im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Klinikum A-Stadt vom
10.06.2003 bis 19.06.2003 erfolgte sodann eine operative Revision mittels Re-Nukleotomie und Radikulodekompression bzw. Radikulyse
mit erweiterter interlaminärer Fensterung am 13.06.2003.
Aufgrund einer Anzeige der AOK vom 08.08.2003 über den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108
bis 2110 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren zur Prüfung der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur
BKV (BK 2108) ein und holte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. E. vom 21.01.2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass ein
wesentlicher Ursachenzusammenhang der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers mit der beruflichen Hebe- und Tragebelastung
nicht wahrscheinlich sei. Dies bestätigte der staatliche Gewerbearzt Dr. H ...
Mit Bescheid vom 18.03.2008 (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2008) lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung von Leistungen
mit der Begründung ab, dass eine BK 2108 beim Kläger nicht vorliege.
Am 11.12.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat den Kläger am 13.08.2009 durch den Orthopäden Dr. W. gerichtsärztlich untersuchen lassen. In seinem Gutachten vom 20.08.2009
ist Dr. W. zu dem Ergebnis gekommen, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers wesentlich durch die berufliche
Hebe- und Tragebelastung verursacht worden und mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 50 v. H. zu bewerten
sei.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.10.2009 unter Vorlage einer Stellungnahme des Chirurgen Dr. M. vom 28.09.2009 die
Auffassung aufrecht erhalten, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht wesentlich durch die berufliche Hebe-
und Tragebelastung verursacht worden sei.
Mit Urteil vom 29.07.2010 hat das SG unter Abänderung des Bescheides vom 18.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 festgestellt, dass
die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung ist, und die Beklagte verurteilt, Verletztengeld entsprechend den gesetzlichen Vorschriften sowie Verletztenrente nach einer
MdE in Höhe von 40 v. H. ab Beendigung des Anspruchs auf Verletztengeld zu gewähren, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Keines der sogenannten Zusatzkriterien für das Vorliegen einer Konstellation
B2 der "Konsensempfehlungen" (Prolaps an mehreren Bandscheiben oder bei monosegmentaler Betroffenheit Nachweis einer black
disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten; besonders intensive Belastung; besonderes Gefährdungspotential durch Belastungsspitzen)
sei erfüllt. Es müsse daher von einer Konstellation B3 ausgegangen werden. Die Beklagte hat zudem eine Stellungnahme ihres
Präventionsdienstes vom 29.11.2010 vorgelegt, wonach beim Kläger eine Gesamtdosis von 16 MNh nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell
errechnet worden.
Der Senat hat ein Gutachten des Prof. Dr. B. vom 21.08.2012 mit Zusatzgutachten des Neurologen Dr. K. vom 21.11.2011 und des
Radiologen Dr. B. vom 21.02.2012 eingeholt. Der Neurologe Dr. K. hat die neurologischen Ausfälle mit einer MdE von 50 v.H.
und eine depressive Störung, die er durch ein chronisches Schmerzsyndrom hervorgerufen sieht, mit einer MdE von 40 v.H. eingeschätzt,
woraus er eine Gesamt-MdE auf seinem Fachgebiet von 70 v.H. schließt. Nach Prof. Dr. B. liege beim Kläger ein monosegmentaler
Bandscheibenschaden mit Diagnose eines Bandscheibenprolaps L5/S1 am 14.09.1999 vor. Es bestehe eine plausible zeitliche Korrelation
zwischen beruflicher Einwirkung und Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung. Wesentliche außerberuflich bedingte
konkurrierende Ursachenfaktoren lägen nicht vor. Hinweise auf eine Begleitspondylose ergäben sich nicht. Das Zusatzkriterium
"Black disc in zwei angrenzenden Segmenten" sei nicht erfüllt. Hinsichtlich der besonders intensiven Belastung sei noch eine
Überarbeitung der Stellungnahme des Präventionsdienstes erforderlich. Hohe Belastungsspitzen seien nicht erkennbar.
In einer weiteren Stellungnahme vom 22.02.2013 hat der Präventionsdienst der Beklagten nach weiteren Ermittlungen (u.a. Befragung
von Zeugen) eine Gesamtdosis von 13,7 MNh (bis 1999) bzw. 20 MNh (bis 2006) errechnet und ausgeführt, eine besonders intensive
Belastung sei nicht erkennbar. Diese Stellungnahme hat der Präventionsdienst am 03.06.2013 ergänzt.
Der Senat hat die damaligen Arbeitskollegen des Klägers A. (M) und D. (F) als Zeugen in der nichtöffentlichen Sitzung vom
08.01.2014 durch den Berichterstatter angehört.
Der Kläger hat am 12.02.2014 Anschlussberufung erhoben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.07.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.03.2008 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.07.2010 sowie den Bescheid vom 18.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25.11.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztengeld entsprechend den gesetzlichen Vorschriften
sowie Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 40 v.H. zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise
1.
eine ergänzende Begutachtung durch Prof. Dr. B. gemäß Schriftsatz vom 11.04.2014, Seite 4,
2.
eine psychiatrische Begutachtung (§
106 SGG) zur zeitlichen Entwicklung der BK-bedingten psychiatrischen Beeinträchtigung und zur diesbezüglichen MdE-Bewertung durchzuführen,
3.
eine erneute Feststellung durch einen nicht von der Beklagten abhängigen Dienst zu veranlassen, die die vorliegende Präventionsdienstfeststellung
ersetzt,
ferner hilfsweise die Revision zuzulassen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie der Gerichtsakten beider
Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
1.
Die fristgerecht erhobene und auch ansonsten zulässige Berufung (§§
141,
142,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK Nr. 2108.
Die Klage war als Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §
55 Abs.
1 Nr.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Streitgegenstand ist allein die Anerkennung einer BK 2108. In dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 18.03.2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 ist die Anerkennung einer BK 2108 abgelehnt, ein Anspruch auf Verletztengeld
oder Verletztenrente ist jedoch nicht geprüft worden, auch wenn die Beklagte im Entscheidungssatz des Bescheides "die Gewährung
von Leistungen" abgelehnt hat.
Verwaltungsakte sind unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgeblich
ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, d. h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung objektiv verstehen
musste (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 31 Rdnr. 25 f.). Der Kläger musste den Bescheid vom 18.03.2008 so verstehen, dass darin eine verbindliche Regelung in Bezug
auf das Nichtvorliegen einer BK 2108 getroffen werden sollte und nicht über eine konkrete Leistungspflicht der Beklagten.
Denn insofern enthalten die angegriffenen Verwaltungsakte - abgesehen von deren lapidaren Hinweis auf die Ablehnung von Leistungen
- keine Ausführungen. Soweit das SG in Ziffer II. des angefochtenen Urteils dennoch die Beklagte zur Leistung von Verletztengeld und Verletztenrente verurteilt
hat, konnte das Urteil insofern schon wegen der Unzulässigkeit der Klage keinen Bestand haben. Unzulässig war die Klage insofern,
weil - wie ausgeführt - bezüglich einer Leistungsbewilligung keine Verwaltungsentscheidung vorliegt. Im Übrigen lägen aber
auch, wie sich aus dem Folgenden ergibt, die Leistungsvoraussetzungen nicht vor.
Auch im Übrigen hat das Urteil keinen Bestand, weil kein Versicherungsfall gegeben ist. Als Versicherungsfall gilt nach §
7 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§
9 Abs.
1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen
der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte
Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche
beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen
Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang)
muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und
die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R und vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).
Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses
ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, das ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und
nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht
(BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R juris Rn 4 mwN). Was die hinreichende Wahrscheinlichkeit betrifft, sind die diesbezüglichen Anforderungen grundsätzlich höher
als diejenigen an die sogenannte überwiegende Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes; BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R juris Rn 4 f. m. w. N.; zum BVG BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R juris Rn 116). In Abgrenzung zu der hier maßgeblichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wird unter überwiegender Wahrscheinlichkeit
(Glaubhaftmachung) die gute Möglichkeit verstanden, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei gewisse Zweifel bestehen
bleiben können; das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Der sogenannte
Vollbeweis ist auf der anderen Seite erst erfüllt, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände
des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet
sind, die volle richterliche Überzeugung, die bei an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist, zu begründen (vgl.
BSG, Urteil vom 29.03.1963, 2 RU 75/61; vom 22.09.1977, 10 RV 15/77; vom 01.08.1978, 7 RAr 37/77; vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R; vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
128 Rn 3b mwN).
Von Nr. 2108 der Anlage I zur
BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder
durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für
die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss also der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben
und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden
besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der
versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen
und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen
sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich
erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (vgl BSG, Urteile vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R sowie vom 18.11.2008, B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R).
a.
Der Anspruch des Klägers scheitert hier nicht daran, dass die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die im
Sinne der BK 2108 erforderlichen Einwirkungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung,
nicht gegeben wären.
Zur Bestimmung des Ausmaßes der erforderlichen Einwirkungen bei der BK 2108 ist nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 13/02 R = BSGE 91, 23) auf der Basis der Deutschen Wirbelsäulenstudie auf das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) abzustellen (vgl dazu die grundlegende
Veröffentlichung von Jäger ua, ASUMed 1999, 101 ff, 112 ff). Dieses Modell stellt grundsätzlich eine geeignete Grundlage zur
Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten
oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau umschriebenen Einwirkungen dar (BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 1/02 R). Jedoch müssen die vom MDD vorgegebenen Orientierungswerte im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse modifiziert werden
(BSG, Urteil vom 30.10.07, B 2 U 4/06 R). Welches Maß an belastenden Einwirkungen mindestens erforderlich ist, um eine BK - ggf. unter Einbeziehung weiterer Kriterien
- anzuerkennen oder umgekehrt, wo die Mindestgrenze liegt, bis zu der ein rechtlich relevanter Ursachenzusammenhang ohne weitere
Prüfung ausgeschlossen werden kann, ist danach unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde
nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entscheiden (BSG, Urteile vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R und vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R). Bezüglich der BK 2108 bedarf das MDD im Hinblick auf die an seinen wissenschaftlichen Grundlagen und seinem Berechnungsmodus
geäußerte Kritik der weiteren Überprüfung. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse deuten nämlich darauf hin, dass auch unterhalb
der Orientierungswerte nach dem MDD liegende Werte ein erhöhtes Risiko für Bandscheibenerkrankungen auslösen können. Auf eine
Mindesttagesdosis ist daher entsprechend dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Der untere Grenzwert,
bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter
Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden
kann, ist zudem auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6
Nh bei Männern herabzusetzen (vgl. dazu BSG vom 30.10.2007 aaO mwN).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben scheitert die Feststellung einer BK Nr. 2108 vorliegend nicht bereits an den arbeitstechnischen
Voraussetzungen. Der 1967 geborene Kläger hat folgende Tätigkeiten ausgeübt, in denen er rückenbelastend tätig gewesen ist:
Ab 9/1983 hat er das Berufsgrundschuljahr absolviert. Danach war er von 01.09.1984 bis 31.05.1986 in Lehre als Betonbauer
und arbeitete ab dem 15.07.1986 in diesem Beruf. Wehrdienst leistete er vom 05.06.1989 bis 31.08.1990, um anschließend wieder
als Betonbauer auf Baustellen weiter zu arbeiten. Zwischen Juni 2000 und 10.07.2001 war der Kläger wegen eines Arbeitsunfalls
arbeitsunfähig erkrankt und wurde danach im Fertigteilwerk eingesetzt. Ab Juni 2006 war er (wegen Arbeitsunfähigkeit) nicht
mehr rückenbelastend tätig. Am 11.10.1999 (Arbeitsunfähigkeit 13.09.1999 bis 09.02.2000) wurde eine erste Wirbelsäulenoperation
wegen eines Bandscheibenprolaps L5/S1 durchgeführt, am 04.09.2000 (Arbeitsunfähigkeit 10.05.2000 bis 02.02.2001) eine zweite
und am 13.06.2003 eine dritte Wirbelsäulenoperation (Arbeitsunfähigkeit 10.06.2003 bis 27.10.2004).
Der Präventionsdienst der Beklagten hat beim Kläger auf der Grundlage der eigenen Erhebungen und der Angaben des Klägers für
den Zeitraum von 1984 bis 1999 eine Gesamtdosis von 13,7 x 10 6 Nh (MNh) und für den Zeitraum 1984 bis 2006 in Höhe von 20
MNh errechnet. Dieser Wert liegt über der nach dem MDD mit den oben genannten Modifikationen anzusetzenden Gesamtbelastungsdosis.
Da die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, geht der vom Kläger insoweit gestellte Hilfsantrag ins Leere.
b.
Der Anspruch scheitert jedoch an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine BK 2108.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren
LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese
Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung
ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein
die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen
Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK 2108, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff.). Im Hinblick auf die
Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK 2108 bedarf es weiterer Kriterien für die Beurteilung
der beruflichen Verursachung. Diese dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden medizinischen Beurteilungskriterien
zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS sind in den sogenannten Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung
niedergelegt (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff). Der vom Senat eingesetzte
Sachverständige Prof. Dr. C. der an der Erarbeitung der Konsensempfehlungen beteiligt war, hat keinen neueren, von den Konsensempfehlungen
abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule aufgezeigt.
Ein neuerer Stand der medizinischen Wissenschaft ist auch sonst nicht ersichtlich. Die sog. Konsensempfehlungen stellen also
den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch
körperliche berufliche Belastungen dar. (vgl. dazu auch Bayer. LSG, Urteil vom 31.01.2013, L 17 U 244/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.05.2010, L 3 U 19/06; BSG, Urteil vom 27.10.2009, B 2 U 16/08 R).
Beim Kläger liegt die Konstellation "B 3" der in den Konsensempfehlungen definierten Befundkonstellationen vor. Die allein
zu Bejahen der medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 führende Konstellation "B 2" liegt nicht vor, da die danach zusätzlich
zu der (monosegmentalen) bandscheibenbedingten Erkrankung notwendigen Zusatzkriterien nicht vorliegen. Bei der Konstellation
"B 2" muss mindestens eines der folgenden Kriterien zusätzlich erfüllt sein, um einen Zusammenhang hinreichend wahrscheinlich
zu machen: Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder
L4/L5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten oder besonders intensive Belastung (Anhaltspunkt:
Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren) oder besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen
(Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 1/2 kN; Männer
ab 6 kN)). Für die Einstufung der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne eines belastungskonformen Schadensbildes als berufsbedingt
ist entscheidend auf den Befund im Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit abzustellen (vgl. Konsensempfehlungen,
aaO, 1.2 Bildgebende Befunde).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 2108 vorliegend nicht
erfüllt. Das Vorliegen einer durch die berufliche Tätigkeit verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS im Sinne
der BK 2108 ist nicht nachgewiesen. Zwar ergibt sich insbesondere aus dem Gutachten Prof. Dr. B. vom 21.08.2012 mit radiologischem
Zusatzgutachten Dr. B. vom 21.02.2012 zur vollen Überzeugung des Senats, dass beim Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt
eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorlag. Diese bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft allerdings
nur das Segment L5/S1. Zu diesem Segment war erstmals in einer Computertomographie vom 14.09.1999 ein altersuntypischer Bandscheibenprolaps
diagnostiziert wurde, der zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr als frisch einzustufen war. Nach den Befunden aus dem Jahr 2006
(CT vom 02.06.2006 und vom 13.08.2006) ergaben sich keine wesentlichen Veränderungen gegenüber den Vorbefunden, insbesondere
lag also eine Chondrose im Segment L5/S1 (drittgradig) vor, die schon am 09.06.2000 (damals als erstgradig) beschrieben wurde.
Eine Begleitspondylose an der LWS war nicht gegeben. Dies belegen die Ausführungen des Radiologen Dr. B., denen sich Prof.
Dr. B. angeschlossen hat.
Damit lag zum maßgeblichen Zeitpunkt ein Befund vor, der die Einordnung in die Konstellation "B 2" oder "B 3" möglich macht.
Ein für die Einstufung in "B 2" notwendiges sogenanntes Zusatzkriterium ist nicht gegeben.
Das bei monosegmentaler Betroffenheit in Betracht kommende radiologische Zusatzkriterium "black disc in zwei angrenzenden
Segmenten" war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht mit dem erforderlichen Überzeugungsgrad (Vollbeweis) gegeben.
Maßgeblicher Zeitpunkt ist, wie ausgeführt, der Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeiten im Jahre 2006. Für diesen
Zeitpunkt hat der radiologische Sachverständige Dr. B. das Vorliegen einer black disc in nachvollziehbarer und überzeugender
Weise ausgeschlossen. Dr. B. hat hierzu ausgeführt, dass lediglich im Bereich L5/S1 eine chondrotisch veränderte Bandscheibe
mit Signaländerung vorliegt, nicht aber in den angrenzenden Segmenten. Der zu fordernde Überzeugungsgrad ergibt sich auch
nicht aus den Ausführungen des vom SG gehörten Sachverständigen Dr. W ... Zum einen benennt Dr. W. die von ihm in den MRT-Aufnahmen aus dem Jahr 2007 in den Bandscheibenzwischenräumen
L 4/5 und L 2/3 gesehenen Veränderungen selbst nicht als black disc, zum anderen beziehen sich die Ausführungen des Dr. W.
auf das Jahr 2007. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger seine belastende Tätigkeit aber bereits seit längerem nicht mehr ausgeübt.
Auch die alternativ bestehenden Zusatzkriterien der Konstellation "B 2" sind nicht erfüllt. Ein besonderes hohes Gefährdungspotenzial
durch hohe Belastungsspitzen ist nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die Konsensempfehlungen bejahen dieses
Zusatzkriterium bei Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes (für Männer 6,0 kNH) durch hohe Belastungsspitzen.
Das besondere Gefährdungspotential ist als zusätzliches Kriterium der Fallgruppe "B 2" auch nach der Modifikation des Mainz-Dortmunder-Dosismodells
durch das bereits in Bezug genommene Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R, noch anzuwenden, soweit die in dem Kriterium genannten Mindestwerte erreicht oder überschritten werden (Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt vom 17.08.2011, L 6 U 76/08). Dies ist beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Diesbezügliche Zweifel, die die Annahme hoher Belastungsspitzen
im Sinne des genannten Zusatzkriteriums ausschließen, ergeben sich aus den nachvollziehbaren Feststellungen des Präventionsdienstes.
Da der Kläger den Richtwert für die Lebensdosis nach den oben getroffenen Feststellungen des Senats nicht in weniger als zehn
Jahren erreicht hat, liegt auch keine "besonders intensive Belastung" vor. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung auf
die Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten (vgl. insbesondere die Stellungnahmen vom 22.03.2013 und 03.06.2013),
an deren Richtigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen. Der Präventionsdienst hat seinen Berechnungen zur Überzeugung des
Senats vielmehr auch insofern zutreffende Annahmen zugrunde gelegt. Der Präventionsdienst hat die einzelnen beruflichen Tätigkeiten
des Klägers jahrgangsweise bewertet und ist dabei ausgehend vom Berufsgrundschuljahr (Teildosis 0,1 MNh) über die Lehrjahre
(01.09.1984 bis 31.07.1987; Teildosis 3 MNh), die Tätigkeit als Stahlbetonbauer auf Baustellen (01.08.1987 bis 09.07.2000;
Teildosis 11 MNh) und die Jahre im Fertigteilwerk (10.07.2000 bis 31.05.2006; Teildosis 5,90 MNH) zu einer nachvollziehbaren
Gesamtbelastung gelangt. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit den Ermittlungen des Präventionsdienstes gerügt hat (Schriftsatz
vom 04.04.2013), der Senat hätte die Zeugen selbst befragen müssen, hat diese Befragung durch den Berichterstatter am 08.01.2014
stattgefunden. Die Zeugen haben die vom Präventionsdienst zugrunde gelegten Annahmen bestätigt. Durch die Angaben des M steht
insbesondere fest, dass der Kläger die gleichen Arbeitszeiten wie alle anderen Mitarbeiter im Fertigteilwerk hatte, wobei
zwar bei Bedarf auch länger gearbeitet wurde, etwa, um ein Werkstück fertigzustellen, dass aber Arbeitszeiten wenn möglich
ausgeglichen wurden, wozu auch ein Arbeitszeitkonto eingerichtet war. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Präventionsdienst
seinen Berechnungen die üblichen Arbeitszeiten zugrunde gelegt hat. Die vom Kläger behaupteten übermäßigen Überstunden wurden
von M gerade nicht bestätigt. Auch wenn dem Kläger, wie von ihm behauptet, nach seinem gesundheitsbedingten Ausscheiden noch
ein Überstundenkontingent ausgezahlt wurde, deutet nichts darauf hin, dass (allein) der Kläger regelmäßig Mehrstunden leisten
musste. Vielmehr ist dies Ausdruck des Arbeitszeitkontos, das beim Kläger wegen seines krankheitsbedingten Ausscheidens und
seiner zuvor schon aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht mehr auf andere Weise ausgeglichen werden konnte. Der
Präventionsdienst hat die Arbeitsunfähigkeitszeiten ausweislich der mit der Stellungnahme vom 22.02.2013 vorgelegten Berechnungsbögen
auch korrekt berücksichtigt, wie ein Vergleich mit der Aufstellung der AOK vom 19.09.2007 ergibt. Der entsprechende pauschalisierend
erhobene Einwand des Klägers greift daher nicht durch. Auch die übrigen vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 04.04.2013
gegen die Berechnung des Präventionsdienstes vorgebrachten Einwendungen erweisen sich als nicht stichhaltig. Insbesondere
hat der Präventionsdienst berücksichtigt, dass der Kläger über weite Teile seiner Beschäftigungszeiten auf Großbaustellen
und im Industriebau tätig war, wie in der ergänzenden Stellungnahme vom 03.06.2013 nochmals bestätigt wurde. Der Zeitpunkt
des Wechsels in das Betonteilwerk wurde vom Präventionsdienst nach den Angaben des Klägers angenommen. Die Einwendungen zum
Format der verwendeten Steine, zu den Schaufel- und Tragearbeiten, zu den Schubkarrentransporten und dem Gewicht von Fliesen
wurden vom Präventionsdienst in seiner ergänzenden Stellungnahme unter Benennung der Fundstellen in den Berechnungsbögen entkräftet;
dieser hat entgegen der Annahme des Klägers insbesondere die Einzeltätigkeiten bei der Berechnung berücksichtigt.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 31.07.2013 weitere, angeblich von dem Präventionsdienst nicht
berücksichtigte Arbeiten vorgetragen hat, sind diese nicht nachvollziehbar. Der Umfang der vom Kläger aufgeführten Tätigkeiten
entspricht offensichtlich nicht dem tatsächlich geleisteten Zeitaufwand. So werden etwa die Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
(Beugung des Oberkörpers um mehr als 90°) mit 3 Stunden täglich (Einschalen von Fundamenten), weiteren 3 Stunden täglich (Schalung
von Wänden), weiteren 2,5 Stunden täglich (Schalen von Decken), weiteren 3 x 3 Stunden für das Betonieren von Decken mit Kran
und Betonpumpe angegeben. Demgegenüber hat der Präventionsdienst diese Arbeiten berücksichtigt (vgl. S. 15 ff. der Berechnungsbögen),
zeitlich nachvollziehbar gewichtet und auf dieser Grundlage die Belastung zutreffend errechnet.
Der Senat stellt daher auf der Grundlage der Berechnungen des Präventionsdienstes fest, dass der Kläger mit einer Lebensdosis
von insgesamt 20 MNh belastet wurde und damit den MDD-Richtwert für die Lebensdosis von 25 MNh nicht erreicht hat, schon gar
nicht in weniger als 10 Jahren, so dass keine besonders intensive Belastung im Sinne der Konsensempfehlungen vorliegt. Diese
sind vom Wortlaut her eindeutig und lassen es auch nicht zu, einen halbierten Bezugswert statt dem in den Konsensempfehlungen
bezeichneten Bezugswert von 25 MNh zu Grunde zu legen, wie dies Prof. Dr. B. befürwortet. Der Gutachter überträgt nämlich
unreflektiert die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Bestimmung des Ausmaßes der erforderlichen Einwirkungen bei
der BK 2108 (vgl. dazu oben 1a) auf das bezeichnete Zusatzkriterium, wenn er darlegt, dass es sich auch bei diesem Zusatzkriterium
nur um einen Orientierungswert handelt. Der Grund für die Halbierung der im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerte für die
Gesamtbelastungsdosis bestand darin, dass es eines Sicherheitsabschlags bedarf, wenn die Gesamtbelastungsdosis als Ausschlusskriterium
für das Vorliegen einer BK 2108 verwendet werden soll. Aus der deutschen Wirbelsäulenstudie haben sich nämlich Anhaltspunkte
dafür ergeben, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule auch bei der Unterschreitung der im MDD vorgeschlagenen
Orientierungswerte beruflich verursacht sein können. Bei dem Zusatzkriterium für die Konstellation B2 handelt es sich jedoch
nicht um ein Ausschlusskriterium, sondern um eines von mehreren Elementen zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs. Da ihm
keine Ausschlussfunktion zukommt, ist es nicht sachgerecht, Sicherheitsabschläge in einer Höhe anzusetzen, die die Aussagekraft
des Zusatzkriteriums völlig aufhebt. Hierdurch wären die Konsensempfehlungen insgesamt infrage gestellt, ohne dass die deutsche
Wirbelsäulenstudie hierfür belastbare Anhaltspunkte geliefert hätte. Dass sich ein Konsens dahingehend gebildet hätte, bei
monosegmentalen Schadensbildern von Zusatzkriterien abzusehen, ist weder aus der deutschen Wirbelsäulenstudie noch aus sonst
von Prof. Dr. B. oder den anderen Gutachtern in Bezug genommenen Quellen ersichtlich.
Deshalb verbleibt es dabei, dass nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft bei der Konstellation "B 3" mehr
gegen als für einen Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung der Wirbelsäule spricht.
Im Übrigen erreicht der Kläger auch den hälftigen Wert von 12,5 MNh nicht in einem Zeitraum von weniger als 10 Jahren. In
dem maßgeblichen Zeitraum vor 1999, also vor Auftreten des Bandscheibenvorfalls L5/S1, war der Kläger nicht ansatzweise einer
besonders intensiven Belastung ausgesetzt. In diesem Belastungszeitraum von 15 Jahren war der Kläger nämlich insgesamt nur
einer Belastung von 13,7 MNh ausgesetzt. Dies gilt aber auch, wie sich der Senat aufgrund der Berechnungen des Präventionsdienstes
überzeugt hat, für jeden anderen 10-Jahreszeitraum zwischen 1984 und 2006. Die Jahresdosis betrug nämlich im Einzelnen 218,0
kNh (1984), 654,0 kNh (jeweils 1985 und 1986), 393,9 kNh (1987), 33,5 kNh (1988), 14,2 kNh (1989), 11,2 kNh (1990), 33,5 kNh
(jeweils 1991 bis 1998), 27,3 kNh (1999), 1320,7 kNh (2001), 1452,0 kNh (2002), 807,6 kNh (2003), 257,9 kNh (2004), 1452,0
kNh (2005) und 600,7 kNh (2006).
Da auch keine besonders intensive Belastung im Sinne der Konsensempfehlungen beim Kläger vorliegt, spricht daher bei dem gegebenen
monosegmentalen Befund ohne weitere Zusatzkriterien deutlich mehr gegen als für einen Zusammenhang zwischen der beruflichen
Belastung und der Wirbelsäulenerkrankung, so dass die Voraussetzungen einer BK 2108 nicht erfüllt sind.
Das stattgebende Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.07.2010 war daher aufzuheben und die gegen den Bescheid vom 18.03.2008
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2008 gerichtete Klage insgesamt abzuweisen.
2.
Die unselbständige Anschlussberufung des Klägers war schon deshalb zurückzuweisen, weil, wie oben ausgeführt, ein möglicher
Verletztenrentenanspruch des Klägers nicht streitgegenständlich ist. Eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer (höheren)
Verletztenrente scheidet schon deshalb aus. Im Übrigen ist ein Rentenanspruch auch nicht gegeben, weil keine BK 2108 gegeben
ist.
3.
Den vom Kläger gestellten Beweisanträgen musste der Senat nicht nachkommen. Für die Frage, ob eine beantragte Beweiserhebung
vorzunehmen ist, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten ist, den Sachverhalt zu den von dem betreffenden Beweisantrag
erfassten Punkten weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr,
vgl zB BSG, Urteil vom 31.07.1975, 5 BJ 28/75; BSG, Urteil vom 06.11.2011, B 9 V 12/11 B). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise
zur Verfügung stehen, Gebrauch machen, insbesondere bevor es eine Beweislastentscheidung trifft. Einen Beweisantrag darf es
nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als
wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache
oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG, Beschluss vom 06.02.2007, B 8 KN 16/05 B).
Der Sachverhalt ist umfassend aufgeklärt. Einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters B. zu dem vom Kläger aufgezeigten
Beweisthema (Frage des Vorliegens einer besonders intensiven Belastung) bedurfte es nicht. Für die Beantwortung der Frage,
welcher Belastung ein Kläger während seines Arbeitslebens ausgesetzt war, bedarf es keiner medizinischen Fachkenntnis. Vielmehr
ist die Belastung durch das Gericht, gegebenenfalls nach Einholung von Auskünften sachkundiger Stellen festzustellen. Vorliegend
hat der Senat diese Feststellung auf der Grundlage der Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten getroffen. Der Präventionsdienst
(früher "technischer Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaften") ist eine sachkundige Stelle, derer sich das Gericht bedienen
kann, um sich die zur Beantwortung technischer Fragen notwendige Sachkunde zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R). Die Belastung des Klägers im Sinne des Mainz-Dortmunder Dosismodells hat der Präventionsdienst umfassend und nachvollziehbar
dargestellt. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Berechnungen auf der Grundlage der tatsächlichen Belastung des Klägers
erfolgt und auch im Übrigen richtig sind. Auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Einwendungsschreiben der Klägerseite
ist nicht ersichtlich, dass wesentliche Belastungen in den Berechnungen nicht berücksichtigt worden sind. Der Präventionsdienst
hat vielmehr die durch seine Ermittlungen zu Tage getretenen Umstände korrekt umgesetzt. Die Ermittlungen des Präventionsdienstes
wurden, wie bereits ausgeführt, auch durch die Ermittlungen des Senats bestätigt. Es bestand daher keine Veranlassung, eine
erneute Feststellung der Belastung des Klägers durch einen Dritten durchführen zu lassen.
Einer psychiatrischen Untersuchung des Klägers bedurfte es nicht. Da eine BK nicht festzustellen war, stellt sich die Frage
nach dem Umfang einer BK-bedingten psychischen Beeinträchtigung nicht.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung keinen Erfolg hatten.
Revisionszulassungsgründe (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht gegeben. Insbesondere kommt es auf die Frage, die zur Zulassung der Revision im Verfahren L 17 U 244/06 (Az. des BSG: B 2 U 6/13 R) geführt hat, vorliegend nicht entscheidungserheblich an, da beim Kläger, wie ausgeführt, eine besonders intensive Belastung
im Sinne der Konstellation "B 2" auch unter Berücksichtigung des hälftigen Wertes von 12,5 MNh nicht vorgelegen hat.