Tatbestand:
Der 1951 geborene Kläger verstarb am 16.01.2009. Er war bei der Beklagten pflichtversichert. Bei ihm wurde am 20.12.2004 ein
Sigmakarzinom operativ entfernt. Von Februar bis Juni 2005 wurde eine chemotherapeutische Behandlung durchgeführt. Anlässlich
einer kernspintomographischen Untersuchung wurde am 06.06.2006 ein ovalärer Herdbefund im Segment VI des rechten Leberlappens
als Metastase gewertet.
Am 10.06.2006 beantragte der Kläger für eine geplante ambulante Einzeitbestrahlung mit einem sog. Cyberknife-System eine Kostenübernahme
bei Dr. W., der die Neuheit und Einzigartigkeit, der damit möglichen Behandlungen hervorhob. Anlässlich einer telefonischen
Vorsprache teilte der Kläger mit, der Tumor läge sehr ungünstig, weshalb eine herkömmliche Tumorentfernung ein großes Risiko
wäre. Die Cyberknife-Methode sei die effektivste Möglichkeit der Tumorentfernung.
Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. S. vom MDK ein. Dieser kam am 18.06.2006 zu dem Ergebnis, es lägen alternative Behandlungsmöglichkeiten
vor. Er benannte Krankenhäuser, die ebenfalls Einzeitbestrahlungen vornehmen.
Mit streitigem Bescheid vom 03.07.2006 lehnte die Beklagte im Hinblick auf das Gutachten die beantragte Kostenübernahme ab,
ohne zu wissen, dass sich der Kläger der Cyberknife-Behandlung unterzogen hatte. Dafür stellte Dr. W. 9.524,08 EUR unter Verwendung
zweier nicht vom Verordnungsgeber erlassenen GOÄ-Ziffern in Rechnung.
Das sich anschließende Widerspruchsverfahren blieb mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2006 erfolglos, ebenso das nachfolgende
Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) mit Urteil vom 24.05.2007. Darin wies das SG nochmals darauf hin, dass bislang kein positives Votum des gemeinsamen Bundesausschusses vorläge. Auch habe der Kläger den
Beschaffungsweg nicht eingehalten.
Gegen das Urteil vom 24.05.2007 richtet sich die Berufung des Klägers. Selbst wenn er den "Instanzenzug" nicht eingehalten
habe, so könne ihm dieses Verhalten nicht schuldhaft vorgeworfen werden. Die Behandlung habe keinen Aufschub geduldet. Auch
habe er kostenbewusst gehandelt, weil die Behandlung lediglich ambulant erfolgt sei. Er wisse, dass es andere Behandlungsmethoden
gegeben hätte. Auch lägen die Voraussetzungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 - Az.: 1 BvR 347/98 - vor.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2009 erfuhr der Senat erstmals, dass der Kläger am 16.01.2009 verstorben ist.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.05.2007 sowie den zugrunde
liegenden Bescheid der Beklagte vom 03.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2006 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die am 26.06.2006 durchgeführte Cyberknife-Behandlung in Höhe von 9.524,08 EUR in
den Nachlass zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akte der Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung (§
144 Abs.
1 Satz 2 -
SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§
143,
151 Abs.2
SGG) und zulässig, erweist sich aber in der Sache als unbegründet. Das zu entscheiden ist der Senat durch den Tod des Klägers
wegen §
202 SGG i.V.m. §
245 Abs.1
ZPO nicht gehindert.
Gegenstand des Verfahrens (§
95 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 03.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2006, mit dem diese die
Kostenübernahme für die am 28.06.2006 durchgeführte Cyberknife-Behandlung abgelehnt hat.
Zulässig verfolgte der Kläger seinen Klageanspruch (§
123 SGG) mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.4
SGG).
Der Kläger hatte keinen Anspruch auf die Erstattung von 9.524,08 EUR, für die am 28.06.2006 durchgeführte Cyberknife-Behandlung,
so dass die Beklagte auch in den Nachlass nichts zu zahlen hat.
Für die begehrte Kostenerstattung kommt als Anspruchsgrundlage allein §
13 Abs.
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) in Betracht. Danach sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare
Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und sich der Versicherte deshalb die
Leistung selbst beschafft.
§
13 Abs.
1 SGB V beruht auf dem Sachleistungsprinzip des §
2 Abs.
1 Satz 2
SGB V, das besagt, dass sächliche Mittel und persönliche Dienste von der Krankenkasse beschafft und den Versicherten unter Beachtung
des Wirtschaftlichkeitsgebots in Natur zur Verfügung gestellt werden, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung
des Versicherten zugerechnet werden können. Der Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.
3 SGB V tritt an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung und besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte
Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind
(BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12 Rdnr. 9 oder bereits BSG vom 24.09.1996 - BSGE 79, 125, 126).
§
13 Abs.
3 SGB V sieht in seiner 1. Alternative eine Kostenerstattungspflicht der Krankenkassen vor, wenn diese eine unaufschiebbare Leistung
nicht rechtzeitig erbringen konnten und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Eine unaufschiebbare Leistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Zeitpunkt so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine
Zeit mehr bleibt, die Krankenkasse vorher einzuschalten (BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 Nr. 12 Rdnr. 23). Eine unaufschiebbare
Leistung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Dies hat der Kläger selbst auch nicht vorgetragen. Insbesondere lagen keine
entsprechenden Unterlagen vor. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst vorgetragen hat, "glücklicherweise" bereits einen Behandlungstermin
am 28.06.2006 bekommen zu haben. Daraus folgt bereits, dass es allein von der Terminplanung der Praxis Dres. W. und M. abhing,
wann der Eingriff des Klägers stattfand. Hinzukommt, dass der Kläger bereits telefonisch am 08.06.2006 auf die vertraglichen
Behandlungsmethoden hingewiesen wurde.
Aber auch die 2. Alternative des §
13 Abs.3
SGB V scheidet aus, weil die Beklagte nicht zu Unrecht notwendige Leistungen abgelehnt hat und dadurch dem Kläger Kosten entstanden
sind. §
13 Abs.
3 2. Alternative
SGB V regelt insoweit eine Kostenerstattung für den Fall, dass eine Sachleistung zu Unrecht verweigert und der Versicherte dadurch
gezwungen wurde, sich die notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist der Kausalzusammenhang,
das heißt, es kommt auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Ablehnung und eingeschlagenem Beschaffungsweg an (BSG vom 18.01.1996
- SozR 3-2500 § 13 Nr. 10; BSGE vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Der Kläger musste sich vor der Entscheidung für
eine Privatbehandlung in zumutbarem Umfang um die Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemühen. Insbesondere musste er
vor Behandlungsbeginn mit der Beklagten Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet haben. Der Abschluss des Widerspruchsverfahrens
ist hingegen nicht Voraussetzung. Es liegen zwei privatärztliche Rechnungen unter der Rechnungsnummer 1260 vom 14.08.2006
vor, die sich lediglich im Datum der Behandlung unterscheiden. Die Behandlung fand unstreitig am 18.06.2006 statt. Der entsprechende
ablehnende Bescheid ist am 03.07.2005 nach zügiger Behandlung durch die Beklagte unter Beteiligung des MDK erlassen worden.
Der Kläger hat deshalb den Beschaffungsweg nicht eingehalten, da die Behandlung vor Erlass der ablehnenden Entscheidung erfolgt
ist.
Die Cyberknife-Behandlung gehört auch nicht zu den Leistungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu
erbringen sind. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss hat diese Methode (bislang) nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt.
Die ambulante Cyberknife-Behandlung wird privat außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und ist damit den neuen
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuzuordnen. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen aber nur dann über die
gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet werden, wenn sie in ihrer Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.
Die Prüfung und Feststellung, ob eine neue Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
entspricht, obliegt nicht der einzelnen Krankenkasse, sondern dem Gemeinsamen Bundesausschuss (§
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V). Dessen Aufgabe ist es zu konkretisieren, welche ambulanten oder stationären medizinischen Leistungen ausreichen, zweckmäßig
und wirtschaftlich sind und somit zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören.
Die Abrechnung einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode ist grundsätzlich ausgeschlossen, solange sich der Gemeinsame
Bundesausschuss zur Notwendigkeit und zum therapeutischen Nutzen der Methode nicht geäußert hat. Eine Empfehlung des Gemeinsamen
Bundesausschusses liegt aber für die ambulante Cyberknife-Behandlung nicht vor.
Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (Az.: 1 BvR 347/98 BVerfGE 115, 25) folgt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es mit den Grundrechten aus
Art.
2 Abs.
1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
Grundgesetz nicht vereinbar sei, einem gesetzlichen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer
von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Diese Aussage präzisiert das Bundesverfassungsgericht
in den Entscheidungsgründen dahingehend, dass Fallgestaltungen gemeint seien, für die eine dem allgemein anerkannten medizinischen
Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiere, der behandelnde Arzt jedoch eine Methode zur Anwendung bringe,
die nach seiner Einschätzung im Einzelfall den Krankheitsverlauf positiv zugunsten des Versicherten beeinflusse (BVerfG aaO.,
Rz. 62).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn es lagen durchaus alternative Behandlungsmöglichkeiten vor. So wurde bereits
im Gutachten des MDK vom 13.06.2006 darauf hingewiesen, dass es alternative Behandlungsmöglichkeiten wie Operation, LITT,
(dazu siehe erkennender Senat vom 13.12.2007 - KR 52/07 ZVW) Radiofrequenztherapie und Kryotherapie gebe. Des Weiteren wird
im MDK-Gutachten darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass zwingend eine Strahlentherapie indiziert sei, eine Vorstellung
in der Radioonkologischen Klinik am Klinikum G. oder am Klinikum R. in A-Stadt in Betracht käme. Alternativ - auch darauf
wies der Sachverständige hin - hätte auch eine Vorstellung an der Universitätsklinik W. oder an der Universitätsklinik H.
erfolgen können. Denn soweit bekannt, würden an diesen beiden Universitätskliniken auch extracranielle Einzeitbestrahlungen
oder extracranielle hypofraktionierte Bestrahlungen mit einem Linealbeschleunigersystem auf vertragsärztlicher Basis im Rahmen
eines stationären Aufenthalts durchgeführt. Erste Erfahrungen mit der Einzeitbestrahlung wurden Ende der 60er Jahre mit dem
sog. Gamma-Knife-System und später auch mit adaptierten Linearbeschleunigern bei der Behandlung von intracraniellen Tumoren
gesammelt. (Erst) Ende der 90er Jahre wurde das Cyberknife-System auf den Markt gebracht, wobei es sich um einen robotergeführten
Linearbeschleuniger handelt.
Die vom MDK-Sachverständigen genannten Alternativmethoden wären von der Beklagten auch als Sachleistung erbracht worden. Somit
bestand gerade - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert - keine Alternativlosigkeit der Therapiemöglichkeit.
Dass die von Dr. W. für die Cyberknife-Behandlung verwendeten GOÄ-Ziffern 5860 und 5861 bislang nicht existieren, bedarf keiner näheren Erörterung, weil eine Erstattung von Kosten bereits
dem Grunde nach entfiel.
Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.05.2007 zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, weil der Kläger unterlegen ist (§
193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 SGG sind nicht ersichtlich.