Anspruch auf Überbrückungsgeld aus der Arbeitslosenversicherung; Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach Anmietung von
Geschäftsräumen und gleichzeitigem Auslandsaufenthalt
Gründe:
I. Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Überbrückungsgeld aufgrund Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit
als Gastwirtin ab 15.09.2003 zu zahlen.
Die 1976 geborene Klägerin bezog von der Beklagten bis einschließlich 10.07.2003 Arbeitslosengeld.
Am 26.06.2003 stellte die Klägerin beim Arbeitsamt K. einen Antrag auf Zahlung von Überbrückungsgeld.
Sie gab an, am 15.09.2003 eine selbständige Tätigkeit als Gastwirtin aufzunehmen.
Vom 12.07.2003 bis 24.08.2003 hielt sich die Klägerin in der Türkei auf, zunächst um ihre kranke Mutter zu besuchen. Nach
eigenen Angaben ist die Klägerin dann selbst in der Türkei erkrankt.
Nach eigenen Angaben mietete die Klägerin ab 01.08.2003 ein Ladenlokal für die ab 15.09.2003 beabsichtigte Geschäftseröffnung
eines Döner-Kebap an.
Am 09.09.2003 meldete die Klägerin bei der Stadt G. die Aufnahme des Gewerbes ab 15.09.2003 an.
Mit Datum 10.09.2003 legte der Steuerberater G. eine Umsatz-Ertragsvorschau für den Imbissbetrieb der Klägerin für die Zeit
ab 15.09.2003 vor.
Mit streitigem Bescheid vom 15.12.2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zahlung von Überbrückungsgeld mit der
Begründung ab, der vom Gesetzgeber geforderte enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ende des Bezuges des Arbeitslosengeldes
und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit liege nicht vor.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Eingang am 12.01.2004 Widerspruch.
Aufgrund ihrer Erkrankung in der Türkei habe sie die für Anfang August 2003 geplante Eröffnung des Verkaufsladens verschieben
müssen. Außerdem habe sich das Genehmigungsverfahren beim Landsratsamt in die Länge gezogen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin mit Eingang am 20.07.2004 Klage vor dem Sozialgericht Landshut erhoben. Sie habe die Verzögerung
der Geschäftseröffnung nicht zu vertreten, da sich diese wegen ihrer Krankheit und fehlender amtlicher Genehmigung verzögert
habe.
Mit Urteil vom 12.10.2006 hat das Sozialgericht Landshut nach mündlicher Verhandlung der Streitsache die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin mit Eingang am 01.12.2006 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin u.a. vorgetragen, nachdem sie krankheitsbedingt verspätet aus der Türkei nach
Deutschland zurückgekehrt sei, habe sie Ende August ihren Laden anmelden wollen, dies sei aber wegen fehlender Papiere nicht
gegangen. Sie habe für August und September bereits Miete zahlen müssen. Auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland habe sie
noch wegen Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gestanden.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 12.10.2006 sowie des Bescheides der Beklagten vom 15.12.2003 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2004 die Beklagte zu verurteilen, den Antrag der Klägerin auf Zahlung von
Überbrückungsgeld ab 15.09.2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.10.2006 als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 23.03.2010 und 01.06.2010 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, dass das Gericht beabsichtigt, die
Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.10.2006 durch Beschluss - das heißt ohne Durchführung
einer mündlichen Verhandlung - zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Klageakte und der vorgelegten Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss gemäß §
153 Abs.4
SGG als unbegründet zurück, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält.
Die Beteiligten sind hierzu unter angemessener Fristsetzung gehört worden.
Die Beteiligten haben gegen die beabsichtigte Beschlussfassung durch den Senat keine Einwände erhoben.
Gemäß §
57 Abs.
1 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung für den Zeitraum 01.01.2002 bis 31.12.2003) können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung
in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten.
Gemäß §
57 Abs.
2 Ziffer 1a
SGB III besteht für die Gewährung von Überbrückungsgeld u.a. die Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer im engen zeitlichen Zusammenhang
mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder einer vorgeschalteten Maßnahme zu deren Vorbereitung Entgeltersatzleistungen
nach dem Sozialgesetzbuch bezogen hat oder einen Anspruch darauf gehabt hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt der in §
57 Abs.
2 Nr.
1a SGB III geforderte enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Bezug von Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch und der Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit (noch) vor, wenn zwischen den beiden Ereignissen eine Zeitspanne von nicht mehr als einem Monat
liegt.
Die zum hier streitgegenständlichen Überbrückungsgeld bestehende diesbezügliche Rechtsprechung (vgl. Niesel/Stratmann,
SGB III 3. Aufl., §
57 Rz. 8) ist vom Bundessozialgericht zuletzt in zwei Entscheidungen vom 05.05.2010 für die (mit Wirkung ab 01.08.2006) bestehende
Nachfolgeleistung des sog. Gründungszuschusses gemäß §
57 SGB III in der Fassung ab 01.08.2006 bestätigt worden.
So hat das BSG im Verfahren B 11 AL 11/09 R mit Urteil vom 05.05.2010 entschieden, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang als Voraussetzung für die Gewährung eines Gründungszuschusses
noch gewahrt ist, wenn zwischen dem Bestehen eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen
Tätigkeit ein Zeitraum von nicht mehr als einem Monat liegt.
Ferner hat das BSG im Verfahren B 11 AL 28/09 R (ebenfalls mit Urteil vom 05.05.2010) entschieden, dass die selbständige Tätigkeit auch schon durch Vorbereitungshandlungen
aufgenommen werden kann, die Außenwirkungen im Geschäftsverkehr entfalten.
So könnten - in dem vom BSG entschiedenen Fall - die Tatsachen, dass der Antragsteller bereits vor Geschäftseröffnung einen
Mietvertrag abgeschlossen und eine vorläufige Gaststättenerlaubnis bzw. eine Gewerbeanmeldung erwirkt habe, als Aufnahme der
selbständigen Tätigkeit gewertet werden, soweit diese Maßnahmen ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftseröffnung
ausgerichtet gewesen seien.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass der streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 15.12.2003 rechtlich nicht
zu beanstanden ist.
Die Klägerin hat bereits bei ihrer Antragstellung am 26.06.2003 angegeben, dass sie erst am 15.09.2003 eine selbständige Tätigkeit
als Gastwirtin (Döner-Kebap) in G. aufnehmen wollte. Auch die Umsatz- und Ertragsvorschau des Steuerberaters G. vom 10.09.2003
geht sowohl hinsichtlich der zu erwartenden Einnahmen wie auch hinsichtlich der entstehenden Raumkosten von einer Geschäftstätigkeit
ab 15.09.2003 aus.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin am 09.09.2003 ihr Gewerbe zum 15.09.2003 angemeldet hat.
Die von der Klägerin dargelegte Anmietung von Geschäftsräumen für die Zeit ab Anfang August 2003 ist daher für sich genommen
nicht geeignet, als Vorbereitungshandlung mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr im Sinne einer (vorzeitigen Aufnahme der selbständigen
Tätigkeit im Sinne des §
57 Abs.
2 Ziffer 1
SGB III) gewertet zu werden, zumal sich die Klägerin bis 24.08.2003 in der Türkei aufgehalten hat.
Nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin hat sie ihr Ladenlokal tatsächlich erst am 15.09.2003 und damit über zwei Monate
nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges am 10.07.2003 eröffnet.
Die Tatsache, dass die Klägerin bereits bei ihrer Antragstellung auf Überbrückungsgeld am 26.06.2003 das Datum des Beginns
der selbständigen Tätigkeit mit 15.09.2003 angegeben hat, belegt, dass die Klägerin - bis auf die vorzeitige Anmietung des
Ladenlokals - vorher keine weiteren Handlungen mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr aufnehmen wollte.
Ein Beratungsverschulden der Beklagten hinsichtlich der Antragstellung der Klägerin auf Gewährung von Überbrückungsgeld ist
für das Gericht nicht erkennbar.
Im Übrigen ist der tatsächliche Beginn der selbständigen Tätigkeit der Klägerin ein rechtserheblicher Tatbestand, den herzustellen
nicht in die Verfügungsmacht der Beklagten fällt. Die Voraussetzungen für einen sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
sind daher im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Somit ist zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§
160 Abs.
2 SGG).