Arbeitsunfall nach einer Rangelei
Sachlicher Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls
Handlungstendenz des Versicherten
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 25. August 2011 als Arbeitsunfall.
An diesem Tag befand sich der 1983 geborene Kläger im Rahmen seiner Umschulung zum Kaufmann im Groß- und Einzelhandel bei
der Deutschen Angestelltenakademie in C-Stadt in einer beruflichen Schulungsmaßnahme. Während der Unterrichtszeit, in der
die dort anwesenden Schüler (insgesamt 7 einschließlich des Klägers) in einem Unterrichtsraum im ersten Obergeschoss des Gebäudes
eigenverantwortlich an dort eingerichteten Computerarbeitsplätzen ihre Module bearbeiten sollten, versuchte eine Mitschülerin
des Klägers, die Zeugin D. E., den Kläger mit einem Gummispritztier nass zu spritzen. Der Kläger, welcher sich in Höhe eines
geöffneten Fensters befand, versuchte sich dem Wasserstrahl zu entziehen und gelangte dabei auf ein unterhalb des Fensters
befindliches Plexiglasvordach. Dieses hielt seinem Gewicht nicht stand, so dass der Kläger das Dach durchbrach und sich bei
dem Sturz auf die darunter befindliche Laderampe u.a. eine Fersenbeinfraktur rechts sowie Wirbelkörperfrakturen zuzog.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. September 2011 Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen
dieses Ereignisses ab, da ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe. Bei dem Vorgang, bei dem der Kläger im Rahmen einer Rangelei/Neckerei
aus dem Fenster gesprungen sei, habe es sich nicht um eine versicherte Tätigkeit gehandelt. Eine betriebsdienliche Tätigkeit
sei darin nicht zu erkennen. Damit sei auch die Prüfung entbehrlich, ob es sich um eine vernunftwidrige Handlung gehandelt
habe.
Hiergegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben am 17. Oktober 2011 Widerspruch ein und führte aus, der beratende Lehrer
habe während der Schulstunde den Raum verlassen, woraufhin es zu einzelnen Neckereien zwischen den Schülerinnen gekommen sei,
an denen sich der Kläger aber nicht beteiligt habe. Eine Schülerin habe ein Gummitier mitgebracht, das sie mit Wasser gefüllt
und anschließend versucht habe, den unbeteiligten Kläger nass zu spritzen. Beim Ausweichen habe der Kläger, der zu diesem
Zeitpunkt am geöffneten Fenster gestanden habe, sich so unglücklich bewegt, dass er aus dem Fenster auf das darunter liegende
Plexiglasdach gefallen sei. Der Kläger selbst sei bei den Ereignissen passiv geblieben und lediglich Opfer der Handlung gewesen,
sodass sich der eintretende Unfall für ihn als Arbeitsunfall darstelle. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 12. April 2012 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Mai 2012 Klage beim Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhoben.
Das Sozialgericht hat zunächst eine schriftliche Zeugenaussage der den Kläger am Unfallort behandelnden Notärztin Dr. F. eingeholt,
die unter dem 8. Oktober 2012 angegeben hat, sich nicht mehr an den vom Kläger geschilderten Unfallhergang erinnern zu können.
Sie könne auch nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob die im Einsatzprotokoll erfolgten Ausführungen zum Notfallgeschehen ausschließlich
aus den Aussagen des Klägers oder auch durch Zeugen zustande gekommen seien. Ausweislich des Einsatzprotokolls sei der Kläger
bei ihrem Eintreffen orientiert gewesen und es habe keine Amnesie vorgelegen. Das Einsatzprotokoll vom Unfalltag ist zu den
Akten genommen worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2013 hat das Sozialgericht den Kläger persönlich sowie die Mitschülerinnen
des Klägers G. H., I. J., D. E., K. L. und M. N. als Zeuginnen zu dem streitgegenständlichen Ereignis gehört. Wegen des Ergebnisses
dieser Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 5. Februar 2013 Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 5. Februar 2013 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2011 und
des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 verpflichtet, den Vorfall vom 25. August 2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen
und im gesetzlichen Umfang zu entschädigen. Zur Begründung hat es ausgeführt, vorliegend bestehe ein wesentlicher innerer
Zusammenhang zwischen dem streitgegenständlichen Ereignis und dem Schulbesuch. Bei der Frage, ob ein Schulbezug vorliege,
sei darauf abzustellen, ob die Verletzungshandlung schulbezogen gewesen sei. Maßgeblich sei dabei, ob der Vorfall auf der
typischen Gefährdung aus engen schulischen Kontakten beruhe und deshalb einen inneren Bezug zum Besuch der Schule aufweise
oder ob sie nur bei Gelegenheit des Schulbesuchs erfolgt sei. Schulbezogen in diesem Sinne seien Handlungen, die aus Spielereien,
Neckereien und Raufereien unter den Schülern hervorgegangen seien, ebenso Verletzungen, die in Neugier, Sensationslust und
dem Wunsch, den Schulkameraden zu imponieren, ihre Erklärung fänden; dasselbe gelte im Ergebnis für Verletzungshandlungen,
die auf übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen in der Phase der allgemeinen Lockerung der Disziplin - insbesondere
in den Pausen oder auf Klassenfahrten oder nach Beendigung des Unterrichts oder während der Abwesenheit der Aufsichtsperson
- beruhten. Ob diese Voraussetzungen vorlägen, dürfe nicht einer zu engen Auslegung unterzogen werden. Die innere schulische
Verbundenheit, die in dem Unfall zum Ausdruck kommen müsse, erfordere stets, dass die konkrete Verletzungshandlung durch die
Besonderheit des Schulbetriebs geprägt werde, was in der Regel eine enge räumliche und zeitliche Nähe zu dem organisierten
Betrieb der Schule voraussetze. Dabei sei zu bedenken, dass sich in der Schule Unfallgefahren insbesondere auch auf Grund
gruppendynamischer Prozesse ergäben, die der Unterricht und das erzwungene Zusammensein im schulischen Betrieb verursachten.
Von daher sei zu Grunde zu legen, dass schadensgeneigtes spielerisches oder auch aggressives Verhalten vielfach typisch für
den schulischen Betrieb sei. Vorliegend habe die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass dem Durchbrechen des Welldaches
ein eher pubertäres Verhalten zwischen unterschiedlichen Geschlechtern vorausgegangen sei, welches für erwachsene Menschen
wie den hier Beteiligten eher unwürdig sein dürfte, aber nicht untypisch sich zwischen unterschiedlichen Geschlechtern im
Rahmen eines zwangsweisen Zusammenarbeitens ohne die lenkende Hand einer verantwortungsvollen Person entwickeln könne. Die
Schüler hätten zum Zeitpunkt des Vorfalls eigenverantwortlich ohne weitere Aufsicht gearbeitet. Ganz offensichtlich sei es
in diesem Rahmen zu Verwirrungen gekommen, die in Neckereien untereinander gipfelten. Auch in Anbetracht des Alters der Beteiligten
handele es sich dabei um keine absolut untypische Situation. Dass der Kläger sodann unter völliger Fehleinschätzung der tatsächlichen
Tragfähigkeit eines Welldaches dieses gleichwohl mit einem gezielten Sprung betreten habe, sei neben dem möglicherweise vorhandenen
Imponiergehabe Folge eben jener Neckerei, so dass auch dafür die Schulbezogenheit zu bejahen sei. Dabei werde zu Grunde gelegt,
dass dem Kläger die Gefährlichkeit seines Tuns unter keinem Gesichtspunkt bewusst gewesen sei. Nicht viel anders als bei heranwachsenden
Schülern, bei denen immer mit Raufereien oder Neckereien zu rechnen sei, habe sich hier ein auch für Erwachsene nicht völlig
untypisches Gruppenverhalten in einem besonderen Gewaltverhältnis gezeigt. Dabei mag sich bei dem Verhalten der Beteiligten
der Umstand besonders ausgewirkt haben, dass der Kläger der einzig anwesende Mann gewesen sei und dass dieser die Situation
deshalb noch verstärkt ausgelebt habe.
Gegen dieses ihr am 13. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. März 2013 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht
eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sei u. a., dass die schadenstiftende Verrichtung
der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Dies sei hier nicht der Fall, denn Spielerei und Neckerei, wie sie hier dem maßgeblichen
Sprung aus dem Fenster vorausgegangen seien, liefen in der Regel dem Zweck des Betriebs zuwider. Eine Ausnahme bestehe bei
Kindern oder Jugendlichen, bei denen unter Berücksichtigung des Einzelfalles und ohne Anwendung einer schematischen Altersbegrenzung
zu prüfen sei, ob ein dem schutzbedürftigen Lebensalter noch nicht offensichtlich Entwachsener durch die Gestaltung der Betriebsverhältnisse,
insbesondere unzureichende Beaufsichtigung, in die Lage versetzt worden sei, seinem natürlichen Spiel- und Nachahmungstrieb
ungehindert nachzugehen und darauf der Unfall zurückzuführen ist. Habe der Versicherte das 18. Lebensjahr überschritten, führe
- bei normaler geistiger Entwicklung - eine fehlende betriebliche Aufsicht grundsätzlich nicht zu der Annahme des sachlichen
Zusammenhangs. Vorliegend habe es sich ausschließlich um sich weit im fortgeschrittenen Erwachsenenalter befindende Umschüler
- bei normaler geistiger Entwicklung - gehandelt, sodass kein Ausnahmefall vorliege. Vielmehr sei für beide Beteiligte die
Neckerei eine privatnützige Tätigkeit gewesen, die in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden
habe und daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Da sich auch sonst keine andere betriebliche
Gefahr ausgewirkt habe, sei das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 5. Februar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, das erstinstanzliche Urteil sei rechtmäßig und er schließe sich der dortigen Begründung in vollem Umfang an.
Die Neckerei sei ausschließlich von der Zeugin E. ausgegangen. Diese habe versucht, den Kläger, der ruhig am offenen Fenster
gestanden habe, nass zu spritzen; dem habe dieser ausweichen wollen. Dabei habe er sich in die falsche Richtung bewegt und
sei über die Fensterbrüstung aus dem Fenster gestürzt. Dass diese Brüstung nicht 91 cm hoch sein könne, dürfe außer Streit
stehen, da er anderenfalls einen längeren Anlauf benötigt hätte, um diese zu überwinden. Im Übrigen rücke die Beklagte viel
zu sehr die Folge des Geschehens in den Vordergrund. Sie beschäftige sich aber nicht mit der Ausgangslage. Es sei zu fragen,
wie aktiv sich der Kläger an den Neckereien beteiligt habe, ob er überhaupt daran beteiligt gewesen sei oder ob er nur rein
zufällig am Fenster gestanden habe. Weitergehend stelle sich die Frage, ob der Kläger hätte stehenbleiben und sich nass spritzen
lassen oder aber ausweichen sollen und was geschehen wäre, wenn er zur Seite ausgewichen und dabei ausgerutscht wäre und sich
das Bein gebrochen hätte. Das schadenstiftende Ereignis sei nicht der Sprung aus dem Fenster, sondern der spielerische Versuch
einer weiblichen Person gewesen, eine männliche Person, die am Fenster gestanden und nicht vor ihr weggelaufen sei, mit einem
Gummitier nass zu spritzen.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 27. Januar 2014 (Beklagte) bzw. 12. Mai 2014 (Klägervertreter) mit einer
Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und in der Sache auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, denn
die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtens. Der Kläger stand bei Eintritt des schädigenden Ereignisses am 25.
August 2011 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls kann folglich nicht
festgestellt werden.
Arbeitsunfälle sind nach §
8 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (
SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen
ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat und letzteres einen Gesundheits(-erst)schaden
oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Die versicherte Tätigkeit ergibt sich vorliegend
nicht - wie das Sozialgericht dies angenommen hat - aus der Schüler-Unfallversicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
8b SGB VII, vielmehr findet §
2 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII Anwendung, wonach Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen
und ähnlichen Einrichtungen kraft Gesetzes versichert sind. Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit
und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb
der Grenzen liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Dabei sind nicht
alle Verrichtungen eines grundsätzlich Versicherten im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte bzw. im konkreten Fall
im Laufe eines Unterrichtstages in den Unterrichtsräumen auch versichert, weil nach dem Wortlaut des §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen so genannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt
(§
10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche
Verrichtungen; diese führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit in der Regel zu einer Unterbrechung
des Versicherungsschutzes.
Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung
zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung
ausüben wollte.
Der Senat geht bei der Prüfung, ob es sich bei dem Ereignis vom 25. August 2011 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, von
folgendem Sachverhalt aus:
Der Kläger hielt sich im Rahmen seiner Umschulung zum Kaufmann im Groß- und Einzelhandel zu einer beruflichen Schulungsmaßnahme
bei der Deutschen Angestellten-Akademie gemeinsam mit sechs weiteren Teilnehmerinnen im Unterrichtsraum im ersten Obergeschoss
eines Speditionsgebäudes in C-Stadt auf, wo die Lernenden an ihren Rechnern selbständig und ohne Anwesenheit einer Lehrkraft
Module zu bearbeiten hatten. Zum Unfallzeitpunkt befand sich der Kläger am geöffneten Fenster des Unterrichtsraumes. Eine
der Teilnehmerinnen hatte ein Gummispritztier mitgebracht, mit dem die Zeugin D. E. den Kläger nass spritzen wollte. Um dem
Wasserstrahl auszuweichen, sprang der Kläger über die Fensterbrüstung auf ein vor dem Fenster befindliches Welldach, das dem
Gewicht des Klägers nicht standhielt, sodass dieser durchbrach und auf die darunter befindliche Laderampe stürzte.
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Angaben des Klägers, der Feststellungen zu den örtlichen
Gegebenheiten und den Angaben der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht als Zeuginnen gehörten Mitschülerinnen
des Klägers. Die Zeugin D. E. hat in Übereinstimmung mit dem Kläger selbst angegeben, dieser habe am Fenster gestanden, als
sie versuchte, ihn mit dem Gummispritztier nass zu spritzen. Keine der Zeuginnen - soweit sie sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt
mit Blickrichtung zu dem Kläger befanden, konnte dann jedoch einen Sturz des Klägers, wie dieser ihn behauptet, bestätigen.
Vielmehr ist der Kläger nach Angaben der Zeugin E. "dann zum Fenster raus und hat sich auf das Welldach gestellt", auf Nachfrage
hat sie hierzu weiter erklärt, der Kläger "ist aus dem Fenster gesprungen, er hat sich mit der Hand abgestützt und ist dann
raus". Auch bei einem schnellen Geschehensablauf bestätigt diese Wahrnehmung keinesfalls einen Sturz, sondern einen gezielten
Sprung aus dem Fenster. Diese Angaben stimmen im Übrigen auch überein mit den "Angaben des Versicherten" im Durchgangsarztbericht
vom 26. August 2011 sowie der auf den Angaben "anderer Personen" basierenden Schilderung des Unfallhergangs in der Unfallanzeige
der Deutschen Angestellten-Akademie vom 31. August 2011. Des Weiteren ist der von der Zeugin E. geschilderte Ablauf auch in
Einklang zu bringen mit den Angaben des Klägers gegenüber dem Durchgangsarzt, dass er mit den Füßen auf dem Boden aufgekommen
sei. Dass der Kläger mit den Füßen voraus aus dem Fenster "gestürzt" ist, ist bereits denklogisch ausgeschlossen. Letztlich
hat auch der Kläger im Anschluss an die Angaben der Zeuginnen selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht
eingeräumt, dass es sein könne, dass er noch "gehüpft" sei, bevor er aus dem Fenster "gefallen" sei. Da bereits nach den Angaben
des Klägers, der am Fenster gestanden hat, ein Stolpern oder Straucheln bei dem Ausweichen vor dem Wasserstrahl auszuschließen
ist, kommt ein solches als Ursache für einen Sturz aus dem Fenster nicht in Betracht. Vielmehr steht fest, dass der Kläger
aus dem Stand aus dem Fenster gelangt ist. Ein Sturz aus dem Stand aus dem vom Boden aus in 91 cm Höhe befindlichen Fenster
lediglich aufgrund einer Ausweichbewegung vor einem aus einem Gummitier gespritzten Wasserstrahl ist ohne entsprechenden Sprung
nicht nachvollziehbar, zumal es sich hierbei auch nicht um eine schmale Brüstung, wie bspw. eine Balkonumrandung, handelt,
sondern um einen Fensterrahmen mit davor befindlicher Fensterbank von ca. 27 cm Tiefe (Mitteilung der Deutschen Angestellten-Akademie
vom 5. Januar 2012 (Bl. 46 der Beklagtenakte)). Weitere Feststellungen zur Brüstungshöhe sind vorliegend auch vor dem Hintergrund
des klägerischen Vortrages nicht erforderlich. Zunächst ist die Feststellung der Höhe von 91 cm auch Gegenstand der mündlichen
Verhandlung vor dem Sozialgericht gewesen, ohne dass dies dort seitens des Klägers bestritten worden ist. Im Übrigen ist aus
den in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Fotos zu ersehen, dass es sich bei dem Fenster um ein normales Zimmerfenster
handelt, dessen Fensterbank noch deutlich oberhalb der Tischplatte des daneben befindlichen Schreibtisches liegt. Selbst wenn
also die angegebene Höhe von 91 cm nicht exakt stimmen sollte, kann es sich lediglich um eine äußerst geringe Abweichung handeln,
die keinerlei Auswirkungen auf die oben dargelegten Überlegungen hat.
Vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhaltes kann im Weiteren auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger, der zum Zeitpunkt
des Unfalls jedenfalls seine Aufgabe der Bearbeitung von Modulen an seinem Rechner nicht wahrgenommen, sondern am Fenster
gestanden hat, seine versicherte Tätigkeit bereits unabhängig von dem dann erfolgten "Angriff" mit dem Gummispritztier in
rechtlich relevantem Umfang unterbrochen hatte. Der Sprung aus dem Fenster zum Ausweichen vor dem Wasserstrahl stellt jedenfalls
eine aktive Teilnahme an der möglicherweise durch die Zeugin E. begonnenen Spielerei dar. Unfälle durch solche Spielereien
unter Erwachsenen am Ort der versicherten Tätigkeit sind aber grundsätzlich keine Arbeitsunfälle (vgl. Schwerdtfeger in Lauterbach,
Unfallversicherung (
SGB VII), 4. Auflage, Stand Juni 2014 m.w.N.). Neckereien und Spielereien sind nach der Handlungstendenz grundsätzlich als ein den
Interessen des Betriebes zuwiderlaufendes Verhalten anzusehen (Schmidt,
SGB VII, §
8 Rn. 82, 83). Eine insoweit großzügigere Betrachtung kommt im Rahmen der Schüler-Unfallversicherung bei Schülern und pubertierenden
Jugendlichen unter Berücksichtigung der Gefahren in Betracht, die sich aus unzureichender Beaufsichtigung oder aus dem typischen
Gruppenverhalten (Schubsen, Rangeleien usw.) innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule ergeben (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 41/03 R Rn. 16 nach Juris; Riebel in: Hauck/Noftz,
SGB VII, K §
2 Rn. 102; Schwerdtfeger in: Lauterbach,
SGB VII, §
2 Rn. 296), aber auch bei Jugendlichen, die als Beschäftigte nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII oder als Lernende §
2 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII versichert sind und bei einer Spielerei im Betrieb oder in der Unterrichtsstätte verunglücken, wenn der Unfall darauf zurückzuführen
ist, dass sie ihrem natürlichen Spiel- bzw. Nachahmungstrieb nachgegeben haben und nicht ausreichend beaufsichtigt worden
sind (Schmidt,
SGB VII, §
8 Rn. 84). Ob eine Neckerei oder Spielerei der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, ist dabei weitgehend vom Alter des Versicherten
abhängig. In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht auch zu Recht darauf hingewiesen, dass insoweit eine schematische Altersgrenze,
bspw. mit Vollendung des 18. Lebensjahres, nicht besteht (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 41/03 R Rn. 17 nach Juris m.w.N.). Vorliegend ist der zum Unfallzeitpunkt 27-jährige Kläger, der sich im Rahmen einer Berufsausbildung
mit mehreren Umschülerinnen in einem Computerraum befindet, in dem die Umschüler selbständig Computermodule zu bearbeiten
haben, letztlich nicht anders zu beurteilen als ein 27-jähriger Beschäftigter in einem Großraumbüro. Dass es auch zwischen
Erwachsenen zu Neckereien und Spielereien kommt, ist zwar nicht völlig außergewöhnlich, möglicherweise - wie das Sozialgericht
annimmt - hier auch dem Umstand geschuldet, dass der Kläger sich an diesem Tag als einziger männlicher Teilnehmer im Unterrichtsraum
befunden hat. Es handelt sich vorliegend aber offensichtlich nicht um ein alterstypisches, einer noch fehlenden Reife geschuldetes
Verhalten und damit nicht um den seitens des Bundessozialgerichts in seiner ständigen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 aaO. m.w.N.) geforderten natürlichen und ungehemmten Spieltrieb junger ("im Übergangsstadium
vom Kind zum werdenden Mann" - BSG SozR Nr. 68 zu § 542
RVO a.F.) Menschen als den Unfall auslösenden Faktor. Damit hat es bei dem oben dargelegten Grundsatz zu verbleiben, dass ein
übermütiges Verhalten im Rahmen einer Neckerei und Spielerei, wie es der Sprung aus dem Fenster auf das davor befindliche
Welldach darstellt, nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen und damit nicht im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung
geschützt ist.
Demnach musste die Berufung Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf §
160 SGG.